Der europäische Integrationsprozess

Einstellungen in den EU-15 bezüglich der Osterweiterung


Seminararbeit, 2013

22 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Erweiterungsrunden der Europäischen Union
2.1. Die Norderweiterung (DK, GB, IE) 1973
2.2. Süderweiterungsrunden (GR, ES, PT) 1981, 1986
2.3. Die erste „EU-Erweiterungsrunde“

3. Prozess der Ost-Erweiterung

4. Meinungen zur Erweiterung (aus Sicht der EU-15)
4.1. Gründe für eine Ausdehnung der EU
4.2. Gründe gegen eine Erweiterung

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

Der europäische Integrationsprozess

Einstellungen in den EU-15 bezüglich der Osterweiterung

„We are here to undertake a common task - not to negotiate for our own national advantage, but to seek it to the advantage of all. (Monnet 1976: 323)

1. Einleitung

Die Aufnahme zusätzlicher Mitgliedstaaten in den Kreis der Europäischen Gemeinschaft (EG) und später der Europäischen Union (EU) war nie ein sehr populärer Vorgang. Bereits der erste Versuch, die Gemeinschaft auszuweiten, führte zur ersten wirklichen Krise innerhalb der EG. So war der angedachte EG-Beitritt Großbritanniens für den damaligen französischen Präsidenten Charles de Gaulle ein Ding der Unmöglichkeit. De Gaulle war sehr besorgt darüber, ob die Bedingungen, unter denen Großbritannien beitreten sollte, für Frankreich akzeptabel seien und hatte Bedenken, welche Auswirkungen ein britischer EG-Beitritt auf die Agrarpolitik der EG haben würde (vgl. Schneider 2009: 1).

Damals, von de Gaulle genannte Gründe gegen den britischen Beitritt waren u.a., dass Großbritannien sich sowohl politisch als auch ökonomisch zu sehr von den sechs Gründungsmitgliedern unterscheiden würde (vgl. ebd.). Vorwürfe, die auch über 40 Jahre später im Rahmen der angedachten EU-Osterweiterung in Anbetracht der Beitrittskandidaten immer wieder laut wurden. Die alles entscheidende Frage, welche Expansionskritiker immer wieder aufwarfen, war, wie viel Vielfalt und Diversität die Europäische Union unterbringen kann, bevor sie endgültig aufhört, eine funktionierende, beständige Gemeinschaft zu sein (vgl. Preston 2003: 3).

Die vorliegende Proseminararbeit beschäftigt sich mit der Frage der EU-Osterweiterung und im speziellen damit, welche Gründe aus der Sicht der „alten“ EU-Mitgliedstaaten gegen und welche Gründe für eine Osterweiterung sprachen und immer noch sprechen. Im Rahmen dieser Arbeit soll - neben der Darstellung der bisherigen Erweiterungsrunden und einer genaueren Analyse der Vorgänge der EU-Osterweiterung - folgende Forschungsfrage beantwortet werden:

FF: Inwieweit und warum unterschieden sich die Argumentationen in den „alten“ Mitgliedstaaten für bzw. gegen einen EU-Beitritt der ostmitteleuropäischen Staaten?

Kapitel zwei der vorliegenden Proseminararbeit soll die europäische Integrationsgeschichte, inklusive aller Erweiterungsrunden bis 1995, in aller Kürze wiedergeben; woraufhin sich Kapitel drei speziell mit dem Weg zur EU-Osterweiterung 2004 beschäftigen will. Im vierten Kapitel der Arbeit wird dann versucht, Gründe - aus Sicht der EU-15 - sowohl für als auch gegen einen EU-Beitritt der für die Osterweiterung vorgesehenen Beitrittskandidaten aufzuzeigen. Schlussendlich soll dann im fünften und letzten Kapitel dieser Proseminararbeit ein Fazit gezogen und die gestellte Forschungsfrage hinlänglich beantwortet werden. Mit EU-15 sind jene 15 EU-Mitgliedstaaten gemeint, die bereits vor den Erweiterungsrunden 2004 und 2007 ein Teil der EU waren.

2. Erweiterungsrunden der Europäischen Union

Die EU ist das Resultat eines Prozesses von freiwilliger ökonomischer und politischer Integration von europäischen Nationalstaaten. Angefangen hat die EU mit 6 Gründungsmitgliedern, sie wuchs bis in die 1990er Jahre auf 15 heran und hat es geschafft, im Jahr 2004 weitere 10 Länder zu inkludieren. Mittlerweile sind mit Bulgarien, Rumänien (2007) und Kroatien (2013) noch 3 weitere Länder dazugekommen, womit die Europäische Union derzeit 28 Mitglieder zählt (vgl. Hix 2005: 1).

Grundsätzlich geht die Idee der europäischen Einigung viel weiter zurück als „nur“ in das 20. Jahrhundert. Die Geschichte von Einigungskonzepten reicht bis in das 14. Jahrhundert zurück. So entwarfen beispielsweise Dante Alighieri (1310), Pierre Dubois (1306), Georg Podiebrad (1464), Maximilien de Béthune Herzog von Sully (1460), Abbé Castel de Saint-Pierre (1712) oder auch Immanuel Kant (1715) diverse Pläne universalistischer Herrschaftskonzeption. In der Regel waren Europaideen Reaktionen auf politische Krisen, deren Ziel immer die Stabilisierung bestehender Herrschaftsordnungen war (vgl. Pollak/Slominski 2006: 17).

Die Katastrophen des Ersten und Zweiten Weltkriegs, die durchaus auch als „Selbstzerstörung Europas“ wahrgenommen wurden, führten zu einer Debatte über die Neuordnung des Kontinents und über das zukünftige Miteinander der europäischen Staaten. Prägend war hier beispielsweise das von Altiero Spinelli verfasste Manifest von Ventotene (1941). Als wegweisende Beiträge werden auch das Herstensteiner Programm der Union Europäischer Föderalisten sowie die Rede von Winston Churchill 1946 in Zürich gewertet (vgl. Wessels 2008: 57):

„Yet all the while there is a remedy. … It is to re-create the European Family, or as much of it as we can, and to provide it with a structure under which it can dwell in peace, in safety and in freedom. We must build a kind of United States of Europe.” – Winston Churchill (Zurich, 19. September 1946) (Baldwin/Wyplosz 2009: 3)

In dieser Phase der Unsicherheit über die Gestalt des zukünftigen Europas in der Nachkriegszeit präsentierte Jean Monnet dem damaligen französischen Außenminister Robert Schumann das von ihm ausgearbeitete Projekt einer europäischen Montanunion für Kohle und Stahl, welches nach Zustimmung des deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer am 9. Mai 1950 auf einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt wurde (vgl. Pollak/Slominski 2006: 24). Beide genannten Sektoren waren damals Basisindustrien und für fast die gesamte weiterverarbeitende Industrie von immenser Bedeutung (vgl. Tömmel 2008: 18). Das neue und bisher nicht dagewesene Element dieses Vorschlages war es, dass die Mitgliedsstaaten Teile ihrer hoheitlichen Rechte auf diese neue Gemeinschaft übertragen. Dies sollte auf eine Art und Weise geschehen, die es der „hohen Behörde“ erlauben sollte, im Rahmen ihrer Aufgaben zu entscheiden, ohne der Ratifikation ihrer Vorschläge durch die nationalen Parlamente zu bedürfen (vgl. Seeler 1992: 23). Dieser Vorschlag stellte ein Novum in der Geschichte der Europäischen Einigungsbemühungen dar, weil die Nationalstaaten damit erstmals dazu bereit waren, sich bindenden Mehrheitsentscheidungen zu unterwerfen. Am 18. April 1951 unterzeichneten die Außenminister der sechs Gründungsstaaten - Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande und Italien - den Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (vgl. Pollak/Slominski 2006: 27f.). Damit war der erste Schritt in Richtung Europäischer Integration getan, wobei von Anfang an hinter dem Ziel der schrittweisen wirtschaftlichen Integration ein politisches Ziel versteckt war (vgl. ebd.).

Diese sechs Gründungsmitglieder waren es auch, die 1957 mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge endgültig die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) (besser als Europäische Gemeinschaft (EG) bekannt) ins Leben riefen (vgl. Cameron 2005: 2). In weiterer Folge auf jeden weiteren europäischen Integrationsschritt einzugehen und die von 1951 an zwischen den Mitgliedstaaten unterzeichneten Verträge hier zu erläutern, würde den Rahmen der vorliegenden Proseminararbeit sprengen. Aus diesem Grund möchte der Autor sich nun auf die jeweiligen Erweiterungsrunden, mit deren Hilfe die Europäische Gemeinschaft/Europäische Union neue Mitgliedstaaten in seinen Reihen begrüßen konnte, fokussieren.

2.1. Die Norderweiterung (DK, GB, IE) 1973

Mit der EWG entstand ein Markt von 180 Millionen Konsumenten. Die Industrieproduktion in Deutschland, Frankreich, Italien und den Benelux-Ländern wuchs in den Jahren 1958-1962 um 37 %. Verglichen mit den USA (28 %) und Großbritannien (14 %) war dies eine enorme Steigerung. Auch das Bruttosozialprodukt in der EWG nahm um rund 80 % zu und der Lebensstandard wurde um das Doppelte erhöht. Diese Zahlen waren sicherlich auch ein Mitgrund für die 1961 gestellten Anträge von Großbritannien, Irland, Dänemark und Norwegen auf Vollmitgliedschaft in der EWG (vgl. Pollak/Slominski 2006: 33).

Die Grundprinzipien der klassischen EG/EU-Erweiterungsmethode wurden sehr schnell im Rahmen der ersten Anträge auf Vollmitgliedschaft geschaffen. Dieser erste Erweiterungsprozess, der faktisch von 1961 bis 1973 andauerte, etablierte ein Rahmengerüst, an das sich zukünftige Bewerber halten mussten; sowohl was den eigentlichen Erweiterungsprozess als auch was die heimischen Anpassungen, um den EU-Ansprüchen gerecht zu werden, betrifft (vgl. Preston 2003: 23).

Gerade die Möglichkeit eines britischen EG-Beitrittes führte zu Bedenken auf der Seite der „alten“ Mitgliedstaaten. Da das Vereinigte Königreich so enge Beziehungen mit den USA und dem Commonwealth pflegte, war die Frage, ob ein britischer Beitritt die Bestrebungen nach einer „ever closer union“ untergraben würde. Wie bereits eingangs erwähnt, hatte besonders Charles de Gaulle wenig Sympathie dafür, dass die Briten die französische Vorherrschaft in der EG anfechten könnten. Deswegen legte der französische Präsident 1963 und 1967 zweimal ein Veto gegen eine britische EG-Mitgliedschaft ein. De Gaulles Abgang 1969 führte zu einer neuen politischen Perspektive, die es ermöglichte, die Beitrittsverhandlungen 1971 zu beginnen. Nur sehr kurze Zeit später - nämlich bereits am 1. Jänner 1973 - traten Großbritannien, Dänemark und Irland der Europäischen Gemeinschaft bei. (vgl. Cameron 2005: 3).

Bei Dänemark, Irland und Norwegen handelte es sich allesamt um Länder, bei denen die Agrarwirtschaft eine wesentliche Rolle spielte, die sehr stark vom britischen Markt abhängig waren und die sich alle - zumindest war dies ein Mitgrund für diese Entscheidung - aufgrund des britischen Ansuchens um einen EG-Beitritt bewarben. Norwegen forderte bei den Beitrittsverhandlungen permanente Ausnahmen für seine Landwirtschaft. Erstens, um die Besiedlung in abgelegenen Regionen im Land aufrechtzuerhalten und zweitens, um spezielle Vereinbarungen für die norwegische Fischereiwirtschaft zu bewerkstelligen. Diese Forderungen führten zu sehr schwierigen Verhandlungen mit der EG. Konkret ging es dabei um ein „Zwölf-Meilen-Limit“. Innerhalb der zwölf Meilen von der norwegischen Landesküste entfernt sollten nur norwegische Fischereibetriebe ihrer Arbeit nachgehen dürfen. Die EG sicherte Norwegen diese Ausnahme auch für eine Übergangszeit von zehn Jahren zu. Die norwegische Regierung hat die Bedingungen der EG schlussendlich akzeptiert und im Jänner 1972 einen Beitrittsvertrag unterzeichnet. Da es im norwegischen Parlament allerdings hierfür keine mehrheitliche Unterstützung gab, wurde ein Referendum durchgeführt. Das Ergebnis dieses Referendums war, dass 53,5 % der norwegischen Bevölkerung den vereinbarten Beitrittsbedingungen nicht zustimmten, womit der norwegische EG-Beitritt endgültig gescheitert war (vgl. Preston 2003: 43f.).

Die Ausweitung der EWG von sechs auf neun Mitgliedstaaten sollte weitreichende Konsequenzen haben. So befanden sich die neuen Mitglieder in ökonomischer Hinsicht teilweise in einem schwierigen Entwicklungs- (Irland) beziehungsweise in einem Umstrukturierungsprozess (Großbritannien). Zudem war ein relevanter Teil der bestimmenden politischen Kräfte in diesen Ländern (v.a. Dänemark und Großbritannien) deutlich weniger integrationsorientiert als in den „alten“ Sechs. Diese Situation führte in weiterer Folge zu zusätzlichen politischen Divergenzen, was den Entscheidungsprozess erheblich behinderte und den Integrationsprozess insgesamt verlangsamte (vgl. Tömmel 2008: 23).

2.2. Süderweiterungsrunden (GR, ES, PT) 1981, 1986

Im Jänner 1981 wurde Griechenland als zehntes Mitglied in die EG aufgenommen. Weil das Ende der griechischen Militärdiktatur (1974) erst einige Jahre zurücklag, konzentrierte sich die Hoffnung auf beiden Seiten vor allem auf eine Stabilisierung der noch relativ jungen Demokratie (vgl. Pollak/Slominski 2006: 37).

Fünf Jahre später - am 1. Jänner 1986 - traten Spanien und Portugal in der zweiten Süderweiterung der EWG bei. Beide Länder besaßen bis Mitte der 1970er Jahre autoritäre Regime. Insbesondere weil Frankreich die spanische Konkurrenz in der Landwirtschaft fürchtete, wurden acht Jahre lang schwierige Beitrittsverhandlungen geführt. Außerdem betrugen zu diesem Zeitpunkt die Ausgaben für die gemeinsame Agrarpolitik über 70 % des Gesamthaushaltes der Gemeinschaft, womit bereits klar war, dass der Beitritt dieser beiden agrarintensiven Volkswirtschaften die Ausgaben der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beträchtlich erhöhen würde (vgl. Pollak/Slominski 2006: 38).

Die Motive für einen EG-Beitritt waren aus der Sicht von Griechenland, Spanien und Portugal relativ ähnlich. Erstens wollten sie ihre neu gewonnenen Demokratien in der Europäischen Gemeinschaft zementiert sehen und zweitens waren diese drei Länder im Vergleich zum EG-Durchschnitt relativ arme Staaten, die verstanden haben, dass der Zugang zu einem größeren Markt, kombiniert mit großzügiger regionaler Entwicklungshilfe, die innerstaatliche Wirtschaft enorm ankurbeln könnte (vgl. Cameron 2005: 4).

Die Süderweiterung der Europäischen Gemeinschaft war zweifellos nicht primär von ökonomischen Kalkülen motiviert, sondern vor allem von politischen Beweggründen. Man erwartete sich davon zunächst auf beiden Seiten mehr Nachteile als Vorteile. Gleichzeitig implizierte die Süderweiterung aber auch die bewusste Entscheidung für eine Gemeinschaft von ökonomisch ungleichen Partnern und damit auch die Entscheidung für mehr „Kohäsions-Politik“ auf der europäischen Ebene (vgl. Tömmel 2008: 25).

2.3. Die erste „EU-Erweiterungsrunde“

Nachdem es 1992 mit dem Vertrag von Maastricht zur Gründung der Europäischen Union kam, welche die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl in sich aufnahm, waren Finnland, Österreich und Schweden nach positiven Volksabstimmungen (in Österreich stimmten sogar 66,58 % der Wähler für einen Beitritt [vgl. Pollak/Slominski 2006: 42]) die ersten drei neuen Mitglieder, welche die Union nach ihrer Umbenennung und nach dem Ende des Kalten Krieges in ihren Reihen begrüßte (vgl. Cameron 2005: 5).

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Der europäische Integrationsprozess
Untertitel
Einstellungen in den EU-15 bezüglich der Osterweiterung
Hochschule
Universität Salzburg  (Fachbereich Geschichte)
Note
2
Autor
Jahr
2013
Seiten
22
Katalognummer
V264555
ISBN (eBook)
9783656538110
ISBN (Buch)
9783656542087
Dateigröße
867 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
integrationsprozess, einstellungen, eu-15, osterweiterung
Arbeit zitieren
Bakk. Komm. BA Josef Schopf (Autor:in), 2013, Der europäische Integrationsprozess, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/264555

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