"Homo und Grigia" - Die Expedition des Mannes in die mythische Natur in Musils "Grigia"


Seminararbeit, 2002

19 Seiten, Note: 1


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1. Vorgeschichte: Homos Familie
2.2. Expedition
2.2.1. Frühjahr
2.2.2. Sommer
2.2.3. Heuernte
2.3. Tod

3. Schluss

4. Literaturverzeichnis

1. EINLEITUNG

In der vorliegenden Arbeit soll das Thema „Homo und Grigia. Die Expedition des Mannes in die mythische Natur in Musils Grigia“ anhand der Erzählung „Grigia“ von Robert Musil erläutert werden.

Die Erzählung „Grigia“ ist die erste der drei Novellen „Drei Frauen“ und erzählt die Geschichte eines Mannes namens Homo. Einen Ausweg aus Homos Identitätskrise bietet die Bergbauexpedition. Trotz des Titels „Grigia“ steht im Zentrum der Novelle ein männlicher Protagonist, der aus einem irrationalen Antrieb heraus die bisherigen Lebensgewohnheiten durchbricht und dabei in die Südliche Welt gerät. Die weiblichen Wünsche werden in der Erzählung nicht dargestellt, sondern auf eine männliche Figur übertragen. In der Novelle repräsentiert die Frau eine Form ungebrochener Natürlichkeit, zu der der Mann in Kontakt tritt. Sie erfüllt nur eine vermittelnde Funktion im Rahmen des Versuchs einer Selbstfindung des Mannes. Die Frau ist nicht nur Liebespartnerin, sondern auch Symbol einer dem Mann verschlossenen mythisch-natürlichen Welt. Sie erscheint als wortlos und stumm, sie erfährt die männliche Sprache als Machtinstrument und lebt nur durch den Blick und die Erinnerung ihrer Partner. Sie bleibt in ihrer Identität unbestimmt.

Musil notierte mystische Erlebnisse im Tagebuch, die mit Vorliebe in extremen, archaischen Landschaften auftreten und dann in „Grigia“ wieder eingefügt wurden. Diese Notizen befinden sich im Tagebuchheft I, in das Musil von 1915-1920 zuerst Kriegserlebnisse, später verschiedene literarische Pläne notierte. Dazu gehören zahlreiche Landschafts-, Menschen- und Tierbeschreibungen aus dem Gebiet Südtirol, wo Musil stationiert war, außerdem Todesahnungen, mystische Erlebnisse, Gedanken über Untreue und die Trennung von seiner Frau.

2. HAUPTTEIL

2.1. DIE VORGESCHICHTE

„Es gibt im Leben eine Zeit, wo es sich auffallend verlangsamt, als zögerte es weiterzugehen oder wollte seine Richtung ändern. Es mag sein, dass einem in dieser Zeit leichter ein Unglück zustößt.“1

Der Anfang der Novelle fängt mit einem Erzählerkommentar und mit dem Hinweis auf eine Verlangsamung der Zeit an. Der Beginn macht deutlich, dass sich das Folgende in einer Zeit der Ungewissheit, der Orientierungslosigkeit, des Stillstands ereignet und in Kontrast zu dem steht, was im Text geschildert wird.

Schon in der darauf folgenden Beschreibung Homos Lebenssituation kann man erkennen, dass es um eine Krise seiner Identität geht. Im Zentrum der Novelle steht die männliche Hauptfigur Homo = Mensch, er ist ein Mann der Moderne. Die Namensgebung unterstützt den exemplarischen Charakter der Erzählung.2 Homo befindet sich in einer Entscheidungsphase seines Lebens. Man erfährt, dass er einen kranken Sohn hat, dem der Arzt einen Kuraufenthalt verordnet hat. Homo konnte sich nicht entscheiden mitzureisen, weil er denkt, dass er dadurch zu lange von sich, von seinen Büchern, Plänen und Leben getrennt wird. Er wirf sich das als eine „Selbstsucht“ vor. Im folgenden Satz wird seine Frau genannt, die er liebt, aber man erfährt auch, dass sich in der Liebe zu ihr etwas verändert hat, sie „war durch das Kind trennbar geworden, wie ein Stein, in den Wasser gesickert ist, das ihn immer weiter auseinander treibt.“3 Darauf hin entschließt sich Homo, den Sommer allein zu verbringen. Mit dieser Erfahrung der Trennbarkeit geht ein Gefühl der „Selbstauflösung“4 ein. Dass er „einen heftigen Widerwillen gegen Bade- und Gebirgsorte empfand,“5 kann man auf einer Seite als eine Begründung für seine Entscheidung auffassen. Auf der anderen Seite wirkt diese Begründung als Paradox , weil er zwei Tage später eine Einladung von einem Herrn Mozart Amadeo Hoffingott akzeptiert, sich an den Aufschließungsarbeiten einer geologischen Expedition im Gebirge in Italien als Geologe zu beteiligen. Das Gebirge wird später durch eine Häufung von Paradoxen beschrieben. Durch Homos Teilnahme an dieser Bergwerkexpedition geschieht sein Austritt aus den gewohnten Lebensabläufen.

Der Anfang dieser Novelle ist ähnlich wie in der Novelle „Vollendung der Liebe“, in der ebenfalls ein Kind den Grund für die Trennung einer Liebe darstellt. Die Liebe des Mannes zur Frau war in beiden Novellen sehr stark: „er war zuvor nie auch nur einen Tag lang von seiner Frau geschieden gewesen; hatte sie sehr geliebt und liebte sie noch sehr,...“6 und „Sie fühlten, dass sie ohneeinander nicht leben konnten und nur zusammen , wie ein kunstvoll in sich gestürztes System.“7 Die Frau reist in beiden Novellen mit dem Kind und entfernt sich von ihrem Mann. In der „Vollendung der Liebe“ ist das Claudines Reise ins Unbekannte und ihre Entfremdung von ihrem Mann. In „Grigia“ löst sich Homo von seiner namenlosen Frau, die nicht mehr in der Erzählung genannt wird, genau wie der Mann von Claudine. Unterschiedlich sind die Bezugspunkte der Novellen. In der „Vollendung der Liebe“ wird die Identitätsfrage der weiblichen Figur thematisiert und in „Grigia“ ist das eine männliche Figur. Genau wie in der „Vollendung der Liebe“ versucht Homo eine „neue Eigenschaft der Trennbarkeit“8 zu überwinden, um durch eine neue Beziehungskonstellation eine Vereinigung ohne Trennbarkeit, später „Wiedervereinigung“9 zu erreichen.

2.2 DIE EXPEDITION

Die Zeit der Expedition ist in drei Teile gegliedert. Sie beginnt im Frühjahr, erstreckt sich über den Sommer und endet im Spätsommer, zur Zeit der Heuernte.

Homo hat die Zivilisation und Gesellschaft verlassen um aus seinem Alltag wegzugehen. Erinnerung an sein früheres Leben ruft in ihm den Wunsch nach Veränderung des Lebens, nach Möglichkeiten zu neuer Selbsterfindung und Wiedergewinnung des Verlorenen hervor. Von Anfang an steht er in der Anziehungskraft des Unbewussten, das sein bewusstes Ich immer mehr überwältigt.

2.2.3. FRÜHLING

Homo traf sich in der Stadt P. in Italien mit dem Bekannten Hoffingott. Sie fingen mit den Vorbereitungen der Expedition an, die aus ihnen und drei Teilhabern bestand. Homo wohnte bei einem italienischen Bekannten Hoffingots in einem Privatzimmer, ohne eigentlich zu wissen, weshalb. Schon in dem Privatzimmer beobachtet Homo besonders auffallende Dinge : „Betten von einer unsagbar kühlen Weichheit in schöner Mahagonischale. Eine Tapete mit einem unsagbar wirren, geschmacklosen, aber durchaus unvollendbaren und fremden Muster. Und ein Schaukelstuhl aus Rohr; wenn man sich in diesem wiegt und die Tapete anschaut, wird der ganze Mensch zu einem auf und niederwallenden Gewirr von Ranken, ...“10 Hier kann man eine Wiederholung des Adverbs „unsagbar“ und eine Wortfolge „aber durchaus unvollendbar“ beobachten, die als eine Bildparataxe11 zu verstehen ist, die auf etwas verweist, das kaum mit anderen sprachlichen Mitteln zum Ausdruck gebracht werden kann. Das ist eigentlich schon der Beginn des hilflosen Ausgeliefertsein des bewussten Ichs an das unbewusste, seiner Arbeit des Lösens, Lockerns und Öffnens. „Der ganze Mensch“ wird eigentlich nicht zu einem „Gewirr,“ sondern das Bild, das er sieht, das sich nicht ändert wie ein Mensch.12 Man kann den „Schaukelstuhl“ in „Grigia“13 zu den „Schwanken des Zuges, mit dem die Claudine in ihr Abenteuer fährt“ in der „Vollendung der Liebe“ vergleichen. In der „Vollendung der Liebe“ heißt es: „ Das leichte, gleichmäßige Schwanken des Zugs, das Aufgelockerte, Tauende der Natur, draußen, - es war, als hätte sich ein Druck von Claudine gehoben... es war, wie wenn man eine Tür, deren man sich nie anders als geschlossen entsinnt, einmal offen findet.14

[...]


1 Musil Robert: Frühe Prosa und aus dem Nachlaß zu Lebzeiten. Drei Frauen. Grigia. S. 215.

2 Eibl: Drei Frauen. S 104

3 Musil, Robert: Frühe Prosa und aus dem Nachlaß zu Lebzeiten. Drei Frauen. Grigia. S. 215.

4 Ebd. S. 215.

5 Ebd. S. 215.

6 Ebd. S. 215.

7 Musil, Robert: Frühe Prosa und aus dem Nachlaß zu Lebzeiten. Vereinigungen. Vollendung der Liebe. S. 148.

8 Musil, Robert: Frühe Prosa und aus dem Nachlaß zu Lebzeiten. Drei Frauen. Grigia. S. 215.

9 Ebd. S. 215.

10 Ebd. S. 216

11 Eibl, 139 f.

12 Musil, Robert: Frühe Prosa und aus dem Nachlaß zu Lebzeiten. Drei Frauen. Grigia. S. 216.

13 Ebd. S. 216.

14 Musil, Robert: Frühe Prosa und aus dem Nachlaß zu Lebzeiten. Vereinigungen. Vollendung der Liebe. S. 152.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
"Homo und Grigia" - Die Expedition des Mannes in die mythische Natur in Musils "Grigia"
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Institut für deutsche Philologie)
Veranstaltung
Robert Musil: 'Frühe Prosa'
Note
1
Autor
Jahr
2002
Seiten
19
Katalognummer
V26443
ISBN (eBook)
9783638287746
ISBN (Buch)
9783656071723
Dateigröße
459 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
: In der vorliegenden Arbeit soll das Thema 'Homo und Grigia. Die Expedition des Mannes in die mythische Natur in Musils Grigia' anhand der Erzählung 'Grigia' von Robert Musil erläutert werden.
Schlagworte
Homo, Grigia, Expedition, Mannes, Natur, Musils, Grigia, Robert, Musil, Prosa“
Arbeit zitieren
Eva Galova (Autor:in), 2002, "Homo und Grigia" - Die Expedition des Mannes in die mythische Natur in Musils "Grigia", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26443

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