Herrschaftsarchitektur. Albert Speers Reichsparteitagsgelände, Neue Reichskanzlei und die Pläne für "Germania"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

13 Seiten


Leseprobe


Inhaltsangabe

Einleitung
Vorwort
RepräsentativArchitektur im Nationalsozialismus

Baubeispiele
Reichsparteitagsgelände Nürnberg
Die Neue Reichskanzlei
„Germania“

Analyse
Formgebung
Architektur als manipulatives Mittel
architektonische superlativen

Anhang
Literatur
Abbildungen

Einleitung

Vorwort

„Gefordert war lediglich das Übermaß. Hitler wollte durch riesige Proportionen das Volk beeindrucken, auch einschüchtern und auf diese Weise seine Herrschaft und die seiner Nachfolger psychologisch sichern. Ideologie wurde in der Aufgabenstellung sichtbar, nicht aber am Stil.“[1]

Albert Speer formuliert so das architektonische Programm, das seinen Bauwerken zugrunde lag. Adolf Hitler hatte dem Architekten im Juni 1934 nach dem Tod Paul Ludwig Troosts das Amt des „ersten Baumeisters“ verliehen. Speer sollte in Zukunft den offiziellen Baustil für Repräsentativbauten prägen. Dem Parteitagsgelände in Nürnberg, seinem ersten Projekt in Hitlers Auftrag, folgte der Bau der Neuen Reichskanzlei in Berlin und schließlich die Planungen für die neue Welthauptstadt „Germania“, für die Speer von Hitler zum Generalbauinspektor für Berlin (GBI) ernannt worden war.

Diese Arbeit wird die stilistischen Eigenheiten der oft mit „nationalsozialistischer Architektur“ gleichgesetzten Bauweise Speers in prägnanter Kürze anhand dieser drei Hauptwerke skizzieren.

RepräsentativArchitektur im Nationalsozialismus

Die Architektur nahm während des Nationalsozialismus vor der Malerei und Bildhauerei eine zentrale, politisch zu nennende Rolle ein: „Jede große Zeit findet ihren abschließenden Wertausdruck in ihren Bauwerken“[2] Hitler meinte hiermit die staatlichen Repräsentativbauten – sie sollten die Größe und den deutschen Geist des neuen Reiches widerspiegeln.[3] Er legte so großen Wert auf sie, dass die benötigten Geldmittel keinerlei Rolle bei der Planung spielten. Neben dem Repräsentationswert war ihre Haltbarkeit von Bedeutung, da sie die Dauer des dritten tausendjährigen Reiches möglichst gut überstehen sollten. Man zog massive Konstruktionen Stahlkonstruktionen vor und benutzte für die meisten Bauten Natursteine wie nordischen Kalkstein.[4] Diese Materialien waren zwar die kostspieligsten, aber zugleich die den Umwelteinflüssen gegenüber am resistentesten und konnten als „ursprünglich deutsch“ propagiert werden. Da die Steine aufgrund der monumentalen Größe der geplanten Gebäude in riesigen Massen zur Verfügung stehen mussten, gab es bei der Generalbauinspektion, der Speer vorstand, ein spezielles Referat „Natursteine“, das sich um den Import des begehrten Baumaterials aus Frankreich und Skandinavien kümmerte. In der Propaganda wollte man sich durch das Hervorheben der massiven Bauweise auch vom „Neuen Bauen“ der Weimarer Republik und ihrer „Neuen Sachlichkeit“ abgrenzen. Dabei war der Naturstein nicht nur im Nationalsozialismus ein bevorzugtes Baumittel.[5] Ein praktischer Grund für die Massivbauweise war auch der 1936 vorgestellte 4-Jahres-Plan, der die Unabhängigkeit von Importen proklamierte – so wurde das geringe Eisenerzvorkommen vor allem für die Rüstungsindustrie verwendet.[6]

Speer wahrte zumindest oberflächlich die NS-Handwerksideologie und das zeitlose Aussehen der Gebäude. So wurde die Technik zwar nicht negiert, musste aber unsichtbar bleiben. Beispiele hierfür werden bei der Beschreibung der Reichskanzlei genannt werden. Im "Spiegel" schreibt Mathias Schreiber treffend: "Diese seltsam widersprüchliche Verbindung von kulturpolitisch-propagandistischer Modernität und Sehnsucht nach einer vormodernen ‚Ordnung’ der Formen ist typisch für die ganze NS-Ästhetik. Das Pathos aus alten Tagen kostümiert modernste Bautechnik - so verfuhr schon Bayernkönig Ludwig II. bei Schloss Neuschwanstein."[7] Waren Stahlkonstruktionen notwendig, wurden sie meist kaschiert. Eine Ausnahme bildete der Plan für den neuen Südbahnhof Germanias mit seiner Stahl-Glas-Fassade, den Speer später selbst als angenehme Auflockerung des Stadtbildes im Kontrast zur Monotonie der anderen bombastischen Steinblöcke lobte - wäre er denn umgesetzt worden (Abb. 19).

Die Dimensionen der von Hitler maßgeblich beeinflussten Speerschen Bauten waren monumental, verloren oft ihren Bezug zum menschlichen Maßstab. Insofern spiegelte die Maßlosigkeit der Architektur die Maßlosigkeit des Regimes wieder. Riesige Räume und Plätze waren charakteristisch. Die scheinbare Überlegenheit und Kraft der Nationalsozialisten sollte überzeugend dargestellt werden und diente zugleich der psychologischen Beeindruckung und Unterwerfung.

Baubeispiele

Reichsparteitagsgelände Nürnberg

Joseph Goebbels war auf den jungen Architekten Speer aufmerksam geworden und hatte ihn mit der Dekoration für eine Parteiversammlung in Berlin-Tempelhof betraut. Nach erfolgreich vollendeter Aufgabe empfahl er ihn Hitler, der ihm daraufhin die Gestaltung des Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg überließ. Gebraucht wurde ein Areal für etwa eine Million Anhänger, die auf riesigen Anlagen und Plätzen aufmarschieren und formiert werden konnten. Die Bautätigkeit begann 1934, endete aber vorzeitig 1939 bei Kriegsausbruch. Das unfertige Gelände wurde 1938 zuletzt für das Propagandaspektakel "Reichsparteitag Großdeutschland" genutzt. Das Parteigelände bestand im großen und ganzen aus vier Komplexen: dem Märzfeld, dem Zeppelinfeld, der Kongresshalle und der Luitpoldarena (Abb. 2). Die deutsche Arena, eine Hälfte des Märzfeldes und Teile der Kongresshalle wurden jedoch nie realisiert. Komplett vollendet wurde also nur das Zeppelinfeld mit der Zuschauertribüne und die Luitpoldarena, welche jedoch nach 1945 abgerissen wurde. Die Bauwerke waren axial um die Große Straße angeordnet. Hierdurch ergaben sich zwei Effekte: Zum einen genügend Platz für das Marschieren von hunderttausenden Menschen, zum anderen die psychologische Unterstützung des erhebenden Gefühl des Einzelnen, ein Teil der überlebensgroßen Bewegung zu sein.

Das Zeppelinfeld, ein Aufmarschplatz für Parteifunktionäre, schloss sich an eine steinerne, 390 Meter lange Tribüne an.(Abb. 3) Der strenge Bau mit seinen unornamentierten, glatten Flächen umfasste die vor der Tribüne marschierenden Menschenblöcke, in deren quadratischen Blöcken sich die Architektur scheinbar wiederholte.(Abb. 4) „Die aufmarschierten, formierten und uniformierten Menschenmassen waren Bestandteil der nationalsozialistischen Architektur, die sie umrahmte und durch die die gelenkte Masse ihre versteinerte Versinnbildlichung erfuhr.“[8] Tagsüber wurden zwischen den Pfeilerkollonaden rote Hakenkreuzfahnen aufgehängt, nachts wurden die Parteianhänger von einem Lichtdom aus sechs bis acht Kilometer emporleuchtenden Scheinwerfern umgeben, den Speer für diesen Zweck entwickelt hatte.(Abb. 5)

Das Märzfeld befand sich am südlichen Ende der Anlage (Abb. 6). Es diente als Vorführstätte für Kampfübungen der Wehrmacht. Eine 14 Meter hohe Tribüne, die von 38 Türmen gegliedert wurde, umfasste den fast 1 km langen Platz. Die Tribüne wurde unterbrochen von einer mittig platzierten Ehrentribüne mit einer 60 Meter hohen Kolossalfigur. Hitler, welcher aufgrund der Größe der Anlage völlig in ihr untergegangen wäre, sollte von der Skulptur gewissermaßen vertreten werden. Wie auch beim Zeppelinfeld ersichtlich, hat die Architektur hier einen unterwerfenden Charakter. Beim Märzfeld wird hierzu die Architektur der Festungsanlage umgedeutet: Zugleich soll die Macht des Systems nach außen veranschaulicht und die Menschenmengen im Innern vereinnahmt werden.[9] Das Märzfeld wurde von der 2 km langen, 80 m breiten und von beidseitigen Stehtribünen umfassten „Großen Straße“ mit dem Rest der Anlage verbunden. Diese Hauptachse zeigte im Süden auf die Burg der Altstadt Nürnbergs. Sie überquerte den Dutzendteich und endete dort auf dem Vorplatz der Kongresshalle, welche einen Durchmesser von etwa 300 Metern hat. Als einzigstes Gebäude hatte sie nicht Albert Speer, sondern Ludwig und Franz Ruff nach dem Vorbild des Kolosseums geplant. Das hufeisenförmige „größte Stadion der Welt“, so die nationalsozialistische Propaganda, wurde nie realisiert. Es war für 400.000 Menschen konzipiert und hätte nationalsozialistischen Kampfspielen gedient. Mit 540 Metern Länge und 100 Metern Höhe wäre es der größte Bau des Reichsparteitaggeländes gewesen. Die heute nicht mehr vorhandene Luitpoldarena war wie die anderen Bauwerke auch mit einer Rednertribüne und Zuschauerrängen ausgestattet. Sie diente vor allem den Totengedenken der SA und SS.

[...]


[1] Speer: Spandauer Tagebücher S. 202.

[2] Lane S. 179. (Zitiert aus: Max Domarus, Hg.: Hitler: Reden und Proklamationen 1932-1945. Würzburg 1962, I, S. 778.)

[3] Obwohl ich mich an dieser Stelle ausschließlich mit der von Hitler bevorzugten und von Speer umgesetzten Monumentalarchitektur beschäftige, soll nicht außer Acht gelassen werden, dass es noch einige andere „nationalsozialistische“ Architekturströmungen gab. Die von Hitler an Speer in Auftrag gegebenen Gebäude stellten nur einen Bruchteil der Bauproduktion des dritten Reichs dar: Nicht Hitler, sondern die Hitlerjugend unter Schirach und Leys Arbeitsfront vergaben die meisten Aufträge. Trotzdem blieb Speers Baustil als typisch „nationalsozialistisch“ haften, da er an bedeutenden Gebäuden zu finden war und dem persönlichen Geschmack Hitlers entsprach, also als direkte Manifestation des Diktators gesehen werden kann. Siehe Kapitel „Formgebung“

[4] Beispiele einiger Natursteinbauten: Das Haus der Deutschen Kunst (Troost), Ehrentempel mit Führerbau in München Troost), Neue Reichskanzlei, Reichsparteigelände in Nürnberg, für „Germania“ geplante Bauten am großen Platz und den Achsen

[5] Naturstein wurde sowohl vorher als auch in anderen Ländern als bevorzugtes kostbares Baumaterial für Repräsentativbauten angesehen. Die Verwendung des Materials ist keine Erfindung der Nationalsozialisten, also kein „deutsches Bauen“, wie es propagiert wurde. In der Weimarer Republik verwendete man ihn für Bauten „höheren Ranges“ wie zum Beispiel Museumsbauten. (Vgl. hierzu Paul Bonatz: Leben und Bauen. Stuttgart 1950, S. 141.) Dies gilt auch für andere Länder, darunter die USA, Frankreich, Finnland Russland (z.B. Petersburger Botschaft von 1911/12). Vgl. hierzu den Aufsatz von Olssen in „Speer: Architektur“. Siehe Kapitel „Formgebung“

[6] Albert Speer im Januar 1937: „Die erfolgreiche Durchführung des Vierjahresplanes bedingt in ganz besonderem Maße die Mitwirkung des Architekten. Es gilt für ihn mitzuhelfen an der Aufgabe, alle Baustoffe nach Möglichkeit auszuschalten, deren Rohmaterialien wir aus dem Auslande beziehen und vorläufig für dringlichere Zwecke verwenden müssen.“ (Albert Speer, Stein statt Eisen, in: Der Vierjahresplan, 1, 1937, S.135 ff.)

[7] Mathias Schreiber: „Ein Hauch von Todesnähe“, Spiegel 25/2001.

[8] Petsch S. 94.

[9] Vgl. Petsch S. 95

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Herrschaftsarchitektur. Albert Speers Reichsparteitagsgelände, Neue Reichskanzlei und die Pläne für "Germania"
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Kunsthistorisches Institut)
Veranstaltung
Idealstädte
Autor
Jahr
2004
Seiten
13
Katalognummer
V26288
ISBN (eBook)
9783638286763
Dateigröße
502 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aus urheberrechtlichen Gründen fehlt der Abbildungsteil. Die genannten Abbildungen sind aber ohne Probleme im Internet zu finden.
Schlagworte
Herrschaftsarchitektur, Albert, Speers, Reichsparteitagsgelände, Neue, Reichskanzlei, Pläne, Germania, Idealstädte
Arbeit zitieren
Anna Klissouras (Autor:in), 2004, Herrschaftsarchitektur. Albert Speers Reichsparteitagsgelände, Neue Reichskanzlei und die Pläne für "Germania", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26288

Kommentare

  • Gast am 10.5.2005

    Reichskanzlei.

    Zum Thema Reichskanzlei wird in den nächsten Tagen eine DVD erscheinen. Ein kleines Team hat in monatelanger Arbeit die Neue Reichskanzlei quasi am Computer wieder neu aufgebaut:
    www.neue-reichskanzlei.de

Blick ins Buch
Titel: Herrschaftsarchitektur. Albert Speers Reichsparteitagsgelände, Neue Reichskanzlei und die Pläne für "Germania"



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