Auswirkungen des Konsum- und Medienwahns in Bret Easton Ellis' "American Psycho"


Magisterarbeit, 2009

92 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Exkurs - American Psycho als seriöses Werk?

3. Der große Kommunikator - Historischer Hintergrund

4. Aufbau und Erzählstruktur

5. Bateman im Konsumrausch

6. Physische Auswirkungen .
6.1. Der Schönheitswahn
6.2. Darstellung der körperlichen Entfremdung.

7. Psychische Auswirkungen
7.1. Depersonalisierungsängste
7.2. "Myself is fabricated" - Identitätskonstruktion
7.3. Filmische Selbstinszenierung und Lebensregie

8. Interpersonelle Auswirkungen
8.1. Konformitätsstreben
8.2. Kommunikationsunfähigkeit

9. Apokalyptische Auswirkungen
9.1. Omnipräsenz der Gewaltdarstellungen
9.2. (De)Glorifikation des Serienmörderphänomens
9.3. Infernale Tendenzen

10. Fazit

11. Bibliografie

1. Einleitung

American Psycho (1991) ist einer der umstrittensten, postmodernen Romane der frühen 1990er Jahre, der durch seine expliziten Gewaltdeskriptionen für sehr viel Aufsehen sorgte. Bret Easton Ellis konnte bereits mit seinem Debüt Less Than Zero (1985) einen großen Erfolg erzielen. Das Werk verschaffte ihm viel öffentliche Anerkennung und einen Namen in der literarischen Szene. Doch bereits der Nachfolger Rules of Attraction (1987) überzeugte die Kritiker nur wenig, was Ellis dazu veranlasste, etwas provokativere Schritte zu wagen. Mit American Psycho verlässt er das feste Szenario rund um das College-Leben, in dem seine ersten beiden Romane spielen, und begibt sich in das Milieu der prototypischen Großstadt, nach New York City. Zentrale Themen seiner anderen Werke wie der Konsum von Drogen und Alkohol sowie die Darstellung der Oberflächlichkeit der Gesellschaft sind erneut von Relevanz. Im Fokus von Ellis' Literatur stehen die Superreichen: extreme Charaktere, die mit der De-Individualisierung und Affektlosigkeit der Konsumgesellschaft konfrontiert werden.

Die Rezeptionsgeschichte von American Psycho ist ebenfalls mit so vielen Höhen und Tiefen verbunden, dass man sie fast als eigenständigen Roman veröffentlichen könnte. Nachdem Simon & Schuster $ 300 000 US-Dollar für das Manuskript zahlten und diverse Werbekampagnen für das Buch initialisierten, wurden Auszüge davon in Time and Spy Magazinen veröffentlicht und lösten überraschende Wellen von Schock und Protesten unter den Kritikern aus. Kolumnist des Life -Magazins Roger Rosenblatt bezeichnete American Psycho in seinem Artikel "Snuff This Book!" empört als "moronic and sophomoric" (Rosenblatt, 3) und viele Kritiker sprachen sich eindeutig gegen Ellis' neueste literarische Schöpfung aus. Er wurde öffentlich beschimpft und erhielt sogar Morddrohungen. Simon & Schuster zogen daraufhin die Veröffentlichung des Romanes zurück. Er sei zu frauenfeindlich, zu brutal und die Gewaltdarstellungen von zu expliziter, anstößiger Natur um ihn zu veröffentlichen (Brusseau, 35). Diskussionen um die moralische Verantwortung von Verlegern und Autoren waren die Folge. Schließlich interessierte sich Knopf Herausgeber Sonny Mehta für Ellis' provokativen Neuling und 1991 veröffentlichte die Verlagsgruppe Random House American Psycho in der erfolgreichen Vintage Contemporaries Serie. Darauf folgte eine weitere Welle der Kritik und Empörung sowie diverse Warnungen an die Leser, das Buch besser nicht zu erwerben. Die Los Angeles Chapter of the National Organisation for Women (NOW) rief sogar zu einem allgemeinen Boykott nicht nur gegen American Psycho sondern gegen alle Bücher von Knopf / Vintage (außer denen von feministischen Autoren) auf. Die Veröffentlichung von Ellis' Werk sei "socially irresponsible and legitimizes inhuman and savage violence masquerading as sexuality" (Board of Directors of NOW, 12. Jan. 1991)[1].

Die ausschweifenden Diskussionen um den Roman trugen zwar zu seinem Bekanntheitsgrad bei, trotzdem wurde American Psycho anfangs kaum wirklich gelesen, sondern fiel viel eher einer massiven Kritik zum Opfer, die nicht immer mit rein wissenschaftlichen Argumenten unterlegt war. Erst mit Mary Harrons Veröffentlichung des gleichnamigen Filmes im Jahr 2000 wuchs ein grundlegenderes Interesse an Ellis' drittem Werk. Aus einem der meist insultiertesten Bücher[2] der Dekade entstand ein erfolgreicher Film, der viel Zustimmung und Bewunderung einbrachte. Man muss allerdings festhalten, dass Film und Roman einander geradezu komplementieren. Alles "Übel" wie die exzessive Gewalt, das durch monotone Aufzählungen erweckte Gefühl der Langeweile, die häufigen Repetitionen etc., die dem Buch ein hohes Quantum an geringschätziger Kritik einbrachte, wurde aus dem Film entfernt. Somit kann die Verfilmung als eine Art dialogische Antwort auf die Romankritik betrachtet werden, oder, wie Abel es formuliert "[...] Harron's film is a symptomatic effect of the novel and its reception [...] a response to Ellis's novel" (Abel, 44). Harron spielt mit den negativen Erwartungen der Zuschauer, die bereits das Buch gelesen haben, und setzt gezielt auf Überraschungseffekte; so entpuppen sich beispielsweise vermeintliche Blutstropfen am Anfang als delikate Himbeersoße in einem exquisiten Restaurant[3]. Durch die deutliche und zum Teil geradezu überspitzte Satire im Film entstand außerdem erstmals auch vermehrt das Interesse am literarischen Ursprung. Es wurde eingehender untersucht, ob vielleicht wirklich hinter der grausamen, monotonen Fassade eine seriöse Form der Satire steckt. American Psycho wurde somit erst recht spät einer ernsthaften kritischen Betrachtung unterzogen und schließlich in seinem literarischen Wert anerkannt. Man widmete sich detaillierteren Analysen der Figur Patrick Batemans, seines anstößigen Verhaltens, sowie seiner sozialen Einbettung vor dem Hintergrund der dargestellten Zeitperiode. Young erkennt sogar Parallelen zur tatsächlichen historischen Realität und sieht in American Psycho "a classic of the 1980s" (Young, 88).

Das Interesse der vorliegenden Arbeit liegt darauf, zu verdeutlichen, dass American Psycho als eine überspitzte, extreme Satire des Einflusses der Medien- und Konsumgesellschaft auf die Gesamtpersönlichkeit zu verstehen ist. Sowohl physische, psychische als auch interpersonelle Auswirkungen stehen im Zentrum. Hierbei soll der Fokus besonders auf die weiterführenden Konsequenzen der alltäglichen Prägung durch die materialistische Grundhaltung und das Medienwirken gerichtet werden. Die Omnipräsenz der Medien und der explosionsartig ausufernde Massenkonsum haben starken Einfluss auf die einzelnen Individuen und formen in vielerlei Hinsicht deren Lebensplanung und -führung. In American Psycho werden diese Auswirkungen des durchaus symbolisch übersteigerten Medien- und Konsumwahns am Beispiel Patrick Batemans, einem einerseits scheinbar optimal angepassten Gemeinschaftsmitglied und andererseits brutalen Serienmörder, auf die Spitze getrieben, um die fragwürdige, tatsächliche Gesellschaftsentwicklung und den Werteverlust offenzulegen.

Zuerst, um Bret Easton Ellis als Autor und dem Werk an sich trotz der vielen Anschuldigungen einen Grad an seriöser Legitimation zuzusichern, soll der eigentlichen Analyse ein einführender Exkurs vorangestellt werden, der sich mit den schwerwiegenden Kritikpunkten auseinandersetzt. Besonders auf die Vorwürfe der unnütz expliziten Gewaltdarstellungen (besonders gegen Frauen), der fehlenden moralischen Verurteilung und der zu langen deskriptiven Textpassagen als Zeugnis von Ellis' eher bescheidenen schriftstellerischen Talents soll eingegangen werden. Um American Psycho auch vor dem Hintergrund seiner Zeit beurteilen zu können, folgt ein kurzer geschichtlicher Abriss über die Reagan-Ära und den Aufstieg der Medien sowie die Prägung durch die zunehmend materialistische Denkweise[4].

Anschließend wird der Fokus von den extratextuellen Fakten auf die Textstrategien gelenkt, wobei besonders auf den allgemeinen Aufbau und die Erzählperspektive eingegangen werden soll. An dieser Stelle wird auch erläutert, wie die Struktur des Textes bereits einerseits symbolisch Einblicke in die Medienwelt gibt, da die fragmentarische, bruchhafte Anordnung der Kapitel beim Leser den Eindruck eines wahllosen Durchschaltens durch ein monoton-banales Fernsehprogramm erwecken kann, und andererseits einen bewusst klaustrophobischen Charakter aufweist. Im Anschluss wird auch die Figur Batemans als Protagonist und Erzähler von American Psycho näher betrachtet. Besonders seiner Rolle als Idealkonsument und dem Stellenwert der Konsumgüter in seinem Leben soll Beachtung geschenkt werden. Daraufhin folgt eine genaue Analyse der verschiedenen, vielschichtigen Auswirkungen dieses konsumorientierten und vom Medieneinfluss geprägten Lebensstils, wobei in erster Linie potentielle Problemfelder aufgedeckt werden sollen.

Zunächst werden hierzu die physischen Auswirkungen genauer erörtert, wobei im ersten Kapitel der Schönheitswahn von zentraler Bedeutung ist. Die fragwürdige Fixierung auf ein perfektes, optisches Erscheinungsbild und die daraus resultierenden Zweifel und Ängste sollen dabei im Vordergrund stehen. Schließlich wird auf das schwierige und von zunehmender Entfremdung gekennzeichnete Verhältnis Batemans zum menschlichen Körper eingegangen. Hierbei werden verschiedene Konzepte wie der fragmentarische Körper, der Körper als Quelle des kannibalischen Mahls sowie als Objekt und Werbetafel analysiert.

Anschließend sollen Beobachtungen bezüglich Batemans deteriorierenden psychischen Zustandes festgehalten werden, der vermehrte Auflösungsängste und das Gefühl der inneren Aushöhlung und Depersonalisierung zur Folge hat. Sein Wunsch nach Individualität wird ebenso thematisiert wie die Schwierigkeit, ein glaubhaftes und anerkanntes Identitätskonstrukt zu erschaffen und aufrecht zu erhalten. An dieser Stelle sollen vor allem Batemans Haltungen und Auswertungen zu Themenbereichen wie dem Vertreten einer politischen Meinung, dem Konsum des exquisit-extravaganten Menüaufgebotes und besonders der Rolle der Musik in seiner Lebensführung analysiert werden. Trotz der Fachzeitschriften und den Werbeidealen entnommenen, expliziten Medienvorgaben und der Umsetzungshilfen in Form von diverser Konsumartikeln muss auch auf die Problemfelder einer solchen Selbst-Identifizierung hingewiesen werden. Die letzte psychische Auswirkung wird mit der Omnipräsenz des Fernsehens in Batemans Leben und der konstanten Prägung durch filmische Datenträger als weitere große Intertexte in Bezug gesetzt. Die Allgegenwärtigkeit der medialen Inszenierungen trägt zu Batemans verzerrter Wirklichkeitsauffassung bei und zwingt ihn abwechselnd in die Rollen des Hauptdarstellers und Regisseurs seines eigenen Lebensfilmes.

Im nächsten Kapitel sollen nach der Ausarbeitung der körperlichen sowie geistigen Entfremdung Batemans interpersonelle Beziehungen näher betrachtet werden. Besonders das Fehlen von emotionalen Bindungen, die Schwierigkeit der Entwicklung ernsthafter Konversationen und das gesellschaftliche Streben nach Konformität bilden hier das Kerninteresse.

Abschließend folgen als apokalyptische Auswirkungen zusammengefasst eine kurze Abhandlung der Gewaltpräsenz einerseits in den realen Medien und, andererseits im Werk selbst und schließlich eine Betrachtung des Serienmörderphänomens. Auch hier soll zuerst auf die Glorifizierung dieser Erscheinung durch die Medien und den Zusammenhang des Serienbegriffes in der Konsum- und Medienwelt sowie in Hinblick auf das regelmäßige Töten der Serienmörder hingewiesen werden. Nach der Betrachtung Batemans realer und fiktiver Vorbilder wird auch auf seine Probleme bei der glaubhaften Umsetzung dieser auf gesellschaftliche Beachtung gezielten Facette seiner konstruierten Identität eingegangen. Zuletzt wird auf die zunehmend diabolische Züge annehmende Zuspitzung der apokalyptischen Andeutungen im Text hingewiesen, die als gesellschaftskritische Warnung Ellis' zu deuten ist.

2. Exkurs: American Psycho als seriöses Werk?

Wenn man ein derart zerrissenes und umstrittenes Werk wie American Psycho näher betrachten will, ist es durchaus wichtig, sich auch ein Stück weit mit der negativen Kritik auseinanderzusetzen, um als Legitimation und Basis der Analyse selbst ein ausreichendes Maß an Seriosität des Autors voraussetzen zu können. Daher ist es von naheliegender Bedeutung, einigen missbilligenden Beurteilungen über den Text in einem kurzen Exkurs ein wenig mehr Beachtung zu schenken.

Einer der Hauptkritikpunkte ist die übermäßige Gewaltdarstellung im Roman, vor allem gegenüber Frauen. NOW-Vertreterin Tara Baxter spricht sogar von einem "How-To-Kill-Women manual for that ever-growing special interest group: the good ol' all-American misogynists" (Baxter, 246). Betrachtet man aber mehr als nur Buchausschnitte, so lässt sich feststellen, dass Frauen nicht die einzigen Opfer sind, denn ebenso für Männer (besonders Obdachlose aber auch potentielle Konkurrenten) und Kinder (Ellis, 298) wird die Begegnung mit Patrick Bateman zum Verhängnis. Zudem muss ebenso festgehalten werden, dass derartige Gewalttaten, wie sie in American Psycho beschrieben werden, dem Leser nicht völlig fremd sein dürften. Es wirkt geradezu überraschend, dass sich die Gesellschaft überhaupt noch geschockt zeigt, so oft wie Gewaltdarstellungen bereits in den Alltag eindringen [5]. Allein im Fernsehen finden sich zahlreiche Gewaltrepräsentationen, sei es reale Gewalt, wie zum Beispiel an Kriegsopfern in den Nachrichtenbeiträgen, oder Auszüge aus dem vielfältigen Angebot an Horror- und Actionfilmen. Simon & Schuster selbst gehören zu Paramount Communications, die die erfolgreiche Friday the 13th -Reihe produzierten. Auch Silence of the Lambs (1991) wurde für seinen brutalen Inhalt deutlich weniger kritisiert. Elridge stellt diesbezüglich fest: "movie critics were more accustomed to dealing with graphic horror than book reviewers were in 1991" (Eldridge, 32). Die Leser von American Psycho sind derartige Beschreibungen von einem eigentlich bis dato als seriös anerkannten Autor nicht gewöhnt. Auch Young bestätigt "it was the combination of overt sexual violence and Ellis's status as a 'serious' novelist - young, relevant, living, mainstream - that determined all the hysteria" (Young, 92). In der Unterhaltungsbranche müssen aber immer wieder Grenzen (auch des Geschmacks) verschoben und überschritten werden, um überhaupt noch extreme, emotionale Reaktionen von Lesern und Zuschauern zu erwecken. Denn wie Abel bereits feststellte "[...] today we have more mediated violence (TV, movies, video games) than ever before" (Abel, 32).

Ein weiterer Punkt zu Ellis' Verteidigung ist die Tatsache, dass einige Reaktionen der Kritiker derart überspitzt sind, als ob der Roman autobiographisch sei. Neben Linda Kauffman (Kauffman 2000, 42) weist auch Steven Schneider darauf hin, dass bei der Beurteilung eines literarischen Werkes nie die strikte Unterscheidung zwischen Autor und Protagonist vergessen werden darf:

Where so many critics went wrong, through a frankly egregious application of the intentional fallacy, was in attributing this nihilistic mindset to American Psycho 's author rather than restricting it to the novel's protagonist (Schneider, 430).

Bereits 1968 wandte sich Roland Barthes[6] gegen die traditionelle, interpretative Sichtweise, die den Autor als Ursprung eines Textes als höchste Autorität zur Interpretation heranzog. Dieser populären Erkenntnis der neuen Literaturwissenschaft zufolge kann ein Text als fiktionales Werk separat betrachtet werden. Trotzdem neigen einige Kritiker bezüglich American Psycho doch zu derart emotionalen und den Autor persönlich angreifenden Verurteilungen, dass nur eine Gleichsetzung von Autor und Protagonist unterschwellig vorliegen kann. Auch Rosenblatt kann von metaphorischen Vergleichen wie "Bateman [...] does things to the bodies of women not unlike things that Mr. Ellis does to prose" (Rosenblatt, 3) nicht absehen. Allgemein lässt sich aber feststellen, dass Batemans Taten nicht heroisierend dargestellt werden, denn dafür sind sie zum Teil viel zu überzogen präsentiert. Bateman selbst bleibt letzten Endes mit sich und seiner Welt im Unklaren.

Doch Rosenblatt kritisiert nicht nur Ellis' grenzwärtige Gewaltdarstellungen, sondern auch seinen zum Teil stark deskriptiven Stil, indem er äußerst ironisch bemerkt:

I do not exaggerate when I say that in his way Mr. Ellis may be the most knowledgeable author in all of American literature. Whatever Melville knew about whaling, whatever Mark Twain knew about rivers are mere amateur stammerings compared with what Mr. Ellis knows about shampoo alone. (Rosenblatt, 16)

Rosenblatt vertritt nicht als einziger die Meinung, Ellis' Roman greife die ästhetischen Ansprüche der Leser an, auch James Brusseau spricht von "aesthetic shortcomings" (Brusseau, 36). Doch an dieser Stelle ist durchaus die Frage relevant, wo die Grenzen der Ästhetik überhaupt liegen. Der Ästhetik-Begriff umfasste ursprünglich auch das Verfolgen einer gewissen Gesetzmäßigkeit, und eben diese erkennt Marco Abel, indem er feststellt, dass in American Psycho "boredom is deployed as a major stylistic strategy" (Abel, 45)[7]. Auf der einen Seite lässt sich der Leseprozess mit der fortlaufenden Ziellosigkeit und Leere sowie den Dissoziationsängsten in Batemans Leben symbolisch vergleichen: "Erased by our weariness and boredom with the same thing again and again, the words diffuse from the paper" (Brusseau, 45). Auf der anderen Seite lässt sich feststellen, dass in gleichem Maße wie Bateman sich von der unüberschaubaren Opulenz und dem horrenden Angebot an Konsumgütern überfordert fühlt, so zeigt sich auch der Leser von der erdrückenden Überfülle an Details zu Konsum und Mordszenen überladen und ermüdet. Elizabeth Young beschreibt das Werk daher als "no more boring than the constant consumer hum emanating from magazines, media and advertising" (Young, 102). Nach der hohen Akkumulation von Aufzählungen und umfangreichen Beschreibungen von alltäglichen Details setzt im Leser allmählich ein Prozess des Langweilens ein. Ein Streben nach mehr Handlung entsteht, und schließlich folgt die überraschende Anhäufung von Brutalitäten und Extremakten, die im starken inhaltlichen Kontrast zum vorher Beschrieben steht. Somit wird die schockierende Wirkung noch verstärkt. Die von Bateman ausgeführte körperliche Gewalt verläuft parallel zur Gewalt Batemans als Erzähler gegen die Sprache bzw. den Leser in Form der monotonen Aufzählungen. Die Gewaltdarstellungen und die detaillierten Konsumbeschreibungen sollten als stilistische Mittel des Kontrasts betrachtet werden, wodurch die Erwartungen der Leser gelenkt werden. Abel fasst zusammen:

[...] horror and boredom are not contradictory terms but instead exist as affects next to each other on the same plane of immanence, mutually producing and thus modifying each other. Boredom violates expectations, standards, bodies, and violence, in turn, is boring. (Abel, 54)

All diese Zusammenhänge sowie den kritischen Gebrauch der Konsumartikel, auf den später noch ausführlich eingegangen werden soll, ignoriert Rosenblatt, indem er Ellis' schriftstellerisches Talent allgemein kritisiert: "so pointless, so themeless, so everythingless is this novel" (Rosenblatt, 3) und schließlich: "[...] the book goes nowhere" (Rosenblatt, 16).

Ellis wurde zudem oft der Vorwurf gemacht, nur bewusst provozieren und Sensationen erwecken zu wollen. Abel beobachtet bezüglich der Wirkung von American Psycho allerdings: "[...] it produces readers apparently incapable of responding to the text's affective force in any way other than judging it" (Abel, 55). Doch bleibt anzunehmen, dass der Text nach derartigen öffentlichen Furoren den einzelnen Leser sicher auch zu vermehrter kritischer Reflektion anregt. In der Sekundärliteratur sollte eine ausführlichere Analyse der satirischen Wirkung des Textes selbst sowie seiner Formstrategien vor einer allgemeinen Verurteilung stehen. Denn wenn sich American Psycho als wirklich derart sinn- und wertlos präsentieren würde, wie es der Blick auf einige Kritiken vermuten lässt, wäre dann der ganze Medien-Aufruhr gerechtfertigt? Martin Schecter stellt fest: "We need the incomprehensible as a kind of counterbalance, in order to make meaning" (Schecter, 61). Doch es sind nicht nur die schockierenden Gewaltdarstellungen an sich, die den Leser verwirrt und nach dem tieferen Sinn fragend zurücklassen, sondern in erster Linie die fehlende Bestrafung des skrupellosen Protagonisten. Ellis präsentiert seinen Lesern keine fantasievolle Lösung, kein Deus-ex-machina erscheint plötzlich, um den grauenvollen Taten ein Ende zu setzen, keine beruhigende Alternative wird geboten, Bateman kommt mit all seinen Morden ungestraft davon. Genau an diesem Punkt herrscht Unklarheit zwischen den Kritikern: was an American Psycho ist verwerflicher, die ästhetischen oder die moralischen Defizite? Ursula Voßmann bemerkt: "der Lesefehler entsteht im Kopf des Traditionalisten, der aus Prinzip die Hauptfigur als positiv versteht" (Voßmann, 44). Es fällt leichter, einen Roman zu akzeptieren, wenn die Rollenverteilung gleich von Anfang an klar ist und der Frevler als Quelle allen Übels am Ende gefangengenommen und verurteilt wird. Doch Batemans einzige Strafe oder sein einziges Versagen ist die Tatsache, dass er nicht in das angesagteste Restaurant "Dorsia" (Ellis, 75) reingelassen wird.

Norman Mailer kritisiert den moralischen Nihilismus, indem er darauf hinweist, dass der Leser mehr über das Subjekt und seine Motivation erfahren müsste: "[...] the author must rise to the occasion by having a murderer with enough inner life for us to comprehend him" (Mailer, 220). Der Leser will Bateman verstehen und bedauern, seine Handlungen nachvollziehen, um ihn beruhigt in seine Gesellschaftsordnung eingliedern zu können. Busonik aber schließt aus der Kritik, "[...] if we want a moral dimension we will have to supply it" (Busonik, 265). Das Werk selbst bietet keine moralische Sphäre oder gar Lösung, da feste Wertvorstellungen in der dargestellten Gesellschaft keine erhebliche Rolle spielen; Materialismus ist an die Stelle von moralischen und ethischen Tugenden getreten. Die fehlende Verurteilung lässt den Text noch bedrohlicher erscheinen und bringt dem Leser das Geschehen emotional näher. Vartan Messier stellt fest, dass die "irony of Ellis' minimalist prose style and Bateman's unaffected voice is that they relegate the responsibility for feelings and emotions to the reader" (Messier, 86). Dieser Aspekt wurde dem Film entzogen, indem der Zuschauer durch die komischen Elemente und die zum Teil überzogene, lächerliche Darstellung Batemans eine gewisse, sichere Distanz zum Gesehenen entwickelt und sich nicht direkt betroffen fühlt. Der Roman lässt keine ironische Distanzierung zu und dadurch, dass der Leser selbst die kritische Verurteilung von Batemans Verhalten und Einstellungen ergänzen muss und somit selbst tiefer in die Handlung integriert ist, ermöglicht der Roman auch eine groteske Art der Identifizierung mit Bateman. Busonik hält fest:

[...] the extent to which we are familiar with its products and don't need to ask what the words Sony, Brooks Brothers, and Minolta mean - is the first step in a process that implicates us in a horrifying but undeniable identification with Patrick Bateman (Busonik, 264).

Und sollte zwar keine direkte Identifizierung mit Bateman erfolgen, so Busonik weiter, so drängen die intertextuellen Bezüge sowie die Wiedererkennung der Markennamen den Leser doch zumindest in die Position "as one of the crowd" (Busonik, 244), ein Teil der dargestellten Gesellschaft. Am Schluss bleibt es jedem Leser selbst überlassen, für sich zu bestimmen, was "being Patrick" (Ellis, 399) für ihn oder sie bedeutet.

3. Der große Kommunikator - Historischer Hintergrund

Um das Werk und seine unterschwellige Kritik eingehender analysieren zu können, ist es ebenfalls essentiell, sich des historischen Hintergrundes [8] der in American Psycho beschriebenen Zeitspanne, nämlich der 1980er Jahre, und der dominanten Lebensphilosophien und Entwicklungen bewusst zu werden. Bedeutende Feststellungen aus Stuart Ewens imposantem Werk All Con suming Images - The Politics of Style in Contemporary Culture (1988) sollen dabei als Grundlage der zum Teil recht gesellschaftskritischen Beobachtungen dienen[9].

Von 1981 bis 1989 ist Ronald Reagan als amerikanischer Präsident im Amt. Seine Wirtschaftpolitik, die sogenannten Reagonomics, zusammen mit den beträchtlichen Militärausgaben führen längerfristig zu hohen Haushaltsdefiziten und einer explosionsartig wachsenden Staatsverschuldung. Reagan greift aktiv in die Kapitalverteilung ein, wobei sein Fokus auf der vermögenden Oberschicht liegt: die Subventionen in Form von Steuersenkungen für unternehmerisches Potential stehen drastischen Einsparungen im sozialen Bereich gegenüber und führen längerfristig auch zu einer Vergrößerung der Kluft zwischen Arm und Reich. Wohlhabende profitieren, aber für Bedürftige ist keinerlei Hilfe geplant. Voßmann spricht deshalb auch vom Kapitalismus der achtziger Jahre "als Untergang der Zivilisation insofern der Sozialdarwinismus darin die einzige gesellschaftsformende Macht ist" (Voßmann, 123). Reagan selbst lenkt allerdings geschickt von den bestehenden Problemen ab und betont erneut das Ideal des Amerikanischen Traums, der Erreichbarkeit von Wohlstand. Der Fokus auf Reichtum als eine der menschlichen Motivationen steht einer tatsächlichen Verschlechterung der breiten Masse der Amerikaner, der Erhöhung der Anzahl an Obdachlosen und der Verringerung der Mittelschicht gegenüber.

Das Idol der 80er Jahre und Bestandteil der stetigen Regierungspropaganda ist der Lebensstil der Yuppies als Verkörperung der Erfüllung des Amerikanischen Traums. Konsum, materielle Prosperität und Exklusivität stehen im Vordergrund und werden beispielsweise durch das Tragen kostspieliger Kleidung, extravagante Wohnungseinrichtungen oder durch erstklassige Autos repräsentiert. Der Konsum von Alkohol und Kokain als Modedroge, sowie der Besuch erstrangiger Restaurants gehören ebenfalls mit zum perfekten Image. Ein hohes Maß an Arroganz, Egoismus und Rücksichtslosigkeit sind weitere Markenzeichen der sogenannten hedonistischen "me-generation" oder "me-decade". Deshalb spricht Ewen auch von

[...] a culture in which self-absorbed careerism, conspicuous consumption, and a conception of self as an object of competitive display have fused to become the preponderant symbols of achievement (Ewen, 194).

In den 80er Jahren werden Reichtum und Konsum ausgiebig zelebriert und Materialismus scheint allgegenwärtig zu sein. Mit dem Übergang ins Informationszeitalter steigt die Anzahl der Kapitalimporte und im Gegenzug wird weniger exportiert. Es wird hauptsächlich für den Massenkonsum produziert, Machart und Beschaffenheit verlieren zunehmend an Bedeutung. Ewen beobachtet diesen Abfall von Qualitätsnormen im Zuge eines Strebens nach quantitativ gesteigerter Produktion wie folgt: "In advertising, packaging, product design, and corporate identity, the power of provocative surfaces speaks to the eyes's mind, overshadowing matters of quality or substance" (Ewen, 22). Die optisch ansprechende Gestaltung der Produkte befindet sich im Zentrum des Herstellungsprozesses, wobei Ewens weiter bezüglich dieser oberflächlichen Verpackungsästhetik eine klare "dominance of surface over substance" (Ewen, 271) feststellt. Handarbeit und individuelle, persönliche Verkaufsstrategien stehen im Hintergrund einer absatzorientierten, unpersönlichen Massenproduktion, die zudem durch häufige Trendwechsel überaus unstetig und schnelllebig ist. Wird ein neues Produkt vermarktet, befindet sich der Nachfolger meistens bereits in der Produktion. Wenn etwas gekauft wird, beginnt bereits die Haltbarkeit abzulaufen und der Käufer muss sich praktisch schon nach neuen Zielobjekten seines unbändigen Besitzbegehrens umsehen (Stubblefield, 136), was zudem im Konsumenten ein konstantes Gefühl der Entbehrung und des Unbefriedigtseins hinterlässt.

Eine weitere Entwicklung in diesem Zusammenhang ist der Markenwahn, der ebenfalls Mitte der 1980er Jahre an Bedeutung gewinnt. Margaret Blanchard weist hierzu auf eine problematische Tendenz hin: "As products became less differentiated, the brand added to the product and corporate value"(Blanchard, 24). Ähnliche Produkte werden nur durch untereinander konkurrierende und aufwertende Markennamen voneinander unterschieden. Es scheint durch den demokratischen Wettbewerb schier endlose Freiheit bezüglich der Auswahlmöglichkeiten zu geben, doch tatsächlich versucht ein Großteil der Gesellschaft, sich nach den dominierenden Trends und Markenfirmen zu richten, was allerdings hauptsächlich der wohlhabenderen Oberschicht gelingt. Dabei macht dieser zielgerichtete Verkaufswahn auch vor der Vermarktung des Individuums selbst keinen Halt. So gewinnen Aussagen wie "sich selbst gut verkaufen", um zum Beispiel in Bewerbungsgesprächen erfolgreicher zu sein, vermehrt an Bedeutung. How-to- und do-it-yourself-Bücher finden großen Absatz.

Ewen weist außerdem auf den gefährlichen Wandel bzw. die sich vergrößernde Kluft zwischen der tatsächlichen Wirtschaft der Produkte und Dienstleistungen und einer zunehmend dominierenden, symbolischen "economy of abstraction" (Ewen, 159) hin, deren Markenzeichen die Kreditkarte ist. Kredit und Kapital bewegen sich immer weiter auseinander und Ewen deutet den "Black Monday" Börsencrash von 1987 bereits als ein deutliches Anzeichen dieser Krise. Weiterhin resümiert er:

The utter triumph of abstract value can only be fully appreciated when we listen to the ongoing celebrations of the 'new prosperity', while bearing witness - in our lives - to industrial breakdown, wide-spread 'hunger' and 'homelessness' (new age terminology for poverty), and the sacrificing of concrete social proprieties upon an altar of economic exigency, mammon. It is upon this increasingly fragile foundation that more and more people rest their hopes for the future. (Ewen, 159)

Eine der Hauptinstanzen, die diesen unsicheren und fragwürdigen Wunsch nach abstraktem Reichtum weiter schüren, sind die Medien, die in der Reagan-Ära mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Der Aufstieg der Rundfunkindustrie sowie die schnelle Verbreitung des Kabel-Fernsehens in den 1980er Jahren werden als zuverlässiges Mittel genutzt, um die Massen zu erreichen. Trotz einer großen Auswahl an Sendern bestimmt nur eine kleine Anzahl von Firmen überwiegend das TV Programm. Das Internet beginnt sich Anfang der 80er Jahre zunehmend durchzusetzen, Kommunikationsnetze verschärfen sich und dringen tiefer in öffentliches und privates Leben ein, wobei auch die Verbreitung des VCR-Systems und die Gründung von MTV 1981 eine Rolle spielen. Bereits 1990 haben mehr als 98 % aller nordamerikanischen Haushalte mindestens einen Fernseher (Bennett, 103).

Schon seit den 1950er Jahren machen auch bedeutende Politiker zum Beispiel für ihre Wahlkampagnen von den Medien Gebrauch. So geht Ronald Reagan für seine geschickten Einsätze der Massenmedien zu seinen Zwecken als der "große Kommunikator" in die Geschichte ein. Ewen beobachtet: "This tendency toward cinematic cliché has been an earmark of Reaganism more generally" (Ewen, 269). Seine Erfahrungen als früherer Film- und Fernsehschauspieler ermöglichen ihm eine taktische Medienregie und –inszenierung. Ewen fasst die Reagan-Ära wie folgt zusammen:

[...] the Reagan presidency exemplified a period when image-making and merchandising techniques were coupling in nearly every arena of American life, when advertising arrived as the prevailing social language, and when all values save those of the marketplace were being swept from public view (Ewen, XVi).

Verkaufszahlen und Einschaltquoten sind die einzigen Messlatten, nach denen sich alles richtet. Wahrheit ist, was die meisten Menschen sehen und kaufen würden. Selbst scheinbar objektive Informationen wie in den Nachrichtensendungen werden vorher selektiert, nicht der informativste und dringlichste Beitrag, sondern der, der die meisten Zuschauer anspricht und interessieren könnte, wird in das Nachrichtenprogramm integriert. Die Medien gewinnen generell zunehmend an Einfluss und übernehmen eine prägende Wirkung in fast allen Lebensbereichen. Ewen nennt diese idealisierten Lebensweisen bzw. die Modelle, die vorgegeben oder geradezu vorgeschrieben werden, "style" (Ewen, u.a. 262). Die Auswirkungen dieser Tendenz umschreibt er folgendermaßen:

As style becomes increasingly ubiquitous, other ways of knowing, alternative ways of seeing, become scarce. The ability to stylize anything - toothpaste, clothing, roach spray, dog food, violence, other cultures around the world, ideas, and so on - encourages a comprehension of the world that focuses on its easily manipulated surfaces, while other meanings vanish to all but the critical eye. Most notably, as the evanescent becomes increasingly 'real', reality becomes increasingly evanescent. (Ewen, 262)

Die Massenmedien bestimmen zunehmend, wie die Welt wahrgenommen wird und legen fest, wie man sich zu verhalten hat. So werden sie zu allgemeinen Bezugspunkten, zu denen jeder ständigen Zugang hat, und legen Ideale fest, an denen man sich orientieren und messen sollte, wenn man gesellschaftlich akzeptiert werden will. Das Ideal des Amerikanischen Traums hilft dabei zu betonen, dass das Angestrebte für alle angeblich erreichbar und möglich sei, für alle, die es nur wirklich wollen, daran glauben und hart dafür arbeiten (sprich viel kaufen). Die Konsumwelt rühmt allerdings einen Lebensstil, der für die meisten tatsächlich unrealisierbar bleibt. Aber sie stärkt das Verlangen, nach Höherem zu streben. Wünsche werden erweckt, Wünsche nach Dingen, für die man eigentlich keinen Bedarf hat. Ewen beschreibt die Rolle des von den Medien vorgeschriebenen Lebensstils wie folgt: "If the 'life-style' of style is not realizable in life, it is nevertheless the most constantly available lexicon from which many of us draw the visual grammar of our lives" (Ewen, 20). Die Werbestrukturen der Medien versprechen den Konsumenten durch das sich Aneignen diverser Markenprodukte nicht nur Akzeptanz, sondern sogar ein gewisses Prestige, ein Maß an Exklusivität und Individualität bis hin zur Selbsterfüllung:

You will be seen. You will be noticed. The symbols you display, your most valuable possessions, will permit you to stand apart from the crowd. You will be noteworthy and honored. You will be someone. You will have 'joined the select group. (Ewen, 58)

Fragwürdigerweise beinhaltet das Phänomen einer Massenkonsum-Gesellschaft allerdings auch den internen Widerspruch, dass dieses Versprechen der Singularität gleichzeitig jedem einzelnen Konsumenten gegeben wird. Jedes Gemeinschaftsmitglied wird angesprochen, ein bestimmtes Produkt zu kaufen, um seine oder ihre Individualität auszuleben und zu betonen. Auf der anderen Seite wird das Zusammengehörigkeitsgefühl hervorgehoben, wenn alle auf das gleiche, monotone Eigentum zurückblicken. Dieses Konzept der Erschaffung von 'konformen Individualisten' scheint höchst fragwürdig und paradox und wird doch gesellschaftlich nur selten wirklich hinterfragt und zur Diskussion gestellt.

Ein weiteres interessantes Themengebiet, das an dieser Stelle kurz erwähnt werden soll, ist die Werbung als einer der Hauptarme des Medienapparates und ihre umstrittene Rolle als "a mirror or a shaper" (Blanchard, 173). Findet man in den Werbedarstellungen eine realistische Reflektion der tatsächlichen gesellschaftlichen Umstände oder wird eher ein angestrebtes Idealbild vorgeführt? Blanchard findet beide Positionen vertreten:

Critics contend that advertising is a shaper, influencing society in primarily negative ways - encouraging greed and selfishness, cynicism, irrationality, and indulgence. Defenders of advertising view it as merely a reflection of society. (Blanchard, 173)

Aus einigen historischen Trends lässt sich jedoch belegen, dass die Werbung oft durchaus einen gesellschaftlich prägenden Einfluss hat. In den 80er Jahren zum Beispiel fördert sie eine nahezu fanatische Aerobic- und Fitnesswelle. Gesundheit und Sport sind die Voraussetzungen um dem erhöhten Schönheitsideal ansatzweise entsprechen zu können. Aussehen, Diät und Sport dominieren die Medienwelt, anstelle auf die Gefahren von Drogen und Alkohol sowie das 1981 entdeckte Aids hinzuweisen. Um den Verkauf der teuren Spirituosen noch anzuregen, wird der Alkoholverzehr sogar verherrlichend dargestellt und seine schädlichen Effekte werden nahezu komplett vernachlässigt. Speziell im Gesundheitssektor verbreiten Medien des Öfteren unrealistische oder gar unzutreffende Informationen. Der Fokus des Gesundheitswahns liegt auf der Behandlung anstatt auf Präventionsmaßnahmen, wobei die Ursachen ebenfalls völlig unberücksichtigt bleiben. Die Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente, die oft eine falsche Einnahme zur Folge hat, dient hauptsächlich dem Verkauf von teuren pharmazeutischen Mitteln und Produkten, eine tatsächliche medizinische Aufklärung steht eher im Hintergrund.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass in der Reagan-Ära, trotz der tatsächlichen wirtschaftlichen Verschlechterung der Lage vieler, materialistische Werte immer mehr an Bedeutung gewinnen und der vermehrte Konsum diverser Markenprodukte zunehmend mit einer greifbar werdenden Verwirklichung des Amerikanischen Traums gleichgestellt und daher von der Mehrheit begrüßt wird. Die Rolle der aufstrebenden Medien ist in diesem Prozess nicht zu unterschätzen, denn sie haben einen stark lenkenden und prägenden Einfluss auf die Gesellschaft.

4. Aufbau und Erzählstruktur

An dieser Stelle soll nun auf das Werk an sich eingegangen werden, speziell auf den Aufbau, die Erzählstruktur und den Stil, denn dieser kann als eine formal-symbolische Umsetzung der inhaltlichen Ausführungen verstanden werden.

American Psycho, dessen Titel an den 1960 erschienenen Film-Klassiker Psycho von Alfred Hitchcock erinnert, spielt in New York in den späten 1980er Jahren. Das Werk besteht aus 59 relativ kurzen, episodischen Kapiteln, die ausschnittartig eine Zeitspanne von ungefähr 2,5 Jahren beschreiben und meist nicht direkt chronologisch aufeinander aufbauen. Die Kapitelüberschriften wirken wie Kalendereinträge aus Batemans Terminplaner und geben Informationen über die Zeit, den Ort des Geschehens oder involvierte Personen. So finden sich zum Beispiel Wochentage ("Tuesday" [Ellis, 126], "Thursday [Ellis, 247]), Restaurant- bzw. Barnamen ("Harry's" [Ellis, 86]), bis hin zu Andeutungen auf den Inhalt ("Killing Child at Zoo" [Ellis, 296]), wobei alle Titel dem neutralen, nüchternen Erzählstil angepasst sind. Manchmal ist auch recht unklar, wie viel Zeit zwischen den einzelnen Kapiteln vergangen ist, denn die Zeitwahrnehmung in American Psycho ist vollkommen subjektiv; es mag zwar auf einen Tag eine Nacht folgen, doch dazwischen liegen manchmal komplett unberücksichtigte Tage. Oft wird zwischen der beschriebenen Zeit auch eine ganze Zeitspanne völlig ausgelassen (Ellis, 199 und 214). Nach der Weihnachtsfeier folgt ein Kapitel im Mai oder ganze Monate verfliegen in einem Satz à la "May slides into June which slides into July which creeps toward August" (Ellis, 266). Der Roman ist überwiegend im Präsens verfasst, denn Bateman äußert eine starke Ablehnung gegen die Vergangenheit. Nur selten wird zusammenfassend berichtet, was in den vorigen Tagen geschah. Einheiten von Zeit und Raum scheinen irrelevant und sind Batemans subjektiver Wahrnehmung untergeordnet.

[...]


[1] American Psycho wurde 1995 im Rahmen einer allgemeinen Zensur-Debatte auch in Deutschland durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien zeitweise indiziert. Dieses Verbot wurde aber 2001 wieder aufgehoben.

[2] Besonders die Feministin Tara Baxter kritisierte und beschuldigte Ellis äußerst scharf: "Ellis is a pornographer; and this trashy dime-store novel is not worth the paper it's printed on" (Baxter, 247).

[3] Darüber hinaus dienen die exzessiven Beschreibungen der sexuellen Akte des Romanes in ihrer entschärften filmischen Umsetzung eher zur Betonung von Batemans Selbstinszenierung und Narzissmus und erzielen daher eine komische Wirkung. Die Verhaltensweisen des Protagonisten erscheinen zum Teil geradezu lächerlich und die Gewalt nimmt einen Slapstick-Charakter an, wodurch sich der Zuschauer leichter vom ganzen Geschehen distanzieren kann. Die mit Huey Lewis and the News "Hip to be Square" untermalte und durch Tanzeinlagen von Bateman überschattete Mordsszene an Paul Allan alias Paul Owen geht dem Zuschauer sicher nicht so Nahe, wie die brutale Eliminierung (Ellis, 217), die lange auf dem Leser lastet.

[4] Die interessante Frage, inwieweit sich einige kritische Elemente des Werkes auch auf eine globale Ebene übertragen lassen, wäre zu umfangreich und würde einer eigenständigen Analyse bedürfen und kann daher in dieser Arbeit leider nicht berücksichtigt werden.

[5] Auf das Thema "Omnipräsenz der Gewaltdarstellungen" soll im gleichnamigen Kapitel 9.1 weiter unten noch ausführlicher eingegangen werden.

[6] Siehe Roland Barthes: "Death of the author", 1968.

[7] Marco Abel vergleicht des Öfteren den Film mit dem Roman. Die hier ausgewählten Aussagen sind ausschließlich in Bezug auf Ellis' Werk zu betrachten.

[8] Für eine direkte Übertragung vieler Symbole und Zitate des Werkes auf den amerikanischen Kontext der 1980er Jahre siehe Voßmann, Ursula: Paradise Dreamed - Die Hölle der 80er Jahre in Bret Easton Ellis' Roman American Psycho, Arbeiten zur Amerikanistik, Band 28, Essen, 2000.

[9] Für die Darstellung der historischen Entwicklung wurden zudem folgende Quellen verwendet: William J. Bennett: The Index of Leading Cultural Indicators - Facts and Figures on the State of American Society, Margaret A. Blanchard: History of the Mass Media in the United States - An Encyclopedia, Paul S. Boyer: The Oxford Companion to United States History und Jürgen Heideking / Christof Mauch: Geschichte der USA.

Ende der Leseprobe aus 92 Seiten

Details

Titel
Auswirkungen des Konsum- und Medienwahns in Bret Easton Ellis' "American Psycho"
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Anglistik und Amerikanistik)
Veranstaltung
Amerikanistik - Literatur, Kultur
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
92
Katalognummer
V262378
ISBN (eBook)
9783656506799
ISBN (Buch)
9783656507154
Dateigröße
784 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aus dem Gutachten des Dozenten: "Insgesamt ist die Deutung von Frau Brunn absolut überzeugend und fachsprachlich sowie theoretisch richtig und klug herausgearbeitet. Außer ganz weniger Stilblüten ist die Arbeit extrem lesbar geschrieben und lückenlos dokumentiert. Besonders überzeugend ist die Einbindung von theoretischen und kulturwissenschaftlichen Texten, die nie gezwungen wirkt und die kulturgeschichtliche Einbindung des Romans eindrucksvoll zeigt. Frau Brunn zeigt mit dieser Arbeit, dass sie ausgezeichnet literatur- und kulturwissenschaftlich arbeiten kann."
Schlagworte
auswirkungen, konsum-, medienwahns, bret, easton, ellis, american, psycho
Arbeit zitieren
Stefanie Brunn (Autor:in), 2009, Auswirkungen des Konsum- und Medienwahns in Bret Easton Ellis' "American Psycho", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262378

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