Die Effektivität von Therapeutic Touch im klinischen Bereich

Eine Literaturanalyse


Masterarbeit, 2013

238 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Methode

3 Therapeutic Touch
3.1 Geschichte und Entwicklung von »Therapeutic Touch«
3.2 Der interne Prozess von »Therapeutic Touch«
3.3 Die spirituelle Dimension von »Therapeutic Touch«
3.4 Kritikpunkte zu »Therapeutic Touch«
3.5 Theoretischer, philosophischer und bioenergetischer Rahmen von »Therapeutic Touch«
3.5.1 Die »Wissenschaft vom unitären Menschen« nach Martha Rogers
3.5.2 Das »Prinzip der Einheit oder dynamischen Vollkommenheit« von Renee Weber
3.5.3 Das »Modell des menschlichen Energiefeldes« nach Dora Kunz
3.5.4 »Biofeldtherapien« als Subkategorie energetischer Therapien

4 Anwendungsbereiche von »Therapeutic Touch« im klinischen Bereich
4.1 Anwendung von »Therapeutic Touch« im Palliativbereich
4.2 Anwendung von »Therapeutic Touch« im chirurgischen Bereich
4.3 »Therapeutic Touch« im Bereich von Verbrennungsstationen bzw. Verbrennungskliniken
4.4 »Therapeutic Touch« im diagnostischen Bereich
4.5 »Therapeutic Touch« im Bereich der Neonatologie
4.6 »Therapeutic Touch« als Anwendung im psychiatrischen Bereich

5 Effektivität von »Therapeutic Touch« innerhalb der klinischen Bereiche
5.1 Reduzierung von akuten und chronischen Schmerzen
5.2 Reduzierung von Angst
5.3 Verbesserung des Wohlbefindens
5.4 Effektivität und Sicherheit von »Therapeutic Touch« anhand der Messung von Vitalwerten wie Puls, Blutdruck, Atemfrequenz und Körpertemperatur
5.5 Beschleunigung der Wundheilung

6 Analyse und Bewertung der Studien

7 Zusammenfassung

8 Diskussion

9 Fazit und Ausblick

10 Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Eine Vielzahl medizinischer Einrichtungen und Krankenhäuser im angloamerikanischen Raum gehen dazu über, energetische Biofeldtherapien als komplementäre Heilmethoden in der konventionellen Versorgung und Behandlung von Patienten zur Unterstützung allopathischer Behandlungen von chronischen und degenerativen Erkrankungen sowie nach postoperativen Eingriffen zu integrieren (Rindfleisch 2010; Anderson & Taylor 2011a, 2011b, 2012; Bulette Coakley & Barron 2012; Smith 2005; Staud 2011; Vitale 2006, 2007; Pierce 2007; Fouladbakhsh, Stommel, Given & Given 2005; Tan et al., 2007; Beard et al., 2011; Bardia, Barton, Prohop, Bauer & Moynihan 2006; Newshan & Schuller-Civitella 2003; Barron, Bulette Coakley & Mahoney 2008).

Das »National Center for Complementary and Alternative Medicine (NCCAM)« betrachtet diese sogenannten »Biofeld Therapien« als eine der Subkategorien energetischer Therapien und damit als eine der fünf Hauptdomänen komplementärer und alternativer Medizin[1]. Diese energetischen Methoden haben eine lange Vorgeschichte in vielerlei Kulturen und erreichten erst vor kurzer Zeit die westliche Hemisphäre (Monzillo & Gronowicz 2011, S. 44; vgl. auch dazu NCCAM 2011).

Zu den energiebasierten komplementären Therapiemethoden, die mit Hilfe der Hände durchgeführt werden und bei denen gleichzeitig die Hände des Therapeuten als Medium und Transfer des Energieaustauschs dienen, zählen »Healing Touch«, »Therapeutic Touch«, »Polarity«, »Reiki«, »Jin Shin Jyutsu«, »Qigong«, »Touch for Health«, »Reflexologie«, »Akupressur« und »Shiatsu« (Slater 1996, S. 121) .[2]

Die Heilmethode »Therapeutic Touch« wurde in den 70er Jahren von Dolores Krieger, Pflegeprofessorin an der Universität von New York, und Dora Kunz, einer bekannten Heilerin, primär und speziell für Pflegefachkräfte als komplementäre Pflegeintervention entwickelt. Vorgestellt wurde diese Methode erstmals im Jahre 1975 (Krieger 1975b, S. 15). Sie basiert auf der Annahme, dass Menschen ein komplexes Energiefeld darstellen und dass sie die Fähigkeit besitzen, bei anderen wie auch bei sich selbst Heilung zu fördern. »Therapeutic Touch«, die ihre Wurzeln in der uralten Praxis des Handauflegens hat, ist eine moderne Variante mehrerer alter Heilpraktiken, beruhend auf der Fähigkeit, menschliche Energien zu lenken und zu harmonisieren (Krieger 1995, S. 37 und S. 51; Mentgen 2001, S. 146; Spear Begley 2002, S. 69).

Als theoretischen und philosophischen Rahmen von »Therapeutic Touch« gilt das »Modell des einheitlichen Menschen« von Martha Rogers (Rogers 1997, S. 188; vgl. dazu auch Malinski 1993; vgl. dazu auch Quinn 1984, 1989a, 1989b; Meehan 1998; Madrid 1996), das »Prinzip der Einheit oder dynamischen Vollkommenheit« von Renee Weber (Macrae 1987, S. 337 vgl. dazu auch Weber 1981, 1987) sowie das »Modell des menschlichen Energiefeldes« von Dora Kunz. Relativitätstheorie und Quantenmechanik sowie die »Theorie der impliziten Ordnung« gelten als unterstützender Rahmen der Methode (Malinski 1993, S. 1; vgl. dazu Weber 1981, 1987; Spear Begley 2002; vgl. dazu auch van Gelder-Kunz & Karagulla 1994; Kunz & Krieger 2004).

Krieger und Kunz wählten zur Unterrichtung dieser neuen Heilmethode primär Pflegefachkräfte auf Masterniveau und Doktoranden, da diese nach deren Begründung die Hingabe und das Engagement besäßen, diese Methode zu erlernen. Zudem seien Pflegefachkräfte aufgrund der Nähe zum Patienten dazu prädestiniert, diese Methode am effektivsten einsetzen zu können. Im Jahre 1975 führte Dolores Krieger »Therapeutic Touch« im großen Rahmen in den Pflegeberuf ein (Kunz & Krieger 2004, S. 7; Meehan 1998, S. 117/118).

Anfang der 90er Jahre wurde es im sogenannten Masterprogramm »Frontiers of Nursing« an der Universität von New York aufgenommen (Krieger, Peper & Ancoli 1979, S. 660; vgl. dazu auch Spear Begley 2002, S. 69). Bereits im Jahre 1995 wurde »Therapeutic Touch« an mehr als 80 Universitäten und Schulen sowie in unzähligen Kliniken, berufsbegleitenden Einrichtungen sowie in fortlaufenden Ausbildungsprogrammen in den Vereinigten Staaten unterrichtet (Krieger 1995, S. 26) und in mehr als 90 Ländern gelehrt (Krieger 2004, S. 2).

Diese Methode hat weltweit Unterstützung innerhalb der Pflege erlangt, besonders in den USA (DiNucci 2005; Ernst & Ferrer 2009; Krieger 2004). Auch in der Bundesrepublik findet diese komplementäre Pflegeintervention zunehmend Anwendung im klinischen und intensivmedizinischen Bereich (Götz-Ahmed 2006), im Altenpflegebereich (Wallrabenstein 2005, 2006, 2008, 2012), im ambulanten Bereich (Beckendorf 2005; Fischer-Ehrenreich 2004, 2005), im Bereich der Kinderkrankenpflege (Rose 2010) sowie innerhalb der Kinder- und Jugendpsychiatrie (Beckendorf 2004a, 2004b).

Dementsprechend findet sich vor allem im angloamerikanischen Raum eine Fülle an Literatur und Studien hinsichtlich »Therapeutic Touch«, die in den unterschiedlichsten Settings, wie im klinischen und ambulanten Bereich, in Tageskliniken, in der stationären Altenpflege und innerhalb von Praxen, bei unterschiedlichen medizinischen Diagnosen und damit einhergehenden Problemstellungen durchgeführt wurden und die folgenden physiologischen und psychologischen Effekte zeigen:

(1) Reduzierung von Schmerzen (Keller & Bzdek 1986; Giasson & Bouchard 1998; Eckes Peck 1998; Gordon, Merenstein, D'Amico & Hudgens 1998; Denison 2004; Smith, Arnstein, Rosa & Wells-Federman 2002; Matas 1997; Turner, Clark, Gauthier & Williams 1998; Woods Smith, Arnstein, Cowen Rosa & Wells-Federman 2002; Lin & Taylor 1998; Biley 1996; Meehan 1993; Samarel, Fawcett, Davis & Ryan 1998; Blankfield, Sulzmann, Groetz Fradley, Tapolyai & Zyzanski 2001; Hentz et al., 2009; Estefani Ribeiro, Santiago Baldan, Berton, Pavam & Paes da Silva 2010; Coakley & Duffy 2010);

(2) Reduzierung von Stress und Agitation (Woods, Craven & Whitney 2005; Woods & Dimond 2002; Woods, Beck & Sinha 2009; Hawranik, Johnston & Deatrich 2008; Kramer 1990; Newshan & Schuller-Civitella 2003; Cox & Hayes 1999; Kelly, Sullivan, Fawcett & Samarel 2004; Hanley 2008; Lafreniere et al., 1999);

(3) Reduzierung von Angst (Olson, Sneed, Bonadonna, Ratliff & Dias 1992; Heidt 1981a; Simington & Laing 1993; Gagne & Toye 1994; Larden, Palmer & Janssen 2004; McElligott et al., 2003; Olson & Sneed 1995; Quinn 1984, 1989a; Turner, Clark, Gauthier & Williams 1998; Ireland 1998; Green 1998);

(4) Beschleunigung der Wundheilung (Wirth 1990a, 1990b; Wirth, Richardson, Eidelman & O'Malley 1993; Wirth, Barrett & Eidelman 1994; Wirth, Richardson, Martinzez, Eidelman & Lopez 1996; Woods Smith, Arnstein, Cowen Rosa & Wells-Federman 2002).

Gleichwohl findet sich eine Vielzahl unterschiedlichster Reviews zur Darstellung und Evaluierung von »Therapeutic Touch«, die eine kontroverse Sicht hinsichtlich der Effektivität von »Therapeutic Touch« als komplementäre Pflegeintervention aufzeigen (Apostle-Mitchell & Mac Donald 1997; Spence & Olson 1997; O'Mathüna 2000; Peters 1999; O'Mathüna & Ashford 2012; Fazzino, Griffin, McNulty, Fitzpatrick 2010; Monroe 2009; Jackson, Kelley,

McNeil, Meyer, Schlegel & Eaton 2008; Robinson, Biley & Dolk 2009; Ireland & Olson 2000; Smith 2005; Winstead-Fry & Kijek 1999; Easter 1997; Tan et al., 2007).

Bisher wurde jedoch keine Literaturanalyse erstellt, welche einen Überblick über den bisherigen Forschungsstand der Effektivität von »Therapeutic Touch« als komplementäre Pflegeintervention im klinischen Bereich gibt, um die Wirksamkeit von »Therapeutic Touch« zu ermitteln.

Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit verwendet als Methode die Literaturanalyse und hat als Ziel, die Darstellung und kritische Evaluierung randomisiert kontrollierter Studien im klinischen Bereich, um die Effektivität von »Therapeutic Touch« als unterstützende Pflegeintervention jedweder medizinischer Diagnose aufzuzeigen und zu analysieren und diese für die Pflege im klinischen Bereich zur Verfügung zu stellen.

Die sich daraus ergebende Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit lautet daher: In welchen klinischen Bereichen zeigt sich die Effektivität von »Therapeutic Touch« als komplementäre Pflegeintervention?

Die Grundlage der Bearbeitung dieser Fragestellung bildet die durchgeführte Literaturanalyse, wie eingangs erwähnt. Der erste Teil der Arbeit befasst sich demnach mit der Beschreibung der Methode. Die Ergebnisse der Literaturanalyse werden in den darauffolgenden Kapiteln ausgeführt. Im zweiten Teil werden der geschichtliche Hintergrund und die Entwicklung der Methode »Therapeutic Touch« beschrieben, der auch den internen Prozess und die spirituelle Dimension sowie eine Darstellung der Kritikpunkte beinhaltet. Im Anschluss daran erfolgen die Vorstellung des theoretischen, philosophischen und bioenergetischen Rahmens von »Therapeutic Touch« und ein Überblick der wissenschaftlichen Ergebnisse zu bioenergetischen Methoden aus der Biophysik und Biophotonentheorie. Dann werden die Anwendungsbereiche von »Therapeutic Touch« im klinischen Bereich sowie die Effektivität der Methode in diesen Bereichen dargestellt. Im Weiteren erfolgt die Analyse und Bewertung der Studienergebnisse. Den Abschluss der Arbeit bilden die Zusammenfassung der Ergebnisse, die Diskussion derselbigen und das Fazit.

2 Methode

Zu Beginn dieser wissenschaftlichen Arbeit wurde die Recherche und Beschaffung der für die Themenstellung relevanten Literatur durchgeführt, um eine inhaltliche Kompetenz bezüglich der verfolgten Themenstellung zu erlangen. Als Basislektüre wurden die Übersichtsarbeiten zu »Therapeutic Touch« von Krieger (1975a, 1975b, 1976, 1995) und Kunz (Kunz 2000; Kunz & Krieger 2004) herangezogen, um einen ersten Einstieg in das Thema zu gewährleisten.

Dieser Einstieg erlaubte auch die Formulierung der leitenden Fragestellung der vorliegenden Arbeit „In welchen klinischen Bereichen zeigt sich die Effektivität von »Therapeutic Touch« als komplementäre Pflegeintervention".

Um diese spezifische Fragestellung zu bearbeiten, wurden internationale Journals und Überblicksartikel zu speziellen Forschungsprogrammen, die sogenannten »Surveys«, herangezogen. Die Vorgehensweise dieser Recherche wird im weiteren Abschnitt detailliert beschrieben. Festzuhalten ist in dem Zusammenhang schon einmal, dass für die leitende Fragestellung, den Nachweis der Effektivitätsfrage von »Therapeutic Touch«, ausschließlich randomisiert kontrollierte Studien herangezogen wurden, welche im klinischen Bereich stattfanden. Denn diese Art des Studiendesign gilt nach derzeitig vorherrschender Meinung als valide und reliable Vorgehensweise für den Nachweis der Effektivität (vgl. Dreier, Borutta, Strahmeyer, Krauth & Walter 2010).

In dieser Arbeit wurde die folgende erste Literaturrecherche zur Erstellung der theoretischen Inhalte des Bezugrahmens zu »Therapeutic Touch« durchgeführt. Die Suchanfrage bzw. die Suchbegriffe sind in Tabelle 1 dargestellt (s.u.). Verwendet wurden die Datenbanken MEDLINE (Medical Literature Analysis and Retrieval System Online: enthält Nachweise der internationalen Literatur aus der Medizin, einschließlich der Zahn- und Veterinärmedizin, Psychologie und des öffentlichen Gesundheitswesens), CINAHL (Cumulative Index to Nursing and Allied Health Literature: enthält Übersichten aus Krankenpflege und Pflegewissenschaft; überwiegend englischsprachige Publikationen), Cochrane Database of Systematic Reviews (enthält Volltextversionen von Cochrane-Reviews und Protokolle zu entstehenden Übersichtsarbeiten; ein Cochrane-Review fasst alle zu einer therapeutischen Fragestellung relevanten Studien zusammen) und EMBASE (Excerpta Medica Database: enthält Nachweise der internationalen Literatur mit Schwerpunkt Europa aus der gesamten Humanmedizin und ihren Randgebieten).

Die Suche fand zwischen August und September 2012 statt und reichte bis ins Jahr 1975 zurück. Das Jahr 1975 wurde gewählt, da hier »Therapeutic Touch« im großen Rahmen in den Pflegeberuf eingeführt wurde (s. S. 10). Die in Tabelle 1 aufgeführten Suchbegriffe zeigen die Ergebnisse der Suchbegriffe der allgemeinen Literaturdatenbankrecherche, die ebenfalls die Suchelemente Meta-Analyse und Reviews berücksichtigte.

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Tabelle 1. Allgemeine Literaturdatenbankrecherche

Bei der Auswahl der Artikel wurden insbesondere der thematische Schwerpunkt einer Zeitschrift („Pflege") sowie deren Zielgruppen („Pflegekräfte") berücksichtigt. Zudem wurden teilweise auf die in den Fachzeitschriften verwiesenen weiteren aktuellen Veröffentlichungen für die weitere Literaturbeschaffung herangezogen. Diese Arbeiten wurden anhand des Themas oder der Zusammenfassung (abstract) auf ihre thematische Relevanz hin untersucht. Entsprachen Sie in den Gliederungspunkten der Fragestellung, so wurden sie im Volltext gelesen.

Für die vertiefende Literaturrecherche wurden nun in denselben Datenbanken spezifischere Suchbegriffe angewendet, die sich aus der ersten Recherche ergaben. Des Weiteren wurde deutlich, dass ein Mangel an Metaanalysen und Übersichtsarbeiten zu der Effektivität von TT vorliegt. Die weitere systematische Durchsicht der für das Thema relevanten nationalen und internationalen Fachzeitschriften wurde erneut angewendet, um aktuelle Forschungsergebnisse zu sichten. Neben der Literaturanalyse wurde ebenfalls das Gespräch mit Praktizierenden der Methode »Therapeutic Touch« gesucht. Es konnte Frau Rose, eine ausgebildete Mitarbeiterin der »International School Of Therapeutic Touch (ISTTE)« in Haltern am See, die die Methoden und die vielfältigen Möglichkeiten von Energiearbeit anschaulich und zielgruppenorientiert vorstellt, als Interviewpartnerin gewonnen werden. Durch das Telefongespräch mit Frau Rose im Oktober 2012 konnten der wissenschaftliche Rahmen aus Sicht der Praktizierenden aufgenommen und die Suchbegriffe modifiziert werden. Frau Rose gab den wertvollen Hinweis, dass die Literatur von Marco Bischof (1995) einen wesentlichen Beitrag zu der TT-Forschung gibt. Dessen Literatur mit dem Titel »Biophotonen. Das Licht in unseren Zellen« regte die Autorin der vorliegenden Arbeit dazu an, die Suchbegriffe »Biophotonentheorie« und »Biophysik« mit aufzunehmen, so dass die Recherche auf angrenzende Bereiche ausgeweitet werden konnte und weitere Autoren wie Popp, Gariaev, Zhang etc. für den Forschungsbereich identifiziert werden konnten. Die in Tabelle 2 aufgeführten Suchbegriffe zeigen die Ergebnisse der erweiterten Suchbegriffe der vertiefenden Literaturrecherche; auch in dieser weiteren Recherche wurden die Suchelemente Meta-Analyse und Reviews berücksichtigt.

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Tabelle 2: Vertiefende Literaturdatenbankrecherche

Aufgrund der zweiten, vertiefenden Recherche konnte die Forschungsfrage durch weitere Fragestellungen für die vorliegende Arbeit spezifiziert werden. Diese Fragestellungen dienen als erweiterter Ausgangspunkt oder Leitfaden für die weitere Analyse und zur Beantwortung der Kernfrage der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit (vgl. S. 14):

(1) In welchen klinischen Bereichen wurde »Therapeutic Touch« bisher als unterstützende, komplementäre Pflegeintervention genutzt?
(2) Welche Effektivität zeigte sich durch die Anwendung dieser unterstützenden energetischen Pflegeintervention in diesen Bereichen?
(3) Inwieweit können diese Ergebnisse als Grundlage zur Implementierung von »Therapeutic Touch« als komplementäre Pflegeintervention im klinischen Bereich in Deutschland dienen?

Das Ergebnis der Literaturanalyse lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Suchbegriffe »therapeutic touch« und »nursing« wurden einzeln und untereinander kombiniert verwandt. Insgesamt wurden 528 Publikationen gefunden. Nach Durchlesen der dazugehörigen Abstracts konnten 63 Studien ausgewählt werden, die im Volltext für die Arbeit herangezogen wurden. Auswahlkriterium war das primäre Kriterium „randomisiert kontrollierte Studie im klinischen Bereich". Zusätzlich wurden die Literaturverzeichnisse der ausgesuchten 63 Studien auf relevante Quellen überprüft. Die vertiefende Literaturanalyse führte zu einer weiteren Aufnahme von insgesamt 73 Studien. Die Auswahl dieser Ergebnisse, sowie auch die Überprüfung und letztlich die Aufnahme der forschungsbasierten Publikationen in die Literaturanalyse im Sinne der leitenden Fragestellungen für die vorliegende Arbeit (vgl. S. 14), erfolgte anhand der folgenden Ein- und Ausschlusskriterien:

Als Einschlusskriterien galten:

a) Durchführung der Studien im klinischen Bereich
b) Nachweis der Effektivität oder des Nutzens dieser komplementären, energetischen Methode war Ziel dieser Studien;
c) Interventionen der Studien müssen klar definiert und getrennt sein
d) bei allen Studien handelte es sich um randomisierte kontrollierte Studien

Als Ausschlusskriterien galten:

a) Forschungsbasierte Studien, welche im ambulanten Bereich durchgeführt wurden
b) Studien, in denen »Therapeutic Touch« Bestandteil einer komplexen Intervention war
c) Studien mit dem Ziel, die »Therapeutic Touch« Methode weiter zu entwickeln
d) Studien ohne klinische Outcomes
e) Studien, in denen keine Daten oder statistische Vergleiche berichtet wurden
f) Studien an gesunden Probanden.

Zur Analyse und Kategorisierung der in der Literatur beschriebenen Interventionsstudien von »Therapeutic Touch« wurden die Inhalte jeder Studie mehrfach gelesen und entsprechende Abschnitte und Ergebnisse notiert. Um Fragestellung (1) und (2) zu beantworten (vgl. S. 14) wurden die folgenden beiden Kategorien gebildet:

(1) Autoren/Jahr/Titel/Design/Land, Stichprobe/Gruppenaufteilung/ Alter/Ein- und Ausschlusskriterien/Verluste, theoretischer Rahmen, klinischer Anwendungsbereich, Beschreibung der Interventionen - Absicht/Ziel und Hypothesen der Studien

(2) Autoren/Jahr/Titel/Design/Land, wichtige Beobachtungsparameter und Messinstrumente, zusätzliche Effekte und Ergebnisse

Die Beantwortung der Hauptfragestellung der vorliegenden Arbeit (vgl. S. 14) erfolgt auf der Grundlage der vorangegangenen, soeben beschriebenen Analyse. Die kritische Diskussion dieser Studienergebnisse ist Teil der Beantwortung der Hauptfragestellung.

Neben der Durchführung der Literaturrecherche musste zudem die Validität der ausgewählten Studien überprüft werden. Es handelt sich hierbei um die Bewertung a) der externen Validität, das heißt, inwieweit die Studienergebnisse für eine definierte Population generalisierbar sind, in der vorliegenden Arbeit, inwieweit TT für die entsprechende Population als wirksames unterstützendes Heilmittel zu sehen ist, und b) der internen Validität, dass heißt, die Wahrscheinlichkeit, inwieweit die Ergebnisse der Studie auf die wahren Effekte, in der vorliegenden Arbeit auf die Intervention von TT, zurückzuführen sind und somit glaubwürdig sind. Für die Überprüfung der Validität müssen geeignete objektive Kriterien herangezogen werden, die es dem Autor erlauben, festzulegen, inwieweit die Studien für die Beantwortung der Hauptfragestellung in Frage kommen. Für die Analyse und Bewertung der Validität der vorliegenden Arbeit wurden zwei Bewertungsinstrumenten herangezogen, zum einen die »Kriterien des Ludwig Boltz Instituts (LBI)« (LBI-HTA 2007) und zum anderen der »Jadad Score« (Jadad et al., 1996; Jadad & Enkin 2007). Diese beiden gelten als Methode der Wahl für eine solche Analyse; vergleiche hierzu die Ergebnisse des »Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI)«, die einen »Vergleich von Bewertungsinstrumenten für die Studienqualität von Primär- und Sekundärstudien zur Verwendung für HTA-Berichte im deutschsprachigen Raum« veröffentlichte (Dreier, Borutta, Strahmeyer, Krauth & Walter 2010). Diese beiden Bewertungsinstrumente werden aufgrund ihrer Bedeutung für diese Arbeit nun näher beschrieben.

Das LBI-Bewertungsinstrument zur Beurteilung der internen Validität randomisiert kontrollierter Studien (RCT) basiert auf Systemen, die vom »Centre for Reviews and Dissemination« an der University of New York und der »U.S. Services Task Force« entwickelt wurden. Es handelt sich dabei um ein Bewertungsinstrument mit insgesamt acht Items. Zur Beantwortung der internen Validität sind für RCTs die folgenden Fragestellungen zu beantworten (LBI-HTA 2007, S. 32-34):

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Abbildung 1: LBI-Formular zur Beurteilung der internen Validität von RCTs.

Beim Jadad Score handelt es sich um eine Bewertungsskala, die einen Punktescore von 0-5 erzeugt, wobei drei Items im direkten Zusammenhang zur Reduzierung von Bias stehen: Randomisierung, Verblindung und Beschreibung von Abbrüchen und Dropouts. Ein weiterer Punktzuwachs oder Punktabzug erfolgt durch die sachgerechte Beschreibung der Methode zur

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Abbildung 2: Jadad Bewertungsskala zur Ermittlung der internen Validität von RCTs (vgl. Jadad & Enkin, 2007, S. 54).

Eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse, die anhand dieser beiden Bewertungsinstrumente aufgestellt wurden, befindet sich in den Tabellen drei und vier im Anhang der Arbeit. Die relevanten Ergebnisse, das heißt die Studien, die der Überprüfung des Kriterienkataloges standhielten, wurden für die Beantwortung der Hauptfrage „In welchen klinischen Bereichen zeigt sich die Effektivität von »Therapeutic Touch« als komplementäre Pflegeintervention " und somit ebenfalls in die Diskussion aufgenommen.

In dem nun folgenden Kapitel drei wird das Ergebnis der Literaturrecherche wie folgt dargestellt: Es wird die komplementäre Methode »Therapeutic Touch« vorgestellt, ihre Geschichte und Entwicklung, der zugrunde liegende Prozess der Methode, die spirituelle Dimension und die Kritikpunkte sowie der theoretische, philosophische und bioenergetische Rahmen. Ein Überblick wissenschaftlicher Ergebnisse zu biomagnetischen Feldern und nicht­physischen Bahnen bilden den Anschluss dieses Theorieteils.

Generierung der Randomisierungssequenz und der Methode der Doppelverblindung (Jadad & Enkin 2007, S. 54). Dieses Bewertungsschema ist in der folgenden Abbildung 2 aufgeführt.

3 Therapeutic Touch

»Therapeutic Touch (TT)«, das im deutschen mit »Therapeutischer Berührung« übersetzt werden kann, stellt eine moderne Variante mehrerer alter, transkultureller Heilpraktiken dar, beruhend auf der Fähigkeit, den menschlichen Energiefluss zu lenken und zu harmonisieren, und diesen wieder ins Gleichgewicht zu bringen (Krieger 1995, S. 31; vgl. auch Krieger 1999, S. 200).

Als weitere Beschreibung von »Therapeutic Touch« führt Krieger (2004) auf, dass »Therapeutic Touch« eine Methode der transpersonalen Heilung für Menschen ist, die krank, geschwächt oder traumatisiert sind. Sie führt zur Entspannung des Körpers, zur Reduzierung und Elimination von Schmerzen, zur Beschleunigung der >Heilung< [3] und zur Minderung stressbedingter Erkrankungen. Diese komplementäre Methode basiert auf der Annahme, dass der Körper des Menschen ein offenes Energiefeld darstellt, mit angeborenen therapeutischen Funktionen und dass dieses energetische System Energiemuster formt, die für einen geschulten und achtsamen Therapeuten wahrnehmbar sind. Der Fokus des TT-Therapeuten liegt dabei in der bewussten Direktion seines eigenen Lebensenergieflusses oder der Modulation des Energiefeldes des Klienten, um ein Ungleichgewicht des Energiefeldes, welches sich nach Ansicht Kriegers als Krankheit manifestiert, zu korrigieren (Krieger 2004, S. 2).

Die internationale »Nurse Healers Professional Association (NH-PAI)« in den USA ist die offizielle Organisation von »Therapeutic Touch« und definiert entsprechend »Therapeutic Touch« als „scientifically based healing practice in which the human being is viewed as a complex, dynamic whole and healing is seen as the means of restoring integrity of the body, mind, emotion and spirit. In this integrative therapy, the practitioner uses the hands as a focus to work with the energy flow in the vital energy field of the recipient to facilitate the healing process. This intentionally directed healing process of energy exchange is a contemporary interpretation of several ancient healing practices. The practitioner maintains a state of centered intentionally wherein she noninvasively directs energy to the client. Intentionally is directed to activating an energy exchange that re-balances and increases the vital energy available to the human energy system. Once the system is energized, the human field directs itself to a healthier pattern, involving body, mind, emotion and spirit" (NH-PAI 2012).

»Therapeutic Touch« stellt für Krieger (1995) den ursprünglichen und direkten „Umgang mit menschlichen Energien im Dienste der Humanität (dar). Therapeutic Touch schöpft seine Kraft aus dem Mitgefühl für andere (...). Die Hände, die bei Therapeutic Touch (TT) die wichtigsten Instrumente sind, scheinen die vorherrschenden reizsuchenden Verlängerungen des Gehirns zu sein. Heilen, die zentrale Funktion von TT, könne man eine »Humanisierung von Energie« nennen mit dem Interesse, anderen oder sich selbst zu helfen bzw. andere oder sich selbst zu heilen. Das erste, was passiert, wenn Sie Therapeutic Touch erlernen, und was dabei häufig eine entscheidende Rolle spielt, ist, daß Sie sich selbst heilen" (Krieger 1995, S. 37).

Bei »Therapeutic Touch« stellt der Heilungsprozess einen bewussten, intuitiven Prozess dar, der auf fundiertem und logisch abgeleitetem Wissen besteht, wobei der Heiler oder Therapeut im Sinne eines menschlichen Energieversorgungssystems nur solange wirkt, bis das Immunsystem des sich in Behandlung befindenden soweit gefestigt ist und dann diese Aufgabe wieder selbst übernehmen kann (Krieger 1995, S. 28; vgl. auch Boguslawski 1979, S. 12; vgl. auch Kunz & Krieger 2004, S. 8).

Krieger & Kunz (2004) betonen, dass »Therapeutic Touch« ,,has never achieved instantaneous healing, and that was never our purpose. But from the beginning we felt that we could develop a technique to help people to reduce their pain, lower their anxiety, accelerate their healing process, and get a sence that we all belong to a greater universe" (Krieger & Kunz 2004, S. 8).

»Therapeutic Touch« basiert auf den Voraussetzungen, dass alle Wissenschaft, welche sich mit dem Leben an sich beschäftigt, darin übereinstimmt, dass es sich beim Menschen um ein offenes Energiesystem handelt. Für Krieger und Kunz ist der Energieaustausch zwischen Menschen ein allgegenwärtiges, natürliches Phänomen, welches bei einer TT-Sitzung mühelos und entspannt erfolgt. Diese Energie wird bewusst vom Geist gelenkt, die behandelnde Person fügt nur ihre Intention und Absicht hinzu, die vom Mitgefühl für denKlienten geleitet ist. Zudem ist der Mensch anatomisch gesehen symmetrisch angelegt. Aus dieser symmetrischen Anlage des Menschen schließen die beiden Autoren, dass dem Energiefeld des Menschen ein Muster zugrundeliegen muss. Davon ausgehend führt die behandelnde Person eine Einschätzung des energetischen Zustandes des Klienten durch. Außerdem zeugt Krankheit von einem Ungleichgewicht im menschlichen Energiefeld. Bei »Therapeutic Touch« harmonisiert und lenkt die behandelnde Person dieses Energiefeld, wobei mit Hilfe des Tastsinns feine, energetische Signale empfangen werden, die als Hinweis von Veränderungen im Energiemuster eines Patienten angesehen werden können. Die behandelnde Person wirkt als Versorgungssystem, die ihr eigenes, gesundes Energiefeld als Gerüst zur Unterstützung zur Verfügung stellt, um das Immunsystem des Klienten zu stimulieren und dessen Selbstheilungskräfte zu aktivieren; denn letzten Endes muss der Klient sich selbst heilen. Menschen besitzen die natürliche und angeborene Fähigkeit, ihre Situation in der sie leben, zu transformieren oder zu transzendieren. Diese beiden Fähigkeiten gelten als notwendige Voraussetzung der Heilung, da der Mensch sich letztendlich nur selbst heilen kann (Krieger 1995, S. 28-33).

3.1 Geschichte und Entwicklung von »Therapeutic Touch«

Ursprünglich wurde »Therapeutic Touch« von Dora Kunz, einer bekannten Heilerin, und Dolores Krieger, einer Pflegeprofessorin für Pflegewissenschaft an der Universität von New York in den frühen 70er Jahren entwickelt und erstmals im Jahre 1975 vorgestellt (Krieger 1975b, S. 15).

Kunz hatte bereits längere Zeit mit Medizinern verschiedener Fachrichtungen, wie Otelia Bengtsson, Robert Laidlaw und Shafica Karagulla zusammengearbeitet und half diesen bei der Behandlung chronisch kranker Patienten aufgrund ihrer außergewöhnlichen Wahrnehmungsfähigkeit hinsichtlich des menschlichen Energiefeldes. Sie begann sich besonders für die Methode des Handauflegens zu interessieren und hatte die Möglichkeit, diese bei einer Anzahl von bekannten Heilern wie Kathryn Kuhlman und Oscar Estabany beobachten zu können (van Gelder-Kunz & Karagulla 1994, S. 226-237; vgl. auch Krieger 2004, S. 6/7).

Vor allem ihre über 5jährige Zusammenarbeit mit Oscar Estebany auf der Pumpkin Hollow Farm gab Kunz die Möglichkeit, den Energieaustausch beim Heilen intensiv beobachten zu können. Kunz gelang zu der Überzeugung, dass die Fähigkeit zu heilen im Menschen entwickelt werden könnte (Kunz & Krieger 2004, S. 7; van Gelder-Kunz & Karagulla 1994, S. 237) und dass es möglich sein würde, eine ähnliche Methode innerhalb eines breiteren philosophischen Rahmens entwickeln zu können (Meehan 1998, S. 117).

Krieger (1975 a) hatte nach eigenen Angaben die Möglichkeit, die beiden phänomenalen Heiler Dora Kunz und Oskar Estebany bei der Methode des Handlauflegens beobachten zu können. Sie erlebte, welche Effekte diese bei Klienten während der Heilseminare auslösten. Kunz war es auch, die Krieger beibrachte, wie die Hände für diese Methode genutzt werden könnten (Krieger 1975a, S. 785; Kunz & Krieger 2004, S. 7).

Für Krieger war diese Begegnung so einschneidend, dass sie sich dafür entschied, künftig an der Entwicklung der Prinzipien und der Praxis dieser neuen Methode des Handauflegens teilzunehmen. Sie war es auch, die dieser Methode den Namen »Therapeutic Touch« gab und den theoretischen Rahmen von »Therapeutic Touch« aus ihren Studien über östliche Religionen ableitete (Krieger 1975a, S. 785; Meehan 1998, S. 117; vgl. auch Scales 2001, S. 327; vgl. dazu auch Heidt 1981b).

Krieger postuliert, dass ein gesundes Individuum ein Übermaß an »Prana« - einer Lebensenergie - besitzt. Im Gegensatz dazu haben kranke Menschen ein Defizit an Lebensenergie. Diese Lebensenergie kann von einem Individuum zu einem anderen transferiert werden: "The healthy person has an overabundance of prana and that the ill person has a defizit. Indeed, the deficit is the illness. Prana can be activated by will and can be transferred to anotherperson if one has the intent to do so " (Krieger 1975a, S. 786).

Die östliche Literatur besagt, dass die Lebensenergie »Prana« durch die nicht-physischen Bahnen, die im indischen »nadis« genannt werden, durch das menschliche Energiefeld des physischen Körpers fließt. Im Chinesischen wird diese Lebensenergie »chi« oder »ki« genannt, die durch ein nicht-physisches Netz der sogenannten Meridiane fließt. Diese traditionellen Ansätze der Lebensenergie weisen für Krieger (1995) frappierende Gemeinsamkeiten auf und stimmen für sie grundsätzlich miteinander überein (Krieger 1995, S. 160).

Die östliche Literatur besagt auch, dass die Lebensenergie »Prana« wesentlich aus dem besteht, was wir das Sauerstoffmolekül nennen und daher »Hämoglobin« als der sensitivste Testmaker während des aktiven Heilungsprozesses im menschlichen Körper gilt (Krieger 1972, S. 13).

Krieger erkannte, dass die porphyrine Stuktur des Hämoglobinmoleküls der der Chlorinstruktur des Chlorophylls ähnelt und dass beide sich von den gleichen biosynthetischen Pfaden ableiten lassen. Während das Chlorophyllmolekül ein Muster um ein Magnesiumatom bildet, bildet Porphyrin im Hämoglobin ein Muster um ein Eisenatom (Heidt 1981b, S. 6). Dies war auch der Grund, weshalb Krieger zunächst begann, »Therapeutic Touch« am Hämoglobinspiegel von Probanden zu messen. In einer initialen Studie im Jahre 1971 untersuchte sie mit Hilfe des Heilers Oskar Estabany, welche Veränderungen des Hämoglobingehalts im menschlichen Körper während eines aktiven Heilungsprozesses stattfinden (Krieger 1975a, S. 786).

In einem zweiten Experiment, welches Krieger durchführte, waren Design und Methode ähnlich wie in ihrer Initialstudie, nur waren es dieses Mal professionelle Pflegekräfte, die als »Heiler« dienten. Das Ergebnis dieser Studie unterstützt ihre Hypothese, dass der Hämoglobingehalt von Patienten, die mit »Therapeutic Touch« behandelt wurden, sich signifikant nach der Behandlung des Handauflegens verändern, während keine signifikante Differenz zwischen den pre- und post-test Hämoglobinwerten der Kontrollgruppe auftraten (Krieger 1972, S. 12; Krieger 1975b, S. 9).

Die energetische Wirkung durch die Methode des »Handauflegen« war bereits durch Studien von Bernhard Grad und Mitarbeitern an der Mc Gill Universität in Montreal (Grad, Cadoret & Paul 1961, Grad 1964, 1965) und von Sr. Justa Smith am Rosary Hill College in Buffalo (Smith 1972) belegt worden. Die Ergebnisse von Grad (1964) hatten gezeigt, dass Weizensprossen, die mit Wasser gegossen wurden, welches von Estebany durch das Handauflegen im Vorfeld bearbeitet wurde, einen erhöhten Chlorophyllgehalt aufwiesen. Smith (1972) erkannte zudem, dass das Enzymsystem auf die Methode des Handauflegens reagiert (Grad 1964, S.373; Smith 1972, S. 15; vgl. dazu auch Heidt 1981b, S. 6/7).

Kunz und Krieger wählten zu Beginn zur Unterrichtung dieser neuen Behandlungsmethode primär professionelle Pflegekräfte auf Masterniveau und Doktoranden aus (Kunz & Krieger 2004, S. 7). Sie begründeten dies damit, dass diese Hingabe und Engagement besitzen, welche notwendig sind, diese Methode zu erlernen. Weiterhin glaubten sie, dass diese Schüler ihre Methode am effektivsten einsetzen könnten, da sie die meiste Zeit direkt am Patienten verbringen. Krieger beobachtete, dass diejenigen Pflegekräfte, die »Therapeutic Touch« gelernt hatten, effektiver in der Versorgung kranker Patienten zu sein schienen und führte daraufhin »Therapeutic Touch« im Jahre 1975 im großen Rahmen in den Pflegeberuf ein (Meehan 1998, S. 117/118).

Es war nach Ansicht Kriegers Doras besondere Gabe als Lehrerin, dass sie in der Lage war, dem TT-Therapeuten die ungewöhnlichen Dynamiken dieses transpersonalen Bereichs anschaulich zu verdeutlichen. Darüber hinaus vermochte sie diesen dazu zu befähigen, die Methode mit klarer Einsicht und Sicherheit für sich selbst und für den Klienten anzuwenden. Die enorme Einsicht von Kunz in die transpersonalen Aspekte von Heilung haben nach Ansicht Kriegers zu einer unermesslichen Steigerung der Praxis von »Therapeutic Touch« geführt (Krieger 2004, S. 3).

Während ihrer Studien kam Krieger zu dem Schluss, dass Heilung im Sinne des Handauflegens ein natürliches Potential des Menschen darstellt, wobei zwei Prämissen erfüllt sein müssen: erstens die Absicht „help heal other" und ein gesunder Körper im Sinne eines Überschusses an »Prana« (Krieger 1975a, S. 786).

3.2 Der interne Prozess von »Therapeutic Touch«

»Therapeutic Touch« kann mit und ohne direkten Kontakt der Hände am Körper des Klienten durchgeführt werden. Bei der direkten Berührung werden die Hände des Therapeuten dort positioniert, wo sich beim Klienten das Areal bzw. der Bereich des Körpers befindet, der Hilfe benötigt. Beim nicht-direkten Kontakt arbeitet der Therapeut im Energiefeld, welches den Körper umschließt (Scales 2001, S. 328; vgl auch Heidt 1981a; Quinn 1984, 1989a).

Der Einstieg in den Behandlungsprozess von »Therapeutic Touch« geschieht durch das Zentrieren des Bewusstseins - einer Verschiebung des Bewusstseins der Person, die die Rolle des Therapeuten innehat - hin zu einer tieferliegenden Bewusstseinsebene und Selbstwahrnehmung. Demzufolge wird ein Bewusstseinszustand herbeigeführt, in dessen Akt der Selbstbezogenheit der Therapeut sich seiner Selbst als ein offenes Energiesystem bewusst wird. Diese Zentrierung des Bewusstseins gilt für Krieger als ein essentieller Akt, da der TT- Therapeut bestimmt, wie der therapeutische Prozess ablaufen soll (Krieger 1990, S. 3; Krieger 1995, S. 38).

In der zweiten Phase von »Therapeutic Touch« wird eine Einschätzung des menschlichen Energiefeldes vorgenommen. Der TT-Therapeut bewegt seine Hände über den Körper der zu heilenden Person in einem Abstand von ungefähr fünf Zentimetern, um Veränderungen im menschlichen Energiefeld wahrzunehmen und sich der Veränderungen der sensorischen Umgebungsreize in seinen Händen bewusst zu werden (Krieger 1995, S. 45).

Die Beurteilung des menschlichen Energiefeldes erfolgt beginnend beim Kopf zu den Füßen. Es sei denn, es handelt sich um eine Akutsituation, wo der Therapeut direkt auf diese eingeht, bspw. im Falle von Schmerzen in einer bestimmten Region direkt mit der Beurteilung beginnt (Boguslawski 1979, S. 13).

Fünf unterschiedliche Bewusstseinsebenen von »Therapeutic Touch« werden bei der Einschätzungs- bzw. Beurteilungsphase beschrieben:

Wahrnehmen von Temperaturhinweisen - Wärme, Kälte, eisige Kälte eines Vakuums. Diese Temperaturunterschiede werden am häufigsten wahrgenommen;

Magnetische Anziehungskraft, wobei die Hand automatisch von bestimmten Stellen im Energiefeld der Patienten angezogen wird. Blockaden, Druck- und Völlegefühl werden wahrgenommen;

Prickeln, Kribbeln, das Aufplatzen von Bläschen oder auch kleinere Elektroschocks werden wahrgenommen;

Empfinden rhythmischen Pulsierens im Energiefeld eines Patienten und der intuitive Einblick in den Zustand des Patienten - Hinweise werden in das Bewusstsein des TT-Ausführenden projiziert, diese können bewusst oder auch unbewusst wahrgenommen werden und sind als Informationen einfach da und sollten nach Krieger auf Zuverlässigkeit hin geprüft werden (Krieger 1995, S. 45-59).

Anschließend erfolgt in Phase drei die Behandlung des Patienten - die Förderung und Anregung des Energieflusses, das Auflösen von Blockaden oder Druckgefühlen, das Dämpfen energetischer Aktivität und die Synchronisierung des Rhythmus des Energieflusses. Als spezifische Grundtechniken von »Therapeutic Touch« gelten das Lenken von Energien, die Harmonisierung menschlicher Energien, die Veränderung der Strukturen im menschlichen Körper, das Glattstreichen des Energiefeldes und die Steuerung des Energieflusses mit Hilfe des Knochengerüsts. Eine TT-Sitzung sollte nach Angaben von Krieger nicht länger als 20-25 Minuten dauern (Krieger 1995, S. 99-110).

Während des TT-Prozesses kanalisiert der TT-Therapeut mit klarer und konzentrierter Absicht die universelle Lebensenergie zum Klienten. Durch den Ausgleich disharmonischer Rhythmen und dem Lösen von Stauungen hilft er dem Klienten, diese Lebensenergie aufzunehmen (Macrae 1987, S. 338). Abschließend erfolgt die Wiederbeurteilung und Evaluation des Energiefeldes des Klienten. Wenn der Therapeut nicht länger in der Lage ist, irgendwelche Veränderungen der sensorischen Umgebungsreize in seinen Händen zu spüren, ist es Zeit, die Behandlung zu beenden. Diese professionelle, informierte und intuitive Beurteilung des Therapeuten entscheidet, ob eine angemessene Balance eingetreten ist oder nicht, und ob es Zeit ist, die Behandlung zu beenden, oder ob weitere Schritte notwendig sind. Der Klient wird abschließend aufgefordert, sich auszuruhen (Kunz & Krieger 2004, S. 3; Krieger 1995, S. 144; Heidt 1981b, S. 9; vgl auch Denison 2004, S. 145).

Krieger (1995) schreibt, dass es wertvoll erscheint, im Feld des Klienten zu assistieren, um dessen eigene Ressourcen zu sensibilisieren, damit Heilung stattfinden kann. Wohlwissend, dass nur wenig über das Stadium der Dynamik der menschlichen Feldinteraktion bekannt ist. Mit der Nutzung der Hände als einen zentralen Punkt kann der Therapeut Energien dorthin transferieren, wo diese beim Klienten benötigt werden. Dies basiert auf dem Verständnis, dass beide, Therapeut und Klient, dynamische und schwingende Energiefelder sind, die gleichermaßen Energie von ihrer Umwelt, welche sie umgibt, senden und aufnehmen. Weil das Energiefeld jedes Therapeuten unterschiedlich ist, ist es notwendig, dass dieser lernt, die Energie zu modulieren, bspw. die Energie während dieser Phase der Heilungsinteraktion zu dämpfen bzw. zu mildern (Krieger 1995, S. 45/46).

Eine vorsichtige Herangehensweise sollte bei der Behandlung von extrem jungen Patienten, medizinisch instabilen oder solchen, die sehr sensitiv auf diese Methode reagieren, gegeben sein. Da das Hirngewebe besonders sensitiv auf den energetischen Input reagiert, sollte extreme Vorsicht bei der Arbeit am Kopf gelten. Dies trifft auch auf Kinder und Neugeborene zu, da diese sehr sensibel auf die Behandlungsmethode reagieren. »Therapeutic Touch« sollte daher bei diesem Klientel nicht von einer Pflegefachkraft durchgeführt werden, die im Begriff ist, diese Methode zu erlernen (Boguslawski 1979, S. 14).

Auch Meehan (1998) betont, dass es keine Risiken zu geben scheint, wenn »Therapeutic Touch« adäquat durchgeführt wird. Jedoch bestehen nach ihrer Ansicht verschiedene Patientengruppen, bei denen Vorsicht geboten ist. Behandlungen sollten nur kurzeitig und besonders behutsam bei Kindern, geschwächten Patienten und älteren Menschen durchgeführt werden. Obwohl aufgrund von Studien bekannt ist, dass »Therapeutic Touch« die Angst bei hospitalisierten Patienten verringern kann, sollte besondere Vorsicht bei der Durchführung von »Therapeutic Touch« bei Patienten mit psychiatrischen Konditionen gelten. Denn diese gelten als besonders sensitiv für diese Art der menschlichen Interaktion. Vorsicht sollte zudem bei Patienten geboten sein, die Medikamente einnehmen aufgrund der damit verbunden potentiellen Interaktionseffekte. Bezogen auf das Nutzen-Risiko Verhältnis, scheint jedoch der potentielle Nutzen von »Therapeutic Touch« jedwedes Risiko zu überwiegen (Meehan 1998, S. 123).

Während einer TT-Behandlung kann es auch zum Auftreten eines Energieüberschusses kommen. Dieser äußert sich in erhöhter Ruhelosigkeit, Irritabilität und Angst. Beim Auftauchen dieser Nebeneffekte sollte die Behandlung augenblicklich gestoppt werden. Diese Nebeneffekte sind sehr selten und klingen nach wenigen Minuten nach Abbruch der Behandlung ab (Krieger 1993, zitiert nach Herdtner 2000, S. 80; Kemper & Kelly 2004, S. 252).

Ein Energieüberschuss kann nach Angaben Kriegers durch die Extremitäten oder die Wirbelsäule des Klienten hin zum Energiefeldrand bewegt werden, wo dieses Zuviel an Energie sich dann auflösen kann (Krieger 1995, S. 140).

3.3 Die spirituelle Dimension von »Therapeutic Touch«

Neben dem eigentlichen Hauptaspekt von »Therapeutic Touch«, der Ausführung der Methode an Menschen mit Erkrankungen, die sensitiv für TT-Prozesse sind, wie Dysfunktionen des autonomen Nervensystems, psychosomatische Erkrankungen, Erkrankungen des Urogenitalbereichs, des lymphatischen und des muskuloskelateralen Systems, besitzt »Therapeutic Touch« noch einen weiteren, essentiellen Aspekt bzw. eine Dimension, die Kunz und Krieger (2004) als spirituelle Dimension bezeichnen (Kunz & Krieger 2004, S. 88).

Diese Dimension ist der Effekt, der durch die Anwendung von »Therapeutic Touch« beim Therapeuten hervorgerufen wird, welcher zu einer tiefgreifenden Veränderung seiner Lebenssicht führt. Der TT-Therapeut erzeugt während der Zeit der TT-Behandlung nicht nur eine Balance im Energiefeld des Klienten, sondern auch in seinem eigenen Energiefeld (Kunz & Krieger 2004, S. 8; vgl. auch Heidt 1981b, S. 9).

Krieger (1987) spricht in diesem spirituellen Kontext von einem eigenartigen Paradoxon, was zwischen Therapeut und Klient geschieht und für sie „das Mysterium des Heilens noch vergrößert. Es trifft nicht zu, daß a) der Heiler b) den Patienten behandelt. Vielmehr sind beide Ausdruck einer einheitlichen, einer vereinten, therapeutischen Interaktion. Dabei werden beide gegenseitig geheilt, heil und ganz und eins" (Krieger 1987, S. 10).

Damit wird »Therapeutic Touch« als eine Methode der Hilfe und Schmerzlinderung für Menschen mit Erkrankungen erweitert und zwar als erfüllende, multidimensionale Erfahrung im physiologischen, emotionalen und spirituellen Sinne. Aber auch als Träger und Mittel auf dem Weg zur Selbsttransformation des Therapeuten, da der Prozess von »Therapeutic Touch« bei diesem eine Eigenschaft des Seins hervorbringt, das ihm zu einem persönlichen Wachstum verhilft (Macrae 1987, S. 337; vgl. auch Samarel 1992, S. 636).

Kunz & Krieger (2004) betonen, dass hinter »Therapeutic Touch« der Glaube steht, dass es innerhalb des Universums eine Ordnung und eine Intelligenz gibt, zu der der Mensch in Kontakt treten kann durch >Meditation<[4], durch eine ununterbrochene Zentrierung oder Förderung eines Gefühls der Identität mit dem inneren Selbst. Der TT-Prozess selbst drängt auf eine Transformation hin innerhalb der Praxis des Therapeuten. Dieser wird sensitiver zu dem universellen Heilungsfeld und entwickelt mehr Mitgefühl für die Menschen, die Heilung benötigen. Diese Transformation kann auch zu der Aneignung der Fähigkeit führen, einen sensitiven Zustand vitaler Lebensenergie wahrzunehmen und zu erfahren (Kunz & Krieger 2004, S. 15).

Borelli (1981) konstatiert, dass zwischen Meditation und »Therapeutic Touch« ein essentieller Bezug besteht: Erstens stellt der meditative Zustand des Therapeuten eine notwendige Bedingung für denselbigen dar. Bei Therapeuten, die »Therapeutic Touch nutzen«, zeigt sich die Fähigkeit Umgebungsreize oder Erkenntnisse einer subtileren Natur wahrzunehmen, wie sie bei dem Zustand der Meditation entstehen und dafür charakteristisch sind. Es ist dieser meditative Zustand, der als Basis der Einschätzung und der Übertragung der Energie während der Behandlung gilt: Der Therapeut ist während der TT-Sitzung in der Lage, diese subtilen Reize wahrzunehmen und zu erkennen und somit den Energiefluss zwischen Therapeut und Klient stattfinden zu lassen. Zweitens entwickelt und eröffnet sich für den Therapeuten durch die subjektive Erfahrung der Meditation eine Verbindung zum Universum und den darin innewohnenden Energien, die hin zu einer Ganzheit führen, hin zu einer holistischen Sichtweise, dass im Menschen Geist, Intellekt und Körper in einer gegenseitigen Beziehung stehen, aber auch, dass alle Menschen untereinander verbunden sind mit allen darin lebenden Organismen der Umwelt (Borelli 1981, S. 41/46; vgl. dazu auch Macrae 1987, S. 338).

Demnach scheint die Anwendung von »Therapeutic Touch« die Profession der Pflege in eine neue Dimension zu führen, die das Selbstbewusstsein von Pflegepersonen zu stärken vermag und dahingehend sensibilisiert und befähigt, den Menschen in seiner Ganzheit - Geist, Intellekt und den Körper - zu sehen und zu behandeln (vgl. dazu Mackey 1995, S. 33).

3.4 Kritikpunkte zu »Therapeutic Touch«

In Bezug auf »Therapeutic Touch« finden sich verschiedene Autoren, die der Methode kritisch gegenüberstehen. So nennen O'Mathüna, Pryjmachuk, Spencer, Stanwick & Matthiesen (2002) als Hauptkritikpunkte gegen die Methode »Therapeutic Touch«, beruhend auf der physikalischen Unwahrscheinlichkeit des Wirkmechanismus von »Therapeutic Touch«, die fragliche Wirksamkeit bzw. Effizienz und ethische Bedenklichkeit. Nach Angaben der Autoren haben Befürworter der Methode hinsichtlich des Wirkmechanismus versucht, angebliche klinische Effekte in Begriffen eines kausalen Modells bei gleichzeitiger Involvierung energetischer Interaktionen zu erklären. Diese wurden dann irrtümlicherweise der Theorie von Martha Rogers vom einheitlichen Menschen zugeordnet. Der Wirkmechanismus von »Therapeutic Touch« gilt für O'Mathüna, Pryjmachuk, Spencer, Stanwick & Matthiesen als grundsätzlich unvereinbar mit dem Hintergrundwissen in den Naturwissenschaften, inklusive der Quantenphysik. Ihrer Meinung nach bedient sich »Therapeutic Touch« Konzepten der Physik und Quantenphysik, die weitestgehend unhaltbar sind. Es besteht zudem keine unabhängige Evidenz von der Existenz der Energie, wie diese als theoretische Basis von »Therapeutic Touch« postuliert wird. Die Erklärungen hinsichtlich dieser Existenz müssen damit als gänzlich inhaltslos angesehen werden. Nach Ansicht der Autoren müssen daher Effektivitätskriterien von »Therapeutic Touch« dem gleichen gründlichen Forschungsparadigma unterstellt sein, wie dies auch für andere Therapien gilt, ob konventionell oder alternativ. Als Goldstandard gelten für diese randomisiert kontrollierte Studien (RCT). O'Mathüna, Pryjmachuk, Spencer, Stanwick & Matthiesen befinden abschliessend, dass es als unethisch und rücksichtslos gilt, »Therapeutic Touch« zu befürworten. Desweiteren sollte Klienten von dieser Methode abgeraten werden, die nicht über die spekulative, ungeprüfte Natur der Methode und ihre Nebenwirkungen aufgeklärt oder über evidenzbasierte Alternativmethoden zu »Therapeutic Touch« hingewiesen wurden. Gerade aufgrund dieses Zusammenhangs und der hohen Akzeptanz von »Therapeutic Touch« bei Pflegekräften in den USA, besteht für die Wissenschaftler nur eine geringe Rechtfertigung für die Einbindung von »Therapeutic Touch« in das Repertoire von Pflege. Als Gegenargument steht auch die Ansicht, dass eine Inkonsistenz zwischen der Sicht von TT- Befürwortern und solchen besteht, die die Theorie von Rogers vertreten. Erstere entkräftigen den Zusammenhang zwischen der TT-Praxis und der Theorie von Rogers (O'Mathüna, Pryjmachuk, Spencer, Stanwick & Matthiesen, 2002, S. 173).

O 'Mathüna, Pryjmachuk, Spencer, Stanwick & Matthiesen (2002) kommen zusammenfassend zu dem Schluss, dass es sich bei »Therapeutic Touch« um einen physikalischen, nicht plausiblen Aktionsmechanismus mit einer fragwürdigen Effektivität handelt und eine ethische Bedenklichkeit aufweist. Zudem sei die Methode inkompatibel mit dem Basiswissen der Naturwissenschaft inklusive der Quantenphysik. Es bestehe zudem keine unabhängige Evidenz von der Existenz einer universellen Energie, welche von »Therapeutic Touch« postuliert wird (O'Mathüna, Pryjmachuk, Spencer, Stanwick & Matthiesen, 2002, S. 173).

Vom Kern her ähnliche Kritikpunkte führt Henkelman (2004) an und bezeichnet derlei energetische Methoden, in diesem Falle »Healing Touch«, als »Pseudo-Wissenschaft«. Zur Qualifizierung einer Wissenschaft, muss nach seiner Ansicht ein System von Ideen (system of ideas) zu einer Anzahl von Kriterien passen. Drei dieser Kriterien lauten: (1) eine Basis vorausgehender wissenschaftlicher Erkenntnisse, (2) die Prüfbarkeit durch jeden, unabhängig von der metaphysischen Glaubenseinstellung, und (3) die Fertigstellung prognostizierbarer Resultate in wissenschaftlich exakten Studien. Diese scheitert im Falle von »Healing Touch« als putative Energiemethode daran, dass sie keine der hier beschriebenen Kriterien erfüllt. Nur Personen mit einem metaphysischen Glauben an den Prozess, scheinen für Henkelman dazu in der Lage zu sein, solche Energien zu fühlen. Das essentielle Element solcher Methoden scheint für den Autor die Möglichkeit der Manipulation lebensproduzierender Energiefelder zu sein. In dem Versuch, einen wissenschaftlichen Rahmen für diese Methoden zu finden, sind u.a. Behauptungen aufgestellt worden, dass bereits Albert Einstein ein komplexes Energiefeld, dem Universum ähnelnd, beschrieben hat und dass der Austausch von qualitativen Energien charakteristisch fürs Leben sind. Tatsache ist jedoch für Henkelman, dass Einstein in seinen Werken niemals den Begriff der Lebensenergie erwähnt hat. Zudem geht er bei den Studien, die einen positiven Effekt zeigen, von einem Placeboeffekt aus (Henkelman 2004, S. 288).

Als weiterer Punkt der Kritik an »Therapeutic Touch« findet sich in der Literatur die fehlende Möglichkeit der Unterscheidung zwischen dem Effekt von »Therapeutic Touch« und dem Placeboeffekt innerhalb randomisierter Effektivitätsstudien. Eine vollständige Kontrolle des Placeboeffekts scheint innerhalb der Erforschung von »Therapeutic Touch« nicht möglich zu sein, da »Therapeutic Touch« und das Plazebo-Phänomen ganz eng miteinander verknüpft zu sein scheinen (Meehan 1998, S. 122).

Pflegefachkräfte aus den USA sprechen sich nach Angaben von Clark & Clark (1984) gegen die Methode von »Therapeutic Touch« aus, und führen auf, dass diese Methode keine kohärente theoretische Basis besitzt und dass selbst geplante therapeutische Outcomes nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden können. Damit beeinflusst diese Methode negativ die Entwicklung der Pflege als professionelle Disziplin und macht sie anfechtbar (Clark & Clark 1984, S. 37; vgl. auch Bullough & Bullough 1998, S. 254).

3.5 Theoretischer, philosophischer und bioenergetischer Rahmen von »Therapeutic Touch«

Als theoretischen und philosophischen Rahmen nennt die Literatur das »Modell des einheitlichen Menschen« von Martha Rogers (Rogers 1997; vgl. auch Malinski 1993; Quinn 1984, 1989a, 1989b; Meehan 1998; Madrid 1996), das »Prinzip der Einheit oder dynamischen Vollkommenheit« von Renee Weber (Weber 1981, 1987; vgl. auch Macrae 1987, S. 337) und das »Modell des menschlichen Energiefeldes« von Dora Kunz. Relativitätstheorie und Quantenmechanik sowie die »Theorie der impliziten Ordnung« von David Bohm gelten als unterstützender Rahmen der Methode (Malinski 1993, S. 1; Weber 1987, S. 54; vgl. auch Spear Begley 2002).

Desweiteren zählt »Therapeutic Touch« zu den sogenannten Biofeldtherapien, als eine Subkategorie von energetischen Therapien, und stellt damit eine der fünf Hauptdomänen komplementärer und alternativer Medizin dar (NCCAM 2011; vgl. auch Monzillo & Gronowicz 2011, S. 44).

Zunächst werden die theoretischen und philosophischen Modelle von »Therapeutic Touch« vorgestellt. Anschließend erfolgen dann in diesem Kapitel die Darstellung des bioenergetischen Rahmens von »Therapeutic Touch« sowie eine Darstellung wissenschaftlicher Ergebnisse hinsichtlich energiebasierter komplementärer Methoden.

3.5.1 Die »Wissenschaft vom unitären Menschen« nach Martha Rogers

Das konzeptionelle Modell der »Wissenschaft vom unitären Menschen« stellte Rogers erstmals 1970 in ihrem Buch »An Introduction to the Theoretical Basis of Nursing« einem breiten Publikum vor (Fawcett 1996, S. 367; vgl. dazu auch Daily, Sporleder Maupin, Murray, Satterly, Schnell & Wallace 1994, S. 212).

Rogers Pflegemodell beruht auf den Annahmen der Evolutionstheorie von Charles Darwin, der Relativitätstheorie Albert Einsteins und den Annahmen der Quantenphysik, der allgemeinen Systemtheorie von Ludwig von Bertalanffy und den Schriften Florence Nightingales (Ammende 1996, S. 9; vgl. auch van Kampen 2003, S. 51) und bezieht sich explizit auf die Werke bedeutender Wissenschaftler wie Burr und Northrop (1935), Goldstein (1939), Russell (1953), Herrick (1956), Polanyi (1958), Bohm (1980), Chardin (1961), Lewin (1964), Fuller (1981), Sheldrake (1981), Capra (1982) und Stewart (1989) (Fawcett 1996, S. 371) .

Sie geht in ihrer »Wissenschaft des unitären Menschen« von einem „simultan-aktiven Weltbild" aus, welches „organische, simultane, dynamische und einheitlich-transformative Elemente" vereint (Fawcett 1993, zitiert nach Fawcett 1996, S. 28; vgl. Fawcett 1996, S. 372) .

Die Grundannahme ihres Modells ist, dass Menschen ganzheitliche und selbstbestimmte Wesen sind, die nicht auf einzelne Elemente reduzierbar sind. Somit müssen Menschen als ein unteilbares Ganzes verstanden werden und können auch nur in dieser Ganzheit erkannt werden. Dies schließt eine Reduktion auf ihre Wechselwirkung zwischen den Einzelteilen aus. Diese Einzelteile sind durch bestimmte, individuelle Verhaltensmuster gekennzeichnet (Rogers 1997, S. 119; vgl. dazu auch Fawcett 1993, zitiert nach Fawcett 1996, S. 372; vgl. dazu auch van Kampen 2003, S. 37).

Weiterhin wird die Interaktion zwischen dem Menschen und der Umwelt als ein wechselseitiger und rhythmischer Prozess angesehen (Rogers 1997, S. 90/91), wobei Mensch und Umwelt kontinuierlich Materie und Energie miteinander austauschen (Rogers 1997, S. 79). Menschen verändern sich kontinuierlich während ihrer Entwicklung. Die Veränderungen gelten allerdings als nicht vorhersagbar, sind jedoch zunehmend ausgerichtet auf organisierte und komplexe Verhaltensmuster (Rogers 1997, S. 120 und S. 127).

Dieser Prozess oder auch Entwicklungsprozess eines Menschen verläuft „unumkehrbar und unidirektional entlang des Raum-Zeit-Kontinuums" (Rogers 1997, S. 86). Muster und Organisationen, die den Menschen kennzeichnen, lassen seine innovative Ganzheit erkennen. Subjektive Phänomene wie Gefühle, Erfahrungen, Gedanken, Wertvorstellungen und Entscheidungen, das persönliche Wissen sowie die Erkennung von Mustern stehen im Vordergrund (Rogers 1997, S. 93-101). Für Rogers (1997) ist der Mensch besonders durch die Fähigkeit gekennzeichnet, „abstrakte Begriffe und bildhafte Vergleiche zu formulieren, zu sprechen und zu denken, wahrzunehmen und zu empfinden" (Rogers 1997, S. 101).

Die Ablehnung des Prinzips der Kausalität ist für die Wissenschaft vom unitären Menschen von zentraler Bedeutung, da es für Rogers in einem Universum offener Systeme keine Kausalität geben kann (Rogers 1992, S. 30). Sie glaubt an eine humane und optimistische Sichtweise des Lebenspotentials, welche mit neuen Realitäten wächst. Pflege sieht sie als eine Wissenschaft an, die sich aufgrund neuen Wissens und neuer Einsichten ständig weiterentwickelt und einen niemals endenden Prozess darstellt (Rogers 1992, S. 28).

Rogers glaubte auch an eine Welt, die weit mehr umfasst als unseren Planeten, die Erde - eine Zukunft der beschleunigten Evolution und nicht wiederholender Rhythmen (Rogers 1992, S. 33). Daher ist für sie ein neues Weltbild unentbehrlich - ein Weltbild, das mit dem fortschrittlichsten Wissen kompatibel ist, um die Gesundheit des Menschen untersuchen und Modifikationen für die Gesundheitsförderung bestimmen zu können im gesamten Weltall (Rogers 1992, S. 27/28).

Am Beginn der Entwicklung des Pflegemodells stand für Rogers die Erkenntnis, dass in der Pflege die Notwendigkeit einer höheren Bildung nur dann Bestand hätte, wenn es in der Pflege ein spezifisches und einzigartiges Wissen gäbe (Rogers 1978b; zitiert nach Fawcett 1996, S. 369). Ihr Ziel galt daher der Etablierung der Pflege als eigenständige Wissenschaft, die sich von anderen Wissenschaften abgrenzt aufgrund der Auseinandersetzung mit bestimmten Fragestellungen sowie durch den dazugehörenden Wissensbestand (Fawcett 1996, S. 369).

Der Unterschied zwischen der Krankenpflege als wissenschaftlicher Disziplin und anderen Disziplinen liegt nach Ansicht Rogers (1992) in dem zentralen Interessenschwerpunkt: Für Pflegende steht „die Sorge um die Menschen und die Welt, in der sie leben, im Mittelpunkt. Dieser Schwerpunkt kann als natürlicher Vorläufer einer organisierten, abstrakten Wissenschaft vom unitären Menschen und seiner Umwelt gelten. Das unitäre, unteilbare

Wesen des Menschen unterscheidet sich von der Summe seiner Teile. Darüber hinaus steht die Vorstellung von der Integralität des Menschen und seiner Umwelt in Übereinstimmung mit seinem pandimensionalen Universum offener Systeme, weist auf ein neues Paradigma hin und begründet die Identität der Pflege als Wissenschaft" (Rogers 1992, zitiert nach Fawcett 1996, S. 373; vgl. auch dazu Rogers 1992, S. 28)[5].

Pflege als Profession ist für Rogers (1997) „eine Wissenschaft und eine Kunst. Eine Wissenschaft ist ein zusammenhängender Korpus abstrakten Wissens. Die Kunst, als welche die Pflege sich darstellt, besteht in der kreativen Nutzung der Wissenschaft im Dienste der Genesung des Menschen " (Rogers 1997, S. 145).

Das Ziel von Pflege ist für Rogers, den Menschen darin zu unterstützen, „sein maximales Gesundheitspotential zu erreichen" (Rogers 1997, S.111). Gesundheit und Krankheit werden von ihr nicht als dichotom angesehen, sondern als Teile eines Kontinuums: „Gesundheit und Krankheit sind Teile desselben Kontinuums, sie sind keine dichotomen Größen. An den vielfältigen Ereignissen, die im Lauf des Lebens stattfinden, kann abgelesen werden, inwiefern der Mensch sein maximales Gesundheitspotential erreicht hat. In ihren Erscheinungsformen reichen sie von bester Gesundheit bis hin zu solchen Bedingungen, die mit dem Leben nicht mehr vereinbar sind" (Rogers, 1970; zitiert nach van Kampen 2003, S. 40).

Krankheit und Pathologie gelten damit für sie als wertende Begriffe, die dann Verwendung finden, „wenn das menschliche Energiefeld Charakteristika aufweist, die als unerwünscht gelten" (Rogers 1992, S. 33; zitiert nach van Kampen 2003, S. 40). Rogers war der Ansicht, dass „die viel zu verbreitete Auffassung, der Mensch sei in der Hauptsache den vielfältigen, negativen Umwelteinflüssen ausgeliefert, die pathologische Auswirkungen nach sich ziehen, verleugnet die Einheit 'Mensch-Natur' und die evolutionäre Entwicklung des Menschen" (Rogers 1997, S. 110).

Sie glaubt, dass jede Unterbrechung und Diskontinuität im menschlichen Energiefeld zu Krankheit führt und dass ein Wiedernachbilden des Feldes durch eine mitfühlende Berührung Gesundheit erleichtert (Mentgen 2001, S. 145).

Pflegewissenschaft ist für Rogers (1997) „ein Theoriegebäude, das durch wissenschaftliche Forschung und logische Analyse entstanden ist. Es ist dieses Theoriegebäude, das die beschreibenden, erklärenden und voraussagenden Prinzipien der Pflege beinhaltet, die für eine professionelle, praktische Pflege unerlässlich sind. Es obliegt der Kunst der Pflege, dieses theoretische Wissen der Pflege für ihren Dienst am Menschen in die Praxis umzusetzen (...) Ihren sozialen Auftrag erfüllt die Pflege dadurch, dass sie die Theorie und Praxis verbindet" (Rogers 1997, S. 151).

Rogers arbeitet deduktiv: Sie zieht zur Beantwortung ihrer eigenen Fragestellungen andere Wissenschaften heran, in dem sie die (Teil-) Wissensbestände eben dieser Wissenschaften nutzt. Durch diese Reorganisation und Erweiterung des Wissensspektrums kreiert sie eine neue Wissenschaft: „Die Pflege stellt wie andere Wissenschaften auch - eine Synthese von Fakten und Ideen dar, sie ist etwas Neues. Dabei handelt es sich nicht um eine Zusammenfassung von Theorien und Prinzipien aus anderen Forschungsdisziplinen mit anderen Gegenständen und Paradigmen" (Rogers 1997, S. 183).

Im Gegensatz zu anderen Pflegetheoretikerinnen ging es Rogers nicht um die Systematisierung von Wissen, das bereits in der Pflege vorhanden ist, sondern um den Entwurf eines Pflegekonzepts. Ihrer Meinung nach sollte aller pflegewissenschaftlichen Forschung dieses Konzept als Ausgangspunkt dienen und auf diesen theoretischen Grundlagen weitere Pflegekonzepte aufbauen (van Kampen 2003, S. 42).

Der konzeptionelle Rahmen der Theorie des unitären Menschen schafft für Rogers die Grundlage von der sich weitere Theorien ableiten und überprüfen lassen. Eine Überprüfung nach ihrem Sinne ist eine empirische: „Die Pflege ist eine empirische Wissenschaft. So wie bei anderen Wissenschaften ist es ihre Aufgabe, die Phänomene, die den Kern ihres Fachgebietes ausmachen, zu beschreiben, zu erklären und darüber Voraussagen zu machen" (Rogers 1997, S. 108f). Theorien können für sie jedoch nicht empiristisch gewonnen werden, da für sie das Ausformulieren von Theorien „mit der Herstellung von Bezügen zu tun (hat). Kennzeichnend für die Theoriearbeit (ist es), daß sie es ermöglicht, Phänomene auf eine neue Art wahrzunehmen und hierfür sinnvolle Erklärungen vorzuschlagen" (Rogers 1997, S. 109).

Auf diesen Aussagen von Rogers ergibt sich implizit nach Ansicht von van Kampen (2003), „daß der induktive Ansatz der qualitativen Sozialforschung von Rogers im Grunde als nicht adäquat verstanden wird" (van Kampen 2003, S. 43). Er weist in diesem Kontext auf folgende Zitierung Nagels (1960) hin, „die Beobachtung und das Experiment alleine schaffen nicht den gedanklichen Entwurf, ohne den eine Untersuchung ziellos und blind ist" (Rogers 1997, S. 109).

Für Fawcett (1996) wird Rogers' »Pflegemodell der Wissenschaft vom unitären Menschen« den gestellten Anforderungen in jeglicher Hinsicht gerecht: Es geht von einem offenen System aus und die inhaltlichen Aussagen über die Theorie des einheitlichen Menschen werden von Rogers auf logisch kongruente Weise aufgegriffen (Fawcett 1996, S. 392).

Rogers hat die Ursprünge ihrer »Pflegetheorie vom unitären Menschen« aufgezeigt, eindeutig definiert und spätere Veränderungen erklärt und begründet. Ihre Motivation zur Erstellung des Modells erläutert sie ausführlich und nennt alle philosophischen Überzeugungen, die dieser Pflegetheorie zugrunde liegen. Charakteristisch für die Wissenschaft vom unitären Menschen ist die unitäre Sicht von Mensch und Umwelt. Rogers hält diesen Aspekt als wesentlich und ausschlaggebend, um Pflege als eine eigenständige Disziplin zu etablieren und begründen zu können (Fawcett 1996, S. 384).

Nach Ansicht von van Kampen (2003) ist das Pflegemodell nach Rogers aufgrund des hohen Abstraktionsniveaus problematisch und führt daher zu Schwierigkeiten hinsichtlich einer empirischen Überprüfung des Pflegemodells. Einige Versuche sind in dieser Richtung bereits unternommen worden, dies zeigt sowohl die von Rogers (1997) selbst zitierte Forschungsliteratur (Rogers 1997, S. 131), als auch der von Fawcett (1996) umfangreiche Überblick zum Stand der Forschung (Fawcett 1996, S. 398ff). Die Ergebnisse zur Unterstützung der Theorie sind nach Ansicht von van Kampen (2003) oft als enttäuschend anzusehen. Dies betrifft seiner Meinung nach sowohl die Ergebnisse der Grundlagenforschung sowie die Ergebnisse der angewandten Forschung. Trotz dieses Mankos kann für ihn das Pflegemodell von Rogers dann einen starken Einfluss auf die bisherige Gesundheitspolitik haben, wenn es konsequent weitergedacht werden würde, insbesondere dann, wenn die von Rogers (1997) beanspruchten Forderungen erfüllt und in die Praxis umgesetzt werden würden (van Kampen 2003, S. 44; vgl. dazu Rogers 1997, S. 151ff).

3.5.1.1 Zentrale Konzepte der Wissenschaft vom unitären Menschen - Energiefeld, Offenheit, Muster und Pandimensionalität

Als zentraler Schwerpunkt des konzeptionellen Systems von Rogers (1997) gelten der unitäre Mensch und seine Umwelt. Diese Beziehung ist nach Ansicht von Fawcett (1996) so eng, dass diese „ gemeinsam im Kontext der vier grundlegenden Konzepte des Modells - Energiefeld, Offenheit, Muster und Pandimensionalität - erörtert werden müssen" (Fawcett 1996, S. 375).

Um diese Ganzheit zu verstehen, unterscheidet Rogers (1992) zwischen zwei Energiefeldern: dem menschlichen Feld und dem umweltbezogenen Feld. Sie postuliert, dass Menschen und ihre Umgebung keine Energiefelder haben, sie seien selber Energiefelder (Rogers 1992, S. 30).

Den unitären Menschen definiert Rogers als ein „nicht auf einzelne Elemente reduzierbares, unteilbares, pandimensionales Energiefeld, dem durch Muster, die für das Ganze spezifisch sind und nicht durch die Kenntnis seiner Teile vorausgesagt werden können, Identität verliehen wird" (Rogers 1992, S. 29; vgl. dazu auch Fawcett 1996, S. 375).

Sie beschreibt dieses Energiefeld als „in eine vierdimensionale Raum-Zeit-Matrix, eingebettet (...) - im Zusammenhang mit der rhythmischen Entwicklung entlang der Längsachse des Lebens - zunehmend komplexer. Inmitten des stetigen Veränderungsprozesses werden die Muster und die Organisation des Feldes aufrechterhalten, die den kontinuierlichen Mensch­Umwelt-Interaktionen dienen" (Rogers 1997, S. 120/121). Das Feld des Menschen ist elektrischer Natur und befindet sich für Rogers in einem kontinuierlichen Fluss, wobei Intensität, Dichte und Ausdehnung des Energiefeldes sich ständig verändern (Rogers 1997, S. 116).

Dieses Energiefeld hat theoretisch eine unendliche Ausdehnung, jedoch dort seine Grenzen, wo dessen Umweltfeld beginnt. Menschliches Feld und Umweltfeld stehen in ständiger Interaktion miteinander, sie erfolgt „ über die angenommenen Grenzen dieser zwei Felder hinweg" (Rogers 1997, S. 116). Beide Felder weisen bestimmte Muster auf, die nicht direkt beobachtet werden können, jedoch sich in der beobachtbaren Welt als Ereignisse manifestieren (Rogers 1997, S. 117).

Das umweltbezogene Feld definiert sie als ein „ nicht auf seine einzelnen Elemente reduzierbares, unteilbares und pandimensionales Energiefeld, welchem durch spezifische

Muster eine Identität verliehen wird und welches mit dem Energiefeld des Menschen eine integrierte Einheit bildet" (Rogers 1992, S. 29). Beide Energiefelder gelten als grundsätzlich offen. Zwischen der Offenheit des menschlichen Energiefeldes und des umweltbezogenen Energiefeldes besteht für Rogers kein Unterschied, beide sind ständig offen, nicht nur ein bisschen oder nur manchmal (Rogers 1992, S. 30).

Energiefelder besitzen (einzigartige) Muster, die Rogers (1992) als das zu unterscheidende Merkmal eines Energiefeldes definiert, das als eine einzelne Welle wahrnehmbar wird (Rogers 1992, S. 30). Muster sind für sie Abstraktionen, die dem einzelnen Feld Identität verleihen und deren Wesen sich ständig wandelt. Jedwedes Muster eines menschlichen Energiefeldes ist für Rogers einzigartig und zudem integriert mit dem entsprechenden Muster eines umweltbezogenen Energiefeldes (Rogers 1992, S. 30).

Diese Energiefeldmuster verändern sich ständig. Diese Veränderungen sind für Rogers (1992) kontinuierlich, innovativ, relativ, zunehmend vielfältig und nicht vorhersagbar. Im Leben des Menschen gibt es daher keine Wiederholungen und nicht die Möglichkeit der Regression in frühere Entwicklungsphasen oder Zustände. Obwohl die Richtung der Veränderungen für Rogers als unveränderlich gilt, kann das Tempo dieser Veränderungen in unterschiedlichen Lebensphasen des Menschen unterschiedlich sein. Die individuellen Unterschiede unterstreichen die Bedeutung dieser relativen Vielfalt der Muster (Rogers 1992, S. 31).

Diese Muster an Energiefeldern sind für Rogers (1992) nicht direkt beobachtbar, manifestieren sich jedoch in beobachtbaren Ereignissen. Diese entstehen „ durch den gemeinsamen Veränderungsprozeß von menschlichen und umweltbezogenen Energiefeldern" (Rogers 1992, S. 31). Als Manifestationen von Mustern gelten ebenso Körper und rhythmische Phänomene wie beispielsweise Erfahrungen der Vergangenheit, der Wach­Schlaf-Zyklus sowie die Geschwindigkeit der Bewegung. Rogers (1990) begreift „Körper als Manifestation spezifischer Feldmuster" (Rogers, Doyle, Racolin & Walsh 1990, S. 377).

Rogers (1992) überträgt das Konzept des menschlichen Energiefeldes auch auf Gruppen. Die Wissenschaft vom unitären Menschen ist für Rogers sowohl auf Gruppen als auch auf Individuen anwendbar, da Gruppen auch spezifische Energiefelder bilden. Dabei kann es sich um Familien, soziale Gruppen, Menschenmengen oder sonstige Kombinationen von Personen handeln. Die Energiefelder dieser Gruppen besitzen die gleichen Charakteristika wie die individuellen Felder. Diese sind durch eine kontinuierliche Offenheit geprägt, mit ihren umweltbezogenen Feldern integriert, sie sind pandimensional und besitzen Muster, welche sich kontinuierlich verändern (Rogers 1992, S. 31).

Menschliche und umweltbezogene Energiefelder gelten für Rogers (1992) als pandimensional (Rogers 1992, S. 29). Sie definiert den Begriff der Pandimensionalität, der zunächst unter den Termini Vierdimensionalität und Multidimensionalität lief (Rogers 1997, S. 183), als „nicht linear strukturierten Funktionsbereich ohne räumliche und zeitliche Merkmale" (Rogers 1992, S. 29). Hinter dem Begriff der Pandimensionalität verbirgt sich für sie eine bestimmte Art der Wahrnehmung - jedwede Realität ist pandimensional und in dieser pandimensionalen Welt „wird der relative Charakter der Veränderung explizit" (Rogers 1992, S. 31).

Unter Pandimensionalität versteht Rogers, was Albert Einstein als Raumzeit in seiner Relativitätstheorie bezeichnete, die Verbindung der Begriffe Raum und Zeit zu einem Konzept: „Die Relevanz dieses Konzepts für das Modell besteht nach Rogers in 'einer Synthese nicht-linearer Koordinaten, aus denen sich innovative Veränderungen kontinuierlich und evolutionär entwickeln'"(Quillin & Runk 1989; zitiert nach van Kampen 2003, S. 38).

Zur Verdeutlichung ihrer Vorstellungen über die menschlichen und umweltbezogenen Energiefelder formuliert Rogers (1997) die Prinzipien der Homöodynamik, die gleichermaßen auf Gruppen und Personen anwendbar sind und den Status genereller, hypothetischer Aussagen über den Lebensprozess beim Menschen haben (Rogers 1997, S. 122-130).

Das Prinzip der Resonanz (resonancy) „bezeichnet die kontinuierliche Veränderung von niedrig- zu höherfrequenten Wellenmustern in den Feldern 'Mensch' und 'Umwelt'" (Rogers 1997, S. 185). Rogers geht bei diesem Prinzip davon aus, „daß sich die Veränderungen in den Mustern und in der Organisation des menschlichen und des Umweltfeldes in den Wellen fortpflanzen (...). Der Mensch erlebt seine Umwelt gewissermaßen als Resonanzwelle einer komplexen Symmetrie, die ihn mit der restlichen Welt vereint" (Rogers 1997, S. 128).

Diese Resonanzwellen lassen Veränderungen sichtbar und spürbar werden und treten nach Rogers in der Geschichte des Menschen in immer kürzeren Zeitabständen auf. Sie spricht in diesem Zusammenhang von einer „Theorie der beschleunigten Evolution", in der die Entwicklung des Menschen sich beschleunigt, die Wellenmuster vielfältiger und kürzer werden (Rogers 1997, S 177) und in der beim Menschen eine kontinuierliche und pandimensionale Veränderung des Lebensprozesses stattfindet, wobei sich die Feldrhythmen des Menschen in fortwährender Veränderung befinden (Ammende 1996, S. 11).

Das Prinzip der Spiralität (helicy) „meint die kontinuierliche, innovative, nicht vorhersagbare und zunehmende Verschiedenheit der Feld-Muster von Mensch und Umwelt" (Rogers 1997, S. 185). Das Prinzip umfasst die beiden Prinzipien der Wechselwirkung und der Gleichzeitigkeit, beide wurden als eigenständige Prinzipien von Rogers im Jahre 1970 in ihrer Veröffentlichung formuliert (van Kampen 2003, S. 39).

Die Feld-Muster von Mensch und Umwelt ändern sich nach dem Prinzip der Wechselwirkung ständig: „Mit jeder Veränderung der Muster werden die nachfolgenden Interaktionsprozesse revidiert und es entstehen neue Muster im Menschen und in der Umwelt" (Rogers 1997, S. 124).

Das Prinzip der Gleichzeitigkeit zeigt, dass Veränderungen des menschlichen Feldes „ausschließlich vom Zustand des menschlichen Feldes und dem Zustand des Umweltfeldes zu einem gegebenen Zeitpunkt im Raum-Zeit-Kontinuum" abhängig sind (Rogers 1997, S. 125). Als Erklärung von Veränderungen im Energiemuster eines Menschen können nur zeitgleich vorhandene Muster der Umwelt herangezogen werden. In den Mittelpunkt des Interesses rückt für Rogers die Gegenwart, das Prinzip der Gleichzeitigkeit „die Vergangenheit in einen Kontext der Nichtwiederholbarkeit und setzt voraus, daß die bestimmenden Faktoren für eine Veränderung nur die Menschen in Verbindung mit ihrer Umwelt zu einem bestimmten Zeitpunkt sein können" (Rogers 1997, S. 125).

Nach dem Prinzip der Spiralität verläuft der Lebensprozess des Menschen unidirektoral, der sich in spiralförmig verlaufenden Stadien entwickelt, in dem diese Stadien sich ähnlich sind, jedoch nie auf gleicher Ebene ablaufen (Rogers 1997, S. 127). Interaktionen zwischen Mensch und Umwelt sind nach Rogers darauf ausgerichtet „ neue Dimensionen von Komplexität zu erreichen, d.h. sie zielen nicht auf die Erlangung einer Homöostase, eines stabilen oder instabilen Gleichgewichts" (Rogers 1997, S. 127). Aussagen über die zukünftige Entwicklung von Menschen aufgrund von Ähnlichkeiten im Lebensprozess sind nur in Form von Wahrscheinlichkeitsaussagen zu treffen und nicht in Form von Kausalitätsaussagen. Welchen Weg die Entwicklung des Energiefeldes des Menschen nimmt, lässt sich aufgrund der zunehmenden Komplexität und des pandimensionalen Universums nicht vorhersagen (Rogers 1997, S. 127).

Unter dem Prinzip der Integralität (integrality) versteht Rogers „ den kontinuierlichen Interaktionsprozeß der Felder 'Mensch' und 'Umwelt'" (Rogers 1997, S. 185). Der Begriff »Integralität« hat den früheren Terminus der »Gleichzeitigkeit« abgelöst, um damit nach

Rogers eine größere Klarheit und Genauigkeit des Konzepts zu erzielen. Gemäß diesem Prinzip vollzieht sich das Leben des Menschen in wechselseitigen Prozessen. Einseitige Prozesse und Einflüsse gibt es nicht (Rogers 1997, S. 176).

Im Laufe der Jahre hat Rogers diese Prinzipien mehrfach verändert: 1980 definierte sie Resonanz als das Prinzip, das durch die Felder »Mensch« und »Umwelt« gekennzeichnet ist und zwar durch Muster von Wellen und Organisation, die eine kontinuierliche Veränderung von niedrigfrequenten, längeren Wellenmustern zu höherfrequenten, kürzeren Wellenmustern offenbaren. Entfernt wurde die Idee des Flusses zwischen »Mensch« und »Umwelt«. Die Formulierung des Prinzips der Komplementarität, heute das Prinzip der Integralität, behält diese Idee bei: Die Interaktion zwischen den Feldern »Mensch« und »Umwelt« ist kontinuierlich, gegenseitig und simultan (Rogers 1980; zitiert nach Malinski 1993, S. 1/2).

Diese Andeutung eines linearen, kontinuierlichen Verlaufs ist nach Angaben von Malinski (1993) seit der jüngsten Definition der Prinzipien abgelöst, hin zu einer Verdeutlichung der Reflektion eines einheitlichen, wechselseitigen Prozesses. Das Prinzip der Resonanz reflektiert den Verlauf oder Prozess der Veränderung als eine kontinuierliche Veränderung von niedrig- zu höherfrequenten Wellenmustern in den Feldern des Menschen und des Umfeldes. Das Prinzip der Integralität, der Kontext der Veränderung, ist die kontinuierliche, innovative, nicht vorhersagbare, zunehmende Diversität menschlicher und umweltbedingter Feldmuster (Rogers 1990, zitiert nach Malinski 1993, S. 2).

Obwohl »Mensch« und »Umwelt« sich hinsichtlich ihrer Definition unterscheiden, werden diese als ganzheitlich und untrennbar und nicht als zwei verschiedene Felder betrachtet. Dementsprechend findet kein Austausch oder Transfer von Energie innerhalb dem kontinuierlichen, wechselseitigen Prozess zwischen dem menschlichen und umweltbedingten Feldmuster statt (Malinski 1993, S. 2).

Rogers verwendet den Begriff »Bewusstsein« (consciousness, awareness) in ihrem Werk sehr vorsichtig und nutzt in ihrer Originalarbeit hauptsächlich den Begriff »awareness«, der gewöhnlich mit »Wahrnehmung« übersetzt wird: „Im Kontext des vorliegenden Werkes und der Theorie der paranormalen Phänomene bleibt die Frage nach einer Definition des Begriffs „Bewußtsein" im Sinne von „consciousness" offen (Rogers 1997, S. 193).

Unterschiedliche Autoren wie Newman (1986), Parse (1992), Fitzpatrick (1983), Barrett (1986), Ference (1986), Reed (1991) und Leddy (1993) haben von Rogers Wissenschaft des unitären Menschen Theorien abgeleitet (Fawcett 1996, S. 394-402).

Rogers (1992) leitete selbst drei rudimentäre Theorien von der Wissenschaft des unitären Menschen ab: (1) Die Theorie der beschleunigten Evolution, welche postuliert, dass sich evolutionäre Veränderungen beschleunigen und sich die Vielfalt an Lebensprozessen ständig vergrößert, (2) Die Theorie der rhythmischen Korrelate der Veränderung, die postuliert, dass die beschleunigte Evolution und die zunehmende Vielfalt der menschlichen Feldmuster integral mit der vergleichbaren Entwicklung der bezogenen Feldmuster korrelieren, (3) Die Theorie der paranormalen Phänomene, die eine Erklärung der Wirksamkeit alternativer Heilmethoden bietet wie Meditation oder »Therapeutic Touch« (Rogers 1992, S. 32).

3.5.1.2 Rogers Perspektive von »Therapeutic Touch«

Es war Rogers (1994), die ihr Modell des einheitlichen Menschen als Rahmen für »Therapeutic Touch« vorschlug (Rogers 1994; zitiert nach Woods Smith & Broida 2007, S. 217). Für sie war »Therapeutic Touch« eine der ersten nichtinvasiven Pflegemodalitäten, die kongruent mit der neuen Weltsicht des New Age im Modell des einheitlichen Menschen war und ein exzellentes Beispiel hierfür darstellte und nach ihrer Ansicht stärker in der Pflegepraxis zur Anwendung kommen würde (Rogers 1997, S. 188; vgl. dazu auch Malinski 1993, S. 1).

In einem persönlichen Gespräch zwischen Malinski (1993) und Rogers im Jahre 1988 wird jedoch deutlich, dass die Sichtweise Rogers hinsichtlich des theoretischen Rahmens von »Therapeutic Touch« nicht konsistent mit der von Kunz und Krieger ist: Erstens enthält Rogers Modell des einheitlichen Menschen nicht das Konzept der Interaktion zwischen Pflegefachkraft und Patient. Nach Rogers besteht keine Eins-zu-Eins Beziehung zwischen Menschen, weil dadurch die Umwelt verlassen würde, was als wesentlicher Bestandteil des wechselseitigen Prozesses in den Feldern »Mensch« und »Umwelt« gilt. Die Pflegefachkraft ist für sie ein wesentlicher Bestandteil des umweltbedingten Feldes des Klienten. Der Klient ist wesentlicher Bestandteil des umweltbedingten Feldes der Pflegefachkraft. Im Mittelpunkt steht der wechselseitige Person-Umwelt-Prozess und nicht die Pflegefachkraft-Klienten­Interaktion - wir selbst sind ein wesentlicher Bestandteil der Gesamtheit des Umfeldes des Klienten und es ist diese Gesamtheit, in die eingedrungen wird. Zweitens bevorzugt Rogers die Begriffe »Partizipation« oder »Teilnahme« statt Begriffen wie »Motivation« und »Intentionalität«. Für sie besitzen letztere Begriffe die Konotation des Wollens, im Sinne von willentlich etwas zu tun. Jemand kann nach Ansicht von Rogers wissentlich am Fluss des

Lebens teilnehmen, aber diesen Fluss nicht dirigieren oder eine willentliche Veränderung herbeiführen. Drittens wird diese Veränderung als eine kontinuierliche gesehen, die von niemandem initiiert oder eingeleitet werden kann. Die Natur der Veränderung bei »Therapeutic Touch« oder irgendeinem anderen einheitlichen Prozess kann nicht vorhergesagt werden. »Therapeutic Touch« beinhaltet Muster, welche am meisten dem Wohlbefinden des Individuums entsprechen, was auch immer das für dieses Individuum bedeutet. Viertens ist der TT-Therapeut weder ein Instrument noch ein Kanal für eine höhere Heilenergie, welche durch die Person hindurchgeht, m.a.W., die Veränderung wird nicht durch den Pranafluss vermittelt. Rogers sieht dies als ein Überantworten im Sinne von Nicht­Teilhabe an. Entsprechend des Modells von Rogers, kann niemals jemand nicht teilnehmen. Beide, Pflegende und Klient, nicht nur der Klient, erfahren kontinuierliche Muster innerhalb des wechselseitigen Feldprozesses zwischen Mensch und Umwelt. Schließlich sieht sie »Therapeutic Touch« als Technik und nicht als Wissensfundus (body of knowledge) an. Eine Person hat kein Feld, welches als eine Aura identifiziert werden kann. Stattdessen können die Aura und die Chakren als Manifestation von Feldmustern angesehen werden, so wie der physische Körper eine Manifestation des menschlichen Feldes darstellt. Rogers beschreibt »Therapeutic Touch« als einen neutralen Veränderungsprozess, „where the whole is going to be better". Es ist für sie eine von vielen Gesundheitsmodalitäten, die Pflegende in ihre Pflegepraxis integrieren können. Daher schlägt sie vor, dass keine Notwendigkeit für die Erstellung einer Theorie von »Therapeutic Touch« besteht. Stattdessen sollten andere Gesundheitsmodalitäten wie Meditation und die bildliche Vorstellung (imagery) übernommen werden (Rogers 1988 persönliche Kommunikation mit Malinski 1993, S. 4/5).

[...]


[1] Zu den Domänen komplementärer und alternativer Methoden zählen: (1) ganzheitliche medizinischen Systeme, (2) biologisch-basierte Anwendungen, (3) Energietherapien, (4) manipulative und körperbezogene Anwendungen und (5) Geist-Körper Therapien (NCCAM 2011).

[2] Slater (1996) prägte zudem den Ausdruck „Hand-Mediated Energetic Healing (HMEH)“, um damit auf all die Heilmethoden zu verweisen, die alle mit Hilfe der Hände durchgeführt werden, wobei die Hände des Therapeuten als Medium und Transfer des Austauschs dienen, welche sich subjektiv als Energie anfühlt (Slater 1996, S. 121).

[3] In der englischsprachigen Literatur findet sich die Differenzierung zwischen den Konzepten „Healing“ und „Curing“, welche im deutschen Sprachgebrauch beide mit „Heilung“ übersetzt werden. Heilung im Sinne von „Curing“ bedeutet die Beseitigung von Zeichen und Symptomen einer Krankheit, welche mit der Beendigung der Erkrankung des Patienten oder der Belastung korrespondieren können oder auch nicht. Heilung im Sinne von „Healing“ kann immer geschehen, im Gegensatz zu Heilung im Sinne von „Curing“ (Quinn 2000, S. 41). Heilung im Sinne von „Healing“ wird als multidimensional beschrieben, welches auf physikalischer Ebene passieren kann, aber auch auf einer anderen humanen Ebene – emotional, mental und spirituell. Heilung im Sinne von „Healing“ wird beschrieben als ein Prozess, um Teile von jemanden (bspw. physikalische, mentale, spirituelle und relationale) auf einer tieferen Ebene des inneren Wissens zusammenzubringen, was bei demjenigen zu einer Integration und Balance führt (Quinn 2000, S. 41; McKivergin 2000, S. 207).

[4] Meditation bedeutet, innerhalb des eigenen Zentrums der Mitte des eigenen Selbst zu sein. Sie gilt als eine Praxis des Bewußtseins, in Bezug zur eigenen Natur, im Zentriertsein und in der Fähigkeit sich selbst aufzugeben und in der Lage zu sein, wahrzunehmen (Naranjo & Ornstein 1971, zitiert nach Borelli 1981, S. 41). Mit Disziplin und Praxis führt Meditation dazu, mehr zu seinem inneren Selbst zu werden und sensitiver auf subtile Stimuli zu reagieren, als dies normalerweise bei einem allgemeinen Bewußtseinszustand der Fall ist, da diese dann zu schwach sind, um wahrgenommen zu werden (Naranjo & Ornstein 1976, S. 214).

[5] Im Original lautet der Text wie folgt: „...For nurses, that focus consists of a long established concern with people and the world they live in. It is the natural forerunner of an organized, abstract system encompassing people and their environments. The irreducible, indivisible nature of individuals is different from the sum of their parts. Furthermore, the integrality of people and their environments coordinates with a pandimensional universe of open systems, points to a new paradigm, and initiates the identity of nursing as a science" (Rogers 1992, S. 28).

Ende der Leseprobe aus 238 Seiten

Details

Titel
Die Effektivität von Therapeutic Touch im klinischen Bereich
Untertitel
Eine Literaturanalyse
Hochschule
Ernst-Abbe-Hochschule Jena, ehem. Fachhochschule Jena  (Ernst-Abbe-Fachhochschule Jena)
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
238
Katalognummer
V264782
ISBN (eBook)
9783656540953
ISBN (Buch)
9783656541615
Dateigröße
2078 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Therapeutic Touch, nursing, energy healing
Arbeit zitieren
Gabriele Weydert-Bales (Autor:in), 2013, Die Effektivität von Therapeutic Touch im klinischen Bereich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/264782

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