Work Life Balance in der Presse

Eine Analyse des öffentlichen Diskurses zum Thema


Bachelorarbeit, 2013

86 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract aufDeutsch

Abstract in Englisch

Eidesstattliche Erklärung

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Anhangsverzeichnis

1.Einleitung
1.1 Ausgangslage, Erkenntnisinteresse und Aufbau der Arbeit

2.Wandel der Arbeitsgesellschaft
2.1 Strukturwandel der Wirtschaft
2.2 Industriegesellschaft
2.3 Dienstleistungsgesellschaft
2.4 Wissensgesellschaft

3.Der Begriff der Work Life Balance
3.1 Definition von Work Life Balance
3.2 Wissenschaftliche Zugänge zum Thema Work Life Balance
3.3 Betriebliche Work Life Balance-Maßnahmen
3.4 Effekte von Work Life Balance-Maßnahmen

4.Theorie und Methodik
4.1 Diskursbegriffbei Foucault
4.2 Die Kritische Diskursanalyse nach Jäger
4.3 Materialaufbereitung
4.3.1 Wahl der Printmedien
4.3.2 Abgrenzung des Untersuchungszeitraums
4.3.3 Erstellung des konkreten Textkorpus
4.3.4 Feinanalyse der Diskursfragmente

5 Darstellung der Diskursanalyse
5.1 Der Diskurs im Magazin brand eins
5.2 Der Diskurs in der FAZ
5.3 Analysen der Gesamtberichterstattung
5.3.1 Diskursintensität im Textkorpus
5.3.2 Inhaltlich-ideologische Gemeinsamkeiten
5.3.3 Bereiche der Balance
5.3.4 Maßnahmen des Work Life Balance-Konzepts
5.4 Zwischenresümee

6... Resümee und Ausblick
6.1 Theorie und Praxis von Work Life Balance

Literatur- und Quellenverzeichnis

Anhang

Abstract auf Deutsch

Die vorliegende Abschlussarbeit zur Erlangung des Bachelorgrades analysiert den öffentlichen Diskurs zum Thema Work Life Balance in den Printmedien brand eins und FAZ. Dabei bezieht sich die Analyse auf den Zeitraum zwischen den Jahren 2002 bis 2012. Nachdem der Wandel der Industriegesellschaft über die Dienstleistungs- bis hin zur Wissensgesellschaft skizziert wird, folgt eine Definition des Begriffs der Work Life Balance. Diese bildet den theoretischen Bezugsrahmen für die Ergebnisse der Analyse des öffentlichen Diskurses. Vor dem Schritt der Analyse wird zunächst noch der Begriff des Diskurses nach Foucault geklärt sowie das Modell der Kritischen Diskursanalyse nach Jäger vorgestellt. Jägers Modell bildet die methodische Basis für nachfolgende Materialaufbereitung und Analyse. Die Ergebnisse der Analyse beginnen mit einer Einzelbetrachtung der Diskursverläufe in brand eins und FAZ. Darauf folgen ein synchroner Schnitt sowie Analysen der Gesamtberichterstattung. Dabei wird untersucht, wie intensiv der Diskurs verläuft, welche Haltungen dem Thema gegenüber aus den Printmedien abzuleiten sind, welche Bereiche als mit dem Beruf notwendig auszubalancierend verstanden werden, welche konkreten Maßnahmen in Unternehmen angewandt werden und inwiefern es im zeitlichen Verlauf zu Änderungen dieser Faktoren kommt. Abschließend werden die Ergebnisse der Analyse dem theoretischen Bezugsrahmen gegenübergestellt und resümiert.

Abstract in English

The bachelor thesis presented here analyses public discourse on the topic of work life balance in the papers brand eins and FAZ. The study focuses on the time span between the years 2002 and 2012. After outlining the change from industrial- to service- and finally knowledge-society, the term work life balance is defined. This serves as the theoretical framework for the findings of the analysis on public discourse. However, prior to the step of analysis, Foucault’s interpretation of the term discourse and Jäger’s model of critical discourse analysis are looked at. Jäger’s thesis forms the methodical base for the ensuing processing and examination of the research materials. The analysis starts looking at the discourse processes in brand eins and FAZ in particular, which is then followed by a ‘synchronized cut’ as well as a study of the overall reports. In the course of this, the following topics are examined: the intensity of discourse, the print medias’ opinions in regard to the topic, which areas of private life are thought of as needing to be balanced with work life, which measures are being established by companies and how these factors change over time. Finally, the findings of the analysis are compared to the theoretical framework and summarized.

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne unerlaubte fremde Hilfe angefertigt, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt habe. Die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Stellen sind als solche kenntlich gemacht.

Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keinem anderen Prüfungsamt vorgelegt und auch nicht veröffentlicht.

(Ort, Datum)

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Soweit nicht anders angegeben, handelt es sich bei den Abbildungen um eigene Darstellungen

Abb. 1: Grundmodell des sektoralen Wandels (Kulke 2009: 24)

Abb. 2: Klassenstruktur nach Pierre Bourdieu (Hradil 2006: 265)

Abb. 3: Die Sinus-Milieus® in Deutschland 2007. Soziale Lage und Grundorientierung (Sinus Sociovision 2007)

Abb. 4: Erwerbstätige nach der schwerpunktmäßig ausgeübten Tätigkeit. Veränderung gegenüber 1996 (Destatis 2010: 539)

Abb. 5: Beanspruchung / Entspannung im Arbeits- und Privatbereich (Kastner 2004: 2)

Abb. 6: Belastungen und Ressourcen in Balance (nach Kastner 2004: 37f)

Abb. 7: Work Life Balance-Konzepte: Vorteile aus Sicht von Unternehmen, Gesellschaft und Beschäftigten (Prognos 2005: 5)

Abb. 8: Analyseschritte im Überblick (Jäger 2004: 175)

Abb. 9: Diskurs-Dimensionen (nach Jäger 2004: 160)

Abb. 10: Diskursverlauf in brand eins

Abb. 11 : Diskursverlauf in der FAZ

Abb. 12: Anteile der Printmedien am Gesamtumfang der Berichterstattung in Wörtern

Abb. 13: Diachrone Entwicklung des Diskurses

Abb. 14: Vergleichende Gegenüberstellung der Diskursstränge

Abb. 15: Anteile der Printmedien am Gesamtumfang der Berichterstattung in Artikeln

Abb. 16: Erwähnte Maßnahmen innerhalb der Gesamtberichterstattung nach Häufigkeit

Abb. 17: Zeitliche Betrachtung der erwähnten Maßnahmen im Diskurs

Abb. 18: Maßnahmen des Work Life Balance-Konzepts

Tabelle 1: Sprachlich-rhetorische Mittel des Diskurses in brand eins

Tabelle 2: Sprachlich-rhetorische Mittel des Diskurses in der FAZ

Tabelle 3: Zu balancierende Bereiche in den Printmedien

Tabelle 4: Zu balancierende Bereiche in der Gesamtberichterstattung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anhangsverzeichnis

Anhang 1 : Vollständige Auflistung des Textkorpus nach Autoren

Anhang 2: Vollständige Auflistung des Textkorpus - chronologisch

Anhang 3 : Sprachlich-rhetorische Mittel

Anhang 4: Auswertungen Anzahl Wörter und Artikel

Anhang 5 : Auswertungen zu den zu balancierenden Bereichen

Anhang 6: Auswertungen zu den Maßnahmen - Erwähnung und Verlauf

1.Einleitung

Das erste Kapitel der Arbeit fährt den Leser an die im Rahmen der vorliegenden Arbeit behandelte Thematik heran. Dabei wird zunächst auf die gesellschaftliche Situation, welche die Ausgangslage dieser Arbeit bildet, eingegangen. Weiter enthält die Einleitung die für die Analyse essentiellen Forschungsfragen sowie die Klärung des Aufbaus der Arbeit.

1.1 Ausgangslage, Erkenntnisinteresse und Aufbau der Arbeit

Mit zunehmender Veränderung der Arbeitswelt verändert sich auch die kapitalistische Arbeitsgesellschaft und somit das Verhältnis des Individuums zur Arbeit. An die Stelle von geregelten Arbeitszeiten tritt die Entgrenzung von Arbeit und Freizeit, d.h. beide sind nicht mehr klar voneinander zu trennen. Die Balance von Arbeit und Leben verliert den inneren Zusammenhang.

Vor diesem Hintergrund rückt das Thema der Work Life Balance immer stärker in den Fokus der Unternehmen und der Öffentlichkeit. Seit dem Jahr 2001 wird der Begriff Work Life Balance in den deutschen Medien behandelt und ist online wie offline präsent. Dabei wird oftmals versucht, die Abstraktheit des Themas zu fassen. Die Zeit nimmt den Begriff im Jahr 2001 auf und beschreibt ihn im Artikel “Gesucht: Fachkraft mit Familiensinn“ als für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf notwendig. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung erwähnt den Terminus erstmalig im Februar 2002 im Onlineartikel “Leistung und Lebensgenuss“ und schreibt ihm Modelle wie Job-Sharing und Langzeitarbeitskonten als elementar zu. Hochschilds “Keine Zeit. Wenn die Firma zum Zuhause wird und zu Hause nur Arbeit wartet.“ eine Studie welche sich mit den Auswirkungen des Trends der Erwerbsarbeit auf das Familienleben in Amerika beschäftigt, wurde ebenfalls im Jahr 2002 in Deutschland veröffentlicht.

Aber was beinhaltet das Konzept der Work Life Balance genau? Die vorliegende Arbeit formuliert eine Analyse des öffentlichen Diskurses zum Thema Work Life Balance in der deutschen Presse. Dabei werden folgende Forschungsfragen beantwortet:

- Gehört das Thema Work Life Balance zu einem dominierenden Thema der pressemedialen Berichterstattung?
- Wie gestaltet sich die Haltung der Presse bzw. Öffentlichkeit zum Thema? Verändert sich diese im Zeitverlauf?
- Welche Bereiche des Arbeit- und Privatlebens werden tatsächlich ausbalanciert? Verändern sich diese im Zeitverlauf?
- Welche konkreten Maßnahmen werden dem Konzept der Work Life Balance in der Praxis zugeschrieben? Verändern sich diese im Zeitverlauf?
- Entspricht die dargestellte Praxis dem theoretischen Work Life Balance-Konzept?

Nachdem zu Beginn der Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft mit dem Fokus auf der Rolle des Menschen und der Gesellschaft in der Arbeitswelt skizziert wird, folgen eine Definition und theoretische Betrachtung des Begriffs der Work Life Balance. Beide Kapitel führen den Leser in die im Hintergrund der Analyse wirkende Thematik ein. Darauffolgend wird auf den Begriff des Diskurses nach Foucault und der Zusammenhang zwischen Diskurs, Macht, Wissen und Wahrheit eingegangen. Intensiver wird die darauf aufbauende Methode der Kritischen Diskursanalyse nach Jäger betrachtet, welche die forschungsmethodische Basis der Analyse darstellt. Die Darstellung und Interpretation der Analyseergebnisse sowie ein die Theorie und Praxis vergleichendes Resümee bilden den praktischen Teil der vorliegenden Arbeit. Jedem Kapitel vorangestellt ist eine kompakte Inhaltsangabe, wodurch die Lesbarkeit und der Aufbau der Arbeit leicht nachvollziehbar gestaltet werden.

2·Wandel der Arbeitsgesellschaft

Das folgende Kapitel behandelt den Wandel der Arbeitsgesellschaft. Es wird der Wandel von der Industriegesellschaft über die Dienstleistungs- bis hin zur Wissensgesellschaft skizziert. Dabei werden die für die jeweilige Zeit charakteristische Arbeitsweise, die Rolle des Menschen hierbei sowie die gesellschaftlichen Strukturen beschrieben.

Dieses Kapitel dient dem historisch-theoretischenVerständnis der vorliegenden Arbeit.

2.1 Strukturwandel der Wirtschaft

Fourastié (1954) hatte es bereits vorausgesagt: als “Die große Hoffnung des 20. Jahrhunderts“ bezeichnete er den tertiären Sektor - und prophezeite somit das Ende der Industriegesellschaft. Im Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung würde der tertiäre Sektor im 20. Jahrhundert enorm an Bedeutung gewinnen (vgl. Abb. 1). Anstelle von materiellen Gütern würden vorrangig immaterielle Produkte wie Beratung, Marketing und weitere von der Gesellschaft nachgefragt und konsumiert werden (vgl. Baethge/Wilkens 2011: 9).

Marx hingegen sah das Ende der Arbeit im Höhepunkt des sekundären Sektors. Das Ende des Kapitalismus würde ihm zufolge mit der Erreichung der höchstmöglichen Stufe des Reichtums der Industrie­gesellschaft eintreten. Der Punkt an dem die Arbeitskraft durch Maschinerie verdrängt würde. Damit einhergehend würde die Nachfrage nach Arbeitskräften sinken, die Konkurrenz wachsen sowie Arbeitslosigkeit und verringerte Kaufkraft vermehrt auftreten. Auf die boomende Industriegesellschaft würde Marx zufolge das Elend des Arbeiters folgen und somit die Industriegesellschaft und den Kapitalismus in eine tiefe Krise stürzen (vgl. Marx 2013: 510ff.). Wenn mit der Automatisierung wie von Marx prognostiziert die Massenarbeitslosigkeit, Armut und soziale Spannung, kurz: das Ende der Arbeit eintreffen könnte, dann also zum Zeitpunkt des strukturellen Wandels hin zur Dienstleistungsgesellschaft. Während Marx hauptsächlich die gesellschaftlichen Verhältnisse betrachtet und den Fokus auf die Produktionsverhältnisse legt, halten Handlungstheoretiker dem düsteren Modell des Endes des Kapitalismus einen neuen Geist entgegen. Weber (1993) führt den Begriff “Geist des Kapitalismus“ ein, wonach das Ende der Produktionsgesellschaft nicht das Ende des Kapitalismus darstellt. Vielmehr beeinflussen sich wirtschaftliche und soziale Bereiche wechselseitig und entwickeln sich über die reinen Produktionsverhältnisse hinweg. Die Emanzipation des Kapitalismus „von den alten Stützen“ (Weber 1993: 30) vollzieht sich vor allem im Prozess der Rationalisierung. Weber spricht von der stetigen Weiterentwicklung des Kapitalismus durch verschiedene Triebkräfte: den modernen Unternehmer zeichnen für ihn vor allem ethisches, bescheidenes und praktisches Handeln aus (vgl. ebd.: 26ff.).

Ähnlich dazu wählt Sennet (1998) den Begriff“flexibler Kapitalismus“, um den Wandel seiner Gestalt einzufangen: „Starre Formen der Bürokratie stehen unter Beschuß, ebenso die Übel blinder Routine. Von den Arbeitnehmern wird verlangt, sich flexibler zu verhalten, offen für kurzfristige Veränderungen zu sein, ständig Risiken einzugehen und weniger abhängig von Regeln und förmlichen Prozeduren zu werden.“ (ebd.: 10). Sennet zufolge beeinflussen vor allem die Globalisierung und der Gebrauch neuer Technologien sowie die Flexibilisierung den Charakter des neuen Kapitalismus.

Während sich Marx Prognosen nicht bewahrheiten, trifft auch Fourastié mit der von ihm entwickelten Drei-Sektoren-Hypothese zu optimistische Vorhersagen hinsichtlich Er­werbstätigenstabilität und Wohlstandsmehrung. Diese mögen Fehleinschätzungen gewesen sein, im Kern jedoch traf er die Entwicklung: der tertiäre Sektor gewinnt im Verlauf der Entwicklung an Stärke und bildet seit dem 20. Jahrhundert den Hauptmotor der Beschäftigungsentwicklung (vgl. Baethge/Wilkens 2011: 9). Im Folgenden wird die Entwicklung von der Industrie- zur Wissensgesellschaft abgebildet, welche auch die Bereiche der Arbeitsbedingungen und Lebensstile der Arbeitnehmer nicht unbeeinflusst ließ.

2.2 Industriegesellschaft

Mit dem Ende des 19.Jahrhunderts wandelt sich Deutschland durch technischen und wirtschaftlichen Fortschritt von einer Agrar- zu einer Industriegesellschaft. Charakteristisch für die Arbeitsweise innerhalb der Industriegesellschaft ist das Konzept der “wissenschaftlichen Betriebsführung“ nach Taylor (1995). Hierbei werden die Organisation und die Produktionsabläufe in Betrieben vorrangig durch Rationalisierung optimiert. Komplexe Planungsaufgaben werden von einfachen Ausführungsfunktionen getrennt und machen die Industriearbeit an sich zur austauschbaren Massenarbeit (vgl. Schumann 2003: 64). Das mechanistische Denken erlaubt es, Fachkräfte durch ungelernte Arbeiter zu ersetzen und macht diese selbst zu Automaten im Produktionsprozess (vgl. Morgan 2002: 37f.).

Gerade in diesen Arbeitsbedingungen spiegelt sich die marxsche Kritik am Industriekapitalismus wieder. In dem zur Ware gewordenen Arbeiter sah Marx die Entfremdung des Arbeiters vom Produkt und dessen persönliche Verarmung (vgl. Marx 2013: 513). Entfremdete Arbeit verhindere ihm zufolge die menschliche Entwicklung, da das kapitalistische System der Produktion „den Arbeiter zum Verkauf seiner Arbeitskraft, um zu leben [zwingt, Anm. d. Verf.]“ (Marx 2013: 685). Die Phase der Industriegesellschaft instrumentalisiert die Arbeiter also vorwiegend dazu, im Takt der Maschinen zu arbeiten und das eigene Wesen auszuklammern. Kurz gesagt: „Der Mensch ist Mittel. Punkt.“ (Neuberger 1990).

Pongratz und Voß (2004) charakterisieren den Industriearbeiter im Industriezeitalter als den „‘verberuflichten Arbeitnehmer4 (...), der unter hochregulierten Arbeitsbedingungen in weitgehend standardisierter Form Arbeitsaufträge nach Anweisung ausführt“ (ebd.: 9). Produktionssphäre und Privatsphäre stehen sich hierbei isoliert, voneinander abgegrenzt, gegenüber. Die Arbeit im Fordismus beschränkt sich „auf einen bestimmten Ort (den Betrieb), eine bestimmte Zeit (die Arbeitszeit), ein bestimmtes soziales Gefüge (den Kollegenkreis), bestimmte Qualifikationen und Organisationsstrukturen und ein geregeltes Arbeitsverhältnis (das so genannte »Normalarbeitsverhältnis«)“ (Heidenreich 2012: 325). Der Feierabend bedeutet für den Industriearbeiter also den direkten Übergang vom Arbeits- in das Privatleben.

Wie sich innerhalb jeder Gesellschaft verschiedene Lebensstilkonzepte entwickeln, so lassen sich auch innerhalb der Industriegesellschaft verschiedene Berufs- bzw. Schichtzugehörigkeiten erkennen. Bourdieu (1987) konzeptionierte die sogenannte Klassenstruktur, welche den Zusammenhang zwischen der sozialen Lage und der Ausprägung von Lebensstilen darstellt. Als zwischen diesen beiden Elementen vermittelnd führt Bourdieu den Begriff des Habitus ein - verinnerlichte Wahrnehmungs­und Handlungsmuster, welche konstant Einfluss auf das “individuelle“ Handeln haben. Eine tatsächliche Individualisierung, das Ausbrechen aus der eigenen Klasse und sozialen Lage, ist im bourdieuschen Sinne in der Industriegesellschaft nicht möglich. So teilt er die Gesellschaft in folgende Klassen ein:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Klassenstruktur nach Pierre Bourdieu (Hradil 2006: 265)

Der Industriearbeiter, mit geringem sozialem, ökonomischem und kulturellem Kapital befindet sich in dieser Einteilung an der untersten Stelle der Klassenordnung während der Prozessplaner dem exekutiven Kleinbürgertum angehörig ist (vgl. Abb. 2). Statistiken zufolge bildet die Gruppe der Arbeiter im Jahr 1950 mit 71% die Mehrheit unter allen Erwerbstätigen. Ihnen folgen die Angestellten mit ca. 23% und Beamte mit knapp 6% Anteil (vgl. Leisewitz 1977: 79).

Die in den 1960ern aufkeimende Bildungsdebatte um den Mangel an qualifizierten Nachwuchskräften (vgl. Picht 1964) trägt dazu bei, das Stabilitätsmuster des Lebens in der Industriegesellschaft aufzulösen. Weitere Ursachen des Zerfalls der traditionellen Industriegesellschaft kommen aus allen denkbaren Bereichen: Der von Fourastié (1954) bereits vorausgesehene Wandel zur postindustriellen bzw. Dienstleistungsgesellschaft setzt mit dem Höhepunkt des Wirtschaftswachstums in den Jahren ab 1970 ein. Die von wissenschaftlichem Management geprägten Betriebe stoßen an ihre technischen, ökonomischen, ökologischen und sozialen Grenzen. Auf Massenproduktion eingestellte, unflexible Produktionsschienen können nur mühsam auf produktbezogene Neuerungen oder Verbesserungen umgestellt werden. Der Markt an in Massenproduktion hergestellten Gütern (bspw. weiße Ware, Haushaltsgeräte und Automobile) ist weitestgehend gesättigt und das Konsumverhalten der Kunden beginnt sich in Richtung der Individualisierung zu verändern. Ökonomisch stoßen die Unternehmen an ihre Grenzen als der Rohstoff Öl im Zuge der Ölkrisen der Jahre 1973 und 1978 knapper und teurer wird - was wiederum die Produktionskosten in die Höhe treibt. Als Auswirkungen der Massenproduktion drohen ökologische Schwierigkeiten durch erhöhte Umweltverschmutzung. Der 1972 erschienene Bericht “Grenzen des Wachstums“ von Meadows et al. formuliert - im Rahmen des wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Denkerzirkels “Club of Rome“ - Warnungen hinsichtlich der Lage der Menschheit. Demzufolge würden Wirtschaft und Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr bald an ihre Grenzen stoßen, sollten Weltpopulation, Industrialisierung, Verschmutzung der Umwelt, Lebensmittelproduktion und Verschwendung von natürlichen Ressourcen unverändert zunehmen. Als einzigen Ausweg sehen die Verfasser die Entfaltung der Industriearbeit, also die Arbeit an der Entwicklung einer ökologischen und wirtschaftlichen Balance (vgl. Meadows et al. 1992: 10).

2.3 Dienstleistungsgesellschaft

Die Weichen für den Wandel von der Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft sind somit gestellt. Die standardisierte Massenproduktion existiert auch in der postfordistischen Gesellschaft weiter, allerdings hauptsächlich in Produktions­unternehmen mit flexiblen Prozessen. Technische Fortschritte ermöglichen die „kundenorientierte Produktion der Zukunft“ (Davis 1987). Diese flexible Massenproduktion nach individuellen Kundenwünschen ergibt finanzielle Entlastungen in den Kostenbereichen der Lagerung, Entwicklung und Marktforschung bei gleichzeitiger Erfüllung der Kundenpräferenzen. Neue Wirtschaftsbereiche entstehen. Während der Anteil an Erwerbstätigen in Betrieben des sekundären Sektors von 1970 bis 1990 um 10 Prozentpunkte auf 35% sinkt, steigt im selben Zeitraum der Anteil der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor um insgesamt 14 Prozentpunkte auf 60% an (vgl. Destatis 2009: 7).

Durch den verstärkten Einsatz neuer Technologien im Produktionsbereich werden Arbeitskräfte freigesetzt, wobei die vielen ungelernten Arbeiter nicht vollständig im Dienstleistungssektor eingesetzt werden können. In Folge dessen kippt auch die in der Industriegesellschaft verfolgte Vollbeschäftigungspolitik: während zu Beginn der Industriegesellschaft ein Arbeiter noch über 3.600 Stunden im Jahr arbeitet, liegt im Zuge des Wandels zur modernen Industriegesellschaft seine effektive Arbeitszeit im Jahr 1989 bei ca. 1.600 Stunden. Die Arbeitslosigkeit steigt auf ein vergleichsweise hohes Niveau an: 1989 entstehen durch sie Kosten von rund 59 Milliarden DM (vgl. Glaser 1991: 48). Die Arbeit in der Dienstleistungsgesellschaft ist, im Gegensatz zur Epoche der Industriegesellschaft, nicht mehr intensiv an räumliche und soziale Strukturen gebunden. Auch die strikte Trennung von Planungs- und Ausführungsaufgaben löst sich vom Prozess der Arbeit. Vielmehr verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben durch neue Arbeitsformen und -anforderungen, die einen Wechsel von der Hand- zur Kopfarbeit bedingen. Projektbasiertes und vernetztes Arbeiten stehen im Vordergrund der Erwerbsarbeit in dieser Gesellschaft. Steigende Engagement- und Leistungsansprüche werden mit Weiterbildung und Verantwortlichkeiten kompensiert (vgl. Heidenreich/Zirra 2012: 325f.). Der Definition von Bell (1985) zufolge, bildet in der Dienstleistungsgesellschaft das theoretische Wissen, also die Kopfarbeit, die zentrale „Quelle von Innovationen und [den, Anm. d. Verf.] Ausgangspunkt der gesellschaftlich­politischen Programmatik“ (ebd.: 31).

Die neue wirtschaftliche Situation beeinflusst auch die gesellschaftliche Situation. In “Der neue Geist des Kapitalismus“ beschreiben Boltanski und Chiapello (2007) die Auswirkungen der Entwicklungen. Durch die Analyse von Managementliteratur der 1960er und der 1990er Jahre zeigen sie die Kritik am Kapitalismus und dessen Neuordnung sowie Auswirkungen auf das Managementmodell der Unternehmen auf. So stellen sie fest, dass in den 1990er Jahren vor allem die Schlagwörter „Kreativität, Reaktivität und Flexibilität“ (ebd.: 134) als Anreize für das Engagement der Arbeitnehmer dienen und sich Unternehmen von einem geschlossenen System hin zu einer netzwerk- und projektbasierten Arbeit öffnen.

War die Generation der Industriegesellschaft noch von Bourdieus (1987) Klassifizierung geprägt, so kann nun auch die Dienstleistungsgesellschaft segmentiert werden. Jedoch lassen sich die Angehörigen der Dienstleistungsgesellschaft nicht mehr so einfach anhand ihres kulturellen, sozialen und ökonomischen Kapitals in Berufs- und Schichtklassen einteilen. Mit der Zunahme des Bedürfnisses nach Individualität - welches die bourdieusche Klassentheorie nicht ausreichend berücksichtigt - dem Rückgang der effektiven Arbeitszeit und der somit zunehmenden Flexibilisierung der Erwerbsarbeit, entwickelt sich eine Vielzahl von sozialen Milieus. Diese lassen sich sowohl horizontal als auch vertikal, über Schichtgrenzen hinweg verorten.

Einen ersten Ansatz entwickelt Schulze (1993) mit der Einteilung der Gesellschaft in die sogenannte “Erlebnisgesellschaft“. Hierbei unterscheidet er, anhand differenzierter „innenorientierte(r) Lebensauffassungen“ (ebd.: 54) folgende Milieus: Harmoniemilieu (ältere Arbeiter und Rentner), Integrationsmilieu (mittlere Angestellte und Beamte), Niveaumilieu (Akademiker und Pädagogen), Selbstverwirklichungsmilieu (Studenten) und Unterhaltungsmilieu (jüngere Arbeiter). Jedes Milieu grenzt sich von den anderen anhand einer Vielzahl von Faktoren ab. Beispielhaft genannt seien an dieser Stelle die

Faktoren Manifestation in der Alltagserfahrung, Präferenzen, Distanzierungen und Bedeutungen in der Alltagsästhetik (vgl. Schulze 1993: 54). Anders als bei Bourdieu und Schulze werden im Jahr 2004 in die gesellschaftliche Verortung grundlegende Wertorientierungen sowie Alltagseinstellungen gegenüber Arbeit, Familie, Freizeit, Geld und Konsum mit einbezogen. Im Rahmen der SINUS-Studie veröffentlicht Sinus Sociovision die erforschten sozialen Milieus in Deutschland (vgl. Abb. 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Die Sinus-Milieus® in Deutschland 2007. Soziale Lage und Grundorientierung (Sinus Sociovision 2007)

Die Abbildung verdeutlicht die Zunahme der Klassifizierung durch Veränderung sowie die Tatsache, dass die Struktur der Gesellschaft nach der Industriegesellschaft immer weniger in präzisen, einfachen Schemata abgebildet werden kann. Sie differenziert sich zahlreicher und heterogener aus und ist nur schwer zu fassen.

Die den Erfolg der Dienstleistungsgesellschaft erlebende Generation, aufgewachsen in der Nachkriegszeit, wird in der Literatur als auch die ‘Baby Boomer‘ bzw. ‘Generation X‘ betitelt. Funktionalismus und die starke Betonung der Vernunft, sowohl im Arbeits- als auch im Privatleben charakterisieren diese Gesellschaft, sodass Arbeit meist ohne große Emotionalität als zu absolvierende Pflicht angesehen wird (vgl. Parment 2009: 22f.).

2.4 Wissensgesellschaft

Innerhalb der modernen Arbeitswelt bildet sich die Wissensgesellschaft als eine Dimension aus. Ihre Einmaligkeit beschreibt Drucker (1996) wie folgt: „Es ist die erste Gesellschaft, in der gewöhnliche Menschen - und das heißt die meisten Menschen - ihr tägliches Brot nicht im Schweiße ihres Angesichts verdienen. Es ist die erste Gesellschaft, in der »ehrliche Arbeit« nicht bedeutet, Schwielen an den Händen zu haben. Es ist ebenso die erste Gesellschaft, in der nichtjeder die gleiche Arbeit macht, wie es der Fall war, als die riesige Mehrheit der Menschen in der Landwirtschaft beschäftigt war oder, wie sich vor dreißig oder vierzig Jahren vermuten ließ, »Maschinenführer« werden wollte.“ (ebd.: 208).

Modernes, wissensbasiertes Arbeiten stellt neue Herausforderungen an die Arbeiter. Theoretisches Wissen muss angeeignet, angewendet und permanent aktualisiert, also in Gang gehalten werden - ein starker Kontrast zu den routinierten, schnell erlernbaren Arbeitsvorgängen im industriellen Arbeiten (vgl. Drucker 1996: 205f.).

Trotzdem kann mittlerweile nicht mehr nur von wissensbasiertem Arbeiten im Sinne von Bell (1985) mit dem Aspekt auf Innovation, Forschung und Entwicklung gesprochen werden. Hierfür hat sich die Dienstleistungsgesellschaft seit ihrem Erfolg zu stark ausdifferenziert. Sie erlebt eine Strukturveränderung von den haushaltsnahen zu unternehmensnahen Dienstleistungen. Während beispielsweise der Anteil der Position “Anbauen, Züchten, Hegen, Ernten, Fischen“ von 1996 bis 2008 rückläufig ist, nimmt der Anteil der Bereiche “Werben, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit/Public Relations“ und “Beraten, Informieren“ zu (vgl. Abb. 4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Erwerbstätige nach der schwerpunktmäßig ausgeübten Tätigkeit. Veränderung 2007 gegenüber 1996 (Destatis 2010: 539)

Innerhalb der Wissensgesellschaft entwickeln sich also auch innovative Beschäftigungsformen mit flexiblen Karrieren, Arbeitsbedingungen und -Verhältnissen. An die Stelle von autonom handelnden Großunternehmen treten zeitweise bestehende und innovative Kommunikationsnetze zwischen Unternehmen (vgl. Baethge/Wilkens 2001). Der Aspekt der überbetrieblichen Netzwerke und Weiterbildung innerhalb aller Geschäftsbereiche gewinnt mit der Entwicklung der Arbeitswelt an Bedeutung und baut Bells‘ (1985) Sicht auf die Wissensgesellschaft als Verbindung von Wissenschaft und Technologie weiter aus. Der Arbeitnehmer kann aus dieser Perspektive betrachtet, als „verbetrieblichter Abeitskraftunternehmer“ (Pongratz/Voß 2004: 26) gesehen werden. War die Arbeit im Fordismus noch stark von geregelten Abläufen und Kontrollmechanismen geprägt, nehmen „Reduzierung von Kontrolle“ (ebd.: 23) und „Förderung von Selbstorganisation“ (ebd.) im Rahmen der Wissensgesellschaft und dem neuen Kapitalismus einen festen Platz in vielen Tätigkeitsbereichen ein.

Der Aspekt der Sicherstellung der Leistungserbringung verschiebt sich zunehmend in den Bereich der Mitarbeiter, die somit zu Unternehmern ihrer eigenen Arbeitskraft werden und diese vermarkten sowie produzieren müssen. Diese Entwicklung führt zur immer stärkeren Entgrenzung der in der Industriegesellschaft noch voneinander getrennten Lebensbereiche Arbeit und Privatleben (vgl. Pongratz/Voß 2004: 24ff.). Besonders offensichtlich verändert sich die Arbeitszeit in Richtung Flexibilisierung. Der auffälligste Trend hierbei ist die Ausarbeitung und Anwendung verschiedener Arbeitszeitregelungen und Flexibilisierungsinstrumente. Darunter fallen zum Beispiel die befristete Arbeit, Gleitzeit, Langzeitkonten, Teilzeitarbeit und Zeitguthaben für Blockfreizeiten bzw. Sabbaticals (vgl. Hielscher 2000: 55). Vom Einsatz der Flexibilisierungsinstrumente profitieren dabei beide Seiten. Arbeitnehmer können ihr Privat- und Arbeitsleben flexibler und individueller gestalten, während Arbeitgeber die Möglichkeit haben, „ihre Kapazitäten auszulasten, Marktschwankungen elastisch aufzufangen und durch die Vermeidung von Zuschlägen Kosten zu senken“ (Pongratz/Voß 2004: 104).

Auch mit dieser Entwicklung treten erneut gesellschaftliche Veränderungen ein. Die Generation X befindet sich allmählich im Rentenalter und wird von ihren Kindern, der in den Jahren um 1980 geborenen Generation Y, in den Unternehmen abgelöst. Diese ist stark beeinflusst durch die Trends des 21.Jahrhunderts - Globalisierung, demographischer Wandel, neue Technologien, wirtschaftlicher Strukturwandel - und entwickelt sich zunehmend schneller. Sie differenziert und distanziert sich immer stärker von ehemaligen Gesellschaftsbildern. Vor allem charakterisiert ein deutlich emotionsbasiertes Verhalten diese Generation. Die Generation Y möchte die Dinge machen, die Spaß machen - ohne pures Vernunftdenken. Diese Einstellung gilt sowohl für das Privat- als auch für das Arbeitsleben (vgl. Parment 2009: 24). Während die Eltern Arbeit also noch als Pflicht empfinden, stehen die Erwartungen der Generation ihrer Kinder im Kontrast dazu: „Sie will gerne in verschiedenen Ländern, Branchen und Firmen arbeiten, und hat so ein eher konsumorientiertes Verhältnis zur Arbeit. Es geht ihr darum, die Jahre, Wochen, Tage und Stunden der Arbeit mit Erlebnissen zu füllen - auf diese Weise kann man das meiste von dem, was das Leben bietet, genießen.“ (ebd.: 28). Trotzdem spielt das Sicherheitsbedürfnis für die Generation Y eine große Rolle. Zwischen den Jahren 2002 und 2012 hat sich ein Selbstständigen-Anteil von 10 bis 11 Prozent aus der Summe aller Erwerbstätigen eingependelt. 90% der Erwerbstätigen - es istjedoch zu berücksichtigen, dass hier auch die Generation X miteinbezogen ist - zieht es vor, Arbeitnehmer zu sein (vgl. Destatis 2013). In Anbetracht des demographischen Wandels kann es sich die Generation Y in der Wissensgesellschaft tatsächlich erlauben, neue Anforderungen an ihre Arbeitgeber zu stellen. Und sie wagt es. So hat das Manager-Barometer 2012 im Rahmen einer Befragung der obersten Personalverantwortlichen in 500 Unternehmen folgendes ergeben: Führungsverantwortung wird weniger gern übernommen, konservative Werte werden eher abgelehnt und vor allem hat die Bereitschaft, berufliche Ziele über private Belange zu stellen, deutlich abgenommen (vgl. OB 2013: 26). Eine ausgeglichene Work Life Balance wird immer wichtiger. Mehr als 12% der derzeit aufgewendeten Erwerbsarbeit soll, den Präferenzen der Befragten zufolge, in Zukunft zugunsten der privaten Lebensbereiche sinken (vgl. ebd.: 2). Auf das Konzept der Work Life Balance wird im nachfolgenden Abschnitt konkreter eingegangen. An dieser Stelle sei noch einmal der Bogen zu den Arbeitnehmern in der Industriegesellschaft gespannt: Vom Mensch als Mittel (Punkt.) hat sich der Arbeitnehmer im zeitlichen Verlauf zum Mensch als Mittelpunkt entwickelt.

«3· Der Begriff der Work Life Balance

Kapitel 3 gibt eine allgemeine Definition des Begriffs der Work Life Balance. Was beinhaltet das Konzept und sind Work und Life als voneinander getrennt existierend zu verstehen? Weiter beantwortet das Kapitel die Fragen nach Maßnahmen von Work Life Balance-Konzepten in der Theorie, sowie deren Effekte. “Der Begriff der Work Life Balance“ bildet den theoretischen Bezugsrahmen für die Ergebnisse der Analyse des öffentlichen Diskurses zum Thema.

3.1 Definition von Work Life Balance

Der Begriff der Work Life Balance ist facettenreich und kann nicht in einer einheitlichen Definition wiedergegeben werden. Die einzelnen Wörter in die deutsche Sprache übersetzt bedeuten: Arbeit - Leben - Ausgeglichenheit (vgl. Michalk/Nieder 2007: 21). Michalk und Nieder zufolge sind sowohl das Privatleben, als auch das Arbeitsleben gleichwertige Bereiche des Alltagslebens von Individuen. Um den Zustand der Ausgewogenheit zu erreichen, und damit auch psychischen und physischen Krankheiten vorzubeugen, bedarf es der Vereinbarkeit beider Lebensbereiche im Spannungsfeld (vgl. ebd.).

Kästner (2004) schlägt vor, „die Balance nicht nur auf den Ausgleich von Arbeits- und Privatleben zu beziehen, sondern auf das Austarieren von belastenden und erholenden Aktivitäten in beiden Handlungsbereichen“ (ebd.: 3). In einem von Kastner konzipierten Vier-Felder-Schema (vgl. Abb. 5) werden die Handlungsbereiche Arbeits- und Privatleben um jeweils die Faktoren Belastung/Beanspruchung sowie Erholung/Entspannung ergänzt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Beanspruchung / Entspannung im Arbeits- und Privatbereich (Kastner 2004: 2)

Während die Bereiche A und D die Stereotype “Arbeit bedeutet Belastung“ und “freie Zeit ist Entspannung“ bedienen, bilden die Bereiche B und C den Gegenpart dazu. Dem Modell zufolge ist es durchaus auch möglich, dass Teile des Arbeitslebens als entspannend, und Teile des Privatlebens als belastend empfunden werden.

Ein treffendes Beispiel dafür stellt manche berufstätige Mutter dar. Während sie ihr Beruf (A) stark einnimmt und beansprucht, bietet er ihr doch erholsame Produktivität und Abwechslung (B) zum Privatleben. Denn dieses birgt zwar trotz erholsamen Urlaubstagen und arbeitsfreien Wochenenden (D) Herausforderungen in Form von Putzen, Kochen, Kinder versorgen und weiteres (C) (vgl. Kastner 2004: 3). Arbeits- und Privatwelt sind demnach nicht eindeutig voneinander zu trennen und Work Life Balance lässt sich also nicht als eine Waage verstehen, auf der Arbeitsleben und Privatleben auf jeweils der anderen Seite sitzen und ausbalanciert werden müssen.

Vielmehr kann Work Life Balance also bildlich als eine Wippe verstanden werden, bei der darauf geachtet wird, dass die Belastungen und Erholungen bzw. Ressourcen des Arbeits- und Privatlebens möglichst im Gleichgewicht sind (vgl. Abb. 6).

Diese Ansicht wird von der Work Life Balance-Definition des Wirtschaftsforschungs­und Beratungsunternehmen Prognos (2005) unterstützt: „Work-Life-Balance bedeutet eine neue, intelligente Verzahnung von Arbeits- und Privatleben vor dem Hintergrund einer veränderten und sich dynamisch verändernden Arbeits- und Lebenswelt.“ (ebd.: 1)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Belastungen und Ressourcen in Balance (nach Kastner 2004: 37f)

Auch Dettling (2004) beschreibt Work Life Balance als Instrument das eine neue Balance zwischen Arbeit und Leben schaffen kann. Dabei steht im Fokus, wie ein „Leben, das seine Erfüllung in beiden Dimensionen sucht und findet“ (ebd.: 12) ermöglicht werden kann. Diese Perspektive wird unterstützt von Hannah Arendt, die bereits 1987 in “Vita activa“ das tätige Leben des Menschen behandelt. In ihrem Werk schreibt sie dem Leben drei Grundtätigkeiten zu: Arbeit, Herstellen und Handeln. Um die Vollständigkeit der Existenz des Lebens, das Am-Leben-bleiben zu sichern, ist jede dieser Tätigkeiten notwendigerweise vom Menschen auszuüben.

[...]

Ende der Leseprobe aus 86 Seiten

Details

Titel
Work Life Balance in der Presse
Untertitel
Eine Analyse des öffentlichen Diskurses zum Thema
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg  (Institut für Erziehungswissenschaften)
Note
1,8
Autor
Jahr
2013
Seiten
86
Katalognummer
V263094
ISBN (eBook)
9783656517337
ISBN (Buch)
9783656517344
Dateigröße
3937 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Cultural Engineering: Kulturwissenschaft, Wissensmanagement, Logistik Verteidigung: 1,7 Was den Dozenten fehlte (mir im Nachhinein auch): Zum Schluss das Aufdecken der Machtstrukturen - warum gehen FAZ und brand eins so mit dem Thema um, was versuchen sie zu verhindern bzw. wie versuchen sie, ihr Publikum zu steuern - und warum?
Schlagworte
Work Life Balance, WLB, Diskurs, Diskursanalyse, FAZ, brand eins, Jäger, Foucault, Strukturwandel
Arbeit zitieren
Hanna Berthold (Autor:in), 2013, Work Life Balance in der Presse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263094

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