Wohnformen für Menschen mit Demenz


Bachelorarbeit, 2013

60 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Überblick

2 Begriffsklärung
2.1 Demenz
2.1.1 Definition Demenz
2.1.2 Einteilung in drei Stadien
2.2 Pflegerische Konzepte zur Demenzbetreuung
2.2.1 Die Milieutherapie
2.2.2 Die Validation

3 Wie Demenz erlebt wird
3.1 Wie der Betroffene Demenz erlebt
3.2 Wie die Angehörigen Demenz erleben
3.3 Wie das Pflegepersonal Demenz erlebt

4 Wohnformen im Alter
4.1 Eigenheim und ambulante Pflege
4.2 Seniorenwohnanlage
4.3 Stationäre Einrichtungen
4.3.1 Seniorenheime
4.3.2 Pflegeheime
4.4 Teilstationäre Einrichtungen
4.5 Kurzzeitpflege
4.6 Mehr-Generationen-Haus
4.7 Wohngemeinschaften und Seniorenresidenzen
4.8 Wohngruppen für demente Menschen

5. Wohnen mit Demenz
5.1 Wohnbedürfnisse
5.2 Ambulante Versorgung
5.3 Wohnen in einer stationären Einrichtung
5.3.1 Teilstationäre Versorgung
5.3.2 Wohnen in einer Einrichtung der stationären Altenhilfe
5.3.3 Wohnen in einer Einrichtung für Menschen mit Demenz

6 Wohnen in den verschiedenen Stadien der Demenz
6.1 Wohnen im Stadium I
6.1.1 Ambulante Versorgung
6.1.2 Teilstationäre Versorgung
6.1.3 Stationäre Versorgung in einer Einrichtung der Altenhilfe
6.1.4 Stationäre Versorgung in einer Einrichtung für Demente
6.2 Wohnen im Stadium II
6.2.1 Ambulante Versorgung
6.2.2 Teilstationäre Versorgung
6.2.3 Stationäre Versorgung in einer Einrichtung der Altenhilfe
6.2.4 Stationäre Versorgung in einer Einrichtung für Demente
6.3 Wohnen im Stadium III
6.3.1 Ambulante Versorgung
6.3.2 Teilstationäre Versorgung
6.3.3 Stationäre Versorgung in einer Einrichtung der Altenhilfe
6.3.4 Stationäre Versorgung in einer Einrichtung für Demente

7 Fazit

Literatur

1 Einleitung

„Es sind große und furchteinflößende Zahlen, die das Thema Demenz beleuchten wie der Blitz den Gewitterhimmel. Fünf Millionen Menschen in Deutschland haben ein Familienmitglied, das an Alzheimer erkrankt ist. 720000 der 1,3 Millionen Patienten leben zu Hause. Die Sorge für die Kranken und ihre Angehörigen wird unsere alternde Gesellschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnen noch intensiver beschäftigen als heute. “[1]

Anhand dieses Zitates, aus dem Buch: Demenz. Was wir darüber wissen, wie wir damit leben, werden zwei Dinge klar. Zum einen, ist das Thema Demenz schon heute sehr präsent in Deutschland. Laut dem Zitat haben fünf Millionen Deutsche ein dementes Familienmitglied. Dies bedeutet, dass über sechs Prozent aller Deutschen direkt von dem Thema betroffen sind. Nehmen wir noch Pflegepersonal und Ärzte hinzu, welche täglich mit der medizinischen und pflegerischen Versorgung von dementen Menschen beauftragt sind, erreicht man sicherlich eine Zahl welche die zehn Prozent überschreiten wird. Der zweite Punkt der aus dem Zitat hervorgeht ist die Tatsache, dass die Zahl derer die täglich mit dem Thema konfrontiert sein werden in Zukunft stetig zunehmen wird. In unserer alternden Gesellschaft wird das Krankheitsbild Demenz immer mehr an Bedeutung gewinnen. Dieser Punkt lässt sich mit der demographischen Transformation begründen. Unter demographischer Transformation ist zu verstehen:

„Die Theorie der „demographischen Transformation“ (synonym für „demographischer Übergang“) wurde zuerst in den zwanziger Jahren aufgestellt und entsprechend weiterentwickelt. Sie geht davon aus, dass Gesellschaften mit geringer wirtschaftlicher und sozialstruktureller Entwicklung mit zunächst hohen Geburten- und Sterbeziffern bedingt durch „Modernisierung und Industrialisierung“ über eine Phase starken Bevölkerungswachstums letztendlich zu einer stagnierenden oder schrumpfenden Bevölkerung mit niedrigen Geburten- und niedrigen Sterbeziffern gelangen. “[2]

Diese beiden Gründe veranlassten den Autor dieser Arbeit sich genauer mit dem Thema der Demenz zu befassen. Durch die Arbeit in der stationären Altenhilfe erhielt der Verfasser dieser Arbeit tiefere Einblicke in die Versorgung von dementen Menschen. Nach längeren Überlegungen stellte sich dem Autor die Frage: „Was war mit den Menschen bevor sie im Heim waren?“ Es ist davon auszugehen das die Bewohner nicht sofort mit der Diagnosestellung ins Heim ziehen. Also muss es noch andere Möglichkeiten des Wohnens für Menschen mit Demenz geben. Auf diese Möglichkeiten des Wohnens, mit einer diagnostizierten Demenz, soll im weiteren Verlauf dieser Arbeit eingegangen werden.

1.1 Fragestellung

Die Absicht des Autors liegt darin, mittels dieser Arbeit der Frage nach zu kommen welche Wohnformen für demente Menschen existieren. Welche Vor- bzw. Nachteile bringen diese Wohnformen mit sich. Bei der Beantwortung dieser Frage soll im speziellen auf die einzelnen Stadien der Demenz eingegangen werden, da der Verfasser der Überzeugung ist das man keine pauschale Aussage darüber treffen kann, welche Wohnformen für demente Personen zu bevorzugen sind. Vielmehr geht er davon aus, dass nicht jede Wohnform sich gleichermaßen für Bewohner in den einzelnen Stadien der Demenz eignet.

1.2 Überblick

Nachfolgend soll ein kurzer Überblick über den Verlauf der Arbeit gegeben werden. Zu Beginn werden, sich wiederholende Begriffe erklärt. Diese Begriffsklärung wurde auf ein sehr geringes Maß reduziert, da dies nicht den Hauptbestandteil der Arbeit darstellen soll. Im Anschluss daran, folgt ein Kapitel in dem die verschiedenen Formen des Erlebens der Erkrankung Demenz dargestellt werden sollen. In Bezug auf das Thema der Arbeit, Wohnformen für Menschen mit Demenz, ist dieses Kapitel von großer Bedeutung, denn nicht nur der Betroffene selbst erlebt eine Veränderung in seiner Lebensweise durch die Erkrankung, vielmehr erleben auch Angehörige und professionell Pflegende tägliche Veränderungen, welche auf das Krankheitsbild Demenz zurückzuführen sind. Nachdem die verschiedenen Erlebensweisen beschrieben wurden, schließt sich ein viertes Kapitel an. In diesem Kapitel soll ein Überblick über generelle Wohnformen im Alter gegeben werden. Viele Menschen, welche nicht direkt vom Krankheitsbild der Demenz betroffen sind, sei es als Erkrankter, Angehöriger oder Pflegender, haben die Vorstellung das ein dementer Mensch in einem Altenheim lebt. Das jedoch nicht jedes Altenheim eine spezielle Betreuung von dementen Personen anbietet ist vielen dabei unklar. Ich möchte erzielen, dass verdeutlicht wird, dass die Form des Wohnens mit Demenz nur einen Teil an Wohnformen für ältere Menschen darstellt. Im fünften Kapitel soll dann genauer auf die Wohnformen für Menschen mit Demenz eingegangen werden. Zuerst werden diese Formen des Wohnens mit Demenz nur erläutert, bevor im sechsten Kapitel genauer auf die Wohnformen in den verschiedenen Stadien der Erkrankung eingegangen werden soll. Im siebten und letzten Kapitel, soll abschließend ein Fazit gezogen und die aus dem sechsten Kapitel gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst werden

2 Begriffsklärung

Der folgende Teil dient der Klärung von Begriffen, welche im Verlauf dieser Arbeit, vom Autor, wiederholt verwendet werden. Dieser Teil wurde auf ein geringes Maß reduziert, da davon ausgegangen wurde das die Begrifflichkeiten dem Leser nicht völlig fremd sind.

2.1 Demenz

Bevor auf Wohnformen für Menschen mit Demenz eingegangen werden kann, soll im folgenden Abschnitt ein kurzer Überblick über das Krankheitsbild der Demenz gegeben werden. Dabei beschränkt sich der Autor auf eine Definition, zu erwähnen sei das es mehrere Definitionen für Demenz gibt. Weiterhin wird kurz eine Unterteilung der Demenz nach ihren zu Grunde liegenden Ursachen und den Stadien aufgezeigt.

2.1.1 Definition Demenz

„Demenz: organisch bedingter, fortschreitender Verlust geistiger Fähigkeiten. Komplexes Symptombild eines chronischen Verwirrtheitszustandes mit Gedächtnis-, Wahrnehmungs- und Denkstörungen, Desorientiertheit, Persönlichkeitsveränderungen und in der Folge auch körperlichem Abbau. Betrifft v. a. Menschen nach dem 50. Lebensjahr.“[3]

Anhand dieser Definition der Demenz, aus einem Lehrbuch für die Altenpflegeausbildung, wird deutlich das es sich bei dem Krankheitsbild Demenz um ein vielschichtiges Zusammentreffen von Symptomen handelt. Die auftretenden Symptome können unterschiedliche Ursachen haben, anhand dieser Ursachen unterteilt man die Demenz in vier verschiedene Formen.

2.1.1.1 Demenz bei Alzheimer-Krankheit

Die Alzheimer-Demenz ist eine nicht reversible Demenz. Geprägt ist diese Form der Demenz durch Auffälligkeiten im Gehirn wie z.B. Atrophie, Neuritischen Plaques und Alzheimer-Fibrillen. Ebenfalls wurde im Gehirn von Alzheimer Erkrankten ein Mangel des Transmitters Acetylcholin festgestellt sowie eine Minderung des Glukoseverbrauchs und einer verringerten Durchblutung des Hirns.[4]

2.1.1.2 Vaskuläre Demenz

Unter der Gruppe der vaskulären Demenzen werden alle Demenzen zusammengefasst, welche eine Erkrankung der zerebralen Blutgefäße als Ursache haben. Infarkte oder Blutungen können hierfür die Ursache sein. Innerhalb dieser Gruppe können Subtypen klassifiziert werden. Diese Einteilung in Subtypen wird anhand der Betroffenen Hirnregion vorgenommen.

Da Veränderungen der zerebralen Blutgefäße auch als Ursache einer AlzheimerDemenz angesehen werden können, ist umstritten ob die Vaskuläre Demenz überhaupt als eigenständige Gruppe angesehen werden kann.[5]

2.1.1.3 Mischformen

Bei einer Mischform liegen, sowohl die Veränderungen der Alzheimer-Demenz im Gehirn vor, als auch die Schädigungen an den zerebralen Blutgefäßen. Daraus geht hervor, dass auch diese Form der Deme nz nicht reversibel ist.[6]

2.1.2.2 Demenzen bei sonstigen Krankheiten

Zahlreiche weitere zerebrale oder körperliche Veränderungen können zu einer Demenz führen. Laut ICD-10 werden diese Demenzen, mit völlig unterschiedlichen Ursachen, zu der gruppe der Demenzen bei sonstigen Krankheiten zusammengefasst. Ein frühzeitiges Erkennen einer Demenz dieser Gruppe ist von großer Bedeutung, da bei frühzeitiger Behandlung der zu Grunde liegenden Erkrankungen die Demenz bei sonstigen Krankheiten reversibel ist. [7]

2.1.2 Einteilung in drei Stadien

Der Krankheitsverlauf einer Demenz wird im Allgemeinen in drei Phasen eingeteilt. Es ist zu beachten dass der Übergang zwischen den einzelnen Phasen nicht klar abgegrenzt ist. Zeitweise können Besserungen auftreten, diese sind jedoch meist nicht von langer Dauer.[8]

2.1.2.1 Stadium I

Das erste Stadium der Demenz ist durch zunehmendes Auftreten von Gedächtnisstörungen gekennzeichnet. Das Kurzzeitgedächtnis ist hierbei besonders betroffen. Das Festhalten von neuen Eindrücken fällt dem Betroffenen zunehmend schwerer. Durch Fehlleistungen und Unsicherheiten treten erste Schwierigkeiten beim bewältigen des Alltages auf, z.B. im Straßenverkehr oder beim Zurechtfinden in unbekannten Umgebungen. Vorhandene Fähigkeiten nehmen ab und gehen letztendlich ganz verloren. Viele Erkrankte reagieren in dieser Phase mit Depressionen oder Ängstlichkeit.[9]

2.1.2.2 Stadium II

Das zweite Stadium einer Demenz stellt oftmals die längste und schwierigste Zeit für den Betroffenen und alle anderen Beteiligten dar. Der Gedächtnisverlust schreitet weiter fort, auch ältere Gedächtnisinhalte gehen nun verloren. Es kommt zum Auftreten von Sprachstörungen, dies hat zur Folge dass eine Kommunikation häufig nur noch über die Gefühlseben stattfinden kann. Gewohnte Handlungsabläufe sind nicht mehr durchführbar. Der Betroffene benötigt zunehmend Hilfe bei der Verrichtung der alltäglichen Aktivitäten wie z.B. der Körperpflege oder der Nahrungsaufnahme. Häufig treten in diesem Stadium Unruhezustände, meist in der Nacht, auf. Neurologische Symptome sind ebenfalls häufig in diesem Stadium. Durch die auftretende Harn- und Stuhlinkontinenz wird der Betroffene völlig Hilflos. Dennoch ist der Erkrankte in dieser Phase meist noch nicht bettlägerig.[10]

2.1.2.3 Stadium III

Erreicht der Betroffene die dritte Phase der Demenz ist er oftmals nicht mehr in der Lage nahe Angehörige zu erkennen. Da die motorischen Fähigkeiten fast vollständig abgebaut sind, ist es dem Erkrankten nicht möglich einfachste Verrichtungen, wie z.B. das Halten einer Tasse, durchzuführen. In den meisten Fällen sind Patienten im dritten Stadium der Demenz bettlägerig, dies hat zur Folge dass häufig Beugekontrakturen auftreten. Der Tod tritt meist durch eine akute Infektion auf.[11]

2.2 Pflegerische Konzepte zur Demenzbetreuung

In der Vergangenheit haben sich viele Konzepte für die Betreuung dementer Menschen herauskristallisiert. Da das Hauptaugenmerk dieser Arbeit nicht darin liegt, auf die verschiedenen Konzepte näher einzugehen, sollen im nun folgenden Abschnitt, nur die Konzepte kurz beschrieben werden, welche im weiteren Verlauf der Arbeit wiederholt genannt werden. Zu erwähnen sei, dass die beschriebenen Konzepte in einer sehr kurzen Form erläutert werden. Eine genauere Beschreibung würde den Rahmen der Arbeit zu sehr übersteigen.

2.2.1 Die Milieutherapie

Da für den Begriff der Milieutherapie keine einheitliche Definition besteht, kann sie bezeichnet werden als:

„Sammelbegriff für Verfahren, die das räumliche und soziale Milieu innerhalb vorwiegend psychiatrischer Institutionen möglichst krankenhaus-unähnlich und kommunikationsfördernd zu gestalten Versuchen. Vom Wohncharakter der Zimmer über Dienstleistungsangebote, Gruppenaktivitäten und Kleidung bis zur Strukturierung als therapeutische Gemeinschaft reichen die einzelnen als Milieutherapie bezeichnetenÄnderungen.“[12]

2.2.1.1 Ursprung der Milieutherapie

Ihren Ursprung hat die Milieutherapie in der psychiatrischen Pflege. Negative Folgen, wie z.B. der Hospitalismus, wurden auf die Unterbringung und Gestaltung des Tagesablaufes zurückgeführt. Ursprünglich dienten psychiatrische Einrichtungen lediglich dem Schutz der Umwelt vor dem Patienten. Nachdem sich jedoch wiederholt die, zuvor bereits genannten, Folgen einstellten wurde man aufmerksam. Die Folge war eine umfassende Psychiatriereform. Im Rahmen dieser Reform orientierte man sich erstmals am ganzheitlichen Menschenbild. Das Einbeziehen des Patienten in den Genesungsprozess rückte nun in den Vordergrund. Im Jahre 1947 orientierte sich, erstmals Maxwell Jones, am Konzept der therapeutischen Gemeinschaft. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit, aller am Genesungsprozess beteiligten Berufsgruppen und der Position des Patienten, wurde ein Konzept der Milieutherapie entwickelt.[13] Für den Begriff der therapeutischen

Gemeinschaft existiert keine einheitliche Definition, dennoch Folgen alle Definitionen vier wesentlichen Grundprinzipien:[14]

„1. Aktive Rehabilitation (statt Verwahrung)
2. Demokratisierung (statt Hierarchie)
3. Toleranz (gegenüber abweichendem Verhalten statt festgelegter Vorstellungen und Erwartungen an Verhaltensweisen)
4. Communalism (= Problemlösungen in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Patienten, statt einsamer ärztlicher Entscheidungen).“[15]

2.2.1.2 Ziel der Milieutherapie

Nach Ursula Lehr, welche bereits 1979 Möglichkeiten milieutherapeutischer Interventionen in der stationären Altenpflege definierte, hat Milieutherapie das Ziel:[16]

„Dem Patienten zu helfen, früher vorhandene, aber verlorengegangene Fähigkeiten und Fertigkeiten neu zu entwickeln, sie in einer sicheren Umgebung auszuprobieren, eine realistische Einschätzung seiner zwischenmenschlichen Beziehungen zu gewinnen und sein Selbstwertgefühl zu steigern. Dabei wird die stimulierende Wirkung gemischter Stationen hervorgehoben (Männer und Frauen auf dem gleichen Flur), die Reaktivierung durch tägliches Ankleiden, die Schaffung von gemütlichen und praktischen Sitzgelegenheiten bzw. von Zentren im Flur, die zur Unterhaltung einladen, die räumliche Ausgestaltung der Institution, die Farbgebung von Wänden, Fluren, Türen, Vorhängen usw.“.[17]

2.2.2 Die Validation

Naomi Feil, geboren 1932 in München, begründete das Konzept der Validation. Validieren bedeutet bekräftigen, für gültig erklären oder auch wertschätzen. Beim Konzept der Validation bemüht sich der Validierende in die Gefühlswelt des zu Validierenden einzufühlen, seine Erlebnisse sollen Wahrgenommen und als berechtigt angesehen werden. Nach Feil ist das verwirrte Verhalten, wie z.B. der Rückzug in die Vergangenheit, nicht nur ein Symptom sondern erfüllt wichtige Funktionen.[18]

„1. Desorientierte alte Menschen leben lieber in der Vergangenheit, weil diese Zeit für sie bedeutender und angenehmer war, als die von Verlusten geprägte Gegenwart es ist. So ist es leichter, ein positives Selbstbild aufrechtzuerhalten.

2. Desorientierte alte Menschen werden sozusagen von unbewältigten Konflikten eingeholt. Durch den Rückzug in die Vergangenheit versuchen sie, diese Konflikte aufzuarbeiten. Werden sie dabei nicht verstanden, unterstützt und validiert, gelangen sie in das letzte Stadium der Desorientiertheit, in dem sie sich völlig von der Außenwelt abschotten. Dieses Stadium nennt Feil das Stadium des„Vergessens“.“[19]

2.2.2.1 Die Zielgruppe der Validation

Personen zwischen dem Alter von 80 bis 100 Jahren werden von Feil als Zielgruppe der Validation genannt. Diese Einteilung ist jedoch nur ein grobes Richtmaß und kann von Ausnahmen durchbrochen werden. Zu validierende Menschen führten ein relativ glückliches und sinnvolles Leben, Lebenskrisen werden jedoch geleugnet.[20] Da Validation weder konfrontieren noch Einsicht vermitteln will, ist diese Methode nicht geeignet für Menschen die orientiert werden können oder auch wollen.[21]

2.2.2.2 Die Grenzen der Validation

Die Methodik der Validation verleitet dazu, nach unbewältigten Konflikten bei desorientierten Personen zu suchen. Oft werden diese Konflikte als Grund für die Desorientierung angesehen. Medizinische Aspekte, als Ursache für die Verwirrtheit, werden dabei vernachlässigt. Validation ist keine Schablone, die auf jeden Menschen gleichermaßen aufgesetzt werden kann.[22]

3 Wie Demenz erlebt wird

Demenz ist eine sehr weit reichende Diagnose. Die Auswirkungen dieser Diagnose spüren nicht nur der Betroffene selbst, auch die Angehörigen spüren deutliche Veränderungen ihres Alltages durch die Diagnose Demenz. Eine dritte Gruppe, die durch Demenz in ihrem Leben beeinträchtigt wird, stellt das Pflegepersonal dar. Das Pflegepersonal sind die Demenzexperten, Angehörige verlassen sich darauf dass ausgebildete Pflegekräfte wissen wie sie mit einem demenzkranken Menschen umgehen müssen. Durch diese Erwartungen, die von Angehörigen an das Pflegepersonal gestellt werden, erlebt das Pflegepersonal Demenz auf eine ganz andere Art und Weise als die Angehörigen oder auch der Betroffene selbst. Im nun folgenden Teil soll kurz auf dieses Erleben der Demenz, der jeweiligen Personengruppen, eingegangen werden.

3.1 Wie der Betroffene Demenz erlebt

Das Erleben einer jeden Person ist einzigartig, dies gilt auch für Menschen die an Demenz erkrankt sind. Lange Zeit wurde Menschen, welche an einer Demenz erkrankt sind, keine echte Subjektivität in ihrem Empfinden zugestanden. Ein ermutigendes Zeichen, der jüngeren Vergangenheit, ist es das Menschen mit Demenz eine echte Subjektivität zugebilligt wird. Durch dieses Zugeständnis ist ein beträchtlicher Fortschritt erzielt wurden. Das bereits gewonnene Wissen birgt ein enormes Potential um die Versorgungspraxis, von dementen Menschen, zu erweitern.[23]

Natürlich ist es nicht möglich genaue Informationen über die Erfahrungen und Empfindungen dementer Menschen zu erhalten, dennoch können intersubjektive Schlussfolgerungen gezogen werden.[24] Laut Kitwood gibt es viele Wege um Einsicht in die subjektive Welt der Demenz zu erlangen. Er ist der Meinung, dass der Zugang zur Welt des Dementen sich aus Bruchstücken, wie eine Art Collage, zusammensetzt.[25] Sechs dieser Bruchstücke sind:

„ - Berichte von Betroffenen, die sie zu Beginn der Demenz geschrieben haben;
- strukturiertes Zuhören Betroffener in herbeigeführten Situationen;
- aufmerksames Zuhören der Äußerungen im Alltag;
- Beobachtungen von Verhaltensweisen der Betroffenen;
Befragung von Menschen, die eine Krankheit mit ähnlichen Symptomen erlebt haben;
- Einsatz dereigenen poetischen Vorstellungskraft.[26]

Da jeder Mensch individuelle Erfahrungen im Leben macht und somit seine ganz persönliche Individualität entwickelt, lassen sich sechs Typen der Persönlichkeit definieren.[27]

„- Den „Abhängigen“, der gerne Hilfe annimmt und nur widerwillig Eigeninitiative ergreift;
- Den „Unabhängigen“, der denkt, dass er die Kontrolle hat und seine Krankheit nicht anerkennen mag;
- Den „Paranoiden“, der schnell anklagt und misstraut;
- Den „Zwanghaften“, der den Verlust von Kontrolle und Ordnung fürchtet und den Selbstzweifel plagen;
- Den „Hysterischen“, derAufmerksamkeit sucht;
- Den „Psychopaten“, dersehr impulsiv ist und sich nur um sich sorgt.[28]

Anhand einer Studie, welche an 132 dementen Personen, durchgeführt wurde fand Sean Buckland [1995] sechs Hauptgruppen der Persönlichkeit heraus.[29]

„- ängstlich-passiv (30%),
- stabil-verträglich-routineliebend (28%),
- emotional-sozial-aktiv (26%),
- emotional-zurückgezogen-passiv (8%),
- stabil-extrovertiert-umtriebig (4%),
-emotional-extrovertiert-kontrollierend (4%o).“[30]

Anhand der zuvor genannten Beschreibungen ist erkennbar wie unterschiedlich die Erkrankung von Betroffenen erlebt wird. Die „ängstlich-passive“ Person kann mit der „Abhängigen“ verglichen werden. Eine besondere Anfälligkeit für Verzweiflung zeichnet beide Personengruppen aus. Oftmals werden diese Personengruppen als vegetierend beschrieben. Auf der einen Seite gibt es Betroffene mit geringer Krankheitseinsicht, diese sind oft misstrauisch und machen Andere für ihre Krankheit verantwortlich. Demgegenüber steht die Gruppe der Betroffenen, die sich ihrer Krankheit bewusst sind. Diese Gruppe ist verhältnismäßig gering, es wird angenommen dass diese Personen ihre Krankheit in einer gutartigen Weise erleben.[31]

3.2 Wie die Angehörigen Demenz erleben

Die Belastungen, welche von den Angehörigen erlebt werden, richten sich in erster Linie, nach den Bindungen zwischen dem Erkrankten und dem Angehörigen. Die größte schmerzhafte Erfahrung ist wohl die Tatsache das die Angehörigen miterleben wie der Erkrankte, mit fortschreitendem Krankheitsverlauf, immer mehr Eigenschaften verliert die ihn zu dem gemacht haben was er ist, oder in dem Fall war. Da der Begriff unheilbar oftmals mit aussichtslos verwechselt wird macht sich unter den Angehörigen ein Gefühl der Hilflosigkeit breit. Emotionen die von pflegenden Angehörigen oft angegeben werden sind unter anderem Angst, Scham, Schuld, Wut oder Ekel. Der Alltag des Angehörigen richtet sich nur noch nach den Bedürfnissen des Erkrankten, Beruf und Hobbys müssen zurück stecken oder werden sogar gänzlich aufgegeben. Dieses Zurückfahren der eigenen Bedürfnisse des Angehörigen dient dazu den Bedürfnissen des Erkrankten nachkommen zu können. Ebenfalls kommt es zu finanziellen Einbußen, welche nicht nur auf die Aufgabe der Berufstätigkeit zurückzuführen sind, vielmehr ist die Versorgung eines demenzkranken Angehörigen, im häuslichen Umfeld, auch mit hohen Kosten verbunden, welche nur teilweise durch die Kassen übernommen werden. Schwerwiegende Folgen können z.B. Depressionen bei den versorgenden Personen sein. Ist der pflegende Angehörige an die Grenzen seiner Belastbarkeit geraten, bleibt oftmals die nächste logische Schlussfolgerung ein Umzug in eine Einrichtung der stationären Altenhilfe. Trotz der Verlagerung der Verantwortung fühlen sich Angehörige meist nicht auf emotionaler Ebene entlastet. Dieses Phänomen spiegelt sich oftmals auch in der Praxis wieder. Die Belastungen, welchen die Angehörigen ausgesetzt sind, sind oftmals so gravierend das sie eine krankmachende Wirkung haben. Schuldgefühle, welche sich bei den Angehörigen ausbreiten, werden versucht mit vielen Besuchen und Geschenken an das Pflegepersonal zu egalisieren. [32]

3.3 Wie das Pflegepersonal Demenz erlebt

In Einrichtungen, die an Demenz erkrankte Menschen betreuen, erlebt das Pflegepersonal den erkrankten Menschen oftmals als Belastung. Gründe hierfür sind die mangelnde Qualifikation des Personals und der Zeitdruck. Viele Pflegende verfügen über keine oder unzureichende Ausbildung in der Betreuung dementiell veränderter Menschen. Dies hat zur Folge, dass das Verhalten von dementen Menschen oftmals als verwirrend angesehen wird, was wiederum Ängste und Überforderung beim Pflegepersonal hervorruft. Der Alltag wird von den Pflegekräften oftmals als belastend empfunden. Hinzu kommen Ängste im Alter selbst an einer Demenz zu erkranken. Die Folgen können bis zu einem Burn-out-Syndrom führen.[33]

4 Wohnformen im Alter

Im vierten Kapitel werden vom Autor die gängigen Wohnformen für Menschen im Alter beschrieben. Viele Angehörige sind mit der Situation Demenz überfordert, oftmals wird der Demente falsch untergebracht. Den meisten Menschen, welche nicht direkt mit dem Thema Demenz in Berührung stehen, ist es nicht bewusst dass die Wohnformen für Demente sich stark von den Wohnformen für geistig gesunde alte Menschen unterscheiden. Der Folgende Teil soll verdeutlichen, das die Wohnformen für demente Menschen lediglich eine Untergruppe, der Wohn- und Betreuungsformen für Menschen im Alter darstellen.

4.1 Eigenheim und ambulante Pflege

Viele Menschen arbeiten ihr Leben lang um im Alter ein Eigenheim zu haben. Ihr Ziel ist es dort in Ruhe und Frieden ihren Lebensabend zu genießen. Tritt nun eine schwerwiegende Krankheit, wie eben die Demenz auf, versuchen die Betroffenen so lang wie möglich den Verbleib im eigenen Zuhause zu sichern. Mittels der ambulanten Pflegedienste kann dieses Ziel, unter Umständen noch länger gewährleistet sein. Jedoch ist zu beachten, dass trotz ambulanter Versorgung das eigene Heim oftmals nicht optimal ausgestattet ist. Zahlreiche Umbaumaßnahmen müssen vorgenommen werden, von denen nicht alle in vollem Maße durch Versicherungen finanziert werden. Ein großer Vorteil dieser Wohnform ist das große Maß an Selbstbestimmung. Dem Betroffenen werden keine festen Zeiten für Mahlzeiten oder Körperpflege vorgegeben, er kann seine Wohnung gänzlich nach seinen Wünschen einrichten und ist nicht an Vorgaben durch eine Institution gebunden.[34]

[...]


[1] Bruhns/Lakotta/Pieper (2010), S. 11

[2] Buser/Schneller/Wildgrube (2007), S. 190

[3] Staschull (2003), S.720

[4] Vgl. Marwedel (2005), S. 242

[5] Vgl. Marwedel (2005), S. 242

[6] Vgl. Marwedel (2005), S. 242

[7] Vgl. Marwedel (2005), S. 242

[8] Vgl. Gnamm/Köther (2000), S. 516

[9] Vgl. Gnamm/Köther (2000), S. 516 - 517

[10] Vgl. Gnamm/Köther (2000), S. 517

[11] Vgl. Gnamm/Köther (2000), S. 518

[12] Graber-Dünow (2003), S. 10

[13] Vgl. Hametner (2010), S. 70

[14] Graber-Dünow (2003), S. 10

[15] Graber-Dünow (2003), S. 10

[16] Vgl. Graber-Dünow (2003), S. 11

[17] Graber-Dünow (2003), S. 11 - 12

[18] Vgl. Marwedel (2005), S. 216

[19] Marwedel (2005), S. 216

[20] Vgl. Messer (2009), S. 40

[21] Vgl. Marwedel (2005), S. 216

[22] Vgl. Messer (2009), S. 71

[23] Vgl. Kitwood (2008), S. 107

[24] Vgl. Zimmermann (2009), S. 22

[25] Vgl. Kitwood (2008), S. 111

[26] Zimmermann (2009), S. 23

[27] Vgl. Zimmermann (2009), S. 23

[28] Zimmermann (2009), S. 23

[29] Vgl. Kitwood (2008), S. 109

[30] Kitwood (2008), S. 109 - 110

[31] Vgl. Zimmermann (2009), S. 24

[32] Vgl. Zimmermann (2009), S.28 - 30

[33] Vgl. Zimmermann (2009), S.30

[34] Vgl. Gerdau (2007), S. 16

Ende der Leseprobe aus 60 Seiten

Details

Titel
Wohnformen für Menschen mit Demenz
Hochschule
Hochschule Ludwigshafen am Rhein
Veranstaltung
Pflegepädagogik
Note
3,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
60
Katalognummer
V263746
ISBN (eBook)
9783656558880
ISBN (Buch)
9783656558798
Dateigröße
589 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
wohnformen, menschen, demenz
Arbeit zitieren
Sebastian Knaak (Autor:in), 2013, Wohnformen für Menschen mit Demenz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263746

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