Robert Smithson: Eine neue Vorstellung von Raum


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Der neue Raum: Nicht-Raum

3. Erdprojekte
3.1 Nonsites
3.2 Yucatan Mirror Displacements
3.3 Cayuga Salt Mine Project
3.3 Spiral Jetty

4. Schlussgedanken

5. Literaturverzeichnis

6. Online-Literatur

7. Bildanhang

1. Einführung:

Der amerikanische Maler und Earth-Art Künstler Robert Smithson wurde 1938 in Passaic, New Jersey geboren und interessierte sich bereits im Alter von 15 Jahren für die Kunst. In den späten fünfziger Jahren kreierte er abstrakt- expressionistische Bilder und verkehrte mit den Dichtern der Beat-Generation. 1962 änderte Smithson seinen Kunststil, indem er sich von der Malerei der Bildhauerei zuwandte. Ein Jahr später heiratete er die Künstlerin Nancy Holt. Nach seiner ersten Ausstellung im Jahre 1964 nahm er Kontakt zu den Künstlern der Minimal Art, wie Carl Andre, Dan Flavin, Donald Judd und Sol LeWitt, auf. Aber schon bald wandte er sich von der Minimal Art ab, da diese als Gegenbewegung zur Malerei des abstrakten Expressionismus fungierte und nach Objektivität, Klarheit und Logik, sowie Entpersönlichung strebte1. 1966 war Smithson als künstlerischer Berater bei den Architektur- und Bauunternehmen Tippetts, Abbett, McCarthy und Stratton tätig, wo er erstmal Earthworks (Erdarbeiten) tätigte. Hierbei interessierte Smithson der Dialog zwischen innen und außen - der unbegrenzte Raum. Die Spiral Jetty (Spiralen-Mole) (siehe Bildanhang Nr.1, 2) wurde sein bedeutendstes Werk.2

1969 begann Smithson an Land Art-Kunstwerken zu arbeiten, deren Konzepte u.a. auf seinen Lektüren der Schriften des amerikanischen Schriftstellers und Gesellschaftskritikers William S. Burroughs und den Science Fiction-Autors J. G. Ballard basierten.3

Smithsons wohl wichtigster künstlerischer Beitrag ist das Erweitern des Raums der Plastik. Er begann als erster Künstler mit der Land-Wiederurbarmachungs- Kunst und führte die Dialektik der sight/nonsight (Sicht/Nicht-Sicht) und space/nonspace (Raum/Nicht-Raum) ein. Smithson erarbeitete die ersten wirklich abstrakten Plastiken - die Nonsites (Nicht-Orte). In ihnen werden das Schema der Zentralperspektive, sowie der Verlust des definitiven Raums des Kunstobjekts herausgestellt. Ebenso ist er Begründer der narrativen Plastiken und machte 1970 als erster Künstler sekundäre Medien zu primären, indem er Dokumentarfilm und Kritikform als Film und Essay z. B. bei der Spiral Jetty einsetzte. Smithson starb 1973 bei einem Flugzeugabsturz in Amarillo, Texas.4

Smithsons objekthafte Arbeiten liegen auf der „konzeptionellen Schwelle zwischen Kunst und Nicht-Kunst“5. Er verunsichert den Betrachter in „bezug [!] auf die Unterschiede zwischen den mutmaßlichen theatralischen Aura einer Plastik und der normalen Räumlichkeit eines Objektes“6. In seinen früheren Arbeiten wollte er die Balance zwischen Formalismus und Kontextualismus erreichen. Formalismus sieht dabei die Kunst als autonomes, qualitatives Ganzes, Kontextualismus hingegen ist ein Konzept, welches der Kunst als Symbol Bedeutungen zufließen lässt. Er versuchte dieses zu erlangen, indem er Materialien suchte, die bereits Bedeutungen beinhielten (z.B. Erze und Gestein).7 Die vorliegende Arbeit soll einen Einblick in Smithsons Auffassung von Räumlichkeit geben. Anhand einiger Beispiele seiner Erdprojekte wird die Entwicklung von Smithsons Auseinandersetzung mit dem Raum näher beleuchtet. Als Basislektüre dienten hierzu die Bücher von Robert Hobbs Robert Smithson: A retrospektive view (New York 1982) und Eva Schmidt und Kai Vöckler Robert Smithson-Gesammelte Schriften (Köln o.J.).

2. Der neue Raum: Nicht-Raum:

In den fünfziger Jahren gab es eine neue Raumkonzeption, die Einrichtung eines gewaltigen zwischenstaatlichen Autobahnsystems und die Möglichkeit, Gebiete jenseits unserer Stratosphäre zu erforschen. Der „Raum war nun nicht länger das Leere, was darauf wartete gefüllt [oder durch die Anwesenheit von etwas belebt] zu werden“8. Das Fahren auf der Autobahn glich einer Fahrt nach Nirgendwo und es entstand der Eindruck einer Nicht-Bewegung, da der Augenblick beim Fahren immer gleich blieb. Die Autobahn verengte die Ausblicke somit in einen Nicht- Raum. Auch der Weltraum in den fünfziger und sechziger Jahren ließ den Menschen hilflos und unbeweglich erscheinen, daher wurde er zum Synonym des Nirgendwo.9

Smithson reagierte auf dieses neue Konzept, indem er eine Plastik erschuf, die sich, anstatt mit dem Raum, mit dem Nicht-Raum beschäftigte. Er entschloss sich eine Kunst zu schaffen, die sich entgegengesetzt der Norm verhielt: „Abwesenheit statt Gegenwart, Bezugspunkte statt sinnlicher Oberfläche, Nicht-Sehen statt Optik“10.11

Smithson setzte sich während seiner künstlerischen Laufbahn immer wieder mit kunsttheoretischen Fragen, wie der Beziehung zwischen Kunstwerk und Umfeld, auseinander, die er in seinen Schriften verarbeitete. So entwickelte er seine Konzepte von den sites/nonsites (Raum/Nicht-Raum). Der Weltraum mit dem Nicht-Raum der Zukunft wurde für Smithson gleichbedeutend mit einem bestimmten geistigen Zustand. Dieser hatte mit Nicht-Denken und Nicht-Fühlen zu tun, „einer deprimierenden Entleertheit, einer geistigen Leere am Herzen des Seins“12.13

Die Sites-Arbeiten (z.B. Spiral Jetty) wurden dabei für einen ganz bestimmten Ort hergestellt, während die Nonsites-Arbeiten an jedem beliebigen Ort, wie z.B. in einer Galerie oder einem Museum ausgestellt werden konnten. Diese bestanden oft aus Fotografien, welche in einer Galerie, zusammen mit anderen Dingen oder Elementen des Ortes, an dem die Fotografien entstanden sind, ausgestellt wurden.14

Bei der Wahl seiner Orte handelte es sich für Smithson um eine offene Begrenzung, die er in einer Art Netzwerk durchlief. Er suchte den Ort nicht nach Kriterien aus, sondern alles hing davon ab, wie das Material seine Psyche ansprach, während er es unbewusst mit seinen Blicken abtastete. Auch wenn er einen Ort gefunden hatte, war er immer noch offen und wies keinerlei Grenzen auf. Erst auf der Landkarte wurden die Grenzen gezogen, sie dienten als Kennzeichnung und waren sozusagen ein Schlüssel zu diesem Ort, der dann bearbeitet wurde.15

3. Erdprojekte:

Die „Earth-Art“ (Erd-Kunst) ist die Bezeichnung für Arbeiten aus erdgebundenen Materialien wie Steinen, Erde, Sand, Rasenstücken und Holz. Der Ausdruck der Erd-Kunst entstand bei einer Ausstellung von Walter de Maria 1968 in der Galerie Friedrich in Münster. Anders als bei der „Land Art“, bei der durch die Größe der Werke meist nur Fotografien ausgestellt werden können, können bei der ErdKunst die Originale selbst ausgestellt werden. In den siebziger Jahren wurde sie wegen ihrer einfachen Mittel oft der Ars’povera zugeordnet.16

Smithson spricht bei Erdprojekten von „abstrakter Geologie“17. Er setzt den menschlichen Gedankengang den Ablagerungen und Aufschüttungen der Erdoberfläche gleich. „Eine ausgeblichene, rissige Welt umgibt den Künstler“18 und die Organisation dieses Chaos der Zerstörung in Unterteilungen und Raster ist der ästhetische Prozess, welchen der Künstler leisten muss. Smithson beeindruckt hierbei die Art der Zerstörung mehr als das fertige Projekt selbst.19

Ein Anliegen von Smithson ist das Befreien des Künstlers vom Atelier. Er beschreibt dieses als „Gefängnis“20, wo der Künstler von den Fallen des Handwerks und den Fesseln der Kreativität gefangen gehalten wird. Die Gesellschaft hat keinen Sinn mehr für den Tod und tötet dadurch geistig und körperlich und macht sich so vor eine schöpferische Ordnung zu erschaffen. Solange der Künstler aber in den Räumen seines Ateliers bleibt, ist er immer den Gesetzen der Kultur unterworfen und ist ein Gefangener dieser Ordnung, wenn er denkt er sei kreativ.21

3.1 Nonsites:

Smithson suchte in seiner Kunst nach Orten (nonspaces = Nicht-Orten). Diese fand er z.B. in „post-industriellen“22 Gebieten wie stillgelegten Steinbrüchen und Tagebauwerken, aber auch an Orten des täglichen Lebens wie dem Kino, Einkaufzentren und Kunstgalerien. Das Kino beschreibt er hierbei als Ersatzerfahrung und als Ort an dem „man nach irgendwo anders hin befördert wird“23. Das Einkaufszentrum sei nur eine leere Hülle, welches mit Waren „bemäntelt“24 wird. Die Kunstgalerie sieht er als einen weißen Rahmen, welchen „der Kunst vordergründig erlaubt, rein zu sein“25, da sie vom alltäglichen Leben abgegrenzt ist. An den post-industriellen Orten galt sein Interesse aber nicht der Ökonomie, sondern ihn faszinierte die Verschmutzung der Umwelt.26

Bei seinen Nonsites benutzt Smithson häufig die Gestalt des Trapezoidens, um sich von den Raumkonzeptionen der Renaissance abzuwenden, z. B. in A Nonsite, Franklin, New Jersey (siehe Bildanhang Nr.3, 4). Diese besteht aus fünf Unterteilungen, in denen sich Mineralerze aus der Nähe der Franklin Furnace Mine befinden. Er verwandelt das Schema der Zentralperspektive in ein „Werkzeug des Nicht-Sehens“27. Die trapezoidalen Kästen verzerren hierbei von einem Betrachterstandpunkt aus den Galerieraum und rufen so eine Illusion der Vertiefung hervor. Wieder von einem anderen Standpunkt aus, wirken sie trapezoidal.28 Der Behälter ist im gewissen Sinn eine dreidimensionale Landkarte bzw. ein Fragment einer Fragmentierung. „Er ist eine dreidimensionale Perspektive, die sich von dem Ganzen gelöst hat, während er sein eigenes Nicht- Enthaltensein enthält.“29

Die Nonsites verweisen den Betrachter auf etwas das nicht sichtbar ist, nämlich auf den Ort, von dem die gesammelten Erze stammen. Smithson beließ dabei die Erze immer ihrem natürlichen Zustand und erschuf so eine Subtraktion eines Ortes in einem Kunst-Kontext.

[...]


1 http://www.kettererkunst.de/lexikon/minimal-art.shtml.

2 Hobbs, Robert: Robert Smithson: A retrospective view, Wilhelm Lehmbruck Museum der Stadt Duisburg, Ithaca, New York, 1982, S. 9.

3 http://de.artring.net/kunstforum/viewtopic.php?id=1544. 3

4 Hobbs, Robert: Robert Smithson: A retrospective view, Wilhelm Lehmbruck Museum der Stadt Duisburg, Ithaca, New York, 1982, S.19.

5 Ders, S. 12.

6 Ebd..

7 Ders. S. 16.

8 Ders. S. 12.

9 Hobbs, Robert: Robert Smithson: A retrospective view, Wilhelm Lehmbruck Museum der Stadt Duisburg, Ithaca, New York, 1982, S. 12f.

10 Ders. S. 13.

11 Ders. S.12ff.

12 Ders. S. 14.

13 Ders. S.12ff.

14 http://de.artring.net/kunstforum/viewtopic.php?id=1544. 5

15 Schmidt, Eva/ Vöckler, Kai (Hg.): Robert Smithson-Gesammelte Schriften, Kunsthalle Wien, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2000, S. 228f.

16 http://www.beyars.com/kunstlexikon/lexikon_2320.html.

17 Schmidt, Eva/ Vöckler, Kai (Hg.): Robert Smithson-Gesammelte Schriften, Kunsthalle Wien, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2000, S. 130.

18 Ebd..

19 Dies. S.130f.

20 Dies. S.136.

21 Ebd..

22 Hobbs, Robert: Robert Smithson: A retrospective view, Wilhelm Lehmbruck Museum der Stadt Duisburg, Ithaca, New York, 1982, S. 14.

23 Ebd..

24 Ebd..

25 Ebd..

26 Ebd..

27 Ebd..

28 Ders. S. 14f.

29 Schmidt, Eva/ Vöckler, Kai (Hg.): Robert Smithson-Gesammelte Schriften, Kunsthalle Wien, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, 2000, S. 139.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Robert Smithson: Eine neue Vorstellung von Raum
Hochschule
Hochschule für Bildende Künste Braunschweig  (Institut für Kunstwissenschaft)
Veranstaltung
Barock und Moderne
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
21
Katalognummer
V263696
ISBN (eBook)
9783656526599
Dateigröße
1572 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Robert Smithon, Raum, Architektur, Landart, Spiral Jetty, Mirror, Displacement
Arbeit zitieren
Janina Schizmer (Autor:in), 2008, Robert Smithson: Eine neue Vorstellung von Raum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263696

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