Ist die regionale Zweiteilung der gesetzlichen Rentenversicherung noch zeitgemäß?


Seminararbeit, 2013

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


II. Gliederung

1. Einleitung

2. Die Unterschiede der Rentenberechnung in den neuen Bundesländern - Analyse und Diskussion
2.1 Teilhabe- und Beitragsäquivalenz als Effizienzmaß
2.2 Der Status-quo der Rentenberechnung
2.3 Lohnkonvergenz als zentrale Annahme der unterschiedlichen Berechnung
2.4 Beurteilung der unterschiedlichen Berechnungen
2.4.1 Rentenwert
2.4.2 Entgelthochwertung
2.4.3 Bemessungsgrenze
2.4.4 Ein Beispiel zur Verdeutlichung der Problematik der unterschiedlichen Berechnungen

3. Reformvorschläge zur Schaffung einer einheitlichen Rentenberechnung
3.1 Verschiedene Reformkonzepte
3.2 Der Vorschlag des Sachverständigenrats
3.3 Zur Bewertung des Vorschlags

4. Fazit

I. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Über 20 Jahre nach Vollendung der Deutschen Einheit liegen der Rentenberechnung immer noch unterschiedliche Berechnungsmethoden zu Grunde. Die aktuelle Bundesregierung hat ihn ihrem Koalitionsvertrag vereinbart (Koalitionsvertrag 2009), eine einheitliche Rentenberechnung für das gesamte Bundesgebiet einzuführen. Ein Vorhaben, das bisher nicht umgesetzt wurde (Ruland 2012: 488).

Ziel dieser Arbeit ist es, die Konzeption der regionalen Teilung der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und die grundsätzlichen Annahmen hinter dieser Konzeption darzulegen und anschließend zu diskutieren. Es soll erläutert werden, mit welchen Zielsetzungen die unterschiedlichen Arten der Rentenberechnung zu Stande kamen und welche Konzepte und Annahmen dahinter stehen. Abschließend soll bewertet werden, ob eine regionale Teilung der GRV noch zu rechtfertigen ist und wie der Übergang in eine einheitliche Rentenberechnung aussehen kann.

Zunächst werden die Ausgestaltung der regionalen Teilung und die dahinter stehende Motivation des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) erläutert, sowie die Kriterien der Teilhabe- und Beitragsäquivalenz als Bewertungsmaßstäbe eingeführt.

Im Folgenden wird sowohl die zentrale Annahme der Lohnkonvergenz, die die Konzeption des Rentenüberleitungsgesetzes begründet kritisch hinterfragt, bevor die drei wesentlichen Modifizierungen der Rentenberechnung in den neuen Bundesländern und deren Veränderungen seit Inkrafttreten des RÜG 1992, der Rentenwert, die Entgeltumrechnung zur Ermittlung der Entgeltpunkte sowie die Beitragsbemessungsgrenze vor dem Hintergrund der Diskussion der Annahme der Lohnkonvergenz diskutiert werden.

Abschließend werden verschiedene Reformoptionen zur Einführung einer einheitlichen Rentenberechnung vorgestellt, wobei genauer auf den Vorschlag des Sachverständigenrats eingegangen wird. Dieser Vorschlag soll abschließend kurz diskutiert werden.

2. Die Unterschiede der Rentenberechnung in den neuen Bundesländern - Analyse und Diskussion

2.1 Teilhabe- und Beitragsäquivalenz als Effizienzmaß

Zur Bewertung der Effizienz von Rentenversicherungsleistungen werden grundsätzlich die Maße der Beitrags- sowie der Teilhabeäquivalenz zu Rate gezogen. Das Prinzip der Teilhabeäquivalenz ist dabei weitestgehend deckungsgleich mit dem Prinzip der Beitragsäquivalenz (Sachverständigenrat 2008: 366).

Der Teilhabeäquivalenz zufolge sind die Rentenleistungen zweier Versicherter, die im selben Jahr geboren wurden und gleichzeitig in Rente gehen proportional zu den jeweils gezahlten Beiträgen. Wenn also ein Versicherter ein doppelt so hohes Einkommen hatte als ein zweiter Versicherter, so ist auch seine Rente doppelt so hoch wie die des Zweiten (Breyer 2009: 84). Die Einkommensposition eines Rentners soll im Rentengefüge also der Position im Gehaltsgefüge entsprechen, die er als Arbeitnehmer inne hatte (Ragnitz 2012: 17).

Das Prinzip der Beitragsäquivalenz besagt, dass gleich hohe Beiträge im Ergebnis auch zu gleich hohen Rentenanwartschaften führen müssen. Die Rendite der Rentenbeiträge soll also für alle Versicherten gleich sein (Sachverständigenrat 2008: 366).

Dass beide Prinzipien durch die Modifizierungen der Rentenberechnung massiv verletzt werden wird im Folgenden noch gezeigt werden.

2.2 Der Status-quo der Rentenberechnung

Zunächst soll der Blick nun auf die aktuelle Berechnungspraxis der Rentenleistungen in den neuen Bundesländern gerichtet werden. Es empfiehlt sich, sich die Grundsätze der Rentenberechnung in Deutschland in Erinnerung zu rufen.

Grundsätzlich wird die Höhe der Gesetzlichen Rentenversicherung durch zwei Faktoren bestimmt: Den individuellen Entgeltpunkten eines Versicherten und dem aktuellen Rentenwert (Rische 2008: 3). Zur Berechnung der Entgeltpunkte wird das beitragspflichtige Entgelt mit dem Durchschnittsentgelt aller Versicherten verglichen. Ist das individuelle Entgelt mit dem durchschnittlichen Entgelt identisch, so erhält der Versicherte einen Entgeltpunkt. Verdient ein Versicherter beispielsweise 75 v.H. des Durchschnittsentgelts, so erhält er 0,75 Entgeltpunkte (Börsch-Supan et al 2010: 18). Dadurch spiegeln die Entgeltpunkte die individuelle Einkommensposition des Versicherten im Laufe seines Erwerbslebens wider (Rische 2008: 3). Der aktuelle Rentenwert bemisst den monetären Wert eines Entgeltpunkts (Fichte 2011: 24), also den Betrag, der einem Beitragszahler pro erworbenen Endgeltpunkt zusteht. Er wird jährlich an die Entwicklung der Entgelte angepasst1 und spiegelt so das gewünschte Rentenniveau im Verhältnis zu den Löhnen und Gehältern wider (Rische 2008: 3).

Der individuelle Rentenanspruch (P) berechnet sich demnach vereinfacht ausgedrückt aus der Summe der addierten Entgeltpunkte (EP), multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert (ARW) (Börsch-Supan et al 2010: 18):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die wesentlichen Rechengrößen dieser hier sehr grundsätzlich gehaltenen Form der Rentenberechnung2 wurden beim Beitritt der neuen Länder für diese aus verschiedenen Gründen modifiziert und werden abweichend von den Größen in den alten Bundesländern berechnet. Die Grundlage dafür liefert das Renten Überleitungsgesetz (RÜG) von 1992, dass das SGB VI auch auf die Versicherten in den neuen Ländern anwenden soll (Ruland 2012: 482).

Die wesentlichen Modifikationen zeigen sich in den Faktoren Rentenwert und einem Umrechnungsfaktor zur Ermittlung der Entgeltpunkte.

Damit die Rentner in den neuen Bundesländern am erwarteten Lohnanstieg im Beitrittsgebiet, der aufgrund des wirtschaftlichen Aufholprozesses stärker ausfiel als in den alten Ländern, ebenso partizipieren können, wie die Arbeitnehmer hat man sich entschlossen, für das Beitrittsgebiet einen eignen Rentenwert festzulegen. Dieser entwickelt sich, ebenso wie der aktuelle Rentenwert für die alten Bundesländer mit den Löhnen in den neuen Ländern, liegt allerdings wie auch die Löhne unter dem aktuellen Rentenwert (Börsch- Supan et al 2010: 18, Fichte 2011: 23).

Die zweite Modifikation der Rechengrößen ergibt sich aus einem sogenannten Umrechnungsfaktor für die versicherungspflichtigen Entgelte in den neuen Bundesländern. Diese werden um die prozentuale Differenz der Durchschnittsentgelte zwischen den alten und neuen Bundesländern aufgewertet. Zielsetzung dieser Maßnahme ist es, dass ein Beitragszahler der in den neuen Ländern das dortige Durchschnittsentgelt erzielt, ebenso einen Entgeltpunkt erhält wie ein Beitragszahler in den alten Ländern der das dortige, höhere, Durchschnittsentgelt bezieht. Die Motivation hinter dieser Maßnahme lag darin, dass direkt nach der Wiedervereinigung die Entgelte im Beitrittsgebiet um ein Vielfaches geringer waren als die Entgelte in den alten Ländern. So hätten die Ost-Rentner, auch bei einer Angleichung der Einkommensverhältnisse durch die deutlich wenigeren Entgeltpunkten, die sie hätten erwerben können, ohne den Umrechnungsfaktor ein deutlich niedrigeres Rentenniveau erzielt (Rische 2008: 4).

Aus der Kombination dieser beiden Maßnahmen ergibt sich das Ziel der Bundesregierung, den sogenannten Eckrentner, also einen Rentner der 45 Jahre lang genau mit dem Durchschnittsentgelt Beiträge bezahlt hat, in den neuen Bundesländern in Bezug auf das Rentenniveau im Vergleich zu den Löhnen und Gehältern nicht schlechter zu stellen, als den Eckrentner in den alten Bundesländern (Deutscher Bundestag 2011: 5, Nagl 2008: 35).

Aus der Überlegung des insgesamt niedrigeren Entgeltniveaus in den neuen Bundesländern heraus ergeben sich auch unterschiedliche Beitragsbemessungsgrenzen für die alten und neuen Bundesländer. So liegt die Beitragsbemessungsgrenze für Versicherte in den alten Bundesländern 2013 bei einem monatlichen versicherungspflichtigen Entgelt von 5800 €, während sie in den neuen Ländern bei 4900 € liegt (Deutsche Rentenversicherung 2013).

2.3 Lohnkonvergenz als zentrale Annahme der unterschiedlichen Berechnung

Bereits im Einigungsvertrag ist festgehalten: „ […] die Überleitung [der Renten soll] von der Zielsetzung bestimmt sein, mit der Angleichung der Löhne und Gehälter […] an diejenigen in den übrigen Ländern auch eine Angleichung der Renten zu ermöglichen.“ (Art. 30, Abs. 5 Einigungsvertrag3 ).

Diese Zielsetzung verfolgt die Konzeption des Rentenüberleitungsgesetzes mit dem eigenen Rentenwert Ost, der der ostdeutschen Lohnentwicklung folgt und dem Umrechnungsfaktor zur Ermittlung der Entgeltpunkte, der die Differenz der Durchschnittsentgelte zwischen Ost und West widerspiegelt.

Aus dieser Konzeption heraus besteht so lange eine unterschiedliche Rentenberechnung, wie es einen Unterschied im Entgeltniveau der beiden Regionen gibt (Börsch-Supan et al 2010: 20). Sobald sich die Entgeltniveaus der alten und neuen Länder entsprechen, gilt für beide Regionen nach der ursprünglichen Konzeption auch bei individueller Berechnung definitionsgemäß derselbe Rentenwert. Ziel soll daher sein, dass mit der Angleichung der Löhne und Gehälter in den neuen Ländern an die der alten Länder auch eine Angleichung des Rentenwertes (Ost) erfolgt (Steffen 2008: 2). Auch der Umrechnungsfaktor zur Ermittlung der Entgeltpunkte entfällt in diesem Szenario, da die Differenz der Durchschnittsentgelte in diesem Fall null betragen würde und keine Höherwertung mehr notwendig wäre (Fichte 2011: 23).

Für den Fall einer Lohnangleichung würden sich die rentenrechtlichen Besonderheiten also faktisch von selbst auflösen (Ruland 2012: 488). Das RÜG hätte sein Ziel erreicht, den Übergang zu einer einheitlichen Rentenberechnung zu schaffen. Die, wie noch gezeigt wird, anders nicht begründbaren Verzerrungen in der Rentenberechnung wären hinfällig.

[...]


1 Der Rentenwert folgt jedoch nicht ausschließlich der Entwicklung des Bruttolohns, sondern wird über die Rentenanpassungsformel zusätzlich durch den Riester Faktor, den Nachhaltigkeitsfaktor sowie die Schutzklausel nach §68a SGB VI beeinflusst.

2 Auf die weiteren Bestandteile der Rentenformel soll hier nicht näher eingegangen werden.

3 Offizieller Titel: Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Ist die regionale Zweiteilung der gesetzlichen Rentenversicherung noch zeitgemäß?
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Institut für Finanzwissenschaft I)
Veranstaltung
Finanzwissenschaftliches Blockseminar 2013
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
25
Katalognummer
V262459
ISBN (eBook)
9783656508496
ISBN (Buch)
9783656508700
Dateigröße
548 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
zweiteilung, rentenversicherung
Arbeit zitieren
Yannick Bury (Autor:in), 2013, Ist die regionale Zweiteilung der gesetzlichen Rentenversicherung noch zeitgemäß?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262459

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