Schrift und Herrschaft

Das Verbot der Frakturschrift durch die Nationalsozialisten im Jahre 1941


Hausarbeit, 2013

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Ideologie und Herrschaftssystem des Nationalsozialismus

3 Nationalsozialistische Schriftpolitik von 1933 bis 1939
3.1 Hitlers Position in der Schriftenfrage
3.2 Die Schriftpolitik staatlicher Organe
3.3 Schriftpolitik von Parteiorganen und Zweigorganisationen der NSDAP.

4 Die Beendigung des Schriftenstreits
4.1 Erste Anzeichen eines schriftpolitischen Umschwungs um 1940
4.2 Die „Führerentscheidung“ in der Schriftenfrage und deren Motive
4.3 Die Umsetzung des Verbotes der Frakturschriften.

5 Nationalsozialistische Schriftpolitik

6 Schriftkultur und Herrschaftspraxis

7 Schlussbemerkungen

8 Quellen- und Literaturverzeichnis
8.1 Quellen
8.2 Literatur.

1 Einleitung

Der Wert und die Leistungskraft einer Schriftkultur werden durch die Art und Weise bestimmt,

„wie die Potenziale der Schrift in einer Gesamtkultur, die von verschiedenen gesellschaftlichen Interessen geprägt ist, eingesetzt werden, um übergeordnete Ziele in Ökonomie, Kultus, Mythos, Kunst, Wissen, Bildung u. a. zu erreichen.“[1]

Schrift ist weit mehr als ein pragmatisches Mittel zur Kommunikation. Sie ist kein bloß äußerliches Medium zum Transportieren von Inhalten, denen gegenüber sie sich neutral verhält. Schrift ist auch ein Machtinstrument und ihre Anwendung kann der Herrschaftsausübung dienen. Deshalb können sich mit veränderter Staatsräson auch die Anforderungen an eine Schrift ändern. Selbst der Schrifttyp kann hier entscheidend sein, denn er trägt wesentlich zum Gehalt des Geschriebenen bei. Er ist mit paralingualen Botschaften überlagert, die Bedeutungen konstruieren und zuschreiben. Die Typographie ist somit eine subtile Sinnressource bei der Produktion und Rezeption von Texten. Sie weist einen inszenatorischen Charakter auf, der auch von Machthabern eingesetzt und verändert werden kann.[2] Dies lässt sich besonders gut an dem Verbot der Frakturschrift durch die Nationalsozialisten verdeutlichen.

Der Antiqua-Fraktur-Streit prägte die schriftgeschichtliche Entwicklung Deutschlands über fünf Jahrhunderte lang. Die Antiqua setzte sich vom 15. bis zum 17. Jahrhundert im Anwendungsbereich der lateinischen Schrift vollständig durch, wohingegen es in Deutschland zu einer andauernden „Zweischriftigkeit“ kam.[3] Immer wieder kam es zu Streitigkeiten um diese Schriftarten, an welchen sich die Vorstellungen der jeweiligen Zeit deutlich spiegeln. Die Auseinander-setzungen wurden in der Zeit der Reformation mit konfessionellen, in der Zeit der Romantik mit nationalistischen, im Kaiserreich mit völkischen und in der Weimarer Republik mit rassistischen Bekenntnissen aufgeladen.[4] Das Verbot der Frakturschrift und die Einführung der Antiqua als „Normalschrift“ durch die Nationalsozialisten im Jahre 1941 beendeten diesen Schriftenstreit. Da scheint es überraschend, dass die Fraktur heute im kollektiven Gedächtnis Deutschlands teilweise als nationalsozialistische Schrift eingebrannt ist. In der Forschung wird das Verbot vor allem mit der machtpolitischen Situation Deutschlands Anfang 1941 begründet, es sei zwar kulturverachtend durchgeführt, in seinen Folgen aber positiv zu bewertet.

Diese Hausarbeit untersucht die Gründe für das Frakturverbot. Insbesondere soll sie nachvollziehen, weshalb die Frakturschrift, die noch 1933 als „Stempel des deutschen Geistes“ galt und deren Verwendung jüdischen Verlagen noch 1937 vom Propagandaministerium verboten wurde, 1941 im Auftrag Hitlers als „Schwabacher Judenlettern“ diffamiert und verboten wurde.[5] Wie kam es zu der schriftpolitischen Umkehr, die sich im Jahre 1940 ankündigte? Welche Positionen vertraten die entscheidenden Ministerien, das Staatsoberhaupt Adolf Hitler und nichtstaatliche Organisationen der NSDAP vor und nach diesem schriftpolitischen Kurswechsel? Welche Motive leiteten die beteiligten Gruppen und Akteure dabei? Wie ging die Umsetzung des Verbotes vonstatten und welche Auswirkungen hatte sie? Das ausgewählte Beispiel soll Entstehung, Zweck und Folgen schrift-politischen Handelns nachvollziehen und hinterfragen und die Möglichkeit geben, generelle Aspekte von Schriftkultur aufzuzeigen und zu diskutieren.

Die Zielsetzung erklärt den deduktiven Aufbau der Arbeit. Zeitlich konzentriert sie sich weitgehend auf die Jahre 1933 bis 1942. Die Aussagen beschränken sich räumlich auf Deutschland. Im folgenden Kapitel werden die relevanten Punkte zur Ideologie und Herrschaft des Nationalsozialismus kurz dargestellt.

2 Ideologie und Herrschaftssystem des Nationalsozialismus

Die nationalsozialistische Ideologie basiert auf Ideen die vorwiegend im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts politisch virulent wurden und die Adolf Hitler als Grundgerüst für seine „Weltanschauung“ benutzte. Im Zusammenhang mit der schriftpolitischen Argumentation ist der rassisch begründete „moderne“ Antisemitismus von besonderer Bedeutung.[6]

In der nationalsozialistischen Ideologie wurden Juden antisemitisch diffamiert. Sie wurden als geschlossene „Rasse“ mit erblich negativen Eigenschaften betrachtet. Als „Rassefeinde“, „Kulturzersetzer“ und „Erzfeinde der Menschheit“ wurde ihnen diesem Denken folgend eine „jüdische Weltverschwörung“ unterstellt. Das angebliche Problem der „Judenfrage“ wurde im National-sozialismus erstmals nicht nur bis zur völligen Auslöschung der Juden gedacht, sondern mit der „Endlösung“ eliminatorisch angestrebt. Die Deutschen hingegen wurden zur überlegenen „arisch-germanischen Rasse“ gezählt und als „Kulturbringer“ und „Herrenvolk“ verherrlicht. Vermengt mit Sozialdarwinismus und Lebensraumideologie wurde auf dieser Basis ein aggressiver Imperialismus begründet. Ziel war die Neuordnung Europas und schließlich die Übernahme der Weltherrschaft.[7]

Auch Volksgemeinschaftsideologie und Führerkult sind von Bedeutung. Da die nationalsozialistischen Ziele nur ohne Klassenunterschiede und Interessen-konflikte verwirklicht werden könnten, sollte das ganze Volk, ausgenommen seiner Feinde, zu einem „Volkswillen“ verschmelzen. Dieser sollte vom Führer bestimmt werden und von jedem Einzelnen befolgt werden. Der gesamte Staat sollte nach diesem „Führerprinzip“ aufgebaut werden. Mit Hierarchien von Führern und Geführten und der „Treue“ als Bindeglied zwischen ihnen.[8]

Schon während der Regierungszeit wurde das nationalsozialistische Herrschafts-system vereinzelt kritisch betrachtet. Der Verwaltungsmann und spätere Wider-standskämpfer Ulrich von Hassel war der Meinung, die Nationalsozialisten wüssten im Grunde gar nicht, was ein Staat ist. Auch Reichsinnenminister Wilhelm Frick selbst kritisierte den inflationären Einsatz von Sonderbeauftragten und befürchtete eine Aufsplitterung der Kompetenzen und einen Effizienz- und Kontrollverlust.[9]

Die ältere Forschung ging davon aus, „lähmendes Chaos“ und die interne Ämter-konkurrenz hätten viele bürokratische Reibungsverluste verursacht. Dies habe eine zielgerichtete Umsetzung nationalsozialistischer Inhalte erschwert und einen Systemverfall begünstigt.[10] Die neuere Forschung bekräftigt die These, dass es unter den Bedingungen des Führerstaates zwar keine Berechenbarkeit der Apparate mit verlässlichem Instanzenzug gab und dies bisweilen Nischen und Leerlauf erzeugte, doch Regellosigkeit und Unberechenbarkeit in der Verwaltung seien nicht die Folge gewesen. Befehle wurden überwiegend befolgt und bis zum Ende bewies das Regime eine tödliche Effizienz.[11]

In diesem Zusammenhang soll festgehalten werden, dass die nationalsozialistische Ideologie das Handeln der Funktionseliten und ihrer Helfer immer wieder legitimierte. Da sie keine homogene Ideologie war, schrieb sie aber keine genauere Vorgehensweise zur Umsetzung vor. Dies führte zu einer gewissen Unkontrollierbarkeit und Desorganisation im Handeln, ermöglichte aber auch das Verlassen der eigenen Grundsätze in bestimmten Situationen. So konnte gegebenenfalls eine andere Richtung eingeschlagen werden und es entstand eine flexible Dynamik.[12] Im Folgenden wird die nationalsozialistische Schriftpolitik herausgearbeitet.

[...]


[1] Peter Stein: Schriftkultur. Eine Geschichte des Schreibens und Lesens, Darmstadt 2006, S. 66f.

[2] Vgl. dazu: Peter Rück: Anmutung durch Schrift. Zur Aussage der Schriftgestalt, in: Fachgebiet Historische Hilfswissenschaften, Ausgewählte Aufsätze zum 65. Geburtstag von Peter Rück, hrsg. von Erika Eisenlohr / Peter Worm, Marburg a. d. L. 2000 (= elementa diplomica, Bd. 9), S. 113-115.

[3] Vgl. dazu: Friedrich Beck: „Schwabacher Judenlettern“. Schriftverruf im Dritten Reich, in: Die Kunst des Vernetzens, Festschrift für Wolfgang Hempel, hrsg. von Botho Brachmann / Helmut Knüppel / Joachim-Felix Leonhard / Julius H. Schoeps, Berlin 2006, S. 255.

Vgl. auch: Friedrich Beck: Die Zweischriftigkeit in Deutschland vom 16. bis ins 20. Jahrhundert, in: Vom Nutzen und Frommen der Historischen Hilfswissenschaften, hrsg. von F. Beck / E. Henning, Berlin 2000 (=Herold-Studien, Bd. 5), S. 45-61.

[4] Vgl. dazu: Peter Rück: Die Sprache der Schrift. Zur Geschichte des Frakturverbots von 1941, in: Fachgebiet Historische Hilfswissenschaften, Ausgewählte Aufsätze zum 65. Geburtstag von Peter Rück, hrsg. von Erika Eisenlohr / Peter Worm, Marburg a. d. L. 2000 (= elementa diplomica,

Bd. 9), S. 141.

Vgl. auch: Peter von Polenz: Die Ideologisierung der Schriftarten in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert in: Öffentlicher Sprachgebrauch. Praktische, theoretische und historische Perspektiven, Georg Stötzel zum 60. Geburtstag gewidmet, hrsg. von Karin Böke / Matthias Jung / Martin Wengeler, Opladen 1996, S. 271-282.

[5] Rundschreiben des Stabsleiters des Stellvertreters des Führers Martin Bormann vom 3.1.1941, abgedruckt in: Silvia Hartmann: Fraktur oder Antiqua. Der Schriftstreit von 1881 bis 1941, 2. überarbeitete Auflage, Frankfurt a. M. 1999 (= Theorie und Vermittlung der Sprache, Bd. 28),

S. 405f.

[6] Beim „modernen“ Antisemitismus war im Gegensatz zum traditionellen „Antijudaismus“ die unterstellte Andersartigkeit nicht durch Assimilation oder christliche Taufe ablegbar. Wegbereiter waren u.a. Arthur Graf Gobineau, Wilhelm Marrs, Richard Wagner, Heinrich von Treitschke und Eugen Dühring. Die antisemitischen Ideen verbreiteten sich in der deutschen Gesellschaft und eine zweite Generation von Antisemiten, u.a. Julius Streicher und Adolf Hitler selbst, griffen sie auf. Wolfgang Benz: Die Geschichte des Dritten Reiches, München 2000, S. 127f.

[7] Bei der schriftpolitischen Argumentation ist die rassische Diskriminierung von Juden von Bedeutung, deswegen werden die anderen diskriminierten Gruppen hier nicht behandelt.

Adolf Hitler manifestierte die nationalsozialistischen Ziele 1920 im „25-Punkte-Programm der NSDAP“ und arbeitete seine Weltanschauung in „Mein Kampf“ (1. Bd. 1925, 2. Bd. 1927) aus. Ebd., S. 85f.

[8] Ebd., S. 84.

[9] Sven Reichardt / Wolfgang Seibel: Radikalität und Stabilität. Herrschen und Verwalten im Nationalsozialismus, in: Der prekäre Staat. Herrschen und Verwalten im Nationalsozialismus, hrsg. von Sven Reichardt / Wolfgang Seibel, Frankfurt am Main 2011, S. 7.

[10] Das „Polykratie-Modell“ fand in den 60er bis 80er Jahren Verbreitung.

Ebd., S. 7.

[11] Vgl. dazu: Wolfgang Reinhard: Geschichte der Staatsgewalt, 3. durchges. Auflage, München 2002, S. 472.

Reichardt / Seibel: Radikalität und Stabilität, S. 7.

[12] Vgl. dazu: Rüdiger Hachtmann: Elastisch, dynamisch und von katastrophaler Effizienz. Zur Struktur der neuen Staatlichkeit des Nationalsozialismus, in: Der prekäre Staat. Herrschen und Verwalten im Nationalsozialismus, hrsg. von Sven Reichardt / Wolfgang Seibel, Frankfurt am Main 2011, S. 29-73.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Schrift und Herrschaft
Untertitel
Das Verbot der Frakturschrift durch die Nationalsozialisten im Jahre 1941
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Institut für neuere deutsche und europäische Geschichte)
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
22
Katalognummer
V263313
ISBN (eBook)
9783656520351
ISBN (Buch)
9783656531173
Dateigröße
722 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
schrift, herrschaft, verbot, frakturschrift, nationalsozialisten, jahre
Arbeit zitieren
Daniela Berbenni (Autor:in), 2013, Schrift und Herrschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263313

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