Öffentlichkeit und Privatheit


Seminararbeit, 2002

13 Seiten, Note: 2,4


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Öffentlichkeit und Privatheit als raum- bezogene Kategorien zur Beschreibung menschlichen Verhaltens und sozialen Lebens

1. Öffentlichkeit und Privatheit
1.1. Die Entwicklung der beiden Sphären von der Antike bis zur Gegenwart
1.2. Ausdruck von Öffentlichkeit und Privatheit in der modernen Gesellschaft
1.3. Wechselbeziehungen zwischen Öffentlichkeit und Privatheit

2. Rollentheorie nach Erving Goffman

3. Schlußbemerkungen

4. Literaturverzeichnis

0. Öffentlichkeit und Privatheit als raumbezogene Kategorien zur Beschreibung menschlichen Verhaltens und sozialen Lebens

Die Darstellung der beiden großen Sphären Öffentlichkeit und Privatheit, in denen hauptsächlich das soziale Leben der Menschen abläuft, hat in der Forschung einen großen Stellenwert eingenommen. Mit diesen raumbezogenen Kategorien kann auf eindringliche Weise das Verhalten von Menschen gedeutet und interpretiert aber auch städtische Vergesellschaftung beschrieben werden. In der Geographie haben sich Öffentlichkeit und Privatheit als Raumbeschreibungen herausgebildet, in denen menschliches Handeln in gewissen vorgefertigten, fast reglementierten Bahnen abläuft. Auch die Rollentheorie nach Erving Goffman, ein bekannter amerikanischer Soziologe, hat als Erklärungs- und Beschreibungsmuster der Selbstdarstellung in öffentlichen Sphären Einzug in die Geographie gefunden. Goffmann bringt die soziale Welt auf eine Theaterbühne mit Darstellern, Publikum und Kulissen um nachzuweisen, daß die Selbstdarstellung des Einzelnen nach bestimmten Regeln und unter vorgegebenen Kontrollen ein notwendiges Element des menschlichen Lebens ist. Um die Verknüpfungen zwischen Öffentlichkeit, Privatheit und Rollentheorie mehr zu verdeutlichen, möchte ich einleitend diese an zwei Beispielen darstellen.

1. Beispiel

Eine Straßenbahn ist an sich ein öffentlicher Raum in dem bestimmte Regeln gelten. Zu diesen Regeln gehört zum Beispiel, daß man sich vor Antritt der Fahrt eine Fahrkarte lösen muß. Auch soziale Regeln gelten hier. Dazu zählt auch eine zwar nicht vorgeschriebene, aber dennoch angemessene Bekleidung. Die Straßenbahn als öffentliche Sphäre ist in der Rollentheorie eine Bühne, wie jeder andere Ort auch, ob nun öffentlich oder privat. Wenn nun jedoch eine Person nackt in dieser Straßenbahn sitzen würde, hätte diese nach der Rollentheorie die Szene ihres Verhaltens und auch die Sphäre verwechselt. In einem privaten Raum oder einer anderen entsprechenden Umgebung (Bühnenbild) wäre diese Verletzung jedoch nicht gegeben. Wenn sich die Person nun in der Sauna befinden würde, wäre diese in der richtigen Szene und ihr Verhalten und Auftreten dieser angemessen.

2. Beispiel

Jemand möchte auf dem Einwohnermeldeamt, ebenfalls ein öffentlicher Raum, die Änderung seines Wohnsitzes bekannt geben. Er wird aber von dem Beamten als Teil des öffentlichen Raumes, also der Behörde, angesehen und dementsprechend behandelt. Der damit entstehende Raum der Interaktion zwischen den beiden Personen kann teilweise „privatisiert“, also umgewandelt werden zu einem halb öffentlichen Raum. Dies kann durch eine persönliche Begrüßung oder bewußtes bzw. unbewußtes Verhalten wie Entspannung oder ein Gespräch, das nicht nur auf das Formelle begrenzt ist, realisiert werden.

Man sieht an diesen zwei Beispielen wie die Sphären Öffentlichkeit und Privatheit entgegengesetzt zueinander stehen und dennoch ineinander übergehen und sich im Rollenspiel reflektieren.

In meinen weiteren Ausführungen möchte ich nun Öffentlichkeit und Privatheit als raumbezogene Kategorien zur Beschreibung von menschlichem Verhalten und Zusammenleben charakterisieren. Dazu gebe ich einen kurzen geschichtlichen Abriß der Entwicklung dieser Begriffe um dann in einem weiteren Schritt diese in heutiger Zeit zu untersuchen und Wechselbeziehungen zwischen ihnen aufzuzeigen. In einem letzten Schritt werde ich dann die Rollentheorie nach Goffman näher untersuchen.

1. Öffentlichkeit und Privatheit

1.1. Die Entwicklung der beiden Sphären von der Antike bis in die Gegenwart

In der Antike, im ausgebildeten griechischen Stadtstaat, steht die Sphäre der Polis, die sich in Form des öffentlichen Lebens, des bios politicus, auf der Agora abspielt in strenger Abgrenzung zur Sphäre des Oikos, die in der privaten Autonomie des Hausherrn ihren Ausdruck findet. Das ideologische Muster der Trennung von Privatem und Öffentlichem hat sich durch die Jahrhunderte hinweg bewahrt und findet z.B. in der römischen res publica ihren Ausdruck.

Ihre Bedeutung erlangt diese Öffentlichkeit durch die Entstehung einer bürgerlichen Gesellschaft im modernen Staat.

Im Mittelalter gab es keinen abgegrenzten Gegensatz zwischen Privatem und Öffentlichem. Öffentlichkeit bestand lediglich in Form einer repräsentativen Öffentlichkeit als Verkörperung einer höheren Gewalt, z.B. in Gestalt des Königs als Vertreter dieser Öffentlichkeit.

In der Zeit des Merkantilismus führen die wirtschaftspolitischen Bestrebungen der absolutistischen Staaten zur Schaffung einer ständigen Verwaltung und eines stehenden Heeres. Es entsteht eine Sphäre der öffentlichen Gewalt, die sich über die private Sphäre erhebt. Öffentlich wird somit synonym mit staatlich.

Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts schaffen Kaffeehäuser, Klubs, Salons und Zeitschriften eine Form von Öffentlichkeit in zunächst unpolitischer, dann zunehmend politischer Gestalt. Es bildet sich so eine Vorform der politisch fungierenden Öffentlichkeit, die als literarische Öffentlichkeit bezeichnet wird.

Im 19. Jahrhundert führt die zunehmende Öffnung der literarischen Zirkel und die offene Kritik an gesellschaftlichen Zuständen zum Verfall der höfischen und dem langsamen Übergang zur bürgerlichen Öffentlichkeit. Die Öffentlichkeit als ,,Sphäre, der zum Publikum versammelten Privatleute" wird zum Medium, in dem die Belange der Bürger zum öffentlichen Interesse und schließlich über das Parlament zum staatlichen Willen und Gesetz werden.[1]

1.2 Ausdruck von Öffentlichkeit und Privatheit in der modernen Gesellschaft

Die Voraussetzung für eine Öffentlichkeit ist die unvollständige Integration. Diese äußert sich in der Offenheit der sozialen Intentionalität der Einzelnen. Jeder kann also selbst bestimmen, an welchem Ort, in welcher Art mit welcher Person wie lange Kontakt aufgenommen wird. Dies ist charakteristisch für weite Bereiche des modernen städtischen Lebens. Man integriert sich nicht in eine soziale Gruppe, sondern bleibt als Individuum bestehen. In einem Dorf stellt sich dies meist ganz anders dar. Bahrdt schreibt, daß hier die sozialen Bindungen durch ein dichtes Netz persönlicher Bindungen vermittelt wird. Der Andere ist also niemals völlig unbekannt, sondern eine Einordnung kann vorgenommen werden.[2]

Soll eine Kontaktsituation in einer unvollständig integrierten Umwelt (Stadt) bewältigt werden, sind die Themen bei der Kommunikation durch die Distanz zum Gegenüber klar festgelegt. Man fragt nur nach scheinbar kleinen Dingen wie der Uhrzeit, nach Feuer oder dem Weg um nicht die Distanz zu verlieren und den Raum zu „privatisieren“. Denn durch die Überwindung der Distanz kann es zu Kommunikationsproblemen kommen. Ein positiver Aspekt an der Öffentlichkeit ist also, daß Kommunikationsformen entwickelt wurden, die die Distanz zwar überbrücken aber auch erlauben, den Raum als öffentlichen Raum bestehen zu lassen und nicht zuviel von sich selbst aufdecken zu müssen. Um aber im Kontakt deutlich genug zu zeigen was gemeint ist und nicht die Distanz aufgeben zu müssen, ist ein darstellendes Verhalten, ein Geben von Zeichen notwendig. „Es genügt zum Beispiel nicht, im Straßengewühl auf einen anderen nur einfach Rücksicht zu nehmen. Man muß ihm dies auch verständlich machen. Man begnügt sich also nicht damit, den anderen zuerst durch einen engen Torweg gehen zu lassen, sondern tritt ausdrücklich zurück und unterstreicht dieses Zurücktreten mit einer Geste. Das Verhalten läuft nicht nur ab, sondern stellt sich selbst noch einmal dar.“[3]

[...]


[1] Sennett, R.: Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität,Frankfurt a.M., 1986.

[2] Bahrdt, H.-P. : Die moderne Großstadt. soziologische Überlegungen zum Städtebau, München, 1974.

[3] Bahrdt, H.-P.: Die moderne Großstadt. soziologische Überlegungen zum Städtebau, München, 1974, S. 67

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Öffentlichkeit und Privatheit
Hochschule
Universität Kassel  (FB Geographie)
Note
2,4
Autor
Jahr
2002
Seiten
13
Katalognummer
V26229
ISBN (eBook)
9783638286343
Dateigröße
437 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Abhandlung über das Verständnis von Öffentlichkeit und Privatheit im Wandel der Zeit
Schlagworte
Privatheit
Arbeit zitieren
Thomas Wittmann (Autor:in), 2002, Öffentlichkeit und Privatheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26229

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