Vortrag: Nationalismus und Gewalt in Deutschland

Vom Einheitsdenken zum aggressiven Ausschluss


Fachbuch, 2012

12 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Nationalismus und Gewalt in Deutschland

Vortrag, gehalten am 04.12.2012 (an der Ada und Theodor Lessing Volkshochschule Hannover)

Jens Ihnen, Sozialpsychologe (M.A.)

Zusammenfassende Einleitung

Nicht nur die 2011 in die Schlagzeilen geratenen gezielten Morde des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) sondern auch die Realität beständiger Gewalt in den sogenannten „National befreiten Zonen“ zeigen die düstere Seite eines aggressiven Nationalismus in Deutschland. Im Unterschied dazu scheint im alltäglichen Leben der meisten Deutschen der Bezug zur eigenen Nation allenfalls eine sehr zwiegespaltene - keinesfalls als ausgrenzend oder gar zur Gewalt neigend wahrgenommene – Rolle zu spielen. Ansteigende Zustimmungswerte, die in neueren Studien zu Patriotismus und Nationalstolz in Deutschland ausgewiesen werden und politische Interventionen zum selben Thema scheinen ebenfalls nichts mit aggressiver Abgrenzung von anderen Menschen zu tun zu haben.

Psychologisch betrachtet stehen positive Vorstellungen einer nationalen Eigengruppe der Abwertung von Anderen bis hin zur Feindschaft allerdings um einiges näher. Dieser Vortrag führt in die psychosozialen Grundlagen von Nationalismus sowie nationalistischer Gewaltäußerung ein und zeigt Verbindungslinien zwischen den Vorstellungen von ‚normaler‘ nationaler Identität und Ausgrenzung auf.

Nationalismus und Gewalt in Deutschland

Ich möchte mich heute einem sehr kontrovers diskutierten Thema nähern, dass in Deutschland immer wieder für erheblichen Zündstoff sorgt: Nationalismus und Gewalt.

Dabei könnte schon der Titel des Vortrages für einiges an Ressentiments sorgen, werden doch diese beiden Themen im öffentlichen Diskurs häufig auseinandergedacht bzw. –geredet.

In Deutschland scheint es ein sehr weit verbreitetes beständig unterschwellig gärendes Bedürfnis zu geben, dass regelmäßig mit in etwa der Formulierung „Aber es muss doch in diesem Land wieder möglich sein,…“ beginnt. Dieses Bedürfnis hat schon so einige berühmt bzw. berüchtigt gewordene Reden bzw. öffentliche Diskussionen/Debatten angeregt. Ich erwähne nur als ein Beispiel die Walser-Bubis-Debatte.

Häufig sind diese Fragmente vollkommen berechtigt über die Theorie des sekundären Antisemitismus interpretiert worden, als Teil eines projektiven Entschuldungsdiskurses im Rahmen eines Antisemitismus nicht trotz sondern eben wegen Auschwitz. Es gibt allerdings einen weiteren Rahmen solcher Äußerungen, der über den Antisemitismus hinausgeht und bei dem wir uns fragen müssen, was unser Verhältnis zur Nation eigentlich ausmacht und warum eine spezifische Komponente dieses Verhältnisses immer wieder zur angesprochenen teilweise äußerst emotional geführten Debatte dazukommt. Warum wird die eigene Nation versucht auf jede erdenkliche Weise in erster Linie rein und frei von Schuld zu halten?

Was lädt jede Debatte um Patriotismus und Nationalismus so stark affektiv auf?

Was lässt das Ressentiment in offene Gewalt umschlagen?

Zu den emotionalen, den psychischen Grundlagen der Verbindung zwischen Individuen und Nation in Deutschland werde ich einiges sagen, allerdings erst nach einer etwas aktuelleren Bestandsaufnahme zu Gewalt und ausgrenzenden Einstellungen in Deutschland.

1. Kurze Bestandsaufnahme

Basis der Annahmen zu Nationalismus und Gewalt in Deutschland sollen einige Beispiele und Zahlen bilden. Die ab 2011 aufgedeckten Aktionen der rechtsradikalen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), die damit in Verbindung stehenden Morde und Bomben-Anschläge aber auch die ‚Ermittlungsfehler und –pannen‘ die langsam an die Öffentlichkeit gelangen, werden allgemein weitgehend verurteilt. Ausnahmen bilden hier tatsächlich nur die ebenfalls am rechten Rand des politischen Spektrums zu findenden AktivistInnen. So wurden zum Beispiel von den Rechtsrockbands „Eichenlaub“ und „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“ Solidaritätssongs für die Nazi-Terroristen veröffentlicht. Auch andere ‚Größen‘ der Nazi-Musikszene zeigten ihre Solidarität mit dem Trio (unbenommen der Tatsache, dass die tatsächliche Größe der Gruppe bis heute nicht vollkommen sicher feststeht) und sammelten unter anderem Spendengelder nach deren Untertauchen.

Anders sieht es bei einem größeren Teil der deutschen Bevölkerung aus. Offen werden Rassismen, Sexismen und andere auf ausgrenzenden Stereotypien basierende Zuschreibungen zumeist abgelehnt. Eine Ausnahme bildet hier der Antiislamismus, der auch für überzeugte Demokraten bzw. gerade für diese unproblematisch zu sein scheint.

Aber wer bezeichnet sich schon als RassistIn? Verwendet mensch Begriffe wie „Rassismus“, „Sexismus“, „Nationalismus“ bei entsprechenden Umfragen oder zu ideologischen Zwecken nicht, dann sehen die Zustimmungswerte zu den Inhalten der entsprechenden Vorurteilssysteme schon anders aus. Dazu kommen wir noch.

Ein Beispiel weniger expliziter Artikulation von Ressentiments bzw. rechter Ideologie könnte der folgende Selbstdarstellungstext einer „seit 1951 unabhängigen und nonkonformen“ deutschen Monatszeitschrift sein:

„Nation & Europa

Deutsche Monatshefte

Hatte nie auf Neuschrieb umgestellt!

Grundsätze der Zeitschrift:

Unabhängig - Nonkonform - Seit 1951.

„Wir sind überparteilich. Aber wir ergreifen Partei.

Für ein einiges Deutschland in einem Europa freier Völker und für den Nationalstaat als bewährtes Ordnungsprinzip.

Gegen einen EU-Vielvölkerstaat mit zentralistischem Kommissariat in Brüssel als Vorstufe zur „One World“.

Für die Beibehaltung der nationalen Kompetenz in den wesentlichen Fragen der Volksexistenz wie Währung und Verteidigung.

Gegen den Ausverkauf nationaler Lebensinteressen und den Verzicht auf demokratische Selbstbestimmung.

Für eine wirtschaftliche und soziale Solidargemeinschaft des Volksganzen und für die nationale Präferenz auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Vortrag: Nationalismus und Gewalt in Deutschland
Untertitel
Vom Einheitsdenken zum aggressiven Ausschluss
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
12
Katalognummer
V262560
ISBN (eBook)
9783656516125
ISBN (Buch)
9783656516217
Dateigröße
549 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nationalismus, Gewalt, Identität, Ausgrenzung
Arbeit zitieren
Jens Ihnen (Autor:in), 2012, Vortrag: Nationalismus und Gewalt in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262560

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