Welchen Beitrag kann eine Finanztransaktionssteuer zur Verhinderung zukünftiger Krisen leisten?


Bachelorarbeit, 2013

78 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung.

2 Die Finanzmarktkrise – Eine Übersicht
2.1 Von der Subprimekrise zur Wirtschaftskrise
2.2 Entwicklung in Europa und die Auswirkung der Krise

3 Entwicklung der Handelsvolumina an den Finanzmärkten

4 Eine generelle Finanztransaktionssteuer
4.1 Das Konzept einer Transaktionssteuer von James Tobin
4.2 Erfahrung anderer Länder mit einer Transaktionssteuer
4.2.1 Schweden
4.2.2 Großbritannien

5 Eine Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene
5.1 Einführung durch Verstärkte Zusammenarbeit
5.2 Ausgestaltungsvorschlag der EU-Kommission
5.3 Die Ziele einer Finanztransaktionssteuer
5.3.1 Eindämmung von Finanztransaktionen und Stärkung der Finanzmarktstabilität
5.3.2 Angemessene steuerliche Beteiligung des Finanzsektors
5.4 Aufkommenspotenzial einer Finanztransaktionssteuer
5.5 Auswirkung auf die Liquidität und Volatilität in den Finanzmärkten

6 Bankenabgabe - Eine alternative zur Finanztransaktionssteuer?

7 Fazit

Anhang

Anlage 1: Annahmen über Transaktionskosten und die Reduktion des Handelsvolumens als Reaktion auf eine Finanztransaktionssteuer.

Anlage 2: Beispiel für die effektive Besteuerung von Derivate.

Anlage 3: Ermittlung des Verteilungsschlüssels

Anlage 4: Ermittlung des Verteilungsschlüssels

Anlage 5: Steueraufkommen gemäß Verteilungsschlüssel

Anlage 6: Steueraufkommen gemäß Verteilungsschlüssel

Literaturverzeichnis.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Im Sommer 2007 bekam die Finanzwelt mit dem Platzen der US-Hypothekenblase eine neue Dynamik mit weitreichenden Folgen. Ihren Höhepunkt erreichte die jüngste Krise am 15. September 2008 mit der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers, die zu einem Absturz des gesamten Weltfinanzsystems führte. Eine Verflechtung von mehreren Faktoren führte zu einer Blasenbildung auf dem US-Immobilienmarkt, deren Platzen Panik auf den globalen Finanzmärkten auslöste und bis zu Verschuldungen im Euroraum führte. Die Folgen der Krise waren so weitreichend, dass ein Intervenieren der zentralen Notenbanken nötig wurde, um einen Zusammenbruch der Finanzwirtschaft zu verhindern und die Folgen für die Realwirtschaft einzudämmen. Die Krise resultierte aus einem komplexen Zusammenspiel von Marktversagen, globalen Ungleichgewichten im Finanz- und Währungssystem und einer unangemessenen Regulierung des Finanzsystems.

In diesem Kontext wurde argumentiert, dass eine Finanztransaktionssteuer als ordnungspolitisches Instrument eingesetzt werden könne, um die Probleme wie implizite oder explizite Garantien anzugehen.[1] Darüber hinaus könne eine solche Steuer als ein Instrument zur Verhinderung von Finanzspekulationen sowie zur Generierung von Einnahmen gesehen werden.

Die Idee einer Finanztransaktionssteuer wird nicht erst seit der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise in Betracht gezogen. Die Diskussionen werden allerdings seither in der Politik und der Öffentlichkeit intensiviert. Bereits John Maynard Keynes forderte nach der Großen Depression in den 1930er Jahren eine Verkehrssteuer auf Börsengeschäfte. Diese Überlegungen wurden einige Jahrzehnte später von James Tobin aufgegriffen, der die Einführung einer Devisentransaktionssteuer vorschlug.

Wie bereits James Tobin anmerkte, gewann der Vorschlag einer Transaktionssteuer mit jeder neuen Krise an Bedeutung und geriet nach dem Überwinden der Krisen wieder in Vergessenheit. Bei der jüngsten Krise sind Überlegungen einer Finanztransaktionssteuer zumindest in der EU bis auf die höchste Ebene transportiert worden.[2] Die Diskussionen auf multilateraler Ebene haben dadurch neue Dimensionen angenommen und die Debatten über die Wirkung einer Finanztransaktionssteuer haben zugenommen.[3]

Welche Wirkung wird eine Finanztransaktionssteuer auf die Finanzmärkte haben und kann sie den in sie gesetzten Ziele gerecht werden?

Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel die der Finanztransaktionssteuer zugedachte Präventivfunktion zur Vermeidung von künftigen Finanzmarktkrisen unter Bezugnahme auf die dazu erschienen Publikationen kritisch zu analysieren und zusammenfassend darzustellen.

Hierzu werden zunächst im zweiten Kapitel die Ursachen der jüngsten Krise und ihr Werdegang dargestellt. Abgeschlossen wird das Kapitel mit den Entwicklungen innerhalb der Europäischen Union und den Auswirkungen der jüngsten Krise. Ein kurzer Ausblick auf die Entwicklung an den Finanzmärkten soll dazu dienen im weiteren Verlauf dieser Arbeit mögliche Ansatzpunkte einer Finanztransaktionssteuer aufzuzeigen.

Im Rahmen dieser Vorstellung soll dem Leser ein Grundverständnis über das Zusammenspiel und die Verflechtungen wirtschaftlicher Entscheidungen und Entwicklungen an den Finanzmärkten, die zur Krise führten, vermittelt werden.

Im Hauptteil der Arbeit steht die Finanztransaktionssteuer. Hierzu werden zunächst das ursprüngliche Konzept von James Tobin und die Erfahrungen von Schweden und Großbritannien gegenübergestellt, bevor das Augenmerk auf die Ausgestaltung einer Finanztransaktionssteuer gelegt wird. Im Anschluss daran wird eine sachliche Betrachtung des Anwendungsbereichs und der hypothetischen Steueraufkommen vorgenommen. Das Kapitel wird mit einer kritischen Analyse der Auswirkungen auf die Volatilität der Finanzmärkte abgeschlossen. Bei der Analyse werden wir uns ausschließlich auf die Auswirkungen auf die Volatilität beschränken. Analysen über die Auswirkungen auf Altersvorsorge, Pensionsfonds und Riester-Renten würden den Rahmen der Arbeit übersteigen.

Im sechsten Kapitel werden zwei Alternativen zur Finanztransaktionssteuer aufgeführt, die bei der EU-Kommission ebenfalls zu Diskussion standen. Das Hauptaugenmerk wird dabei auf die Bankenabgabe nach deutschem Vorbild gelegt.

Mit dem abschließenden Fazit werden die gewonnenen Erkenntnisse noch einmal kritisch zusammengefasst.

2 Die Finanzmarktkrise – Eine Übersicht

2.1 Von der Subprimekrise zur Wirtschaftskrise

„Seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise (2007) stehen volkswirtschaftliche Fragen im Zentrum der öffentlichen Diskussion. Die Abfolge von Schocks – von der Blase auf dem US-Häusermarkt über die Panik auf den globalen Finanzmärkten bis zur Verschuldung im Euroraum – sorgt dafür, dass die Wirtschaftskrise seit Jahren nicht mehr aus den Schlagzeilen verschwindet.“[4] Experten sprechen von der schwersten Finanzkrise seit der Großen Depression in den 1930er Jahren. Die Hintergründe der aktuellen Krise sind in den Jahren zuvor zu suchen. Zur Eindämmung der Auswirkungen der Technologieblase Ende 2000 und der Terroranschläge vom 11. September 2001 auf die amerikanische Wirtschaft und zur Stimulation der Konjunktur senkte die US-Notenbank (FED) den Leitzins binnen kurzer Zeit von 6,5 % auf 3,5 % und im Juli 2003 bis auf 1 %. Die Entstehung der Immobilienblase wurde angesichts einer solch expansiven Niedrigzinspolitik begünstigt.[5]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Eurozone / USA Leitzinsentwicklung

Eine Voraussetzung für die Zinspolitik der FED waren die massiven Kapitalströme in die USA, mit denen sie ihre passive Leistungsbilanz finanzierten. Der Bestand an US-Wertpapieren, die von Ausländern gehalten wurden, verdoppelte sich in den Jahren 2000 bis 2007 von etwa 6.000 Mrd. USD auf 12.000 Mrd. USD.[6] Die Aufwertung des US-Dollars wurde durch Devisenmarktinterventionen von Industrie- und Entwicklungsländern sowie durch Carry Trade[7] ermöglicht. Allein die Volksrepublik China erhöhte ihre Währungsreserven um 910 Mrd. USD und wirkte einer Aufwertung vom Renminbi gegenüber dem US-Dollar entgegen. Sie stärkte mit diesem Vorgehen die eigene Exportindustrie, dessen Hauptabsatzmarkt die Vereinigten Staaten sind. Die Niedrigzinspolitik der FED und die starken Kapitalzuflüsse aus dem Ausland wurden zum idealen „Nährboden der Krise“.[8]

Die niedrigen Finanzierungskosten setzten neue Anreize und ließen in den USA die Nachfrage nach Eigenheimen steigen. Der daraus resultierende Nachfrageüberhang führte zu stärkeren Preissteigerungen am Immobilienmarkt. Positive Immobilienpreisentwicklungen stellten für Geschäfts- und Hypothekenbanken eine sinnvolle Finanzinvestition dar. Die erworbenen Immobilien dienten dabei zumeist als einzige Sicherheit und die zu erwartenden Wertzuwächse sollten die Ausfallrisiken eines Schuldners kompensieren. Diese Denkweise führte bei vielen Banken zur Lockerung der Kreditvergabestandards.[9]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: S&P/Case-Schiller Home Price Index Levels bis Nov.

Ein weiterer Anlass für die beeinträchtigte Sorgfalt bei der Kreditvergabe und das geringe Risikobewusstsein lag in der Anwendung des „Originate to Distribute“ Modells, bei dem die Hypothekarforderungen an, in der Regel von Investmentbanken, speziell dafür gegründeten Zweckgesellschaften (Special Purpose Vehicle (SPV)) veräußert wurden. Als Verkaufsertrag erhielten die Forderungsinhaber eine hohe Provision, die über der traditionellen Zinsmarge lag.[10] Infolge von Verbriefungen der Hypothekarforderungen entstanden handelbare Wertpapiere, die „over the counter“[11] oder über außerbörsliche Handelsplattformen gehandelt werden konnten. Durch Emissionen von verzinslichen Wertpapieren (Asset Backed Securities[12] (ABS)) finanzierte die Zweckgesellschaft ihre langfristigen Forderungskäufe und bediente die Zahlungsansprüche der Investoren durch die Zins- und Tilgungszahlungen der Kreditnehmer. Die Risikominderung der Asset Backed Securities wurde durch regionale Diversifikation gleichartiger Kreditforderungen erreicht.[13]

Eine neue Methode der Verbriefung stellte die Tranchierung (vgl. Abbildung 3) der Wertpapiere in Risikoklassen dar. Dabei wird zwischen Senior Tranche (AAA Rating), Mezzanine Tranche (AA Rating), Junior Tranche (BBB Rating) und der Equity Tranche (ohne Rating) unterschieden. Zins- und Tilgungszahlungen orientieren sich an der jeweiligen Tranche nach dem Wasserfallprinzip. Die Senior Tranche erhält vorrangig eine fixe Verzinsung. Anschließend werden die Mezzanine und die Junior Tranche bedient, die eine etwas höhere fixe Verzinsung erhalten. Den restlichen Anteil an den Zins- und Tilgungszahlungen erhält die Equity Tranche mit dem höchsten Risiko. Verluste werden entsprechend in entgegengesetzter Reihenfolge verteilt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: In Anlehnung an Bartmann, et al., 2010 S.

Abbildung 3: Grundstruktur einer ABS-Verbriefung

Die Equity Tranche war daher nur für spekulative Investoren geeignet. Eine aufschlussreiche Anlagemöglichkeit stellten die Senior Tranchen dar, da ein Verlust aufgrund steigender Immobilienpreise – verbriefte Hypotheken waren durch die Immobilien abgesichert – nahezu ausgeschlossen war. Weiterhin galten sie aufgrund ihrer AAA-Ratings als ebenso sicher wie Staatsanleihen, waren jedoch mit dem Vorteil einer wesentlich höheren Verzinsung versehen. Investoren vertrauten den Bewertungen der Ratingagenturen und die Nachfrage nach entsprechenden Senior Tranchen nahm zu.[14] Die hohe Nachfrage wurde durch die Ausweitung von Hypothekarkrediten, die die Grundlagen für Verbriefungen darstellten, bedient. Dabei schien die Bedeutung der Kreditvergabestandards gänzlich nachrangig geworden zu sein. Mit zunehmender Kreditvergabe an bonitätsschwache Schuldner, sogenannte Subprimekredite, nahm die Qualität der Kreditforderungen ab. Deren Anzahl stieg von 2004 bis 2006 stark an und erreichte am Schluss bis zu 50 % des gesamten Kreditvolumens.[15]

Ein Charakteristikum der Verbriefungen ist die Bonität, welche ausschließlich von den Kreditforderungen der Zweckgesellschaft abhängig ist und nicht von der Bonität der veräußernden Bank. Viele Zweckgesellschaften kauften verbriefte Forderungen verschiedener Risikoklassen und verbrieften diese aufs Neue. Die dadurch entstandenen Verbriefungskaskaden[16] (MBS – CDO – CDO squared – CDO cubed) sorgten für komplexe Strukturen, die eine Risikoeinschätzung erschwerten.[17]

Mit der schrittweisen Anhebung der Leitzinsen von 1 % bis auf 5,25 % im Juni 2006 (vgl. Abbildung 1) stiegen dann die variablen Hypothekenzinsen. Dies führte zu vermehrten Zahlungsausfällen sowie zu steigenden Kreditausfallraten und Zwangsversteigerungen.[18] Eine Milderung der zuvor ungebremsten Dynamik am Immobilienmarkt war die Folge, die letztlich in einen Angebotsüberhang mündete. Die Preise von Eigenheimen begannen ab Juni 2006 erstmals zu fallen (vgl. Abbildung 2), wodurch die Hypothekenkrise ihren Verlauf nahm.[19]

Die anhaltenden Kreditausfälle aus dem Segment der Subprimekredite und die sinkenden Immobilienpreise hatten eine negative Wechselwirkung auf die Asset Backed Securities. Diese wurden im Jahr 2007 von den Ratingagenturen herabgestuft, was mit einem Preisverfall und einem Vertrauensverlust in hypothekenbesicherten Wertpapieren einherging. Als Ergebnis kam der Markt für Verbriefungen zum Erliegen und viele Investoren erlitten Liquiditätsprobleme.[20] Aufgrund fallender Preise von Asset Backed Securities verloren die Banken viel Eigenkapital[21] und die Undurchschaubarkeit auf dem Finanzmarkt, aufgrund fehlender Erkenntnisse des Investitionsverhaltens der Banken bei amerikanischen Hypotheken, führte zu Misstrauen der Banken untereinander. Als Konsequenz nahm die Liquidität auf dem Interbankenmarkt ab.[22] Die Sorge vor einer daraus resultierenden weltweiten und lang anhaltenden Systemkrise (Bankenkrise) verleitete Notenbanken dazu mit Liquidität zu intervenieren, was zu einer vorläufigen Entspannung auf den Finanzmärkten führte. Die Hypothekenkrise und die anschließende Bankenkrise führten im Jahr 2008 zu Notverkäufen von Bear Stearns an JP Morgan Chase sowie Merril Lynch an die Bank of America.[23]

Eine Entwicklung der Bankenkrise zu einer Weltwirtschaftskrise wurde am 15.09.2009 mit der Insolvenz von Lehman Brothers bewerkstelligt. Als Folge der Insolvenz brach der Interbankenmarkt gänzlich zusammen und die Risikoaufschläge für Kredite verzeichneten einen signifikanten Anstieg. Dies führte zu einem stärkeren Rückgang der Investitionen in der Realwirtschaft und ebnete den Weg für eine Rezession.[24] Die Auswirkungen der Subprimekrise auf die Europäische Gemeinschaft und parallele Entwicklungen, die zur Eurokrise führten, werden im nachfolgenden Kapitel kurz erläutert.

2.2 Entwicklung in Europa und die Auswirkung der Krise

Die Verbriefung von Hypotheken förderte die Verteilung von hypothekenbesicherten Wertpapieren über die gesamte Welt. Vor allem europäische institutionelle Inhaber waren stark involviert.[25] In Folge der Hypothekenkrise mit der anschließenden Finanzkrise stand in Großbritannien die Northern Rock einem „bank run“[26] gegenüber und konnte nur aufgrund der Zusicherung der Einlagen durch die Regierung vor einer Insolvenz bewahrt werden. Im Anschluss wurde sie verstaatlicht.[27] In Deutschland wurden im Zuge der Finanzkrise zwei angeschlagene systemrelevante Banken ganz- (Hypo Realestate) bzw. teilverstaatlicht (Commerzbank). Des Weiteren haben die Bundeskanzlerin Angela Merkel und weitere europäische Regierungen sich dem Vorgehen der britischen Regierung angeschlossen und garantierten (ihren Bürgern) die Kundeneinlagen.[28] Mit diesem Handeln wurde aus Sicht der Kunden eine Entspannung auf den Finanzmärkten erreicht und Insolvenzen von Bankinstituten aufgrund von „bunk runs“ innerhalb der Europäischen Union entgegengewirkt.[29]

Ein weitaus größeres Problem stellte der enorme Vertrauensverlust zwischen den Banken, mit dem Erliegen des Interbankmarkts und den entsprechenden Folgen für die Realwirtschaft, dar. Die Einlagefazilität nahm im Oktober 2008 von einigen Millionen Euro auf fast 300 Mrd. Euro zu.[30] Aus diesem Grund nahm die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Aufgabe als „Kreditgeber der letzten Zuflucht“ (lender of last resort) war und stellte den Instituten, die sich auf den Geldmärkten nicht bzw. nur mit sehr hohen Risikoaufschlägen refinanzieren konnten, Liquidität zur Verfügung.[31] Mit diesem Vorgehen stützte die EZB das Bankensystem. Die Regierungen verabschiedeten indessen (erfolgreiche) Konjunkturpakete, um die Auswirkungen der Krise auf die Realwirtschaft abzufedern. Darüber hinaus sicherten sie ihren Banken staatliche Unterstützung zu, wie z. B. der Bankenrettungsfonds SoFFin in Deutschland.[32] Die Lasten der Finanzkrise und der daraus resultierenden Wirtschaftskrise ließen die Staatsschulden vieler Länder ansteigen. Insbesondere Griechenland, Irland, Portugal und Spanien (GIPS-Staaten) sahen sich mit einer problematischen Staatsfinanzierung konfrontiert. Dabei fungierte die Finanzkrise als Katalysator für die analog entstehende Eurokrise, deren Ursache die entstandenen makroökonomischen Ungleichgewichte durch die Einheitswährung waren.[33]

Die Einführung des Euro führte bei den GIPS-Staaten zu einer Angleichung des Zinsniveaus für Staatsanleihen an die niedrigen deutschen Verhältnisse, da die Risikoaufschläge auf die Abwertung der Währung geringer wurden. Damit wurde impliziert, dass die Staatsanleihen der GIPS-Staaten ebenso sicher sind wie die der Bundesrepublik Deutschland.[34] Wie es bereits bei der Entstehung der Hypothekenblase in den USA zu sehen war, führten die niedrigen Zinsen auch bei den GIPS-Staaten zu exzessiven Kreditvergaben und stimulierten den Konsum.[35] Die hohe Nachfrage führte bei diesen Ländern zu stärkeren Preis- und Lohnsteigerungen als in den anderen EU-Ländern. Aufgrund dieser Inflationsunterschiede verschlechterte sich deren preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Die GIPS-Staaten verzeichneten dadurch abnehmende Exporte, die zu Leistungsbilanzdefiziten führten. Diese Defizite wurden durch Auslandverschuldungen, überwiegend bei den anderen EU-Ländern, ausgeglichen. Eine Wechselkursanpassung, um die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen, ist wegen der Einheitswährung nicht mehr möglich gewesen.[36]

[...]


[1] Vgl. EU Kommission SEC(2011) 1103 final, 2011 S. 2.

[2] Vgl. Tobin, 1996 S. x.

[3] Vgl. Mayert, et al., o. J. S. 4.

[4] Brunetti, 2011 S. 5.

[5] Vgl. Soros, 2008 S. 7, S. 12 und S. 94.

[6] Vgl. Brunetti, 2011 S. 37 f..

[7] Carry Trade - Spekulationsstrategie, bei der Investoren einen Kredit in einer Währung mit niedrigem Zinsniveau aufnehmen und in Anlagen / Zinspapiere mit höherer Verzinsung investieren. Zoble, et al., 2009 S.

[8] Vgl. Zoble, et al., 2009 S. 34 – 37. ; Zimmermann, et al., 2010 S. 11.

[9] Vgl. Bartmann, et al., 2010 S. 28.

[10] Vgl. Dombert, 2012 S. 65.

[11] over the counter (OTC) – Geschäfte zwischen zwei Parteien, ohne dass eine Börse zwischengeschaltet ist.

[12] Asset Backed Securities ist der Oberbegriff für forderungsbesicherte Wertpapiere. Für Hypotheken gesichterte Wertpapiere wird in der Literatur der Begriff Mortage Backed Securities verwendet.

[13] Vgl. Bartmann, et al., 2010 S. 12 f..

[14] Vgl. Zoble, et al., 2009 S. 50-51.; Vgl. Brunetti, 2011 S. 40-43.

[15] Vgl. Brunetti, 2011 S. 45-47.

[16] „Mortgage-Backed Security (MBS) bezeichnet eine Bond-Emission, deren unterschiedlich geratete Tranchen durch Hypothekarkredite besichert sind. Collateralized Debt Obligation (CDO) ist eine Bond-Emission, deren einzelne Tranchen durch die Verbriefung der Hypothekarkredite, also durch Mortgage-Backed Securities abgesichert sind. CDO squared sind eine Bond-Emission, die über CDOs abgesichert ist, und CDO cubed ist eine Bond-Emission, die über Collateral Debt Obligation sqared besichert ist. Will der Halter einer Collateral Debt Obligation sqared mit Zahlungsstörungen herausfinden, welche der ursprünglichen Kredite diese Zahlungsstörungen verursachen, muss er den Entstehungsprozess seines Wertpapiers über vier Stufen zurückverfolgen. Dies hat sich im Zuge der Finanzkrise als sehr schwierig herausgestellt.“ (Schäfer, et al., 2012) S. 5.

[17] Vgl. Schäfer, et al., 2012 S. 5.

[18] Vgl. Zoble, et al., 2009 S. 14.

[19] Vgl. Bartmann, et al., 2010 S. 30 f..

[20] Vgl. Zoble, et al., 2009 S. 14-15. ; Vgl. Brunetti, 2011, S. 53-54.

[21] Vgl. Brunetti, 2011) S. 67.

[22] Vgl. Zimmermann, et al., 2010 S. 18. ; Vgl. Zoble, et al., 2009 S. 15.

[23] Vgl. Bartmann, et al., 2010, S. 36. ; Vgl. Zoble, et al., 2009 S. 24. ; Vgl. Zimmermann, et al., 2010 S. 18.

[24] Vgl. Bartmann, et al., 2010 S. 36 f..

[25] Vgl. Soros, 2008 S. 94.

[26] Ansturm auf eine Bank durch die Einleger, um ihre Depositen abzuheben. Ausgangslage ist oft eine befürchtete Schieflage ihres Bankinstituts und der Verlust ihrer Einlagen..

[27] Vgl. Zoble, et al., 2009 S. 17.

[28] Vgl. Brunetti, 2011 S. 96 - 98.

[29] Vgl. Brunetti, 2011 S. 96 - 98.

[30] Vgl. Zoble, et al., 2009 S. 64.

[31] Vgl. Brunetti, 2011 S. 96.

[32] Vgl. Zimmermann, 2012 S. 101-103.

[33] Vgl. Neubäumer, 2011 S. 828.

[34] Vgl. Brunetti, 2011 S. 79 f..

[35] Vgl. Neubäumer, 2011 S. 828.

[36] Vgl. Brunetti, 2011 S. 82-84. ; Vgl. Neubäumer, 2011 S. 829.

Ende der Leseprobe aus 78 Seiten

Details

Titel
Welchen Beitrag kann eine Finanztransaktionssteuer zur Verhinderung zukünftiger Krisen leisten?
Hochschule
Hochschule RheinMain
Note
2,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
78
Katalognummer
V263273
ISBN (eBook)
9783656521549
ISBN (Buch)
9783656526247
Dateigröße
1020 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
welchen, beitrag, finanztransaktionssteuer, verhinderung, krisen
Arbeit zitieren
Hakan Turhan (Autor:in), 2013, Welchen Beitrag kann eine Finanztransaktionssteuer zur Verhinderung zukünftiger Krisen leisten?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263273

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