Plötzlich allein: Partnerverlust im höheren Alter


Bachelorarbeit, 2013

103 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Mögliche Folgen eines Partnerverlustes
1.1 Trauerreaktionen der Verwitweten
1.1.1 Definition Trau
1.1.2 Trauerphasen und Reaktio
1.1.3 Pathologische Trau
1.2 Kritisches Lebensereignis und Krise
1.2.1 Merkmale und Besonderheiten von kritischen Lebensereignissen
1.2.2 Krise
1.3 Nichtorganische Schlafstörungen
1.3.1 Definitionen und Symptomatik
1.3.2 Therapie.
1.4 Neurotische Störungen
1.4.1 Angststörungen
1.4.1.1 Definitionen und Symptomati
1.4.1.2 Thera
1.4.2 Alkoholabhängigkeit
1.4.2.1 Definitionen und Symptomat
1.4.2.2 Thera
1.5 Affektive Störungen
1.5.1 Depression
1.5.1.1 Definitionen und Symptomati
1.5.1.2 Thera
1.5.2 Suizidalität
1.5.2.1 Definitionen und Symptoma
1.5.2.2 Behandlun

2 Lebenslagen der Verwitweten auf der Grundlage des Lebenslagenkonzeptes nach Clemens & Naegele
2.1 Lebenslage
2.1.1 Messung von Lebenslagen
2.2 Erläuterung des Lebenslagenkonzeptes
2.3 Einschränkung in den Handlungsspielräumen bei Verwitwung
2.3.1 Einkommens- und Vermögensspielra
2.3.2 Materieller Versorgungsspielraum
2.3.3 Kontakt- und Kooperationsspielraum
2.3.4 Lern- und Erfahrungsspielraum
2.3.5 Dispositions- und Partizipationsspielraum
2.3.6 Muße- und Regenerationsspielraum
2.3.7 Unterstützungsressourcenspielr

3 Angebote der Sozialen Arbeit zur Trauerbewältigung und zur Krisenbewältigung
3.1 Trauerberatung- und Begleitung
3.2 Trauercafe und Trauergruppen für Trauernde
3.3 Gruppenangebote innerhalb und außerhalb sozialer Einrichtungen
3.3.1 Freizeitangebote
3.3.2 Bildungsangebo
3.4 Wohnformen und Wohnmöglichkeiten
3.4.1 Alleinleben in einem Ein-Personen-Haushalt und Wohnraumanpassung
3.4.2 Betreute Wohngemeinschaft
3.4.3 Mehrgenerationenhäuse

4 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Der Tod - Eine Spur des Lebens

„Karl ist 65 Jahre alt. Vor kurzem ist seine Ehefrau Karla mit 63 Jahren verstorben. Herzinfarkt. Plötzlich war es vorbei. Karl steht nun alleine da. Nach außen hin wirkt er agil und lebensfreudig. Keinerlei Anzeichen dafür, dass er sich morgen das Leben nehmen wird. Er hat viele Freunde und Bekannte, eine liebenswerte Familie, ein gesichertes Wohnumfeld und keine finanziellen Schwierigkeiten. Dennoch verkraftet Karl den Tod seiner Frau nicht. Er fühlt sich allein. Der Verlust des geliebten Menschen hinterlässt Spuren in seiner Seele. Die Einsamkeit und die Trauer machen ihm sehr zu schaffen. Er möchte dennoch keine Hilfe annehmen und wird mit der Zeit immer desorientierter, zurückhaltender, hilfloser und allein. Allein mit sich und seiner Verarbeitung der Trauer. Am nächsten Morgen ist Karl tot. Seine engste Bekannte und gute Freundin Irmgard findet ihn in der Küche. Erhängt mit einem Seil. Keiner kann seinen Entschluss verstehen, obwohl er auf dem ersten Blick den Eindruck machte, dass er mit seinem Leben und dem Alltag zurechtkommt. Karlas Tod hat eine Spur in seinem Leben hinterlassen, mit der Karl seelisch und psychisch nicht fertig geworden ist. Karl hat den Trauerprozess verloren.“ (Veronika Siegrist)

Diese Kurzgeschichte soll einen Einblick in die Thematik gewähren. Karlas Tod hat ihren Ehemann überschattet. Das familiäre Umfeld bemerkte die Intensität seiner Trauer nicht, da Karl nach außen hin sein Leben als positiv darstellte und den Eindruck erweckte, dass er die Trauer über den Verlust seiner Frau verarbeiten konnte. Doch die körperlichen und psychischen Folgen blieben im Verborgenen. Karl entschied sich zu einem Suizid. Doch welche Gründe gab es wirklich für seinen Suizid? Wie hätte man ihm helfen können? Gab es im Vorfeld Anzeichen für Karls Suizid?

Die Folgen und die Risiken eines Partnerverlustes können bei jedem Menschen individuell erfolgen. Es mag Menschen geben, die den Trauerprozess offen leben und zeigen. Es gibt aber auch Menschen, die für sich alleine trauern und eventuell mit dieser Art von Verlust nicht umgehen können. Die Angst vor dem Alleinsein. Die Angst vor der sozialen Isolation: Abbruch des Kontaktes zu Freunden und Bekannten, keine gemeinsamen Urlaube und Ausflüge mehr, alltägliche Dinge müssen selbstständig überwunden werden.

So wie es Karl in der Kurzgeschichte erging, kann es vielen Menschen ergehen. Es kann, aber es muss nicht. Jeder Mensch gestaltet seinen persönlichen pathologischen Trauerprozess individuell.

Das erste Kapitel dieser Arbeit befasst sich ausführlich mit möglichen Folgen eines Partnerverlustes im höheren Alter. Der Fokus wird auf hochaltrige, verwitwete Menschen gesetzt. Es wird beschrieben, was man mit dem Begriff „Trauer“ assoziiert, welche einzelnen Trauerphasen ein Verwitweter in der Regel durchläuft und welche Reaktionen er äußern könnte. Anhand des Trauerzyklus als Modell werden die einzelnen Phasen erläutert. Es wird kurz auf die einzelnen Trauerreaktionen einer pathologischen Trauer hingewiesen, bevor definiert wird, welche Bedeutung die Begrifflichkeiten eines „kritischen Lebensereignisses“ und einer „Krise“ haben. Hier wird insbesondere auf verschiedene Merkmale und Besonderheiten eingegangen. Da bei einem Partnerverlust in der Regel ein kritisches Lebensereignis vorliegt, aber nicht unbedingt in eine Krise übergehen muss, werden unterschiedliche Störungen benannt, die eventuell auftreten können. Zu diesen Störungen können nichtorganische Schlafstörungen, neurotische Störungen, wie zum Beispiel Angststörungen oder eine Alkoholabhängigkeit, zählen. Aber auch affektive Störungen, wie zum Beispiel eine Depression oder der Gedanke an einen Suizid, können auftreten. Bei den oben genannten Störungen wird jeweils eine Definition gegeben, es werden verschiedene Symptome beschrieben und im Anschluss Möglichkeiten zur Therapie oder zur Behandlung aufgeführt. Diese möglichen Folgen können, müssen aber nicht bei jedem Menschen eintreten. Jeder Mensch besitzt eine andere Auffassung und eine andere Psyche.

Im zweiten Kapitel dieser Arbeit werden die Lebenslagen der Verwitweten auf der Grundlage des Lebenslagenkonzeptes nach Clemens & Naegele überprüft. Es wird erläutert, was eine „Lebenslage“ ist und wie man soziale Lebenslagen messen kann. Das Lebenslagenkonzept nach Clemens & Naegele ist Voraussetzung, um die einzelnen Handlungsspielräume von verwitweten, hochaltrigen Menschen überprüfen zu können. Insgesamt teilt es sich in sieben unterschiedliche Bereiche. Da bei einer Verwitwung diese einzelnen Spielräume eingeschränkt werden, werden die Handlungsspielräume einzeln auf den Fokus der Verwitwung überprüft. Zunächst wird jeder Spielraum kurz definiert und darauffolgend werden die Einschränkungen bei Verwitwung benannt. Die benutzten Daten berufen sich überwiegend auf den Deutschen Alterssurvey. Anhand von Schaubildern wird die aufgegriffene Thematik bearbeitet. Die Einschränkung von Hinterbliebenen bei einem Partnerverlust wird in den einzelnen Handlungsspielräumen als selbstständige Eigenleistung definiert. Es ist sehr schwierig passende Literatur zu diesen Einschränkungen zu finden.

Das dritte und letzte Kapitel dieser Arbeit widmet sich den Angeboten der Sozialen Arbeit zur Trauerbewältigung und zur Krisenbewältigung. Vorgestellt, eine Trauerberatung- und Begleitung als eine von vielen weiteren Möglichkeiten, aufzusuchen. Hierbei wird zwischen beiden Begriffen unterschieden und diese näher erläutert. Für Trauernde gibt es weiterhin die Möglichkeit, ein Trauercafe oder eine Trauergruppe aufzusuchen und an dessen Treffen teilzunehmen. Auch hier werden beide Angebote kurz unterschieden und definiert. Da es für Verwitwete sehr wichtig ist, weiterhin am sozialen Leben teilzuhaben, werden diverse Gruppenangebote innerhalb und außerhalb sozialer Einrichtungen vorgestellt. Hierbei wird zwischen Freizeit- und Bildungsangeboten unterschieden. Da es in jeder Stadt eine Menge von diesen Angeboten gibt, wurde der Fokus auf die Stadt Dortmund gesetzt, da der Studiengang vom Verfasser dieser Arbeit dort besucht wurde und auch dessen Wohnsitz ist. Im letzten Teil dieses Kapitels werden verschiedene Wohnformen und Wohnmöglichkeiten für Verwitwete im höheren Alter vorgestellt. Auch hierbei wurde die Auswahl begrenzt.

Alle erwähnten Folgen, Schlussfolgerungen und Darstellungen können, müssen aber nicht bei einem Partnerverlust im höheren Alter eintreten. Unser Dasein zeichnet aus, das wir alle individuell und unersetzlich sind.

1 Mögliche Folgen eines Partnerverlustes

1.1 Trauerreaktionen der Verwitweten

1.1.1 Definition Trauer

Trauer kann auf viele Arten und Weisen stattfinden. In der Regel findet sie aufgrund eines Verlustes oder eines schmerzhaften Ereignisses statt (zum Beispiel Partnerverlust). Die Stimmung des Betroffenen ist meist getrübt und bedrückend. „Trauer ist der emotionale Ausdruck des sich bindenden Menschen auf einen Verlust.“ (Perrar/Sirsch/Kutschke 2007: 145) Das Trauern eines Menschen ist eine ganz gesunde und vorübergehende Reaktion, die nicht unbedingt in eine Krise übergehen muss. Die Begrifflichkeit der Trauer ist klar abgegrenzt zu einer Depression. Die Trauerphase wird auch als ein Anpassungsprozess bezeichnet, in welcher der Verwitwete lernt, mit der jetzigen Situation umzugehen. In der Regel sollte der Trauernde zwei Monate nach dem Verlust eines geliebten Menschen wieder zum normalen Alltagsleben zurück kehren. Ist dies nicht der Fall, sollte man sich ernsthaft Gedanken darüber machen, ob die Trauer nicht in eine seelische oder psychische Störung übergeht. Das Trauern stellt in der Regel einen Prozess des Abschiednehmens dar. Jeder Mensch trauert individuell. Eine Norm gibt es hierfür nicht. (vgl. Perrar/Sirsch/Kutschke 2007: 145) Im nachfolgenden Kapitel wird das Trauerphasenmodell nach Petra Hugo beschrieben. Dieses Trauerphasenmodell stellt einen gesunden Trauerprozess eines Hinterbliebenen dar.

1.1.2 Trauerphasen und Reaktionen

Jeder Mensch trauert individuell, gerade dann, wenn man seinen langjährigen Partner im höheren Alter verloren hat. Der Schmerz kann sehr groß und unerträglich sein. Man kann davon ausgehen, dass einzelne Reaktionen und Emotionen in der Trauer gleich sind und oftmals wiederkehren. Individuell dagegen sind das Ausmaß der Trauer, die Zeitspanne, die zeitliche Abfolge und vor allen Dingen die Art und Weise wie ein Mensch trauert. Das Trauerphasenmodell nach Petra Hugo zeigt einen offenen Kreis, einen sogenannten Spiralweg und bringt zum Ausdruck, dass das Trauern kein Anfang und kein Ende besitzt. Das Trauern ist ein dynamischer Prozess, welcher individuell und unvorhersehbar sein kann. Die Übergänge in dem Modell sind meist fließend und können auch mehrmals auftreten. Im Trauerprozess ist es für den hinterbliebenen Partner sehr wichtig, dass der Verlust des geliebten Menschen in das eigene Leben und in den Tagesablauf eingeordnet wird. Die Trauer befindet sich in einem ständigen Prozess und kann aber auch neue Hoffnung und neue Perspektiven bringen. (vgl. Körblein 2003: 7)

Die nachfolgende Abbildung zeigt das Trauerphasenmodell nach Petra Hugo. Hier erkennt man nun sehr deutlich einen Weg, „der sich wie eine Spirale durch die Trauererfahrung bewegt. So spricht man auch vom Trauerweg, weil Trauernde die Abschnitte teilweise mehrfach durchwandern.“ (Körblein 2003: 7) In diesen Bereichen geht der trauernde Partner hin und her, weil er einen neuen Weg in die Zukunft sucht. Das Finden dieses neuen Weges kann manchmal sehr schnell, aber auch sehr lange dauern. Ein genaues Schema für den Ablauf einer Trauer kann es nicht geben, da jeder Mensch auf seine Art und Weise die Trauer zum Ausdruck bringt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 Trauerzyklus als Modell (Quelle: Körblein 2003: 7-13)

Der Trauerzyklus als Modell nach Petra Hugo stellt insgesamt vier Phasen dar. Diese Phasen werden nun einzeln kurz erläutert: Wenn die Todesnachricht den verbliebenen Partner erreicht, beginnt die Phase des Nicht-wahrhaben-Wollens . Die Trauer äußert sich in den meisten Fällen durch Trauerreaktionen. Es können sowohl körperliche als auch emotionale Reaktionen auftreten. Diese können unterschiedlich intensiv ausgeprägt sein, allein oder auch gemeinsam auftreten. (vgl. Höwler 2004: 91) Mögliche Trauerreaktionen in der Phase des Nicht-wahrhaben-Wollens können sein (vgl. Körblein 2003: 7-13):

- Gefühlsschock
- Empfindungslosigkeit
- Abspaltung des Schmerzens
- Emotionaler Schutz

In dieser Phase kann sich der hinterbliebene Partner in einen Zustand der Starre begeben. Wenn ein geliebter Mensch plötzlich und vielleicht sogar unerwartet verstirbt, kann es schwierig sein, den Tod als Realität zu akzeptieren. Der Partner kann emotionalen Trauerreaktionen ausgesetzt sein und muss sich erst einmal über die Todesnachricht bewusst werden. Die o. g. Reaktionen können zum Schutz des eigenen Körpers dienen. Dies bedeutet nicht, dass der hinterbliebene Partner keine Gefühle äußern kann. Die Todesnachricht und die Informationen über den Tod müssen erst realisiert und wahrgenommen werden. (vgl. Körblein 2003: 7-13)

In der Phase der aufbrechenden Emotionen kann der Trauerschmerz zum Ausdruck kommen. Mögliche Trauerreaktionen in dieser Phase können sein (vgl. Körblein 2003: 7-13):

- Widersprüchliche Gefühle: Trauer, Wut, Enttäuschung, Schmerz, Schuldgefühle

Der verbliebene Partner kann einen Trauerschmerz erleben, in dem unterschiedliche Gefühle auftreten können. Diese können sich auch unterschiedlich äußern. Wut und Enttäuschung können sich äußern, in dem sich der verbliebene Partner die Fragen stellt: Warum hast du mich gerade jetzt alleine gelassen? Warum bist du jetzt von mir gegangen, wo ich dich doch so sehr gebraucht hätte? Schuldgefühle können auftreten, in dem sich der verbliebene Partner selbst die Schuld für den Tod des geliebten Partners gibt: Warum habe ich meinen Partner nicht eher zu einem Arzt begleitet? Die Phase der aufbrechenden Emotionen ist bei den Hinterbliebenen nicht unüblich. (vgl. Höwler 2004: 90-91) „Bei schweren emotionalen Trauerreaktionen können Desorientierung sowie phasenweise Halluzinationen auftreten, das kann sich darin äußern, dass der Betroffene meint, der Verstorbene sei noch anwesend. (Höwler 2004: 91)

Die Erinnerung und der Abschied von dem Toten finden meist in der Phase des Suchens und Sich-Trennens statt. In dieser Phase erlebt der Betroffene seinen eigenen individuellen Trauerschmerz. Ihm können unterschiedliche Gefühle begegnen, die der Betroffene nun Ausdruck verleiht. Mögliche Trauerreaktionen in dieser Phase können sein (vgl. Körblein 2003: 7-13):

- Gefühle (tiefer) Sehnsucht
- Abschiedsschmerz
- Erschöpfung
- Niedergeschlagenheit
- Rückzug

In dieser Phase erinnert sich der Betroffene an seinen verstorbenen Partner. Es können womöglich Orte besucht werden, die man gemeinsam erkundet hat oder es können Rituale ausgeführt werden, die man mit seinem verstorbenen Lebenspartner besaß. In diesem Prozess kann dem Hinterbliebenen klar werden, dass er sich an ein Leben ohne seinen Partner gewöhnen muss. Der Alltagsablauf wird ohne den geliebten Partner fortgesetzt. Für die Phase des Suchens und Sich-Trennens sollte der Betroffene sich Zeit lassen. Die Spuren, die der Tote im Herzen hinterlassen hat, werden mit dem Augenblick verarbeitet.

In der letzten Phase, der Phase des neuen Selbst- und Weltbezugs , lernt der Hinterbliebene, dass er seinen eigenen Weg ins Leben finden muss. Der Betroffene sollte sich erholen, damit er neue Kraft und Energie schöpfen kann. Mögliche Trauerreaktionen in dieser Phase können sein (vgl. Körblein 2003: 7-13):

- neu orientieren
- in die Zukunft blicken

Die abschließende Phase ist die wichtigste Phase für den Betroffenen. Hier sollte er lernen, seinen Alltag ohne den verstorbenen Partner zu gestalten und positiv in die Zukunft zu schauen. Die o. a. Trauerreaktionen der einzelnen Trauerphasen stellen nur ein Beispiel dar. Man kann nicht sagen, dass jeder Mensch gleich trauert. Die Darstellungen geben nur ein mögliches Beispiel der Reaktionen wieder. Während des Trauervorgangs können aber nicht nur emotionale sondern auch körperliche Trauerreaktionen auftreten. Auch diese können individuell, abhängig von der Person, in Erscheinung treten (vgl. Höwler 2004: 91):

- Erschöpfung
- Schlafstörungen
- Appetitlosigkeit
- Atemstörungen und Brustbeklemmungen

Körperliche sowie auch emotionale Trauerreaktionen können das Krankheitsrisiko des hinterbliebenen Partners erhöhen. Die Immunabwehr kann dadurch sehr geschwächt werden. In solchen Fällen ist es ratsam, einen Arzt aufzusuchen. (vgl. Höwler 2004: 91)

Abschließend gibt es von Student ein passendes Zitat, welches sich mit dem Abschied nehmen eines Menschen befasst:

„Abschied tut weh. Abschied hat mit Scheiden, mit Trennen und Entfernen zu tun. Wenn ein Mensch von mir weggerissen wird, bleibt eine Wunde. Viele versuchen daher, dem Abschied aus dem Weg zu gehen. Sie schauen ihm nicht ins Auge. Doch dann holt sie der übersprungene Abschied nach dem Tod des geliebten Menschen ein. Abschied ist unausweichlich.“ (Student 2004: 7)

Nach den gesunden Trauerphasen und Reaktionen, die ein Mensch durchleben kann, gibt es ebenso auch die pathologische Trauer, welche im nächsten Kapitel beschrieben wird.

1.1.3 Pathologische Trauer

Von einer pathologischen Trauer spricht man, wenn der Betroffene die Phase der Anpassung und die Neuorganisation seines Lebens nicht erreicht. Die Abgrenzung zwischen einer Trauerreaktion, die normal verläuft und einer krankhaften Entwicklung, der sog. Pathologischen Trauer, wird bestimmt von der jeweiligen Dauer der Trauerzeit und von dem Ausmaß der Trauerreaktionen. (vgl. Höwler 2004: 93) Als abnorm oder pathologisch wird die Trauerreaktion eingestuft, wenn die Trauerzeit des hinterbliebenen Partners über sechs Monate hinaus geht. Zu beachten sei dennoch, dass die individuelle Lebensgeschichte und der jeweilige Verlust des Partners berücksichtigt werden sollten. Die pathologische Trauer wird in vier verschiedene Trauerreaktionen unterschieden (vgl. Höwler 2004: 93):

1. Chronische Trauerreaktionen: Der trauernde Partner trauert sehr lange. Eine Neuanpassung findet nicht statt. Der lange Zeitraum gibt Anzeichen dafür, dass eine „gesunde“ Trauerzeit nicht mehr gegeben ist. Der Betrof- fene verliert den Bezug zur Realität und kann somit nur noch den verstor- benen Partner wahrnehmen.

2. Übertriebene Trauerreaktionen: Diese Trauerreaktion ist dadurch gekennzeichnet, dass der trauernde Partner von Gefühlen der Verzweif- lung geprägt ist. Es werden unbewusste Schuldgefühle gegenüber dem verstorbenen Partner sichtbar. Diese Schuldgefühle kann der Hinter- bliebene nicht verarbeiten.

3. Larvierte Trauerreaktionen: Der Betroffene leidet unter psychosomati- schen Beschwerden. Dies können zum Beispiel Schmerzen sein, die der Hinterbliebene jedoch nicht dem Verlusterlebnis zuordnet.

4. Verzögerte Trauerreaktionen: Eine Trauerreaktion tritt verzögert ein. Meist wird sie dann durch unbewusste Erlebnisse oder Ereignisse ausge- löst, die nicht im direkten Zusammenhang mit dem Verlust des Partners stehen.

Die Trauerreaktionen eines Hinterbliebenen können sehr schnell in eine Depression (Erkrankung) übergehen. „Trauer geht zwar meist mit Depressivität einher, erfüllt aber nicht die Kriterien der Depression.“ (Krause 1994: 63) Um dies genau bestimmen zu können, sollte ein Facharzt aufgesucht werden. Dieser richtet sich dann nach den Richtlinien der ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems). Dies ist ein Klassifikationssystem um Krankheiten anhand von bestimmten und eindeutigen Symptomen bestimmen und zuordnen zu können. (vgl. Höwler 2004: 93)

Der Verlust des Partners kann ein kritisches Lebensereignis darstellen, welches in eine Krise übergehen kann. Das nachfolgende Kapitel beschäftigt sich mit den Fragen, was ein kritisches Lebensereignis und eine Krise ist sowie ab wann die Trauer eines Menschen nicht mehr als normal gilt.

1.2 Kritisches Lebensereignis und Krise

Im Alltag eines Menschen können immer wieder kritische Lebensereignisse und Krisen auftreten. Doch was bedeutet überhaupt Alltag? Alltag, das sind die Menschen um uns herum, Orte, die wir tagtäglich aufsuchen, Objekte oder auch Räume, die wir betreten. Der Alltag des Menschen ist von Ereignissen umgeben, teilweise klar strukturiert und von Tagesabläufen dominiert. Der Alltag kann zur Routine werden. „Alltag heißt, dass wir Handlungsroutinen verfügbar haben, die wenig Reflexivität und Planungsaktivitäten erfordern und die uns entlasten; Zieloptionen und Handlungspläne müssen nicht immer wieder aufs Neue überdacht oder auf mögliche unerwünschte Nebenfolgen hin überprüft werden.“ (Filipp, Aymanns 2010: 11-12) Der Alltag eines Menschen kann durch kritische Lebensereignisse oder durch Krisen gestört werden. Ein kritisches Lebensereignis kann zum Beispiel der Tod des Partners sein. Das eigene Leben gerät aus dem Rhythmus. Der Tod kann viele Pläne des hinterbliebenen Partners durchkreuzen. Der Lebensmut kann sinken und es droht das Gefühl der Hilflosigkeit und der Ohnmacht. Die Emotionen können so stark werden und die Belastbarkeit so hoch, dass dadurch eine Lebenskrise entstehen kann. (vgl. Filipp, Aymanns 2010: 12-15) „Bei aller Unterschiedlichkeit ist es die grundlegende Eigenschaft kritischer Lebensereignisse, dass sie das Person-Umwelt-Passungsgefüge attackieren, es in einen Zustand des Ungleichgewichts überführen, dass die subjektiven Theorien als die bislang unhinterfragten Gewissheiten erschüttern und dass sie heftige Emotionen auszulösen in der Lage sind und den Betroffenen nicht selten den Schlaf, den Appetit und die Lebenslust rauben.“ (Filipp, Aymanns 2010: 13)

Kritische Lebensereignisse lassen sich in zwei Kategorien einteilen: normative und nicht-normative Ereignisse. Mit dem Begriff „normativ“ ist gemeint, dass die Ereignisse und deren Übergänge altersabhängig und vorhersehbar sein können. Diese Ereignisse sind in diesem Sinne als „normal“ im Leben eines Menschen zu betrachten. Dies kann zum Beispiel die Einschulung eines Kindes sein, die Heirat zweier Menschen oder die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Diese Lebensereignisse stellen die Voraussetzung in das nächste Entwicklungsstadium dar und werden meist als positiv betrachtet. Ereignisse, die jedoch den normalen Alltag und das individuelle Leben nicht dominieren, werden als „nicht-normativ“ bezeichnet. Dies kann zum Beispiel ein unvorhersehbarer Unfalltod des eigenen Partners sein. (vgl. Filipp, Aymanns 2010: 33-35) Doch ab wann kann man definieren, dass ein Lebensereignis als kritisch zu bewerten ist? Das nachfolgende Kapitel gibt Aufschluss über die Merkmale und Besonderheiten eines kritischen Lebensereignisses.

1.2.1 Merkmale und Besonderheiten von kritischen Lebensereignissen

Woran kann man erkennen, dass ein kritisches Lebensereignis, wie zum Beispiel der Tod des geliebten Partners, erfolgt ist? Nach Filipp und Aymanns weisen kritische Lebensereignisse eine Reihe von Merkmalen auf, die im Folgenden beschrieben werden (vgl. Filipp, Aymanns 2010: 41-51):

1. Schädigung der Person-Umwelt-Passung

Filipp und Aymanns meinen, dass kritische Lebensereignisse Veränderungen mit ins Leben bringen. Der normale Alltag, wie er vor dem Ereignis war, findet nicht mehr im gewohnten Ablauf statt. Der Hinterbliebene hat seinen Partner verloren und muss sich nun auf ein anderes und neues Leben einstellen. Dieses Passungsgefüge, welches bis zu diesem Zeitpunkt aufgebaut wurde, wird nun zerstört. Das Leben, wie es zuvor war, wird in diesem Sinne nicht mehr stattfinden. Das Passungsgefüge zwischen dem Hinterbliebenen und seiner Umwelt wird attackiert und umgangssprachlich „aus der Bahn gerissen“.

2. Verlustthematik

Dem Hinterbliebenen wird nun klar, dass er seinen Partner verloren hat und dieser auch nicht mehr zu ersetzen ist. Er muss sich mit dem Verlust auseinandersetzen und sich dessen bewusst werden. So wie das Leben zuvor mit dem Partner war, wird es nicht mehr sein. Das Passungsgefüge der Person-Umwelt gilt in diesem Moment nicht mehr, weil der Hinterbliebene seinen Partner verloren hat, welches man nicht mehr rückgängig machen kann. „Der mit kritischen Ereignissen verbundene Ressourcenverlust wiegt in der Regel auch so schwer, weil er oft plötzlich und unerwartet erfolgt und weil es in der Regel sehr hohe Kosten verursacht, das Verlorene zu kompensieren (sofern dies überhaupt möglich ist). (Filipp, Aymanns 2010: 43)

3. Affektiver Gehalt

Filipp und Aymanns meint, wenn ein kritisches Ereignis im Leben stattfindet, werden meist sehr starke Emotionen erzeugt. In jeder erzeugten Emotion, sei es Wut, Angst oder Trauer, steckt ein Anliegen, welches die Person unbewusst erzeugt, von dessen die Emotion ausgeht. Der affektive Gehalt eines kritischen Lebensereignisses entsteht somit, dass der Hinterbliebene dem Tod seines Partners diverse Merkmale zuteilt: „beispielsweise für wie kontrollierbar sie das Ereignis (und seine Folgen) erachtet, welche Ziele es (vermeintlich) blockiert, in welchem Maß es (vermeintlich) selbstwertabträgliche Implikationen besitzt oder welche Grundüberzeugungen es ins Wanken bringt.“ (Filipp, Aymanns 2010: 43) Über diese Prozesse der Deutung wird erst der affektive Gehalt vermittelt. Kritische Ereignisse im Leben weisen zumeist objektive Eigenschaften auf.

4. Mangelnde Kontrollierbarkeit

Der Mensch übt stets eine „primäre Kontrolle“ (sensu J. Heckhausen & R. Schulz, 1995) über sein Leben aus. In allen Bereichen und Lebenslagen wird das Handeln und Denken kontrolliert. Ereignisse, wie zum Beispiel der Verlust des geliebten Partners, entziehen sich dieser Kontrolle. Dies wird dann als kritisch betrachtet. Die Person hat nun keine Kontrolle über sein Leben mehr; der Tagesablauf ohne den Partner muss nun anders gestaltet werden. Diese Kontrollierbarkeit, die nicht mehr gegeben ist, ist eine große Belastung für den Hinterbliebenen. „Die Beispiele dafür, wie zentral die Dimension der Kontrollierbarkeit ist, sind vielfältig und liegen auf der Hand: Die freiwillige Aufgabe der Erwerbstätigkeit lässt sich leichter verkraften als die durch starre Altersgrenzen der Rentenversicherung erzwungene; es ist in der Regel leichter, eine Ehe aus eigenem Entschluss zu beenden, als vom Partner verlassen zu werden;...“ (Filipp, Aymanns 2010: 44) Letztlich lässt die subjektive Bedeutung eines Lebensereignisses erahnen, ob dieses als kritisch von der betroffenen Person erlebt wird.

5. Mangelnde Vorhersehbarkeit und Überraschungsgehalt

Der Verlust des Partners kann nicht immer vorhergesehen werden. Manchmal kann es unerwartet und plötzlich passieren. Der Tod kann nicht beeinflusst werden und man sollte die Realität wahrnehmen. Könnte der Hinterbliebene sich auf den Tod des Partners einstellen, dann wäre dieses Ereignis im Leben weniger kritisch. Doch Schicksalsschläge können nicht vorhergesehen werden. Daher sind diese Ereignisse als kritisch zu betrachten. „Es sei der Überraschungsgehalt eines Ereignisses (zusammen mit seiner Selbstrelevanz), der besonders intensive affektive Reaktionen auslöse.“ (Filipp, Aymanns 2010: 45)

6. Erschütterungen des Weltbildes

Nach Filipp und Aymanns kann der Tod des geliebten Partners das eigene Selbst- und Weltbild zerstören. „Kritisch sind Ereignisse insbesondere auch dann, wenn sie sich in tiefgreifenden Erschütterungen des Selbst- und Weltbildes manifestieren, weshalb sie auch metaphorisch als „Erdbeben“ dargestellt wurden („seismic events“; Tedeschi & Calhoun, 2004). (Filipp, Aymanns 2010: 45) Besonders im höheren Alter ist es schwierig mit diesem Verlust umzugehen. Oft herrscht eine innere Unruhe und das eigene Weltbild wird als negativ betrachtet. Wenn man zuvor daran glaubte, dass die Welt ein sicherer Ort ist und jahrelang mit dem verstorbenen Partner zusammenlebte, ist diese Idylle durch den Tod nun zerstört worden. Die Sicherheit, die vor Eintritt des Todes gegeben war, fehlt jetzt. „Besonders kritisch ist dies, wenn Ereignisse fundamentale Normen des sozialen Miteinanders verletzen.“ (Filipp, Aymanns 2010: 45) Der Hinterbliebene vertraut keinem anderen Menschen mehr.

7. Erschütterungen des Selbstbildes und Selbstwertbezug

Ein hohes Maß an Selbstwertgefühl verleiht dem Menschen Sicherheit. So auch in einer langjährigen Partnerschaft, in der ein Partner im höheren Alter verstorben ist. Das Selbstbildnis bricht für den Hinterbliebenen zusammen. Die Sicherheit und das Gefühl geliebt und gebraucht zu werden, schwinden. Die Wertschätzung durch den verstorbenen Partner geht verloren. „Daraus folgt gleichsam zwingend, dass Ereignisse in dem Maß kritisch sind, wie sie das Gefühl der Sicherheit bedrohen, das Selbst auf den Prüfstand stellen und die Grundlagen von Selbstwertschätzung und positiver Selbsterfahrung zerstören.“ (Filipp, Aymanns 2010: 46) Die wichtigste Bezugsperson im Leben ist verstorben. Sie gab dem Hinterbliebenen das Selbstwertgefühl, welches nun wieder aufgebaut werden sollte.

8. Zielrelevanz

Kritische Lebensereignisse können das Leben im Alltag und in dessen Handlungen einschränken. Der Partner stellt sich nun die Frage: „Was soll ich denn nur machen?“ Besonders im höheren Alter ist dies eine Frage, die vor einer großen Herausforderung steht. Der gemeinsame Lebensabend kann nicht verbracht werden und eventuelle Pläne oder Ziele können nicht mehr durchgeführt werden. Der Betroffene besitzt das Gefühl der „Leere“; Einsamkeit und Machtlosigkeit werden erzeugt.

Kritische Lebensereignisse können ebenso im höheren Alter eintreffen, wie auch in jungen Jahren. Es sei zu beachten, dass die Merkmale eines Menschen und dessen Lebenssituation, wie zum Beispiel der soziale und finanzielle Status in der Gesellschaft, sowie der Zeitpunkt des Geschehens eine wesentliche Rolle spielen. Jeder Mensch geht individuell mit einem Lebensereignis um. Auch im Alter sei zu berücksichtigen, ob die Ressourcen des Hinterbliebenen betroffen sind und wenn ja, in welcher Art und Weise. Im Alter nehmen meist die Armut und die soziale Isolation zu. Diese Merkmale machen es dem Hinterbliebenen schwer. Es besteht die Gefahr, eine Krise zu erleiden oder sogar in Depressionen und Suizidgedanken zu verfallen. Kritische Lebensereignisse, seien es normative oder nicht-normative Ereignisse, sind in indirekter Weise Bestandteil des Lebens. Laut Filipp gibt es bestimmte Merkmale, an denen man erkennen kann, dass die Gefährdung sehr hoch ist, dass aus einem kritischen Lebensereignis eine Krise wird (vgl. Filipp 1997: zitiert nach Franke 2010: ppp6):

- Nicht-Vorhersehbarkeit: das Ereignis ist „time-off“.
- Wirkungsgrad: das Ereignis berührt viele andere Lebensbereiche.
- Selbstwert-Bedrohung: das Ereignis stellt zentrale Bereiche der Selbstwert-Wahrnehmung in Frage.
- Selbstkonsistenz-Bedrohung: das Ereignis bedroht zentrale Überzeugungen, die die eig. Person betreffen.
- Orientierungsverlust: das Ereignis bedroht grundlegende Überzeugungssysteme.
- Zielblockade: das Ereignis interferiert mit zentralen Zielen und Anliegen der Person.
- Retraumatisierung: das Ereignis aktiviert Erinnerungen an frühere, nicht bewältigte Ereignisse.
- Neuanpassung/Wiederanpassung: das Ereignis fordert eine grundlegende Wiederherstellung des Passungsgefüges zwischen Selbst- und Außenwelt.

Je mehr Merkmale zu erkennen sind und auftreten, desto höher ist die Gefahr, dass aus einem kritischen Lebensereignis eine Krise wird. „Kurzum: „Kritisch“ ist ein relationaler Begriff.“ (Filipp, Aymanns 2010: 51) Im Folgenden wird auf den Begriff und die evtl. Ausmaßen einer Krise eingegangen

1.2.2 Krise

Der Begriff Krise leitet sich aus dem griechischen Wort „crisis“ ab und bedeutet so viel wie Entscheidung, Höhepunkt oder Wendepunkt. Aus psychologischer Sicht stellt die Krise ein Lebensereignis dar, „welches einen schmerzhaften seelischen Zustand auslöst und als bedrohlich erlebt wird, weil das Erreichen wichtiger Lebensziele oder die Bewältigung des Alltags gefährdet ist und bisherige Problemlösemethoden zur Bewältigung nicht ausreichen.“ (Tenorth, Dippelt 2007: 426) Gerade Verluste im höheren Alter häufen sich. Diese Verluste, auch ein Verlust des geliebten Partners, gehören zu den Erfahrungen im Leben. Ein Verlust bedeutet, dass man von etwas oder von jemandem Abschied nimmt, aber auch dass ein neuer Abschnitt im Alter und im Leben beginnen kann. Jeder ältere Mensch verarbeitet den Verlust anders. Dies hängt von der jetzigen Lebenssituation, aber auch von der eigenen Lebensgeschichte ab. (vgl. Filipp 1997: zitiert nach Franke 2010: ppp4) Die Gefahr, in eine Krise zu geraten, kann sehr groß sein, besonders wenn man in eine psychische Krise gerät. Der Betroffene kann das Ereignis nicht mehr eigenständig bewältigen. Wenn der Begriff der Krise auf ein Ereignis bezogen wird, welches unvorhersehbar war, wie zum Beispiel der Tod des Partners, dann kann man sagen, dass diese psychische Krise eine normale Reaktion eines Menschen auf ein unnormales Ereignis darstellt. Gefährlich wird es erst dann, wenn die psychische Krise von schweren körperlichen Schäden begleitet wird. Dies könnte zum Beispiel Rheuma oder Diabetes sein. Auch psychische Folgen oder Persönlichkeitsstörungen kann eine psychische Krise auslösen. Ängste, Depressionen und Aggressivität können auftreten. In solchen Fällen ist es unbedingt ratsam, dass der Hinterbliebene ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt. Sollte die psychische Krise einen positiven Ausgang haben, dann ist es dem Betroffenen gelungen, dass sein Passungsgefüge wiederhergestellt wurde und er ein neues Gleichgewicht im Leben gefunden hat. Die Krise ist letztendlich überwunden worden. Sollte die psychische Krise jedoch ein negatives Ende finden, dann bedeutet dies für den Hinterbliebenen, dass sein Passungsgefüge nicht wiederhergestellt werden konnte und dass dieser nun eventuell von körperlichen und seelischen Begleiterscheinungen aufgesucht wird. Es kann passieren, dass der Hinterbliebene mit dem Verlust des Partners nicht zu Recht kommt und in eine „eigene Welt“ flüchtet, indem er Alkohol und Medikamente in Unmengen konsumiert. (vgl. Filipp, Aymanns 2010: 15)

Natürlich ist der Verlust des Lebenspartners im höheren Alter sehr schwierig und wird meistens von Krisen aufgesucht. Es kann passieren, dass die Betroffenen einen Suizidversuch begehen. Dieser Versuch wird nicht direkt nach dem Tod des Partners eintreten, sondern erst nach ein paar Wochen, wenn der Verlust bewusst und realisiert wird. Zu erwähnen sei auch, dass nicht jeder Verlust des Partners im höheren Alter automatisch zu einer Krise führen muss. Manche Betroffene sind auch einfach nur verwirrt, erschrocken oder erschüttert. Diese Phase legt sich aber mit der Zeit und manch Hinterbliebener findet selbstständig den Weg zurück ins Leben.

Dennoch können bei einem Hinterbliebenen Störungen auftreten, welche ärztlich behandelt werden sollten. Das nachfolgende Kapitel befasst sich mit nichtorganischen Schlafstörungen, die durch einen Partnerverlust entstehen können. Gerade im Alter verändert sich das Schlafverhalten eines Menschen.

1.3 Nichtorganische Schlafstörungen

1.3.1 Definitionen und Symptomatik

Ein gestörter Schlaf eines alten Menschen kann durch einen Partnerverlust bestärkt werden. Gerade wenn Depressionen, Demenz oder körperliche Erkrankungen hinzukommen, kann die Belastung umso größer werden. In der Regel wird zwischen Parasomnien und Dyssomnien unterschieden. „Parasomnien sind abnorme, während des Schlafs auftretende Episoden [... ] wie zum Beispiel Schlafwandeln.“ „Dyssomnien sind primär psychogene Zustandsbilder mit einer Störung von Dauer, Qualität oder Zeitpunkt des Schlafs aufgrund emotionaler Ursachen.“ (Perrar/Sirsch/Kutschke 2007: 168 ) Dyssomnien sind bei älteren Menschen, die ihren Partner verloren haben, am gängigsten. Die Einnahme von schlafstörenden Substanzen, welche z. B. bei Depressionen verabreicht werden, kann den Betroffenen am Schlaf hindern. Die Gedanken kreisen Tag und Nacht um den Verstorbenen. Wurden Antidepressiva verabreicht, begünstigen diese das Wachbleiben.

[...]

Ende der Leseprobe aus 103 Seiten

Details

Titel
Plötzlich allein: Partnerverlust im höheren Alter
Hochschule
Fachhochschule Dortmund
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
103
Katalognummer
V263970
ISBN (eBook)
9783656532538
ISBN (Buch)
9783656534266
Dateigröße
2351 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
plötzlich, partnerverlust, alter
Arbeit zitieren
Veronika Siegrist (Autor:in), 2013, Plötzlich allein: Partnerverlust im höheren Alter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263970

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