Usability und Usability Testing

Software als Benutzererlebnis


Studienarbeit, 2011

99 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALT

Anlagenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Aufgabenstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Aufbau der Arbeit

2 Usability
2.1 Begriffsdefinitionen
2.2 Normen und Modelle
2.2.1 ABC-Modell der Software-Ergonomie
2.2.2 ISO 9241 - Ergonomie der Mensch-System-Interaktion
2.2.3 ISO 9241-210 - Prozess zur Entwicklung gebrauchstauglicher Systeme
2.2.4 ISO 14915 - Software-Ergonomie für Benutzungsschnittstellen
2.3 Wissenschaftliche Grundlage
2.3.1 Sinneskanäle des Menschen
2.3.2 Kognitionspsychologie
2.3.3 Arbeitspsychologie und -Physiologie
2.4 Ziele und Nutzen von Usability
2.5 Herausforderungen von Usability
2.6 Praktische Umsetzung von Usability
2.6.1 Vorgehensmodelle
2.6.2 Methoden und Techniken

3 Interaktive Systeme
3.1 Merkmale interaktiver Systeme
3.2 Entwurfsprinzipien für interaktive Systeme
3.2.1 Allgemeine, kognitive Prinzipien
3.2.2 Die Benutzerschnittstelle betreffende Prinzipien (Auswahl)
3.2.3 Beispiel zur Umsetzung der Entwurfsprinzipien

4 Theorie des Software Testing
4.1 Begriffsdefinitionen
4.2 Problemstellungen des Software Testing
4.3 Herausforderungen des Software-Testing
4.4 Nutzen und Ziele des Software-Testing
4.5 Klassifizierung von Software Tests
4.6 Arten von Software-Tests

5 Usability Testing
5.1 Problemstellung
5.2 Klassifikation von Usability-Tests
5.3 Methoden und Techniken des Usability Testing
5.4 Konzeption von Usability Tests
5.4.1 Voraussetzungen
5.4.2 Vorgehensweise

6 Prototyp eines Usability-Testers - Konzept
6.1 Idee
6.2 Komponenten
6.3 Benutzeroberfläche
6.4 Datenverwaltung
6.4.1 Datenmodell
6.4.2 Datenspeicherung
6.4.3 Datenablage

7 Prototyp eines Usability-Testers - Technologie
7.1.1 Windows Presentation Foundation (WPF)
7.1.2 PRISM (Composite Application Library)
7.1.3 Model-View-ViewModel (MVVM)

8 Prototyp eines Usability-Testers - Funktionen
8.1 Erstellen einer Testkonfiguration
8.1.1 Prinzip der Testkonfiguration-Erstellung
8.1.2 Realisierung des Assistenten und der Navigation
8.2 Benutzeroberfläche konstruieren
8.2.1 Prinzip der Konstruktion der Benutzeroberfläche
8.2.2 Realisierung der Konstruktion der Benutzeroberfläche
8.3 Referenzdaten für den T est erfassen
8.3.1 Prinzip der Referenzdaten-Erfassung
8.3.2 Realisierung der Referenzdaten-Erfassung
8.4 T est durchführen
8.4.1 Prinzip der Testdurchführung
8.4.2 Realisierung der Testdurchführung

9 Fazit und Ausblick
9.1 Zusammenfassung der Arbeit
9.2 Ausblick

Literaturverzeichnis X

ANLAGENVERZEICHNIS

Anlage A Usability und User Experience

Anlage B Methoden des Usability Engineering

Anlage C Prinzip von Contextual Inquiry

Anlage D Prinzip von Use Cases

Anlage E Prinzip der Blickaufzeichnung

Anlage F Klassendiagramm der Business Objects

Anlage G Implementierung des ModuleManager

Anlage H Modulbeschreibung des Editors

Anlage I Beispielimplementierung des MVVM-Pattern

Anlage J Pfad- und Klickanalyse

Anlage K Konfigurations-Assistent

Anlage L Implementierung der Navigation

Anlage M Test-Assistent XXVI

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1-1: Verschiedene Sichtweisen auf eine Anwendung

Abbildung 2-1: Anwendnungsrahmen für Gebrauchstauglichkeit nach ISO

Abbildung 2-2: ABC-Modell der Software-Ergonomie

Abbildung 2-3: Abhängigkeiten menschenzentrierter Gestaltungsaktivitäten

Abbildung 2-4: Sinneskanäle des Menschen

Abbildung 2-5: Sinneskanäle und deren theoretische Datenraten

Abbildung 2-6: Ursache und Wirkung von Arbeitsbelastungen

Abbildung 2-7: 5 Phasen des Usability Engineering

Abbildung 3-1: IFIP-Modell für Benutzungsschnittstellen

Abbildung 3-2: Aspekte zur Bewertung von Benutzungsschnittstellen

Abbildung 3-3: Optionen-Menü von Microsoft Office Word

Abbildung 4-1:10er-Regel bei der Fehlerkostenentwicklung

Abbildung 4-2: V-Modell der Software-Entwicklung

Abbildung 6-1: Komponenten der Anwendung (oberste Ebene)

Abbildung 6-2: GUI-Layout der Teilanwendungen

Abbildung 6-3: Datenmodell /Entitäten des Usability Testing Tool

Abbildung 6-4: Angelegte Verzeichnisstruktur im Benutzerverzeichnis

Abbildung 7-1: Architektur des MVVM-Pattern

Abbildung 8-1: Implementierung einer Konfigurationsaufgabe

Abbildung 8-2: Zeichenelement ohne (li.) und mit (re.) Maus-Ereignis

Abbildung 8-3: Zeichnen eines Elements

Abbildung 8-4: Felder der Klasse „TestCaseResult"

Abbildung 8-5: Prinzip der Referenzdaten-Berechnung

Abbildung 8-6: Implementierung der Methode „CreateTestCaseResultTemplate"

Abbildung 8-7: Test-Manager während Testlauf

Abbildung 8-8: Implementierung der Methode „ElementDone"

Abbildung 8-9: Implementierung der Methode „MouseOverElement"

Abbildung 9-1: Windows 8 Benutzeroberfläche

Abbildung Anlage I: Definition von Usability und User Experience nach ISO 9241

Abbildung Anlage II: Überblick über Usability Methoden

Abbildung Anlage III: Prinzip der Contextual Inquiry

Abbildung Anlage IV: Grafische Darstellung eines Use Cases

Abbildung Anlage V: Kamerahelm zur Blickaufzeichnung

Abbildung Anlage VI: 2D-Auswertung der Blickaufzeichnung auf Google

Abbildung Anlage VII: 3D-Auswertung der Blickaufzeichnung auf Google

Abbildung Anlage VIII: Klassendiagramm der Business Objects

Abbildung Anlage IX: Implementierung des ModuleManager

Abbildung Anlage X: Implementierung der Modulbeschreibung des Editors

Abbildung Anlage XI: Implementierung der ViewModelBaseClass

Abbildung Anlage XII: Beispielimplementierung des MeinViewModel

Abbildung Anlage XIII: Beispielimplementierung des MeinView

Abbildung Anlage XIV: Auswertung häufig genutzter Pfade einer Internetseite

Abbildung Anlage XV: Screenshot des Konfigurator-Assistenten (Schritt 1)

Abbildung Anlage XVI: Screenshot des Konfigurator-Assistenten (Schritt 2)

Abbildung Anlage XVII: Screenshot des Konfigurator-Assistenten (Schritt 3a)

Abbildung Anlage XVIII: Screenshot des Konfigurator-Assistenten (Schritt 3b)

AbbildungAnlage XIX: Screenshotdes Konfigurator-Assistenten (Schritt4+5)

Abbildung Anlage XX: Implementierung GoNextPage

AbbildungAnlage XXI: Implementierung OpenTask

AbbildungAnlage XXII: Screenshot des Test-Assistenten (Schritt 1)

AbbildungAnlage XXIII: Screenshot des Test-Assistenten (Schritt 2)

Abbildung Anlage XXIV: Screenshot des Test-Assistenten (Schritt 4)

Abbildung Anlage XXV: Screenshot des Test-Assistenten (Schritt 7)

TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 2-2: Phasen des Usability Engineering und deren Bedeutung

Tabelle 4-1: Klassifizierungsmerkmale für Software-Tests

Tabelle 5-1: Klassifizierungsmerkmale für Usability-Tests

Tabelle 5-2: Überblick über die Methode „Focus Groups"

Tabelle 5-3: Überblick über die Methode „Heuristische Evaluation"

Tabelle 5-4: Überblick über die Methode „Cognitive Walkthrough"

Tabelle 5-5: Überblick über die Methoden „Fragebogen" und „Interview"

Tabelle 5-6: Überblick über die Methode „Blickaufzeichnung"

Tabelle 5-7: Überblick über die Methode „Pfad- und Klickanalyse"

Tabelle 5-8: Überblick über die Methode „Lautes Denken"

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 EINLEITUNG

Im Zeitraum von 1994 bis 2007 veröffentlicht die STANDISH GROUP die s.g. Chaos-Studie, die durch wissenschaftliche Untersuchung von mehreren zehntausend Projekten den Erfolg bzw. Misserfolg von IT-Projekten untersucht.

Die Studie gelangt zu dem Ergebnis, dass der Erfolg eines IT-Projektes maßgeblich da­von abhängt, in wie weit (1) die Endbenutzer in das Projekt miteinbezogen werden, (2) die Anforderungen klar definiert sind und (3) das Management des IT-Unternehmens das Projekt unterstützt. Auf der anderen Seite gelten (1) die fehlende Unterstützung des Projektes durch die Benutzer, (2) fehlerhafte oder fehlende Anforderungen und (3) Fluktuation und Dynamik im Anforderungskatalog als diejenigen Faktoren, die ein IT- Projekt am ehesten zum Scheitern bringen1.

Dieses Ergebnis kann durch eine bekannte Darstellung verschiedener Sichtweisen auf eine zu entwickelnde Anwendung untermauert werden (s. Abbildung 1-1):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1-1: Verschiedene Sichtweisen auf eine Anwendung2

1.1 AUFGABENSTELLUNG

In dieser Arbeit soll erforscht werden, was unter Usability (Benutzbarkeit bzw. Ge­brauchstauglichkeit) einer Software zu verstehen ist und welche Möglichkeiten sich bie­ten, diese sicherzustellen. Dafür sollen zum einen Möglichkeiten zur Umsetzung von Usability innerhalb des Software-Entwicklungsprozesses aufgezeigt und zum anderen die wissenschaftlichen und fachlichen Erkenntnisse aufgearbeitet werden, die zum Ver­ständnis und zur Anwendung der Methoden notwendig sind.

Darauf aufbauend soll als Hauptthema die Überprüfung von Usability (Usability Testing) in Anwendungen diskutiert werden. Auch hier sollen Methoden und Vorgehensweisen aber auch mögliche Problemstellungen detailliert beschrieben werden. Um das Ver­ständnis für das Usability Testing zu fördern, soll vorab eine Ausarbeitung der theoreti­schen Aspekte von Software-Tests im Allgemeinen erfolgen.

1.2 ZIELSETZUNG

Innerhalb der Recherche und Analyse der jeweiligen Fachbereiche sollen Antworten auf folgende Fragen gefunden werden:

1. Welchen Stellenwert hat Usability in der Software-Entwicklung und in wie fern ist es nötig bzw. anerkannt?
2. Welche Möglichkeiten zum Einsatz bzw. zur Überprüfung von Usability gibt es und wie lassen sich diese verallgemeinern bzw. standardisieren?
3. Wie viel Usability ist nötig?

1.3 AUFBAU DER ARBEIT

Kapitel 2 erläutert zunächst die wissenschaftliche Grundlage von Usability in der Soft­ware-Entwicklung und geht auf Standards und Normen ein. Weiter werden an dieser Stelle Probleme und Herausforderungen der Usability-Umsetzung aufgezeigt.

Um das Verständnis des Kontextes zu fördern, wird in Kapitel 3 auf die Beschaffenheit und Charakteristik von interaktiven Systemen eingegangen, da diese als Basis der Usabi­lity fungieren. Neben den grundlegenden Eigenschaften werden - abgleitet von den wis­senschaftlichen Erkenntnissen aus Kapitel 2 - Gestaltungsprinzipien und Techniken er­läutert, wie Usability in interaktiven Systemen erreicht werden kann.

Vorbereitend für das Hauptthema wird in Kapitel 4 auf die Theorie des Software-Testing eingegangen. Klassifizierungsansätze sollen helfen, die gängigen Methoden und Techni­ken zu charakterisieren.

In Kapitel 5 wird aufbauend auf die vorherigen Abschnitte das Thema Usability Testing beschrieben. Neben möglichen Problemstellungen werden Methoden und Techniken vorgestellt, mit denen die Überprüfung der Benutzbarkeit von Software möglich ist. Eine Klassifizierung soll auch hier das Verständnis fördern. Zudem wird aufgezeigt, was zur Konzeption eines Usability-Tests nötig ist und dafür Vorgehensvorschläge aus der Lite­ratur aufbereitet.

Abschließend demonstrieren die folgenden Kapitel 6 - 8 die Entwicklung eines Proto­typs zum Testen von Anwendungen. Hier werden sowohl das Konzept (Kapitel 6), die Technologie (Kapitel 7) als auch die Funktionalität (Kapitel 8) der Anwendung vorge­stellt. Durch den eng bemessenen Projektzeitraum ist die Implementierung allerdings nicht vollständig beendet.

2 USABILITY

In diesem Kapitel wird der Kontext der Usability erläutert und zunächst eine begriffliche Abgrenzung vorgenommen. Weiter werden historische Meilensteine zur Bewertung von Usability aufgezeigt. Nach der Erläuterung von Anwendungsbereichen und Zielen, aktu­eller Normen und Modelle sowie der wissenschaftlichen Grundlage soll abschließend auf die praktische Umsetzung von Usability sowie die daran gestellten Anforderungen ein­gegangen werden.

2.1 BEGRIFFSDEFINITIONEN

Für den Begriff Usability werden verschiedene Übersetzungen herangezogen. Auch wer­den in diesem Zusammenhang Konzepte wie Software-Ergonomie oder User Experience verbunden. Um ein einheitliches Vokabular für diese Arbeit zu schaffen, sollen diese Be­griffe erläutert und voneinander abgegrenzt werden.3

Usability lässt sich übersetzen mit „Bedienbarkeit", „Benutzbarkeit", „Benutzerfreund­lichkeit", „Brauchbarkeit" oder „Gebrauchstauglichkeit". Letztere Definition wird auch von der ISO verwendet, die Usability im Rahmen der Norm ISO 9241 (vgl. 2.2.2 ISO 9241 - Ergonomie der Mensch-System-Interaktion) definiert als „das Ausmaß, in dem ein Pro­dukt durch bestimmte Nutzerin einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen"4. Usability be­zieht sich durch die Effektivität, Effizienz und Zufriedenstellung auf die tatsächliche Nut­zung einer Software bzw. eines Produktes (s. Abbildung 2-1).

Software-Ergonomie hingegen beschreibt die Beschaffenheit von Systemen bzw. Soft­ware, um Usability zu erreichen. Dabei wird nicht die Software selbst, sondern vielmehr der Benutzer, dessen Arbeitsplatz sowie die Arbeitsumgebung betrachtet, weshalb sie auch als die „Lehre von der Computerarbeit"5 bezeichnet wird. Dabei kann Software­Ergonomie „nur auf Grundlage einer benutzer- und anwendungsgerechten Gestaltung der Computerhardware sowie einer angemessenen Arbeitsplatzgestaltung [...] gegründet wer­den."6

User Experience - ins Deutsche übersetzt "Benutzererlebnis" - ist ein Begriff aus mo­derner Zeit, der in seiner Definition zwar auf Benutzbarkeit und Ergonomie zurückzu­führen ist, diese Aspekte aber durch das individuelle Erleben dergleichen ergänzt. Der Fokus liegt nun nicht mehr auf dem bloßen Vorhandensein der Bedienbarkeit (während der Nutzung selbst), sondern vielmehr darauf, dass der Benutzer dies verspürt (über die tatsächliche Nutzungsdauer hinaus)7. User Experience ist innerhalb der ISO 9241.210 (vgl. 2.2.3 ISO 9241-210 - Prozess zur Entwicklung gebrauchstauglicher Systeme) nor­miert und wird dort definiert durch „ Wahrnehmungen und Reaktionen einer Person, die aus der tatsächlichen und/oder der erwarteten Benutzung eines Produkts, eines Systems oder einer Dienstleistung resultieren."8 Anlage A soll dies verdeutlichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-1: Anwendnungsrahmen für Gebrauchstauglichkeit nach ISO 92419

2.2 NORMEN UND MODELLE

Um die Benutzbarkeit und Ergonomie von Systemen zu systematisieren und ein Rah­menwerk zur Überprüfung dergleichen zu bieten, gibt es verschiedene Standardisie­rungsansätze. Diese beschreiben sich nicht nur Richtlinien für die Beschaffenheit von Software, sondern auch für die Beschaffenheit von ganzen Systemen und dem Umfeld,9 in dem sie genutzt werden. Eine für diese Arbeit relevante Auswahl soll nun näher be­schrieben werden.

2.2.1 ABC-Modell der Software-Ergonomie

Das Aufgaben-Benutzer-Computer-Modell (kur ABC-Modell) dient als Basis der Normen und Richtlinien, die die Benutzbarkeit von Software bzw. von interaktiven Systemen zu definieren versuchen (s. Abbildung 2-2). Dieses Modell nennt Anforderungen, die erfüllt sein müssen, damit je zwei der drei Elemente des Modells optimal zusammenarbeiten können10:

Angemessenheit verbindet die Aufgabe mit dem Computer und definiert, dass ein Computer bzw. ein System oder eine Software alle nötigen Funktionen bereitstellen muss, die zur Erledigung derAufgabe erforderlich sind (Funktionalität).

Handhabbarkeit fordert von einem Computer bzw. System oder einer Software, dass diese von dem Benutzer leicht zu bedienen und deren Funktionen leicht auszuführen sind. Das System soll sich dem Benutzer leicht erschließen und einfach zu nutzen sein (Erlernbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit).

Persönlichkeitsförderlichkeit sagt abschließend aus, dass ein System auf den Benut­zer und dessen Kontext (Fähigkeiten, Wissen) abgestimmt ist und dies unter Beachtung von Richtlinien zur Arbeitsgestaltung realisiert sein soll (Benutzer, Arbeitsgestaltung).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-2: ABC-Modell der Software-Ergonomie

2.2.2 ISO 9241 - Ergonomie der Mensch-System-Interaktion

Die internationale Norm DIN EN ISO 9241 ist ein Katalog aus insgesamt 17 Bänden, die Qualitätsrichtlinien beschreiben, um die Ergonomie von interaktiven Systemen bzw. Software (vgl. hierzu Abschnitt 3 Interaktive Systeme) sicherzustellen. Diese Richtlinien umfassen sowohl Anforderungen an die Arbeitssituation (z.B. Arbeitsplatzgestaltung), als auch an Eingabegeräte zur Steuerung von Systemen (z.B. die Tastatur) und die Be­schaffenheit der Systeme selbst (z.B. die Informationsdarstellung im System). Für diese Arbeit von Bedeutung sind Teil 10 (bzw. in aktualisierter Form Teil 110) „Grundsätze der Dialoggestaltung" und Teil 11 „Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit - Leit­sätze", die nun detaillierter betrachtet werden sollen.

Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit (ISO 9241-11)

Im 11. Abschnitt der ISO Norm 9241 sind (die wichtigsten) Anforderungen an die Ge­brauchstauglichkeit bzw. Usability reglementiert11:

Effektivität meint „die Genauigkeit und Vollständigkeit, mit der Benutzer ein bestimmtes Ziel erreichen." Demnach ist ein System effektiv, wenn es genaue und vollständige Er­gebnisse liefert. Ein System ist ineffektiv, wenn das System ungenaue oder unvollständi­ge Ergebnisse liefert und diese durch den Benutzer nicht verwendet werden können. Effizienz ist definiert als „der im Verhältnis zur Genauigkeit und Vollständigkeit einge­setzte Aufwand, mit dem Benutzer ein bestimmtes Ziel erreichen." Ein System ist also effi­zient, wenn ein Ergebnis mit annehmbarem Aufwand erzeugt werden kann. Im Gegen­satz dazu ist ein System ineffizient, wenn der Aufwand den Nutzen übersteigt. Zufriedenstellung ist die „Freiheit von Beeinträchtigung und positive Einstellung gegen­über der Nutzung des Produkts." Ein Benutzer ist zufrieden mit einem System, wenn es effektiv und effizient ist. Ebenso ist ein System nicht zufriedenstellend, wenn es den Be­nutzer bei seiner Arbeit beeinträchtigt und ineffektiv bzw. ineffizient ist.

Diese drei Anforderungen sind im jeweiligen Nutzungskontext zu betrachten, der in Abhängigkeit von den Benutzern des Systems, deren Zielen und Aufgaben sowie den zur Verfügung stehenden Arbeitsmitteln (z.B. Hard- und Software) und der sozialen Umge­bung. Der Nutzungskontext wird beispielsweise durch das Alter, das Vorwissen oder die Qualifikation des Benutzers definiert.

Grundsätze der Dialoggestaltung (9241-110)

Zur Gestaltung von Dialogen in interaktiven Systemen werden durch die ISO Norm 9241-110 insgesamt sieben Grundsätze definiert, die die Benutzbarkeit der Systeme fördern. Folgende Grundsätze werden aufgeführt:

Aufgabenangemessenheit eines Dialogs ist gegeben, „wenn erden Benutzer unterstützt, seineArbeitsaufgabe effektiv und effizient zu erledigen."

Selbstbeschreibungsfähigkeit spezifiziert, dass in einem Dialog „jedereinzelne Dialog­schritt durch Rückmeldung des Dialogsystems unmittelbar verständlich ist oder dem Be­nutzer aufAnfrage erklärt wird“ (z.B. durch geeignete Feldbeschriftung und Hilfetexte).

Erwartungskonformität ist gegeben, wenn der Dialog „konsistent ist und den Merkma­len des Benutzers entspricht, z.B. den Kenntnissen aus dem Arbeitsgebiet, der Ausbildung und derErfahrung desBenutzerssowie den allgemein anerkannten Konventionen.“ Fehlertoleranz ist gegeben, „wenn das beabsichtigte Arbeitsergebnis trotz erkennbar fehlerhafter Eingaben entweder mit keinem oder mit minimalem Korrekturaufwand durch den Benutzer erreicht werden kann“ (z.B. Fehlervermeidung oder Fehlerkorrektur). Steuerbarkeit definiert, dass „der Benutzer in der Lage ist, den Dialogablauf zu starten sowie seine Richtung und Geschwindigkeit zu beeinflussen, bis das Ziel erreicht ist" (z.B. Vorwärts- oder Rückwärtsnavigation, Abbruchmöglichkeit).

Individualisierbarkeit eines Dialogs ist gegeben, „wenn das Dialogsystem Anpassungen an die Erfordernisse der Arbeitsaufgabe, individuelle Vorlieben des Benutzers und Benut­zerfähigkeiten zulässt" (z.B. Ein- oder Ausblenden von Informationen).

Lernförderlichkeit eines Dialogs wird erreicht, „wenn er den Benutzer beim Erlernen des Dialogsystems unterstützt und anleitet“ (z.B. durch Hilfefunktionen).

2.2.3 ISO 9241-210 - Prozess zur Entwicklung gebrauchstauglicher Systeme

In der aktuelleren Norm ISO 9241.210 werden nun der Prozess bzw. das Vorgehensmo­dell zum Erreichen von Benutzbarkeit und Ergonomie definiert. Im s.g. Usability Engine­ering (vgl. 2.6 Praktische Umsetzung von Usability) soll bereits während des Entwick­lungsprozesses die Benutzbarkeit einer Software fokussiert werden, um diese optimal zu realisieren (s. Abbildung 2-3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-3: Abhängigkeiten menschenzentrierter Gestaltungsaktivitäten12

2.2.4 ISO 14915 - Software-Ergonomie für Benutzungsschnittstellen

Die Norm ISO 14915 ist eine Erweiterung der Norm ISO 9241 und fokussiert Richtlinien und Anforderungen zur Konzeption multimedialer Benutzungsschnittstellen. Dabei glie­dert sich die Norm in drei Teile: Teil 1 spezifiziert „Gestaltungsgrundsätze und Rahmen­bedingungen", Teil 2 umfasst Kriterien zu „Multimedia-Navigation und Steuerung" und Teil 3 definiert die „Auswahl und Kombination relevanter Medien". Die dabei aufgeführ­ten Gestaltungsgrundsätze erweitern die Liste der in ISO 9241-110 aufgeführten Grundsätze zur Dialoggestaltung:13

Durch die Eignung für das Kommunikationsziel soll sichergestellt werden, dass In­formationen für die Zielerreichung des Benutzers geeignet dargestellt werden.

Die Eignung für Wahrnehmung und Verständnis definiert, dass Informationen leicht verständlich sein sollen.

Unter Eignung für Exploration wird festgelegt, dass Benutzer ohne Vorkenntnisse mit Bezug auf das System in der Lage sein sollen, das System zu nutzen und Informationen zu finden bzw. eine Aufgabe zu erledigen.

Eignung für die Benutzungsmotivation sagt abschließend aus, dass Benutzer zur Er­ledigung seiner Aufgaben motiviert sein sollen. Hierbei spielt die Ausrichtung des Sys­tems und die Darstellung der Informationen auf die Anforderungen und Bedürfnisse des Benutzers eine große Rolle. Auch der Aufwand zur Erledigung einer Aufgabe wird hier betrachtet.

2.3 WISSENSCHAFTLICHE GRUNDLAGE

Um die Usability für den Menschen als Benutzer zu gewährleisten, bedienen sich Pro­duktentwickler den Erkenntnissen aus der Wissenschaft, um ein bestmögliches Interak­tionsergebnis zu erreichen. Dazu zählt zum einen, wie der Mensch Informationen auf­nimmt und zum anderen, wie er die aufgenommenen Informationen wahrnimmt und interpretiert. Die für diese Arbeit wichtigen Aspekte sollen nun näher erläutert werden.

2.3.1 Sinneskanäle des Menschen

Dem Menschen stehen insgesamt sechs Sinneskanäle zur Verfügung, über die er unter­schiedlich kodierte Informationen aufnehmen und verarbeiten kann (s. Abbildung 2-4).

Auge:

Visueller Kanal / Sehsinn Nase:

Olfaktorischer Kanal / Geruchssinn

Mund:

Gustatorischer Kanal / Geschmackssinn

Jeder dieser Kanäle kann unterschiedlich viele Informationen aufnehmen (s. Abbildung 2-5). Werden diese Werte überschritten, kommt es zu einer Überlastung des menschli­chen Gehirns, was u.U. zu Müdigkeit und Konzentrationsverlust führen kann.14 In inter­aktiven Systemen sind vor allem der visuelle und weniger der auditive Kanal von Bedeu- tung. Aus diesem Grund ist darauf zu achten, Informationen den Anforderungen des Sin­neskanals entsprechend darzustellen.

Abbildung 2-5: Sinneskanäle und deren theoretische Datenraten15

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.3.2 Kognitionspsychologie

Usability oder User Experience wird häufig auch mit Ästhetik in Verbindung gebracht. Für den Menschen erscheint etwas als ästhetisch, wenn es schön bzw. angenehm anzu­sehen ist. Es handelt sich hierbei also um ein rein visuelles und individuelles Kriterium. NORMAN und auch ISEN zeigen in ihren wissenschaftlichen Arbeiten, dass die Stimmung bzw. die Emotionen eines Menschen die Wahrnehmung von Usability bzw. Usability- Problemen beeinflusst.16 ILMBERGER et al. verweisen ebenfalls auf die sozialpsychologi­sche Erkenntnis, dass der Mensch „fehlende Informationen zur Usability aus bekannten Informationen zur wahrgenommenen Attraktivität und Ästhetik des Produkts"17 herleitet. Dies wird in einer Versuchsreihe überprüft, die zum Ergebnis kommt, dass die Bewer­tung einer Anwendung steigt, je besser die Testpersonen ihre Stimmung einschätzen.18

Mentale Modelle

Versucht der Mensch etwas zu lernen, so will er es verstehen, indem die neuen Informa­tionen mit bereits bekannten Informationen verknüpft werden. Durch die Einordnung in einen vorhandenen Kontext entsteht ein mentales Modell, das beschreibt, wie etwas funktioniert. Widerspricht etwas zu Erlenendes den bisherigen Modellen und Erkennt- nissen, kann es zu Problemen beim Verständnis und somit Behalten der Informationen kommen.19

Die Arbeitsweise des Gehirns

Das menschliche Gehirn lässt sich in drei Komponenten einteilen: Das Ultrakurzzeitge­dächtnis, das Signale und Informationen der Umwelt aufnimmt und entscheidet, ob diese von Bedeutung sind oder nicht, das Kurzzeitgedächtnis, dass Informationen aus dem Ult­rakurzzeitgedächtnis aufnimmt und diese (in Abhängigkeit der mentalen Modelle) mit vorhandenem Wissen verknüpft und das Langzeitgedächtnis, indem Erlerntes und Be­haltenes abgespeichert ist.

Jede dieser Komponenten weist eine andere Speicherkapazität auf. Von Bedeutung ist hier das Kurzzeitgedächtnis: Im Kurzzeitgedächtnis können maximal fünf bis neun, durchschnittlich also sieben einzelne Werte bzw. Sinneseindrücke wie z.B. ein Wort oder eine Zahl vorgehalten werden. Diese Erkenntnis geht auf die Forschungsarbeiten von MILLER zurück, der die Limitation der menschlichen Informationsverarbeitung unter­suchte20. Weiter fand er heraus, dass durch die Zusammenfassung einzelner Werte zu maximal dreistelligen Werten insgesamt neun Werte abgespeichert werden können. Ein Beispiel: Es gibt sieben freie Speicherplätze, die die Ziffernfolge 1-2-3-4-5-6-7 aufneh­men können. Werden nun die einzelnen Ziffern zu Blöcken („Chunks") zusammengesetzt (123-456-7XX), sind noch zwei freie Stellen verfügbar, woraus sich neun Ziffern abspei­chern lassen würden.

Im Bereich der interaktiven Systeme wird ebenfalls auf die Miller’sche Zahl 7+-2 zurück­gegriffen, wenn es um die Anzeige von Steuerelementen oder Informationsobjekten geht (vgl. 3 Interaktive Systeme).

2.3.3 Arbeitspsychologie und -Physiologie

Auch können durch die Arbeit mit einer Anwendung an sich Auswirkungen auf den Menschen beobachtet werden. HERCZEG gibt an, dass dies „in Abhängigkeit von der Ge­staltung des jeweiligen Arbeitssystems und der damit bearbeiteten Aufgaben physischer und psychischer Natur sein"21 kann und auf das Maß der Belastung z.B. durch Arbeitsun­terbrechungen, monotone Tätigkeiten oder Zeitdruck zurückzuführen ist. Diese Fakto- ren verhindern einen konstanten Arbeitsfluss (mit dem Ziel, ein bestimmtes Problem zu lösen) und können im schlimmsten Fall zu Angst, Frust oder gar Krankheit führen (vgl. Abbildung 2-6).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-6: Ursache und Wirkung von Arbeitsbelastungen22

2.4 ZIELE UND NUTZEN VON USABILITY

Grundsätzlich verfolgt Usability das Ziel, die Benutzer einer Software oder eines Produk­tes dafür zu begeistern und negative Erfahrungen und Empfindungen zu beseitigen. ILMBERGER et al. sprechen davon, dass wahrgenommene Attraktivität und Ästhetik von Softwareprodukten als wesentliche Determinanten [...] immer stärkere Berücksichti­gung"23 finden. Um nun die Ziele und den Nutzen von Usability zu verdeutlichen, sollen an dieser Stelle Faktoren aufgeführt werden, die sich durch das Nichtvorhandensein von Usability ausgeprägt werden24.

Wird die Erledigung einer (simplen) Aufgabe durch unzureichende Benutzbarkeit einer Anwendung erschwert, wird ebenso die Motivation des Benutzers gemindert.25 Da die Motivation Auswirkungen auf die Konzentration hat, wird diese ebenfalls geschwächt und der Arbeitsfluss des Benutzers so gestört, dass das erzielte Arbeitsergebnis darun­ter leidet.

Ist dieser Zustand dauerhaft, können so auch vermehrt Stress und Frust-Situationen sichtbar werden, die weitreichende Auswirkungen auf die menschliche Psyche haben. Auch physische Belastungen wie Verspannungen oder Überlastung von Hand und Augen sind möglich.

Die Entwicklung von Benutzeroberflächen hat somit zum Ziel, die Arbeitsabläufe opti­mal zu unterstützen und durch geeignete Darstellung und Bedienung von Anwen­dungen die durch den Benutzer wahrgenommene Ästhetik zu fördern und so dessen Empfinden und letztlich dessen Motivation zu steigern. Dies kann nach HERCZEG durch angemessene Beanspruchung von Körper und Geist - durch das „körperliche und geisti­ge Wachstum"26 - erreicht werden (vgl. Abbildung 2-6).

2.5 HERAUSFORDERUNGEN VON USABILITY

Grundsätzlich richtet sich die Benutzbarkeit einer Software an die jeweiligen Benutzer dergleichen. Fragt man einen Benutzer, wie seine Software sein sollte, können die fol­genden Aussagen aufgenommen werden:

-„Meine Software soll einfach zu bedienen sein"
-„Meine Software soll schnell zu erlernen sein"
-„Meine Software soll mich unterstützen"

Im Gegensatz zu Anforderungen über die Geschwindigkeit einer Software beispielsweise gibt es hier einen existenziellen Unterschied: Ob und in wie fern eine Software einfach zu bedienen ist, hängt vom jeweiligen Benutzer, dessen Erfahrung und Arbeitssituation ab. Die Geschwindigkeit beim Starten einer Software lässt sich messen, indem auf einfachs­tem Weg die Zeit gestoppt wird. Wie aber soll einfache Bedienung oder schnelle Erlern­barkeit gemessen werden? Diese Aspekte sind qualitativer Natur lassen sich nicht bzw. nur schwer quantifizieren. Und auch wenn dies für einen Benutzer möglich ist, so kön­nen keine allgemeingültigen Aussagen für alle Benutzer getroffen werden.

Weiter wird die „Gebrauchstauglichkeit einer Software gerne als sekundäre, dem Nutzen eines Systems nachgeordnete Systemeigenschaft angesehen“ und somit der „Zusammen­hang zwischen Gebrauchstauglichkeit und Effizienz [...] stark unterschätzt".27 Als Herausforderungen lassen sich an dieser Stelle somit zusammenfassen:

-Usability ist benutzer- und kontextabhängig, weshalb keine Verallgemeinerung möglich ist. Jeder Benutzer hat ein anderes Empfinden über Einfachheit, Schnelligkeit und Übersichtlichkeit (vgl. 2.3 Wissenschaftliche Grundlage). In der Theorie werden meist die drei Kompetenzgrade Anfänger, Fortgeschrittener und Experte unterschie­den, deren Kontext gleichermaßen berücksichtigt werden muss.28
-Usability ist qualitativ und somit nicht bzw. nur schwer messbar, weshalb spezi­elle Strategien zum Erreichen von Usability definiert und umgesetzt werden müssen. Es muss ein Ordnungsrahmen zur Überprüfung von Usability gefunden werden, der in enger Zusammenarbeit mit den Benutzern angewendet wird.
-Usability erlangt nicht oder nur selten die Aufmerksamkeit, die sie benötigt, sodass sie der Funktionalität einer Anwendung untergeordnet wird. Eine Anwen­dung, die zwar die gewünschte Funktionalität erfüllt, die Nutzung dergleichen aber untersagt, ist ebenso wertlos wie eine Anwendung, die die Funktionalität nicht erfüllt.
-Usability schließt Herausforderungen nicht aus, denn „Beanspruchungen sind zu einem gewissen Grad für ein Individuum wichtig und lebensnotwendig"29 und bilden die Basis für positive Emotionen. Es muss also ein Mittelmaß aus Über- und Unteran­strengung bei für den Benutzer einer Anwendung erreicht werden.

2.6 PRAKTISCHE UMSETZUNG VON USABILITY

Die Bedienbarkeit von Software ist erst seit Entwicklung der ersten Anwendungen mit Benutzeroberfläche ein Thema der Informatik (vgl. hierzu 3 Interaktive Systeme).30 Um Systeme bedienbar zu gestalten, ist es - wie die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die starke Benutzer- bzw. Kontextgebundenheit dieser Eigenschaft zeigen - nur schwer möglich, hierfür eine Verallgemeinerung aufzustellen. Dennoch gibt es mehrere Ansätze, die die Wirkung und Benutzbarkeit von Software für die jeweiligen Benutzer zentrieren. Diese sollen an dieser Stelle detaillierter betrachtet werden.

2.6.1 Vorgehensmodelle

Grundsätzlich wird die Entwicklung einer Software durch den Kunden ausgelöst. Um dessen Anforderungen zu erfassen, werden innerhalb einer Anforderungsanalyse ge­wünschte Funktionalität und Randbedingungen erfasst. Dies wird durch den Bereich des Requirements Engineering abgedeckt, auf den hier nicht näher eingegangen werden soll. Wichtig an dieser Stelle ist, dass in enger Abstimmung mit dem Kunden heraufge­funden werden soll, wofür eine Software benötigt wird, was diese leisten und im wel­chem Umfeld sie eingesetzt werden soll.

Im Bereich der Vorgehensmodelle zur Realisierung von Softwareentwicklungsprojekten hat sich zudem das Usability Engineering etabliert. Hierbei handelt es sich um eine vollständig benutzerorientierte Entwicklung von Software, wobei jeder Arbeitsschritt stets unter Berücksichtigung von Benutzeranforderungen und -Kontext ausgeführt wird. Nach RICHTER UND FLÜCKIGER lassen sich somit alle benutzerorientierten Metho­den und Techniken folgenden fünf Phasen eines Projektes zuordnen (s. Abbildung 2-7):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-7: 5 Phasen des Usability Engineering31 Die Phasen sind bedeuten im Detail (s. Tabelle 2-1):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2-1: Phasen des Usability Engineering und deren Bedeutung32

Dieses Vorgehen wird auch als User-centered Design (benutzerzentrierte Gestaltung) bezeichnet und folgt in seiner Realisierung einer engen Zusammenarbeit aus Benutzer und Entwickler.33 Der Benutzer kommuniziert dem Entwickler seine Anforderungen und gibt Feedback über aktuelle Ergebnisse. Der Entwickler wertet die Anforderungen aus und gibt dem Benutzer eine Rückmeldung, wie seine Anforderungen aus technischer Sicht umgesetzt werden können und welche alternativen Möglichkeiten bestehen. Sind sich beide einig, kann der Entwickler mit seiner Arbeit beginnen. Die nun vorgestellten Methoden werden in Anlage B den jeweiligen Phasen des Usability Engineering Prozes­ses zugeordnet.

2.6.2 Methoden und Techniken

Um den Benutzer möglichst effektiv in den Entwicklungsprozess einzubinden, gibt es verschiedene Methoden, die dies über die gesamte Entwicklungsphase hinweg ermögli­chen.34 Diese sollen nun vorgestellt werden.

Contextual Inquiry (Kontextanalyse)

Ausschlaggebend für alle weiteren Aspekte ist zunächst die Anforderungs- und Umfeld­analyse. Innerhalb der Contextual Inquiry werden Benutzer und deren Umfeld analysiert, sodass aus diesen Beobachtungen und Befragungen gezielt Bedarf und Anforderungen abgeleitet werden können. Diese Informationserhebung sollte sich auf sinnvolle Frage­stellungen beziehen und den späteren Einsatz der zu entwickelnden Anwendung reprä­sentieren. Anlage C verdeutlicht das Prinzip.

User Stories

Um nun die Prozesse bzw. Arbeitsabläufe der Benutzer mit der neuen Anwendung näher spezifizieren, können auf Basis der Benutzerangaben User Stories erstellt werden. Eine User Story („Benutzergeschichte") ist die Beschreibung einer in sich abgeschlossenen Aktion, die der Benutzer mit der Software ausführen möchte. Dabei werden sowohl der jeweilige Benutzer und seine Rolle, die Aktion und deren Vorteil bzw. Nutzen für den Benutzer identifiziert. Eine User Story wird meist wie folgt formuliert: „Als <Benutzer> möchte ich <Aktion>, sodass <Nutzen>" (z.B. „Als Projektmanager möchte ich das ver­fügbare Budget angezeigt bekommen, sodass ich den weiteren Projektverlauf besser planen kann"). Auch kann sie bildhaft durch Skizzen dokumentiert werden und so Bezug auf die spätere Benutzeroberfläche nehmen.

TaskAnalysis (Aufgabenanalyse)

Ein weiterer Aspekt zur Einbeziehung der Benutzer in den Entwicklungsprozess stellt die Aufgabenanalyse dar, die vornehmlich mit Hilfe von Use Cases durchgeführt wird. Use Cases („Anwendungsfälle") werden ähnlich wie User Stories zur Dokumentation bzw. Spezifikation von Prozessen und Arbeitsabläufen mit einer Anwendung eingesetzt. Der Unterschied liegt hier aber darin, dass Use Cases die Interaktion mit der Anwendung aus Benutzersicht formulieren (z.B. auch, wann welche Meldung erscheinen soll und welche Qualitätskriterien erfüllt sein müssen), User Stories hingegen beschreiben Kontext, Auf­gabenstellung und Bearbeitungsabfolge einer Arbeitsaufgabe aus Benutzersicht.35 Dabei können Use Cases sowohl textuell als auch grafisch abgebildet werden. Ein Use Case be­steht immer aus einem Actor (dem Benutzer bzw. einer Rolle) und Aktionen, die durch den Actor ausgeführt werden. Anlage D zeigt ein Beispiel.

Benutzeranalyse und Personas

Eine weiterer wichtiger Aspekt sind die Benutzer selbst. Durch die Erstellung einer Be­nutzeranalyse bzw. Personas werden die Benutzer in Abhängigkeit von deren Zielen, Ar­beitsaufgaben und Häufigkeit der Aufgabendurchführung, aber auch deren Vorwissen und der Kompetenz verschiedenen Rollen zugeordnet. Dadurch soll erreicht werden, dass die Anforderungen unterschiedlicher Benutzergruppen gleichermaßen zum Tragen kommen und diese auch priorisiert werden können. Eine Benutzeranalyse kann durch persönliche Interviews, Fragebögen oder im Zuge der Contextual Inquiry erfolgen.

User Interface Prototyp

Sind die Anforderungen spezifiziert, können Entwickler mit Hilfe eines User Interface Prototyps (UI Prototyp) den Benutzern näher bringen, wie die neue Anwendung ausse­hen wird. Ein UI Prototyp ist ein Entwurf der Anwendung bzw. deren Benutzeroberflä­che, in dem bereits einige Funktionalität enthalten ist, sodass die Benutzer ggf. Teile von Arbeitsabläufen simulieren können. Ziel ist es, die Benutzeroberfläche optimal an die Arbeitsaufgaben und Wahrnehmung der Benutzer anzupassen und diese in (ggf. mehre­ren) Schritten so zu optimieren, dass die eigentliche Entwicklung sich auf die durch die Benutzer abgesegnete Version beschränkt.

Usability Guidelines und Styleguides

Für die tatsächliche Realisierung eines benutzbaren Systems bzw. einer Anwendung können die Entwickler auf Usability Guidelines oder Styleguides zurückgreifen. Dabei handelt es sich um dokumentierte Spezifikationen zur Gestaltung (d.h. beispielsweise Farbgebung und Anordnung von Elementen oder gar Benutzerführung innerhalb eines Dialogs) von Benutzeroberflächen. Usability Guidelines stellen dabei „eher generelle Richtlinien für die Verwendung und das Verhalten von (grafischen) User-Interface­Elementen" dar, wo hingegen Styleguides „konkrete Vorgaben für die visuelle Gestaltung und das Layout einer bestimmten Benutzeroberfläche"36 repräsentieren. Diese können je nach Einsatzgebiet und Unternehmen bzw. Anwendung variieren und sich auch im Hin­blick auf die verwendete Technologie innerhalb der Entwicklung unterscheiden. Wichtig an dieser Stelle ist, dass es einen Katalog gibt, der durch alle Entwickler gleichermaßen beachtet wird, sodass die Anwendung später ein einheitliches, den Vorgaben entspre­chendes Erscheinungsbild aufweist. Ein bekanntes Beispiel für einen Styleguide ist der „UX Guide" (Windows User Experience Interaction Guidelines for Windows 7 and Win­dows Vista) von Microsoft37.

Usability Test

Abschließend können die vorab implementierten Aspekte zur Usability innerhalb von Usability Tests auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Hierbei wird eine Anwen­dung in verschiedenen Verfahren mit dem Benutzer gemeinsam auf ihre Benutzbarkeit hin überprüft. Dies impliziert, dass bereits Ergebnisse aus der Entwicklung vorliegen. An dieser Stelle soll allerdings nicht weiter darauf eingegangen werden, da dieses Thema in Abschnitt 5 Usability Testing detaillierter betrachtet wird.

3 INTERAKTIVE SYSTEME

Mit Bezug auf Software lässt sich Usability auf diejenigen Anwendungen projizieren, die über eine Benutzeroberfläche verfügen, die es dem Anwender erlaubt, mit der Anwen­dung zu interagieren. Solche Anwendungen werden als „interaktive Systeme" bezeich­net, da der Benutzer sind nur Zuschauer ist, sondern durch Tätigen von Aktionen wie beispielsweise der Eingabe von Daten oder der Betätigung von Schaltflächen den Pro­grammfluss steuert. InteraktiveSysteme sind zentrales Element im Forschungsgebiet der Human-Computer-Interaction („Mensch-Computer-Interaktion"), indem alle Möglichkei­ten zur Interaktion zwischen Mensch und Computer diskutiert werden.

Dieser Abschnitt soll einen Überblick über interaktive Systeme geben und deren Merk­male sowie die Interaktionsmöglichkeiten näher betrachten. Weiter sollen Wege zur Bewertung interaktiver Systeme beschrieben werden.

Ein interaktives System besteht nach dem IFIP-Modell für Benutzungsschnittstellen38 (IFIP = „International Federation for Information Processing"), das in Abbildung 3-1 dargestellt ist Dieses Modell dient zur Differenzierung und Bewertung von Benutzer­schnittstellen im Allgemeinen und bildet die Basis für die ISO-Norm 9241 (vgl. 2.2.2 ISO 9241 - Ergonomie der Mensch-System-Interaktion).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3-1: IFIP-Modell für Benutzungsschnittstellen39

[...]


1 Standish Group (1995) S. 4

2 Entnommen aus: http://www.buena-la-vista.de/buenalog/2010/02/08/projektmanagement-mal-anders/

3 Vgl. Sarodnick, F. / Brau, H. (2011) S. 18ff

4 ISO 9241 (2006), 9241-11

5 Herczeg, M. (2009) S. 7

6 Herczeg, M. (2009) S. 7

7 Vgl. Geis, T. (2010)

8 Geis, T. (2010); Vgl. auch: Preim, B. / Dachselt, R. (2010) S.21

9 Entnommen aus: Herczeg, M. (2009) S. 160

10 Vgl. Höfler, K. (2003) S. 8ff

11 ISO 9241 (2006), 9241-11

12 ISO 9241-210 (2010)

13 Vgl. ISO 14915 (2003)

14 Schenk, J. / Rigoll, G. (2010) S. 42ff

15 Entnommen aus: Schenk, J. / Rigoll, G. (2010) S. 43

16 Vgl. Norman, D. (2003); Isen, A.M. (2000)

17 Ilmberger, W. / Schrepp, M. / Held, T. (2009) S. 383

18 Vgl. Ilmberger, W. / Schrepp, M. / Held, T. (2009) S. 388; Herczeg, M. (2009) S.52ff

19 Vgl. Preim, B. / Dachselt, R. (2010) S. 205

20 Vgl. Miller, G.A. (1956)

21 Vgl. Herczeg, M. (2009) S. 35

22 Entnommen aus: Herceg, M. (2009) S. 38

23 Ilmberger, W. / Schrepp, M. / Held, T. (2009) S. 383

24 Vgl. Herczeg, M. (2009) S. 36f

25 Geuenich B./Hammelmann, I./Havas, H. (2006) S. 18ff

26 Herczeg, M. (2009) S. 36

27 Herczeg, M. (2009) S. 8

28 Vgl. Herczeg, M. (200) S.83

29 Herczeg, M. (2009) S. 36

30 Vgl. Preim, B. / Dachselt, R. (2010) S. 4ff

31 Entnommen aus: Richter, M./ Flückiger, M. (2010) S. 14

32 Vgl. Richter, M. / Flückiger, M. (2010) S. 14

33 Vgl. Richter, M. / Flückiger, M. (2010) S. 10ff

34 Vgl. Richter, M. / Flückiger, M. (2010) S. 21ff

35 Vgl. Richter, M. / Flückiger, M. (2010) S. 48

36 Richter, M. / Flückiger, M. (2010) S. 54

37 Microsoft (2010)

38 Nach Dzida, vgl. Herczeg, M. (2009) S. 156ff

39 Entnommen aus: Herczeg, M. (2009) S. 157

Ende der Leseprobe aus 99 Seiten

Details

Titel
Usability und Usability Testing
Untertitel
Software als Benutzererlebnis
Hochschule
Duale Hochschule Baden-Württemberg Mannheim, früher: Berufsakademie Mannheim
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
99
Katalognummer
V263221
ISBN (eBook)
9783656522348
ISBN (Buch)
9783656537243
Dateigröße
5154 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
usability, testing, software, benutzererlebnis
Arbeit zitieren
Melanie Fröscher (Autor:in), 2011, Usability und Usability Testing, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263221

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