Bedeutete die Erklärung Bundeskanzler Adenauers von 1954 einen bindenden Verzicht der Bundesrepublik auf Atomwaffen?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

29 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Deckblatt

Einleitungssatz

Einleitung

Begriffsbestimmungen
Kalter Krieg
Atomwaffen
Frieden
Bundeswehr

Die Verhandlungen über die Westeuropäische Union

Bestrebungen nach der Verzichtserklärung
Konrad Adenauer – Politisches Genie in den Anfangsjahren der Bundesrepublik
Franz Josef Strauß – vom „Minister für dat Atom“ zum Verteidigungsminister
Das Bundesministerium der Verteidigung – Mitverfügbarkeit als Ziel

Schluss

Epilog
Die Deutschen und ein langer Friede
Die Zukunft der Atomwaffen
Anmerkung zum Forschungsgegenstand

Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Quelle BMVg
Literaturverzeichnis
Quellen
Memoiren
Literatur
Onlinequellen

Einleitung

Diese Hausarbeit soll die weit verbreitete Vorstellung, dass die Bundesrepublik Deutschland nie Interesse an der Atombombe hatte, widerlegen. Dieser idealistische Gedanke widerspricht den historischen und politischen Fakten [2].Dazu wird die im Einleitungssatz zitierte Verzichtserklärung von Bundeskanzler Konrad Adenauer analysiert. Der zeitliche Rahmen ist dabei auf die 1950er Jahre und damit die Hochzeit des Kalten Krieges begrenzt. Dieser Epoche des Ost-West-Konflikts kommt dabei eine besondere Bedeutung bei, da sämtliche weltpolitische und militärische Entscheidungen dieser Zeit unmittelbar mit der Blockbildung verknüpft sind bzw. vor ihrem Hintergrund betrachtet werden müssen.

Am Anfang der Arbeit steht allerdings eine kurze Definition der wichtigsten Begriffe, um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen. Der Hauptteil befasst sich mit den Verhandlungen über die Westeuropäische Union und der Beschreibung späterer Bestrebungen deutscher Nuklearpolitik, die hauptsächlich mit Bundeskanzler Konrad Adenauer, Bundesminister Franz Josef Strauß und dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) verbunden sind. Danach wird im Schlusskapitel die aufgestellte Behauptung, die BRD habe sehr wohl Interesse an der Atombombe gezeigt, zusammengefasst und kritisch diskutiert. Zuletzt folgen in einem kurzen Epilog die weiteren Entwicklungen über den friedlichen Zusammenbruch des Ostblocks bis heute sowie der Versuch eines Ausblicks in die zukünftige Atomwaffenpolitik, um das Thema abzuschließen.[3]

Die wichtigste Literatur für diese Arbeit waren das Buch „Bonn und die Bombe “ von Matthias Küntzel und verschiedenen Biografien über Konrad Adenauer und Franz Josef Strauß. Als Quellen wurden in erster Linie Bundestagsreden verschiedener Beteiligter, die Memoiren des Altkanzlers und seines Atom- bzw. Verteidigungsministers sowie eine Untersuchung des BMVg herangezogen.

Allerdings ist es teilweise sehr problematisch an Quellen für diese brisante Fragestellung heran zu kommen, da die Nuklearmachtsträume der Bundesrepublik auch heute noch gerne totgeschwiegen werden. In vielen Büchern stehen nur spärliche Informationen, die sehr zeitaufwendig zusammengetragen wurden.

Begriffsbestimmungen

Kalter Krieg

Ost-West-Konflikt

Der Kalte Krieg ist eine Epoche des Ost-West Konfliktes. Diese globale Kontroverse hat ihre ideologischen Ursprünge bereits am Anfang des 19. Jahrhunderts und endet nach der klassischen Definition erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 1990er. Die Zeitspanne des Kalten Krieges dagegen beginnt erst mit dem Ausscheiden der Sowjetunion aus der alliierten Kriegskoalition bei der Außenministerkonferenz im Dezember 1947 und endet mit dem Beginn der Entspannungspolitik nach der Kubakrise von 1962. Diese Zeit ist geprägt durch wechselseitige Vernichtungsangst, aggressive Selbstisolierung und präventive Kriegsvorbereitungen.[4]

Atomwaffen

Massenvernich-tungswaffen

An dieser Stelle wird die Definition aus der Anlage der Adenauererklärung zitiert, da diese für das hier behandelte Thema maßgeblich ist. Atomwaffen sind demnach Waffen, die Kernbrennstoff oder radioaktive Isotope enthalten oder eigens dazu bestimmt sind, solche aufzunehmen und welche – durch Explosion oder andere ungeregelte Kernumwandlung des Kernbrennstoffes oder durch Radioaktivität des Kernbrennstoffes oder radioaktive Isotope – Massenzerstörungen, Massenschaden oder Massenvergiftung hervorrufen können.[5].Diese Definition müsste allerdings schon für die 1950er Jahre revidiert werden, da damals bereits taktische Atomgranaten, eine Weiterentwicklung der herkömmlichen Artillerie, getestet wurden und sich damit die Atombombe nicht mehr als reine Massenvernichtungswaffe präsentierte.

Die erste Atombombe wurde von der US-Armee am 16. Juli 1945 in New Mexico getestet. Die Sowjetunion zog am 29. August 1949 nach,[6].Großbritannien dagegen war erst am 2. Oktober 1952 in der Lage, seine erste eigene Atombombe einzusetzen[7] Die Franzosen zündeten am 13. Februar 1960 in der Sahara ihre erste Bombe.[8]

Die bis heute einzigen militärischen Einsätze waren die Abwürfe der Amerikaner am 6. bzw. 9. August 1945 auf Hiroshima und Nagasaki, die schließlich den Zweiten Weltkrieg auch in Asien beendeten.[9]

Frieden

Negativer Friede

Der Friedensbegriff der Gründungsjahre der BRD war ein negativer Friede, der die Abwesenheit von Krieg bedeutet. Das Bedrohungspotenzial als Frontstaat in der internationalen Situation und das Wettrüsten der Blöcke ist ebenfalls Teil dieses Friedens. Die Bundesregierung sah diesen Zustand in den fünfziger Jahren durch die Sowjetunion bedroht an und nahm dies als Hauptgrund für die Gründung der Bundeswehr gegen jeden politischen und in der Bevölkerung verbreiteten Widerstand.[10].Die Atombombe sollte als Abschreckungswaffe diesen negativen Frieden sichern. Diese Tatsache verleitete Egon Bahr 1973 zu der paradoxen Aussage, „man muss die Atombombe einmal loben“.[11]

Bundeswehr

Namensgebung

Bei der Gründung der deutschen Streitkräfte mit der Ernennung der ersten 101 Freiwilligen am 12. November 1955 existierte der Name Bundeswehr noch nicht. Erst mit der Verabschiedung des "Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten" am 20. März 1956 wurden die deutschen Streitkräfte in Bundeswehr umbenannt. Interessant dabei ist, dass sich in einer Umfrage nur 25% der deutschen Bevölkerung für Bundeswehr aussprachen. 35% der Befragten wollten dagegen am Namen Wehrmacht festhalten. Bundeswehr geht auf den FDP Abgeordneten Manteuffel zurück und wurde u.a. von Bundespräsident Theodor Heuss bevorzugt.[12]

Die Verhandlungen über die Westeuropäische Union

Die im Einleitungssatz zitierte Verzichtserklärung wurde nicht zufällig während der Verhandlungen über eine Westeuropäische Union abgegeben. Nach den Ausführungen von Matthias Küntzel kam es aber nicht freiwillig zu diesem deutschen Verzicht. Für die Westalliierten war die Erklärung die Vorraussetzung für eine deutsche NATO-Mitgliedschaft und den Souveränitätserhalt der Bundesrepublik.[13] Auch die Gründung eigener deutscher Streitkräfte setzte aus alliierter Sicht den Verzicht auf Atomwaffen voraus.[14] Die Bundesregierung dagegen versuchte sich einer solchen Verzichtserklärung zu entziehen, um sich alle Optionen für die Zukunft offen zu halten und um sich im Vergleich zu anderen Staaten nicht diskriminieren zu lassen.[15]

EVG

Bereits im Vorfeld der Londoner 9-Mächte-Konferenz kam es allerdings zu einer Verzichtserklärung der Bundesrepublik. Im Rahmen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft unterzeichnete Adenauer eine fünf Punkte umfassende Erklärung auf Druck von Frankreich und Großbritannien.[16] Matthias Küntzel beschreibt diese Entwicklung sehr ausführlich, für das in dieser Arbeit behandelte Thema reicht aber die Feststellung aus, dass dieser Verzicht mit dem Scheitern der EVG nichtig wurde. Bemerkenswert ist jedoch die Tatsache, dass die Erklärung von 1954 nicht so weit ging, wie die ursprüngliche Formulierung. So entfielen sämtliche aufgeführten, zahlenmäßigen Beschränkungen auf die Menge von nuklearen Elementen.[17] Lediglich der Verzicht auf die Produktion sowie militärische Forschung und Nutzung wurden übernommen.[18]

Küntzel beendet sein Kapitel über die Verzichtserklärung damit, dass der BRD dennoch sämtliche Optionen auf eine zivile Nutzung der Kernkraft blieben und der Weg für eine nukleare Bewaffnung geöffnet wurde, da die Erklärung weder den Erwerb von fertigen Waffen noch die Produktion im Ausland untersagte.[19]

Ergebnis

Als Ergebnis der Gespräche von London und Paris lässt sich also zusammenfassend sagen, das Herstellungsverbot bezieht sich ausschließlich auf Gegenstände und Einrichtungen zum militärischen Gebrauch auf deutschem Boden. Die zivile Nutzung der Atomkraft ist für die BRD sowieso legitim[20] und auch für die militärischen Möglichkeiten bleiben alle Tore geöffnet, da im Ausland entwickelt und produziert werden darf, ohne gegen die Erklärung zu verstoßen.

Die weit verbreitete Vorstellung, die BRD verzichtete auf eigene atomare, biologische und chemische Waffen und erlangte damit die Souveränität zurück (abgesehen von Viermächte-Zuständigkeiten für Berlin und Gesamt-deutschland)[21] ist somit unzureichend.

Bestrebungen nach der Verzichtserklärung

Konrad Adenauer – Politisches Genie in den Anfangsjahren der Bundesrepublik

Adenauers Wechselpolitik

Adenauers Position passte sich den jeweiligen globalen politischen Bedingungen an,[22] was auch zu Änderungen seiner Einstellung zur Widerbewaffnung im Allgemeinen und der nuklearen Rüstung der Bundeswehr im Speziellen führte. Während er im November 1949 in einem Interview mit der amerikanischen Zeitung Cleveland Plain Dealer eine Widerbewaffnung grundsätzlich ausschloss,[23] sprach er sich 1956 im Bundeskabinett sogar ausdrücklich für eine deutsche Atombombe aus: „Es sei daher dringend erforderlich, daß die Bundesrepublik selbst taktische Atomwaffen besitze.“[24] Im Protokoll dieser Sitzung heißt es abschließend: „Es müsse also gefordert werden, den Aufbau der Bundeswehr [..] beschleunigt durchzuführen, eine Zusammenfassung Europas voranzutreiben und nukleare Waffen in der Bundesrepublik herzustellen.“Dieser Richtungswechsel ist im Zuge der Entwicklung der jungen BRD leicht nachzuvollziehen. Während es 1949 zunächst um die Schaffung und Etablierung des neuen Staates ging, bestand das Ziel Mitte der 1950er Jahre schon in der Erlangung größerer Souveränität und eine feste Position in den westlichen Bündnissen. Michael Geyer schreibt in seinem Buch Deutsche Rüstungspolitik dazu, dass volle Gleichberechtigung für die BRD nur durch Atomwaffen und ihre Träger möglich sei.[25] Auch für Franz Josef Strauß gehört Militär, im deutschen Fall also die Wiederbewaffnung, grundsätzlich zu einem souveränen Staat.[26]

[...]


[2] Küntzel, M. Bonn und die Bombe. Seiten 9ff.

[3] Dies übersteigt den zeitlichen Rahmen der Fragestellung der Hausarbeit, allerdings kann

dieser kurze Epilog aber einen Bogen zur heutigen Politik und bspw. dem Problem der iranischen Urananreicherung schlagen. (Stand Februar 2006)

[4] Diese Definition wurde aus der Einleitung des Buchs Die Teilung der Welt von Wilfried Lothübernommen.

[5] BA MA BW1/10233 I Seite 154.

[6] Wiegrefe, K. Wie es zum Abwurf der Atombombe kam. Seiten 100ff.

[7] Churchill, W. Der Zweite Weltkrieg. Seite 1113.

[8] Küntzel, M. Bonn und die Bombe. Seite 17.

[9] Wiegrefe, K. Wie es zum Abwurf der Atombombe kam. Seiten 100ff.

[10] Niedhart, G. Frieden als Norm und Erfahrung. Seite 4f.

[11] Zitiert nach Niedhart, G. Frieden als Norm und Erfahrung. Seite 13.

[12] BMVG (2004). Name Bundeswehr.

http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/kcxml/04_Sj9SPykssy0xPLMnMz0vM0Y_QjzKLt4w3cjcGSYGZpub6kTCxoJRUfV_NxUfW_9AP2C3IhyR0dFRQCMTJ1F/delta/base64xml/L2dJQSEvUUt3QS80SVVFLzZfOV8yRzM!?yw_contentURL=%2FC1256F1200608B1B%2FN264WR2U674MMISDE%2Fcontent.jsp am 6. März 2006.

[13] Küntzel, M. Bonn und die Bombe. Seite 19.

[14] Tuschhoff, C. Deutschland, Kernwaffen und die NATO. Seiten 75ff.

[15] Küntzel, M. Bonn und die Bombe. Seite 20.

[16] Küntzel, M. Bonn und die Bombe. Seite 20.

[17] BA MA BW1/10233 I Seite 150.

[18] Küntzel, M. Bonn und die Bombe. Seite 20.

[19] Küntzel, M. Bonn und die Bombe. Seiten 19f.

[20] BA MA BW1/10233 I Seite 154.

[21] Thrädhardt, D. Bundesrepublik Deutschland.

[22] Und das nicht nur im Bezug auf die Widerbewaffnung. Konrad Adenauer verstand es wie

kaum ein anderer Politiker, durch geschicktes Taktieren innen- und außenpolitisch ein starkes Westdeutschland zu schaffen. Sicherlich gibt es genügend Ansätze für Kritik, vor allem was Alleingänge angeht (z.B. Bonn als Hauptstadt). Aus heutiger Sicht einer souveränen und wirtschaftlich sowie gesellschaftlich stabilen, wiedervereinigten BRD waren seine Politik und die Entscheidung für die Westintegration richtig.

[23] Adenauer, K. Erinnerungen 1945-1953. Seite 341ff.

[24] Konrad Adenauer in der 164. Kabinettssitzung am 19. Dezember 1956 TOP I

(»Kabinettsprotokolle der Bundesregierung« online http://www.bundesarchiv.de/kabinettsprotokolle/web/index.jsp am 03.06.2005)

[25] Geyer, M. Deutsche Rüstungspolitik.

[26] Strauß, F.J. Die Erinnerungen. Seiten 232 und 252.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Bedeutete die Erklärung Bundeskanzler Adenauers von 1954 einen bindenden Verzicht der Bundesrepublik auf Atomwaffen?
Hochschule
Universität Mannheim
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
29
Katalognummer
V264897
ISBN (eBook)
9783656544104
ISBN (Buch)
9783656544739
Dateigröße
536 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bedeutete, erklärung, bundeskanzler, adenauers, verzicht, bundesrepublik, atomwaffen
Arbeit zitieren
Dr. Michael Knoll (Autor:in), 2005, Bedeutete die Erklärung Bundeskanzler Adenauers von 1954 einen bindenden Verzicht der Bundesrepublik auf Atomwaffen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/264897

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Bedeutete die Erklärung Bundeskanzler Adenauers von 1954 einen bindenden Verzicht der Bundesrepublik auf Atomwaffen?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden