Krankheiten, deren medizinische Versorgung und ihre Auswirkungen bei den Alamannen (450 - 730 nach Chr.)


Seminararbeit, 2013

24 Seiten, Note: 12 Punkte


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Thema

2. Kriterien der Gräberfelde

3. Das Gräberfeld von Weingarten, Kreis Ravensburg
3.1. Anthropologische Auswertung
3.1.1. Schädelverletzungen, Grab 561, Mann, 20-40 Jahre
3.1.2. Knochenbruch, Grab 363, Mann, 30-40 Jahre
3.1.3. Tumorerkrankung, Grab 380, Jugendlicher, 16- 18 Jahre
3.1.4. Schädeldeformation Grab 676, Frau, 30- 40 Jahre

4. Das Gräberfeld von Kirchheim am Ries, Ostalbkreis
4.1. Anthropologische Auswertung
4.1.1. Schädelverletzung, Grab 410, Mann 40-50
4.1.2. Schädelverletzung, Grab 234, Mann 20-30 Jahre
4.1.3. Knochenbruch, Grab 24, Mann 20-30 Jahre

5. Ergebnis der beiden Gräberfelde

6. Pactus Leges Alamannorum Erkrankungen und ärztliche Versorgung

7. Ärztliche Versorgung der Wunden
7.1. Schädelbruch, Horrheim, Kreis Ludwigsburg, Mann 50-60 Jahre
7.2. Schädelbruch, Kirchheim/Teck, Kreis Esslingen, Martinskirche, Grab 1, Mann, 40-50 Jahre

8. Zusammenfassung

9. Beilagenverzeichnis

10. Literaturverzeichnis

11. Bildanhang

1. Thema

An welchen Krankheiten und unter welchen Umständen, sofern zu ermitteln, die Alamannen verstorben sind, inwiefern es eine medizinische Versorgung gegeben hat und ob diese das Leben verlängern vermochte soll auf den Grund gegangen werden. In erster Linie im Zeitraum von 450 nach Chr. Bis 730 nach Chr., da aus dieser Zeit einige gut untersuchte Reihengrabfelder existieren und deren Funde von übergreifenden Fachdisziplinen analysiert worden sind. Als Quellen sollen die Gräberfelder und deren Funde und auch Knochen aus weiteren Gräbern dienen. Anhand des Pactus Leges Alamannorum sollen Indizien und Beweise hinzugefügt werden, die auf das Vorhandensein eines Arztes und einer medizinischen Versorgung deuten.

2. Kriterien der Gräberfelder

Um ausgewertet werden zu können, um Aussagen zur Demographie der Bevölkerung zu treffen, muss ein Gräberfeld vollständig (nahezu) ausgegraben sein. Des Weiteren muss eine allgemeine und innere Chronologie des Gräberfeldes gesichert sein. Der dritte Punkt bezieht sich auf den Typus und die Struktur des Gräberfeldes[1].

Bei den beiden vorgestellten Gräberfeldern Weingarten im Südwesten und Kirchheim im Nordosten handelt es sich um genau datierte, nahezu vollständig ausgegrabene Gräber vom Reihentypus, bei denen nur vereinzelt separierte Gräber auftreten und vorrangig alle Schichten der Bevölkerung darstellen.

3. Das Gräberfeld von Weingarten, Kreis Ravensburg

In Oberschwaben ca. 110 km südsüdöstlich von Stuttgart liegt Weingarten. Gräberfeld befindet sich ca. 700m nordwestlich der Pfarrkirche von Altdorf. Die ersten drei Gräber kamen im Jahre 1952 im Zuge von Kanalisationsarbeiten

Zutage und wurden umgehend dem Staatlichen Amt für Denkmalamt gemeldet[2]. Vom Beginn des Jahres 1953 bis zum Jahr 1957 führte das Landesamt für Denkmalpflege Tübingen unter der Leitung des Kreisdenkmalpflegers Eith, später unter der Leitung von Wein die Ausgrabungen durch. Es wurden 801 Gräber mit 813 Bestatteten[3] gefunden. Ab dem 5. Jhd. nach Chr. dominiert die Körperbestattung in West- Ost Richtung[4]. In diesem Fall ist es genau genommen eine südwest-nordöstlich ausgerichtete Ordnung. Vor dem 5. Jhd. nach Chr. war die Nord- Süd Richtung noch sehr verbreitet. Nach Christlein findet sich folgende Gräberverteilung, in sechs Gräbern wurde überdurchschnittlich reiche Ausstattung gefunden, 235 mit einer mittleren Beigabenausstattung, 475 Gräber mit einer ärmlichen Beigabenausstattung wurden entdeckt[5]. Der typische gesellschaftliche pyramidiale Aufbau dieser Zeit findet sich somit auch in den Gräbern wieder. Von den Grabbeigaben lässt sich schließen, dass neben typisch alamannischen Grabbeigaben wie den bronzenen Zierde- Pfeilspitzen, zu Beginn der Belegung besonders die handgeformte Rippenkeramik auftaucht. Auch die weiter unten erwähnten deformierten Schädel lassen auf eine thüringisch-böhmische Mitbevölkerung schließen. Aus späteren Gräbern wurden fränkische Gläser gefunden, dieses lässt auf Handelsbeziehungen beziehungsweise Fernhandelsbeziehungen zu Merowingerzeit schließen[6].

3.1. Anthropologische Auswertung

Es gab zwei Analysen der Skelette. In den sechziger Jahren von Huber am Institut für Anthropologie und Humangenetik, Tübingen durchgeführt und publiziert. Von Wahl gab es in den Neunzigern eine weitere Analyse. Die Bodenbeschaffenheit erschwerte die Auswertung, jedoch konnten weitere 198 Individuen Alters- und Geschlechtsbestimmungen vorgenommen werden[7]. Insgesamt konnten 713 Skelette Alter und Geschlecht zugeordnet werden. 345 wurden als männlich, 297 als weiblich identifiziert, bei 74 konnte keine Klärung erfolgen. Die Lebenserwartung, von Wahl berechnet, betrug in Weingarten für die Gesamtpopulation 35,5 Jahre, die Männer hatten eine Lebenserwartung von 38,4 Jahren, während die Frauen nur eine Lebenserwartung von 34,3 Jahren erreichten.

3.1.1. Schädelverletzungen, Grab 561, Mann, 20-40 Jahre

Wie auf dem Foto[8] deutlich zu erkennen findet sich auf dem Scheitelbein links eine kreisrunde Einsenkung der Schädeldecke. Diese Impressionsfraktur hat einen Durchmesser von 1, 5 cm. Im hinteren Bezirk nach dorsal ziehend ist ein kleiner Spalt erkennbar. Ursache war ein stumpfer Hieb auf den Schädel. Der restliche Bezirk ist geschlossen und verheilt. Dieser Spalt wird wahrscheinlich post mortem wieder aufgetreten sein. Der Mann verstarb nicht an dieser Verletzung. Die Ränder sind regelrecht verheilt, kein Hinweis auf Entzündung nach der Verletzung besteht. Durch die Quetschung wäre es möglich, dass bei dem Mann Lähmungen auftraten.

3.1.2. Knochenbruch, Grab 363, Mann, 30-40 Jahre

Durch das leichte Anwinkeln des Unterarmes vor den Kopf kann bei einem Schlag die Elle so verletzt werden, dass es zu einem separaten Bruch der Elle kommt. Dieses wird auch Parierfraktur genannt. Deutlich auf dem Bild[9] erkennbar ist eine spindelförmige Auftreibung in der Schaftmitte der linken Elle. Die Heilung des Bruches erscheint regelrecht. Auch scheint es nach Ausheilung keine Funktionseinschränkung gegeben zu haben, der Mann verstarb nicht an dieser Verletzung.

3.1.3. Tumorerkrankung, Grab 380, Jugendlicher, 16- 18 Jahre

Im unteren Drittel des linken Oberschenkelknochens findet sich eine Art bogenförmige Ausstülpung/ Wucherung des Knochengewebes[10], es handelt sich hierbei um ein Osteosarkom. Diese aggressive Form wirkt hämatogen, das bedeutet sie dringt schnell in die Blutbahn und bildet vorrangig in der Lunge Metastasen[11]. Diese Erkrankung führte zum Funktionsverlust des Beines und schließlich zum Tode durch Metastasen oder Sekundärtumoren.

3.1.4. Schädeldeformation Grab 676, Frau, 30- 40 Jahre

Hier[12] handelt es sich nicht um eine Verletzung sonder um ein Brauchtum. Nachweislich auch bei den Frauen der Alamannen. Ob es sich hier um „Einheiratungen“ fremder Frauen gehandelt hat, ist wahrscheinlich. Da ansonsten die Zahl der gefundenen Frauen mit einem verlängerten Kopfschädel zu gering gewesen wäre. Mittels Bändern hat man bei Kleinkindern begonnen den Schädel zu verlängern. Durch die Anpassungsfähigkeit des Gehirns kam es zu keiner Funktionseinschränkung. Man sieht eine Abflachung der Stirnpartie, eine Auffwölbung im Scheitelbereich. Das Gesicht springt stark hervor.

4. Das Gräberfeld von Kirchheim am Ries, Ostalbkreis

Am Westrand des Rieses, ca. 20km östlich von Aalen liegt Kirchheim. Das Gräberfeld befindet sich in der Flur Gözlen, nordöstlich des heutigen Dorfes auf dem

Südhang einer Kuppe aus Weißjurakalk[13]. Im Jahre 1961 wurden 32 Gräber bei Ausschachtungsarbeiten für eine Schule entdeckt. Im Sommer 1962 begann eine planmäßige Ausgrabung des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg unter der Leitung von F. Maurer, die mehrere Etappen umfasste und insgesamt drei Jahre dauerte[14]. Die ersten 32 Gräber wurden im Jahre 1961 bei Ausschachtungsarbeiten für eine Schule entdeckt und im Rahmen einer Notbergung durch die Lehrerschaft des Ortes dokumentiert. Im Sommer 1962 begann eine planmäßige Ausgrabung des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg unter der örtlichen Leitung von Maurer, die mehrere Kampagnen umfasste und insgesamt drei Jahre dauerte. Insgesamt wurden 513 Gräber gefunden, ein Teil wurde durch den Schulneubau unentdeckt zerstört. Es lässt sich eine Belegungsdauer von ungefähr 200 Jahren, von 530 bis etwa 730 herauslesen. Die Gräber sind einheitlich westöstlich orientiert und in nordsüdlich verlaufenden Reihen angelegt. In der Regel wurden die Toten einzeln bestattet, es finden sich in Kirchheim nur neun Doppelgräber in denen in sechs Fällen ein Mann und eine Frau, in einem Fall zwei Frauen und in zwei Fällen zwei Männer bestattet wurden. Zu diesen kommen noch 12 weitere Gräber,[15] in denen sich neben einem Erwachsenen auch die Reste eines Kindes fanden[16]. Nachbestattungen waren auf diesem Gräberfeld zahlreich, dabei wurde bei einer Neubelegung eines Grabes der Skelettrest an das Fußende der Neubelegung gelegt. Die Besonderheit bei Kirchheim ist, dass es mehrere kleine gesonderte Bestattungsplätze nach Hierarchie und Typus geordnet gab. Es scheint so, dass ab der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts eine Gruppe sehr Wohlhabender sich von dem allgemeinen Bestattungsplatz distanzierte und abseits davon ihre Toten in großen Holzkammern und mit beigegebenen Reitpferden zu bestatten begannen. Dies bedeutet aber nicht, dass der Hauptfriedhof jetzt nur noch generell den Ärmeren als Bestattungsplatz dient, denn es finden sich dort auch weiterhin hochwertige Bestattungen[17]. Als Belege für Fernbeziehungen der Kirchheimer Oberschicht führt Neuffer-Müller gefundene Glasgefäße auf, die zusammen mit silbertauschierten Scheibenfibeln Beziehungen zum fränkischen Mittelrheingebiet verdeutlichen. In der Beigabe eines Lamellenpanzers, Steigbügeln, einer vergoldeten Schildzier sieht Neuffer-Müller Belege für starke Beziehungen zum südöstlichen langobardisch-awarischen Raum. Aufgrund der neben den Adelsgräbern vorhandenen großen Anzahl gut ausgestatteter Kriegergräber und vor allem der 20 Reitergräber des 7. und 8. Jahrhunderts schließen Neuffer-Müller, dass in Kirchheim nicht eine bäuerliche Siedlung sondern ein Herrensitz einheimischen Adels.

[...]


[1] Nemeskéri, J., Die archäologischen und anthropologischen Voraussetzungen

paläodemographischer Forschung, Seite 11

[2] Roth, H. und Theune C., Das frühmittelalterliche Gräberfeld bei Weingarten, Seite 10

[3] Wein, G. , Das alamannische Gräberfeld in Weingarten, Seite 469-476

[4] Christlein, R., Die Alamannen. Archäologie eines lebendigen Volkes, Seite 53

[5] ebd., Seite 178

[6] Sage, Walter, Das Reihengräberfeld von Altenerding in Oberbayern, Seite 104

[7] Roth, H. und Theune C., Das frühmittelalterliche Gräberfeld bei Weingarten, Seite 11

[8] siehe Abbildung 1

[9] siehe Abbildung 2

[10] siehe Abbildung 3

[11] Bielack S. S., Prognostic factors in high-grade osteosarcoma of the extremities or trunk, Seite 776-780

[12] siehe Abbildung 4

[13] Neuffer-Müller, C., Der alamannische Adelsbestattungsplatz und die

Reihengräberfriedhöfe von Kirchheim am Ries, Seite 9

[14] ebd., Seite 11

[15] Neuffer-Müller, C., Der alamannische Adelsbestattungsplatz und die Reihengräberfriedhöfe von Kirchheim am Ries, Seite 13

[16] ebd., Seite 15

[17] ebd., Seite 8

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Krankheiten, deren medizinische Versorgung und ihre Auswirkungen bei den Alamannen (450 - 730 nach Chr.)
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Geschichte)
Veranstaltung
"Suebi, id est Alamanni"? Die Alamannen/Alemannen von der Völkerwanderungszeit bis zum Regnum Alamannorum
Note
12 Punkte
Autor
Jahr
2013
Seiten
24
Katalognummer
V263667
ISBN (eBook)
9783656526483
ISBN (Buch)
9783656528227
Dateigröße
2195 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Heilung, Quellenarbeit, Medizin, Alamannen, Alemannen
Arbeit zitieren
Daniela Kossen (Autor:in), 2013, Krankheiten, deren medizinische Versorgung und ihre Auswirkungen bei den Alamannen (450 - 730 nach Chr.), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263667

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