Kritik am Constitutum Constantini im Hoch- und Spätmittelalter


Hausarbeit, 2008

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Otto III. und sein Diplom für Papst Silvester

3. Bischof Otto von Freising über das Constitutum Constantini in seiner Chronica sive Historia de duabus civitatibus

4. Lorenzo Valla De Donatione Constantini: Pionier der modernen Textkritik?

5. Zusammenfassung

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich im Rahmen des Seminars „Fälschungen im Mittelalter“ mit drei ausgewählten Kritikern der Konstantinischen Schenkung des Hoch- und Spätmittelalters. Dabei sollen die verschiedenen Betrachtungs- und Herangehensweisen und besonders die Motivationen der einzelnen Kritiker näher beleuchtet werden. Durch den Vergleich soll aufgezeigt werden, in welcher Art und Weise sich das Hochmittelalter vom Spätmittelalter abgrenzte, wie allerdings auch fast zeitgleich lebende Kritiker, völlig unterschiedliche Herangehensweisen mit demselben Ziel entwickeln konnten. Die zu vergleichenden Kritiker des Hochmittelalters sind zum einen Otto III., dessen Diplom für Papst Silvester II. von 1001 (DO III. 389) als Grundlage dient und zum anderen der mittelalterliche Geschichtsschreiber und Bischof Otto von Freising und dessen Chronica sive historia de duabus civitatibus. Zum Abschluss soll der Bogen ins Spätmittelalter gespannt werden, wobei die Schrift De falso credita et ementita Constantini donatione des Humanisten Lorenzo Valla aus dem 15. Jahrhundert repräsentativ für die moderne Form der Kritik stehen soll.

2. Otto III. und sein Diplom für Papst Silvester II.

Dass im Spätmittelalter die Kritik am so genannten Constitutum Constantini von verschiedenen Seiten immer lauter wurde, ist allgemein bekannt, wurde die Schenkung doch von verschiedenen Personen, mit den verschiedensten Herangehensweisen, immer häufiger als Fälschung entlarvt. Im Hochmittelalter hingegen war laut unseren Überlieferungen Kritik eher spärlich gesät.

Umso verwunderlicher ist es, dass laut der communis opino ein weströmischer Kaiser offenbar aus dem Raster von Herrschenden heraus fiel und sich direkt gegen den amtierenden Papst und seine Vorgänger auflehnte.

Noch interessanter ist, dass kein Kaiser des Hochmittelalters nach Otto III. dessen Gedankengut auffasste und ebenfalls in solcher Weise gegen die Besitzansprüche, welche oft durch das Constitutum Constantini begründet wurden, aufbegehrte. „Sieht man von einigen wenigen Ausnahmen ab, schwanken die Reaktionen der staufischen Könige und Kaiser in eigenartiger Weise zwischen Brutalität und Hilflosigkeit, wenn man päpstlicherseits die Donatio ins Spiel brachte“.[1] Die zu erwartende Reaktion der nachfolgenden Kaiser, sich dessen zu bemächtigen, was eigentlich ihr Eigentum ist, und dies durch die Argumentation Ottos III. zu stützen, entfiel offensichtlich, ja, es ist „vom hochmittelalterlichen Kaisertum gar nicht erst versucht worden […] mittels historisch-wissenschaftlicher Kritik […], die dem gefährlichen Dokument anhaftenden Widersprüchlichkeiten aufzuzeigen und es so als Machwerk zu entlarven“[2]. Wenn nun Otto III., laut gängiger Lehrmeinung, das Constitutum Constantini „ausdrücklich als Fälschung gebrandmarkt haben“ soll, so muss man den staufischen Nachfolgern Ottos zweifellos eine gewisse Naivität zuschreiben[3].

Da allerdings in dieser Arbeit vordergründig die hoch- und spätmittelalterliche Kritik an der Konstantinischen Schenkung untersucht und verglichen werden soll, muss im Folgenden das Diplom Ottos III. von 1001, welches den Kaiser überhaupt mit der Konstantinischen Schenkung in Verbindung bringt[4], genauer untersucht werden, um den soeben angesprochenen Sachverhalt der „Unterlassungssünde“[5] nachfolgender Kaiser bewerten und die Motivation des Kritikers beurteilen zu können.

Der gesamte Konflikt zwischen Otto III. und dem Klerus entstand 996 nach dessen Kaiserkrönung durch Gregor V. in Rom. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurden dem neuen weströmischen Herrscher drei Rechtstitel päpstlicherseits vorgelegt, um die neu erforderliche Bestätigung des Kaisers für acht Grafschaften, welche angeblich dem Papst durch Otto den Großen 962 im so genannten „Privilegium Ottonianum“ verbrieft worden waren, einzuholen und ihren Anspruch darauf zu begründen[6]. Otto III. hingegen stand solch einer Paktumserneuerung und Restitutionsverpflichtung selbstverständlich negativ gegenüber[7] und „sah sich der Notwendigkeit gestellt, sich [in den nächsten Jahren] mit den genannten Rechtstiteln auseinanderzusetzen bzw. nach Möglichkeiten zu suchen, deren Verbindlichkeit in Frage zu stellen“[8].

Wie wir später anhand von DO III. 389 sehen werden, ist anzunehmen, dass es sich bei den beiden anderen vorgelegten Dokumenten zum einen um das Constitutum selbst und zum anderen um das Paktum Karls des Kahlen gehandelt haben muss.

Nachdem der „Heilige Stuhl“ 999 durch Papst Silvester II. neu besetzt wurde und Otto III. in Folge dessen nach Rom zurückgekehrt war, wurden die Beratungen über die Eigentumsverhältnisse wieder aufgenommen[9]. So entstand um die Jahrtausendwende ein Dokument für Papst Silvester II., das zweifellos „zu den ungewöhnlichsten Dokumenten des Mittelalters gehört“.[10] Das Diplom O III. 389, welches aller Wahrscheinlichkeit nach unter Mitarbeit Leos von Vercelli, eines engen Ratgebers Ottos III., in der päpstlichen Kanzlei geschaffen wurde, vermacht zur ersten Verwunderung dem Papst die geforderten acht Grafschaften[11].

Viel schwerwiegender und für unser Thema von besonderem Interesse ist allerdings der Umstand, dass das Dokument schwere Kritik an der „päpstlichen Territorialpolitik und deren rechtlichen Grundlage“ übt.[12] So bekennt Otto III. im ersten Teil der Arenga, dass „Rom als Haupt der Welt wie als Sitz der Mutter aller Kirchen“ anerkannt wird und führt im Weiteren den „programmatischen Titel servus apostolorum “.[13]

Man kann also der Arenga unschwer entnehmen - und das ist von besonderer Wichtigkeit, dass sich Otto III. nicht als Feind der Kirche oder Kritiker des Christentums präsentieren möchte. Ja, er sieht sich sogar als „Knecht der Apostel“. Der darauf folgende Satz der Arenga, welcher bereits zur Narratio überleitet, offenbart dann allerdings den Duktus, welchen das gesamte Diplom anschlägt: Romanam ecclesiam matrem omnium ecclesiarum esse testamur, sed incuria et inscientia pontificum longe sue claritatis titulos obfuscasse. Der Verfasser erklärt die römische Kirche zur Mutter aller Kirchen, deren Glanz allerdings durch Leichtfertigkeit und Unwissenheit der Päpste lange Zeit verdunkelt worden ist, oder, wie Kurt Zeillinger treffend übersetzt, „dass durch Sorglosigkeit und Unwissenheit der Päpste Ansehen und Erhabenheit der römischen Kirche lange Zeit mit Schmach besudelt worden“[14] sind.

Im weiteren Verlauf der Narratio „werden sodann die Anschuldigungen gegen das Papsttum vergangener Tage vom Verfasser der Urkunde in drastischen, emotionsgeladenen Formulierungen konkretisiert“.[15] So ist von „Misswirtschaft“ und „hemmungslosem Leben“ der Päpste die Rede, welche das gesamte Gut des heiligen Petrus wortwörtlich verscherbelten. Der Verfasser geht in seiner Anklage so weit, dass er die direkten Nachfolger Petri des Diebstahls an den heiligen Altären der Kirche bezichtigt.

Bis zu diesem Punkt muss man dem Dokument eine bis dahin noch nicht gekannte Exklusivität zurechnen, kommt die Anklage auf den ersten Blick doch fast einer Kriegserklärung des Kaisers gleich. Der Verfasser begründet allerdings seine Aussagen bis zu diesem Teil des Diploms nicht, sondern scheint vielmehr seine persönlichen Meinungen und Empfindungen wiederzugeben. Weder konkretisiert er, wer die „Übeltäter“ im Einzelnen sind, noch in welcher Form und vor allem in welchem Umfang die erwähnte confusio vonstatten ging. Er schafft vielmehr einen allgemeinen Überblick dessen, in welcher Weise sich die römische Kirche in den letzten Jahrhunderten vom eigentlichen Ursprung entfremdet hat.[16]

In den folgenden Sätzen wird das Diplom allerdings konkreter und nimmt direkten Bezug auf die bereits oben erwähnten Dokumente, die Otto III. laut seiner eigenen Aussage zur Restitution der Eigentumsverhältnisse des Klerus verpflichten sollen. Derselbe Passus war und ist bis heute noch u. a. ausschlaggebend für viele kontroverse Diskussionen unter Historikern, spielt er doch auch auf das Constitutum Constantini, was ebenfalls für uns von großer Bedeutung ist, an. Insbesondere trifft man bei der Übersetzung selbigen Absatzes auf Schwierigkeiten, was die Interpretation des Ausschnittes noch zusätzlich erschwert.

Im Folgenden soll nun, unter Beachtung verschiedener wissenschaftlicher Erörterungen, diese besagte Textstelle einer genaueren Prüfung unterzogen werden: Hec sunt enim commenta ab illis ipsis inventa quibus Iohannes diaconus cognomento Digitorum mutilus preceptum aureis litteris scripsit et sub titulo magni Constantini longi mendacii tempora finxit. Hec sunt etiam commenta quibus dicunt quedam Karolum sancto Petro nostra publica tribuisse. Sed ad hec respondemus, ipsum Karolum nichil dare iure potuisse, utpote iam a Karolo meliore fugatum, iam imperio privatum, iam destitutum et adnullatum; ergo quod non habuit dedit, sic dedit, sicut nimirum dare potuit, utpote qui male adquisivit et diu se possessurum non speravit. Spretis ergo commenticiis preceptis et imaginariis scriptis ex nostra liberalitate sancto Petro donamus que nostra sunt, non sibi que sua sunt, veluti nostra conterimus.

Der Beginn des zitierten Absatzes stellt uns gleich vor das allgemeinhin größte Problem des Otto-Diploms. So werden zwei in der damaligen Zeit wohl bekannte Rechtstitel offiziell angeführt. Der erste betrifft die als Lüge deklarierte Konstantinische Schenkung, welche ab illis ipsis inventa, also von ihnen selbst, erfunden sein soll; der zweite bezieht sich auf die Paktumserneuerung durch Karl den Kahlen, welche im Weiteren als nicht rechtskräftig angesehen wird. Das bereits erwähnte Ottonianum wird im Text allerdings nicht wörtlich angesprochen.

[...]


[1] Kurt ZEILLINGER, Otto III. und die Konstantinische Schenkung, Ein Beitrag zur Interpretation des Diploms Kaiser Ottos III. für Papst Silvester II. (DO III. 389), in: Fälschungen im Mittelalter II, (MGH Schriften 33, II, Hannover 1988), S. 509.

[2] ZEILLINGER, Otto III. und die Konstantinische Schenkung S. 509. Vgl. hierzu: Laehr, GERHARD: Die Konstantinische Schenkung in der abendländischen Literatur des Mittelalters bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts (Berlin 1926). S. 22.

[3] Vgl. ZEILLINGER, Otto III. und die Konstantinische Schenkung S. 510.

[4] Vgl. FUHRMANN, Konstantinische Schenkung und abendländisches Kaisertum in: DA für Erforschung des Mittelalters 22 (1966) S. 128.

[5] ZEILLINGER, Otto III. und die Konstantinische Schenkung S. 509.

[6] Vgl. ZEILLINGER, Otto III. und die Konstantinische Schenkung S. 531.

[7] Vgl. ZEILLINGER, Otto III. und die Konstantinische Schenkung S. 511.

[8] ZEILLINGER, Otto III. und die Konstantinische Schenkung S. 531.

[9] Vgl. ZEILLINGER, Otto III. und die Konstantinische Schenkung S. 512.

[10] P. E. SCHRAMM,Kaiser, Rom und Renovatio.Studien und Texte zur Geschichte des römischen Erneuerungsgedankens vom Ende des karolingischen Reiches bis zum Investiturstreit. 2 Bde. (Studien der Bibliothek Warburg 17, 1929) Renovatio I, S. 161.

[11] DO III. 389: ... ex nostra liberalitate sancto Petro donamus que nostra sunt, non sibi que sua sunt, veluti nostra conterimus usw.

[12] Vgl. ZEILLINGER, Otto III. und die Konstantinische Schenkung S. 513., Vgl. DO III. 389 bzw. Anm. 15.

[13] Vgl. ZEILLINGER, Otto III. und die Konstantinische Schenkung S. 513., Vgl. DO III. 389 bzw. Anm. 15.

[14] ZEILLINGER, Otto III. und die Konstantinische Schenkung S. 513f., Vgl. DO III. 389 bzw. Anm. 15.

[15] ZEILLINGER, Otto III. und die Konstantinische Schenkung S. 514. Vgl. hierzu: Laehr, GERHARD: Die Konstantinische Schenkung S. 183.

[16] Vgl. DO III. 389: Nam non solum quae extra urbem esse videbantur, vendiderunt et quibusdam colluviis a lare sancti Petri alienaverunt, sed quod absque dolore non dicimus, si quid in hac nostra urbe regia habuerunt, ut maiori licentia evagarentur, omnibus iudicante pecunia in commune dederunt et sanctum Petrum, sanctum Paulum, ipsa quoque altaria spoliaverunt et pro reparatione semper confusionem induxerunt. Confusis vero papaticis legibus et iam abiecta ecclesia Romana in tantum quidam pontificum irruerunt, ut maximam partem imperii nostri apostolatui suo coniungerent, iam non querentes quae et quanta suis culpis perdiderunt, non curantes quanta ex voluntaria vanitate effuderunt, sed sua propria, utpote ab illis ipsis dilapidata dimittentes, quasi culpam suam in imperium nostrum retorquentes, ad aliena, id est ad nostra et nostri imperii maxime migraverunt.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Kritik am Constitutum Constantini im Hoch- und Spätmittelalter
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Historisches Seminar - Abteilung für Mittelalterliche Geschichte)
Veranstaltung
Fälschungen im Mittelalter
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
17
Katalognummer
V263229
ISBN (eBook)
9783656518822
ISBN (Buch)
9783656518730
Dateigröße
518 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kritik, constitutum, constantini, hoch-, spätmittelalter
Arbeit zitieren
Jonathan Haß (Autor:in), 2008, Kritik am Constitutum Constantini im Hoch- und Spätmittelalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263229

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