Der Richter und der Teufel. Teufelserzählungen im Mittelalter


Seminararbeit, 2013

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Stricker

3. Stoffgeschichte

4. Der Richter und der Teufel

5. Deutungsaspekte

6. Zusammenfassung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Einem korrupten Richter begegnet eines Tages der als reicher Mann verkleidete Teufel und erklärt ihm, dass er auf dem Wege zum Markt sei, um alles mit sich zu nehmen, was man ihm mit vollem Ernste zuspreche. Der Richter verlangt trotz der Warnung des Teufels, ihn begleiten und bei seinem Tun zusehen zu dürfen. In der Stadt treffen die zuerst auf eine Frau, die ein widerspenstiges Schwein zum Teufel wünscht. Der Teufel lehnt jedoch ab, das Schwein mit sich zu nehmen, da die Verwünschung nicht ernst gemeint gewesen sei. Dasselbe wiederholt sich mit einem Rind und mit einem ungehorsamen Kind. Schließlich tritt eine arme Witwe auf die beiden zu, verflucht den Richter, weil er ihr ihre einzige Kuh nahm, und wünscht, dass ihn der Teufel hole. Dieser Wunsch ist ernst gemeint, und so führt der Teufel vor aller Augen den Richter durch die Lüfte davon[1].

Diese Arbeit entstand im Zuge des Proseminars der älteren deutschen Literatur „Teufelserzählungen im Mittelalter“ und umfasst den Forschungsstand zu der Verserzählung „Der Richter und der Teufel“ vom Stricker.

Da eine umfassende Interpretation und Analyse dieses Werks, den geplanten Umfang dieser Arbeit sprengen würde, wird in diesem Fall keine eigens formulierte Forschungsfrage gestellt, sondern lediglich der Forschungsstand zu diesem Werk ausgearbeitet und nach Möglichkeit in einen Diskurs gestellt.

Zunächst wird die Person „Der Stricker“ kurz beleuchtet hinsichtlich Herkunft, Hintergrund und Werk. Weiter wird auf die Stoffgeschichte von „Der Richter und der Teufel“ nach Lutz Röhrich eingegangen. Danach folgt eine Inhaltsangabe gekoppelt mit der besonderen Erzählweise des Strickers sowie aussagekräftigen Textpassagen. Gefolgt von den Deutungsaspekten des Werks vor allem die Zeichnung des gesetzestreuen Teufels basierend auf Darstellungen im Alten Testament sowie einer Zusammenfassung.

Dazu werden die aktuellsten Beiträge der Forschung herangezogen sowie Textpassagen aus dem Werk. Als Primärtext wird „Der Stricker: Erzählungen, Fabeln, Reden. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Otfrid Ehrismann. Stuttgart: Reclam 2011, S. 149-161.“ verwendet.

2. Der Stricker

Der Stricker gilt unter den Forschern als einer der facettenreichsten[2] Dichter. Die Lebenszeugnisse sind reichhaltig, auch wenn sich Forscher nur langsam herantasten können, da sich die meisten Belege zu seinen privaten Verhältnissen, in seinen Texten wiederfinden, aber zwischen Fiktion und Realität nicht unterschieden werden kann. Der Stricker ist der erste deutsche namentlich bekannte Märendichter. Nach einer Forschungsmeinung stellt er eine Schlüsselfigur in der ganzen Frühepoche dar. Er wird in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts eingeordnet und Forscher vermuten, dass er zwischen 1220 und 1250 gedichtet hat. Der Mensch hinter dem Stricker schien sich nicht auf ein bestimmtes Genre festlegen zu wollen, wodurch nach Böhm sehr unterschiedliche Werke von ihm überliefert sind: ein Heldenepos, einen Artusroman, einen Schwankzyklus, ein Frauenpreisgedicht, viele moralisch-didaktische Kleindichtungen, zahlreiche geistliche Lehren, einige Gebete und unterhaltsame Erzählungen[3]. Nach der Definition von Fischer, gibt es 16 erhaltene Mären, die zum größeren Teil dem schwankhaften, zum kleineren dem exemplarischen Genre, wobei das höfische nicht vertreten ist, angehören[4]. Der Stricker ist dazu anderen Autoren dieser Zeit bekannt, u.a. Rudolf von Enns. Dazu fällt er in dieselbe Kategorie wie David von Augsburg oder Berthold von Regensburg, die mit ihren Reden Menschen mitreißen konnten. Die geistlichen Reden des Strickers nahmen Partei für die Amtskirche und die Landesherrschaft[5]. Der Stricker stellte sich aber auch mit seinem dichterischen Werk zwischen Tradition und Innovation[6]. Aufgrund seiner Mundart aus dem rheinfränkischen Gebiet kam, er soll aber auch im Gebiet des heutigen Österreichs gewesen sein. Dies belegen einige Ortsanspielungen in seinen Texten. So soll zB der „Daniel“ 1215/20 in der Heimat des Strickers am Rhein entstanden sein, sein „Karl“ 1220/30 in Regensburg. Beide Epen im Auftrag des Bayernherzogs Ludwig I. Nach dessen Tod 1231 soll der Stricker sein Brot bei Herzog Friedrich II. von Österreich gefunden haben. Ab 1236 schließlich nahm er die landesfürstliche Pfarre Rastenfeld an, auf der er die Mehrzahl seiner kleineren Dichtungen verfasste. Die häufigen Ortswechsel und die Diskontinuität im Werk des Strickers, untermauern die Annahme des Berufsdichters, da jeder Herr an jedem neuen Ort andere Ansprüche an den Stricker stellte[7]. Dies zeigt auch seine Bildung, die diese neue Schicht der Literaten formte: eine gute literarische und insbesondere auch theologische Bildung, legen einen Besuch einer Klosterschule nahe, nicht minder wegen der Lateinkenntnisse des Strickers. Aber auch der Wagemut und Selbstsicherheit in den Texten für die sich wandelnden literarischen Interessen und Ansprüche des Publikums[8]. Alle weiteren Informationen sind primär Vermutungen und Theorien anhand seines Gesamtwerkes, welche über die Jahre von den Forschern in diesem Bereich aufgestellt wurden. So soll der Stricker ein sehr religiöser Mensch gewesen sein, der aufrichtig Anteil an seinen Mitmenschen nahm und sie so zu ihrem Besten belehren wollte. Allerdings scheint er auch gelegentlich in Texten eine eindeutige Lehre zu verweigern und Schabernack mit den Lesern zu treiben. Allerdings kann man dies auch auf die stark veränderte Leseperspektive von heute zurückführen, dass aus manchen Texten keine eindeutige Lehre mehr herauszulesen ist. Zudem gibt es große Uneinigkeit zwischen den Forschern, so dass kein allgemein anerkanntes Dichterprofil vom Stricker existiert[9]. Ein Teil seines Werkes befasst sich intensiv mit einer Vielzahl von Bildern und Vergleichen zum Teufel. Dies stellt eines der Anliegen des Strickers dar: die Warnung vor dem schlechten, übelgesinnten Ratgeber. Der Teufel wird als falscher, auf das Unheil der Menschen gerichteter Berater vorgeführt, der in Form von Einflüsterung und Verheißungen versucht, Einfluss auf die Christen zu nehmen. Der Teufel hat beim Stricker einen hohen Anteil an der Sündhaftigkeit der Menschen, allerdings stellt der Stricker ebenfalls klar, dass es letzten Endes der Mensch selbst ist, der sich zwischen Gott und Teufel, für sein Seelenheil und gegen das Laster entscheidet[10]. Bei den Mären von Stricker, hat sich ebenfalls die Frage gebildet, ob er eine gewisse Vorlage für seine Erzählungen bzw. ob er französische Fabilaux ins Deutsche übertragen hatte. Dies ist nach Grubmüller allerdings nicht haltbar. Es gibt zwar Exempel und eine Reihe motivverwandter Texte, an denen sich der Stricker orientierte, allerdings gibt es zu vielen Erzählungen keine Zeugnisse, daher kann kein schriftliches Quellenverhältnis zu älteren Texten festgestellt werden[11].

3. Stoffgeschichte

Zu der Erzählung „Der Richter und der Teufel“ wurden über die Jahre zirka dreißig literarische und volkstümliche Varianten nachgewiesen. Die älteste und gleichzeitig auch Höhepunkt dieser Märe, stellt die des Strickers dar[12]. Die Verserzählung gehört mit zu den besten des Strickers. Der exemplarisch-belehrende Charakter der Geschichte tritt zurück hinter einem anschaulich-lebendigen Erzählen. Der Unterschied bei den nachfolgenden Versionen ist, dass der Stricker seine Erzählung nicht lokalisiert und somit eine universelle Gültigkeit ausdrückt. Ein weiterer Unterschied im Stoff ist, die Anzahl der Episoden. Beim Stricker ereignen sich vier Episoden, bei den nachfolgenden Versionen sind es nur drei oder weniger. Weiter sind es in allen Episoden des Strickers Frauen, die den Fluch aussprechen. Es schwingt eine moralpädagogische Absicht des Dichters mit, da der Stricker schon in anderen Erzählungen das Verwünschen und unbedachte Fluchen und Schimpfen, als eine Frauensünde kennzeichnet[13].

Eine parallel entstandene Version ist die des Caesarius von Heisterbach allerdings auf Latein.

Es lassen sich insgesamt vier Untertypen der Erzählung „Der Richter und der Teufel“ voneinander trennen, sie unterscheiden sich in:

a.) Anzahl der beteiligten Haupt- und Nebenpersonen
b.) Motivbestand, besonders in Zahl und Reihenfolge der Szenen

Diese vier Untertypen werden durch folgende Fassungen repräsentiert:

- das maere des Strickers: vier Episoden (Motiv-Reihenfolge: Schwein - Rind - Kind -Richter)
- Caesarius von Heisterbach und seine Nachfolger in der Exempla-Literatur: drei Episoden (Motiv-Reihenfolge: Schwein - Kind - Advokat)
- Johannes Pauli und die ihm folgenden Buchvarianten: drei Episoden (umgestellte, unlogische Motiv-Reihenfolge: Kind - Schwein - Stadtknecht) sowie soziale Umwertung des Teufels
- Hans Sachs: Kurzfassung mit nur zwei Episoden (Motiv-Reihenfolge: Kind - Prokurator)[14]

[...]


[1] Fischer, Hanns: Studien zur deutschen Märendichtung. 2., durchges. u. erw. Aufl. Besorgt von Johannes Janota. Tübingen: Niemeyer 1983, S. 52. Zusammenfassung: Der Stricker ‚Der Richter und der Teufel‘ (FS Nr. 17) (224 Verse)

[2] Böhm, Sabine: Der Stricker - Ein Dichterprofil anhand seines Gesamtwerkes. Frankfurt/Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien: Peter Land GmbH 1995, S. 11. (=Europäische Hochschulschriften, Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur, Bd. 1530)

[3] Ebd. S. 11.

[4] Fischer (1983): S. 145.

[5] Der Stricker: Erzählungen, Fabeln, Reden. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Otfrid Ehrismann. Stuttgart: Reclam 2011, S. 263.

[6] Ebd. S. 264.

[7] Fischer (1983): S. 147-148.

[8] Ebd. S. 146-147.

[9] Böhm (1995): S. 11-12.

[10] Ebd. S. 28.

[11] Grubmüller, Klaus: Zum Verhältnis von ‚Stricker-Märe‘ und Fabliau. In: González, Emilio; Millet, Victor (Hrsg.): Die Kleinepik des Strickers. Texte, Gattungstraditionen und Interpretationsprobleme. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2006, S. 178.

[12] Röhrich, Lutz (Hrsg.): Erzählungen des späten Mittelalters und ihr Weiterleben in Literatur und Volksdichtung bis zur Gegenwart. Sagen, Märchen, Exempel und Schwänke mit einem Kommentar herausgegeben von Lutz Röhrich. Band 2. Bern, München: Francke Verlag 1967, S. 461-462.

[13] Ebd. S. 462.

[14] Ebd. S. 465.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Der Richter und der Teufel. Teufelserzählungen im Mittelalter
Hochschule
Universität Wien  (Germanistik)
Veranstaltung
Proseminar Ältere deutsche Literatur
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
20
Katalognummer
V262741
ISBN (eBook)
9783656514305
ISBN (Buch)
9783656514060
Dateigröße
621 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
richter, teufel, teufelserzählungen, mittelalter
Arbeit zitieren
Daniela Ammann (Autor:in), 2013, Der Richter und der Teufel. Teufelserzählungen im Mittelalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262741

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Richter und der Teufel. Teufelserzählungen im Mittelalter



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden