Sozialprofil und Leitbilder der deutschen Wirtschaftselite


Seminararbeit, 2012

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Elite

3 Sozialprofil
3.1 Demographie
3.1.1 Alterstruktur
3.1.2 Konfession
3.1.3 Familienstatus
3.2 Herkunft
3.3 Lehrjahre und Ausbildung
3.4 Religion

4 Leitbilder
4.1 Werte
4.1.1 Humanitätswerte
4.1.2 Akzeptanzwerte
4.1.3 Authentizitätswerte
4.1.4 Soziale Werte
4.1.5 Ökonomische Werte
4.1.6 Erziehung
4.2 Moral und Ethik

5 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Wenn man die Deutschen fragt, vor welchen Berufen sie am meisten Achtung haben stehen auf den ersten Plätzen seit Jahren Feuerwehrmänner, Kranken-/Altenpfleger oder Polizisten. Unternehmer sind auf Platz 16 und Manager gar nur auf Platz 25. Nach der Lehmanpleite im Jahr 2008 und der darauf folgenden unsicheren Wirtschaftslage hat ihr Ansehen noch einmal deutlich nachgelassen1. Doch wer sind diese Wirtschaftseliten wirklich, die das Schicksal von so vielen Menschen in der Hand haben? Sind sie so skrupellos und abgehoben wie sie in der Presse oft dargestellt werden? Menschen für die Profit und der nächste Bonus das einzige ist was zählt? Ackermann mit seinem berühmten „Victory-Zeichen“ vor dem Verhandlungsbeginn im Mannesmannprozess oder sein Vorgänger Hilmar Kopper, das Sparvolumen der vielen Kleinanleger seiner Bank als „Peanuts“ bezeichnete, prägen den öffentlichen Eindruck. Diese leichtfertigen Gesten werden von den Deutschen oft als Sinnbild für das Selbstverständnis dieser Bevölkerungsschicht genommen und lässt sie somit in einem schlechten Licht erscheinen.2 Thomas Middelhoff, der ehemaliger Manager des Kaufhauskonzerns Arcandor bekam, nachdem er das Unternehmen in die Insolvenz geführt hatte, noch eine Abfindung in Höhe von 2,3 Millionen Euro. Eine Abfindung, die in keiner Weise im Verhältnis zu der erbrachten Leistung steht. Ebenso Georg Funke, der ehemaliger Chef der Hypo Real Estate. Dieser ging sogar vor Gericht um seine Ansprüche auf Gehalt und Pension durchzusetzen, obwohl er eine milliardenschwere Insolvenz zu verantworten hatte.3 Man mag sich angesichts dieser zahlreichen Verstöße deutscher Topmanager gegen das vorherrschende Grundverständnis von Moral fragen, ob diese in den oberen Managementebenen überhaupt noch eine Rolle spielt.

Wer die deutsche Wirtschaftelite wirklich ist, ihre Sozialisation, ihre Werte und Leitbilder, soll in dieser Arbeit beschrieben werden.

2 Elite

Elite bedeutet allgemein:

(..) soviel wie „Auslese“

eine Minderheit, die jene Personen umfasst, die in einzelnen Bereichen, wie z.B. Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport, eine herausragende Stellung einnehmen (...)4

Diese Definition bietet noch keine eindeutige Konnotation des Begriffs der Elite. Es bedarf also einer weiteren Eingrenzung. Der Begriff der Wirtschaftselite leistet solch eine Eingrenzung bezüglich Personen, die in der Wirtschaft „herausragende Stellungen“ einnehmen. Die Wirtschaftselite sollte im Optimalfall der sogenannten funktionalen Elite zuzurechen sein. Diese hat aufgrund ihrer besonderen Fähigkeiten oder Leistungen Spitzenpositionen inne, die es ihr ermöglichen über das System in dem sie agieren hinaus ihren Einfluss geltend zu machen.5 Dass die Spitzenmanager der deutschen Wirtschaftselite ihre einflussreichen Positionen nicht allein wegen ihrer überdurchschnittlichen Leistung und Fähigkeiten innehaben, wird im Verlauf der Arbeit gezeigt.

3 Sozialprofil

Um tiefer in die Thematik einzudringen ist zunächst eine weitere Begriffsdefinition notwendig, die an dieser Stelle gegeben werden soll. Unter Sozialprofil versteht man:

(..), die Zusammenstellung soziologisch wichtiger Merkmale einer

Personenkategorie wie z.B. Herkunft, Altersaufbau und Ausbildung der Beamtenschaft.6

3.1 Demographie

3.1.1 Alterstruktur

Das durchschnittliche Alter der deutschen Spitzenmanager hat sich in den letzten 40 Jahren nicht sehr verändert. Es ist mit 56,6 Jahren im internationalen Vergleich eher etwas höher angesiedelt. Die einfachen Vorstandsmitglieder sind etwas jünger, die Vorsitzenden und persönlich haftenden Gesellschafter etwas älter7. Somit korreliert das Alter in den Vorstandsetagen positiv mit der Verantwortung, die die jeweilige Position mit sich bringt.

3.1.2 Konfession

Mit 78% gehört eine überwältigende Mehrheit der deutschen Konzernlenker einer christlichen Religion an, hiervon sind wiederum fast zwei Drittel evangelisch oder freikirchlich. Dieser hohe Anteil ist vor allem vor dem Hintergrund interessant, dass im Gesamtbevölkerungsdurchschnitt nur ca. ein Drittel protestantisch oder freikirchlich ist. Dementsprechend sind Katholiken und Konfessionslose in den Führungsetagen deutlich unterrepräsentiert. Noch stärker ist der protestantische Anteil in den Elternhäusern der Spitzenmanager. 66% der deutschen Wirtschaftselite ist in einem stark protestantisch geprägten Elternhaus aufgewachsen. Der hohe Anteil an Protestanten ist vermutlich darin begründet, dass sie historisch gesehen ihrer Natur nach offener gegenüber Reformen waren und dadurch wirtschaftlich prosperierten. Durch die daraus folgende soziale Besserstellung war ihnen der Zugang zu wichtigen wirtschaftlichen Positionen erleichtert8.

3.1.3 Familienstatus

Die deutschen Wirtschaftseliten sind Familienmenschen im klassischen Sinne. 92% von ihnen sind verheiratet und 85% haben Kinder, 30% sogar mehr als drei. Darüber hinaus ist die Scheidungsrate sehr gering. Ein intaktes Privatleben, so ist der Grundtenor, ist Vorraussetzung für gute Leistungen am Arbeitsplatz9.

3.2 Herkunft

Der größte Teil der deutschen Manager ist in Klein- und Mittelstädten aufgewachsen. Hier ist eine Entwicklung weg von den Großstädten zu erkennen, die früher der größte Rekrutierungspool für Führungspersönlichkeiten waren. Außerdem kommt mit über 25% ein immer größer werdender Anteil aus ländlichen Regionen. Der Herkunftsort ist vor allem in Verbindung mit der Ausbildung interessant. So ist festzustellen, dass Manager aus ländlichen Gegenden eher eine praktische Ausbildung wählten, wohingegen solche aus urbaneren Regionen theoretischere bevorzugten. Somit ist auch der Anteil der Studierten unter den Großstädtern am höchsten. Sie stellen auch den größten Anteil an Juristen unter den Managern, wohingegen im dörflichen Milieu die meisten Wirtschaftswissenschaftler zu finden sind10.

Auch die soziale Herkunft spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle. So haben beispielsweise unter den Promovierten diejenigen aus dem gehobenen Bürgertum eine 50% höhere und aus dem Großbürgertum eine 100% höher Chance in die obersten Führungsetagen der Unternehmen aufzusteigen, als Manager aus der Arbeiterklasse oder der Mittelschicht. Des Weiteren nimmt die Bedeutung der sozialen Herkunft über den Betrachtungszeitraum von 1955 bis 1975 konstant zu. Aufgeschlüsselt nach den Berufen der Eltern ist ebenfalls ein klarer Trend zu erkennen. Kinder deren Eltern untere Angestellte bzw. Beamte oder kleine Selbstständige waren, hatten über die Jahre 1955 bis 1975 trotz Promotion eine immer schlechtere Chance in die obersten Führungsetagen aufzusteigen.11 Nachkommen aus Unternehmerfamilien hingegen, hatten immer bessere Chancen auf eine Karriere bis nach ganz oben. Von 1955 bis 1965 hat sich die Anzahl von Spitzenunternehmern, deren Eltern Großunternehmer waren, verdoppelt und ist selbst nach einem kleinen Rückgang im Jahr 1975 immer noch deutlich höher als 1955. Im Jahr 2000 kamen 18% der Spitzenmanager aus einer Unternehmerfamilie. Dies wird nur noch von Söhnen und Töchtern, deren Vater leitender Angestellter war, übertroffen. Sie stellen 20% der Spitzenmanager. Allgemein ist festzustellen, dass zwei Drittel der Väter einen Beruf ausübten, der im wirtschaftsnahen Bereich zu verorten ist.12 Im Zeitraum von 2002 bis 2006 sind in Deutschland 11 der 30 Vorstände aus den DAX-Unternehmen neu besetzt worden. Hierbei kamen 10 aus gehobenem Bürger- oder Großbürgertum. Nur Klaus Kleinfeld, der neue Siemensvorstand, war Sohn eines Ingenieurs, der wiederum in jungen Jahren noch einfacher Arbeiter war. Viele der anderen hatten Väter, die ebenfalls Vorstände waren, teilweise sogar im selben Unternehmen.13 Somit kann man hier fast von oligarchischen Elitestrukturen sprechen, also einer Elite, die selbst bestimmt wer dazugehört und wer nicht.14

3.3 Lehrjahre und Ausbildung

Die Bedeutung einer allgemeinen Hochschulreife für eine Karriere bis in die Führungsetagen hat über die letzten Jahre stetig zugenommen. 85% der deutschen Spitzenmanager haben ein Gymnasium oder eine andere höhere Schulausbildung genossen, im Bevölkerungsdurchschnitt hingegen nur 22%. Auf eine Volks- oder Hauptschule sind nur 3% gegangen, ohne Schulabschluss ist keiner. Erwähnenswert ist noch der hohe Stellenwert, den Topmanager der Lehre einräumen. Viele schätzen sie als eine Zeit in der sie viele praktische Erfahrungen sammeln konnten, sowie Eigenverantwortung und Selbstständigkeit erlernten. Ein Drittel der Topmanager machte eine Lehre.15

Neben Abitur und Lehre ist das Studium ein zentraler Eckstein in den Lehrjahren eines Spitzenmanagers. 82% von ihnen hat einen universitären Abschluss und ca. 50% haben darüber hinaus noch promoviert. Obwohl angesichts der bloßen biografischen Daten der Eindruck entstehen kann, die Topmanager hätten ihre Karriere alle sorgfältig geplant, ist dies keineswegs der Fall. Viele wussten nach dem Abitur noch nicht wo sie das Leben hinführen würde und trafen ihre Studiumswahl nach dem Ausschlussverfahren oder folgten Empfehlungen nahestehender Personen. Schlussendlich entschied sich mit 28% ein Großteil für ein Studium der Wirtschaftswissenschaften. Mit 18% fiel die Wahl am zweithäufigsten auf ein Ingenieursstudium, dicht gefolgt von Jura mit 16%. Dies war nicht immer so. In den 60er waren die Juristen eine der einflussreichsten Gruppen in deutschen Vorständen.16 Mit 18% hat eine beachtlich hohe Zahl der deutschen Führungspersönlichkeiten kein Studium abgeschlossen, dieser Trend ist jedoch rückläufig. Geistes- und Sozialwissenschaftler sind eher selten in deutschen Vorständen und Aufsichträten anzutreffen.17

Die Bedeutung der Promotion hat über die letzten 60 Jahre deutlich zugenommen.

Besonders bei den Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften ist die Zahl der Promotionen stark angestiegen. So hat sie sich bei den Wirtschaftswissenschaftlern von 500 in den 50er Jahren, auf ca. tausend im Jahre 2002 verdoppelt. Noch stärker ist diese Entwicklung bei den Ingenieuren zu beobachten. Hier haben sich die Promotionszahlen von 1953 bis 2002 von ca. 500 auf über 2000 vervierfacht. Bei den Juristen ist die Zahl der Promotionen lange Zeit konstant geblieben. Erst ab den 70er Jahren war ein rapider Anstieg zu beobachten, so dass sich die Promotionen innerhalb von 10 Jahren nahezu verdoppelten.18 Somit hat inzwischen ca. die Hälfte der deutschen Spitzenmanager promoviert.19

Wie bereits angedeutet, war der Weg der meisten Führungskräfte keineswegs ein gradliniger. Ungefähr ein Drittel hat bewusst verschiedene Berufe ausprobiert. 15% haben sich über die Wehrdienstpflicht hinaus als Reserveoffiziere ausbilden lassen und konnten so schon früh das Führen von Menschen erlernen. Ebenfalls 15% blieben nach dem Studium noch eine Weile an der Universität und arbeiteten als wissenschaftliche Hilfskraft. Hierbei hatten einige durchaus die Absicht, zu habilitieren. 10% der Spitzenmanager haben sich eine Zeit lang in der Politik versucht, ihr dann aber wieder den Rücken gekehrt. Als Grund wurde häufig die mangelnde Möglichkeit etwas zu verändern oder etwas Konkretes zu schaffen genannt.20

Mit 52% hat mehr als die Hälfte der deutschen Spitzenmanager schon in jungen Jahren Auslandserfahrungen gesammelt. Sie lernten hierbei früh sich auf neue Situationen einzustellen und sich anzupassen. Ein Manager der Studie von Buß führt hierauf seine große Mobilitätsbereitschaft zurück, ein anderer sieht seine Offenheit gegenüber anderen Kulturen in seinen frühen Auslandserfahrungen begründet.21

3.4 Religion

Zwei Drittel der deutschen Wirtschaftselite ist überzeugt, dass in deutschen Vorständen religiöse Grundsätze eine Rolle spielen.

[...]


1 vgl. Forsa (2011), S.17

2 vgl. Pinnow (2007), S.10

3 vgl. Dettmar (2012), S.76f

4 Voigt / Mertens (1997), S.127

5 vgl. Voigt / Mertens (1997) S.128

6 Wienold (2007), S.611

7 vgl. Buß (2007), S.26f

8 vgl. Buß (2007), S.22ff

9 vgl. Buß (2007), S. 25f

10 vgl. Buß (2007), S.27ff

11 vgl. Hartmann (2002), S.81ff

12 vgl. Buß (2007), S.16f

13 vgl. Hartmann (2006), S.447

14 vgl. Voigt / Mertens (1997), S.128

15 vgl. Buß (2007), S.30ff

16 vgl. Hartmann (2006), S.446

17 vgl. Buß (2007), S.33ff

18 vgl. Hartmann (2002), S.55

19 vgl. Buß (2007), S.36

20 vgl. Buß (2007), S.87ff

21 vgl. Buß (2007), S.101

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Sozialprofil und Leitbilder der deutschen Wirtschaftselite
Hochschule
Universität Hohenheim  (Soziologie und empirische Sozialforschung)
Veranstaltung
Moderne Unternehmensführung
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
16
Katalognummer
V262715
ISBN (eBook)
9783656516170
ISBN (Buch)
9783656516279
Dateigröße
397 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
soialprofil, leitbilder, wirtschaftselite
Arbeit zitieren
Jens Walter (Autor:in), 2012, Sozialprofil und Leitbilder der deutschen Wirtschaftselite, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262715

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