Sportpartizipation und Schulleistung


Bachelorarbeit, 2011

63 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Sport und Selbstkonzept
2.1. Definition Sport
2.1.1. Wissenschaftliche Definition
2.1.2. Sportverständnis von Kindern und Jugendlichen
2.2. Sportunterricht in Deutschland
2.2.1. Historische Entwicklung
2.2.2. Darstellung der Gegebenheiten
2.2.3. Anforderungen an den Sportunterricht
2.3. Formen des Selbstkonzepts
2.3.1. Selbstkonzept - Definition und Entstehung
2.3.2. Modelle des Selbstkonzepts
2.4. Big-Fish-Little-Pond-Effekt (BFLPE) im Sport
2.5. Der Einfluss von Sport auf das Selbstkonzept
2.6. Sport, Bewegung und Selbstkonzept - Brandenburger Längsschnitt
2.7. Studie zum „ Zusammenhang von Aktivität und Gesundheit “
2.8. Paderborner SET- Studie

3 Selbstkonzept und Schulleistung
3.1. Definition Schulleistung
3.2. Determinanten der Schulleistung
3.3. Selbstkonzepte und motivationale Prozesse
3.4. Der Einfluss des Selbstkonzepts auf die Schulleistung
3.5. Studien nach U. Trautwein
3.5.1. Studie 1: Selbstwertgefühl und Unterrichtsbeteiligung
3.5.2. Studie 2: Selbstwert und schulische Vergleichsprozesse
3.6. SCHOLASTIK Studie

4 Sport, Selbstkonzept und Schulleistung
4.1. Der Einfluss von Bewegung auf die Gehirnleistung
4.2. Die Bedeutung von Bewegung für die Entwicklung des Selbst
4.3. Sind gute Sportler gute Schüler?
4.4. Zur Bedeutung der motorischen Koordinationsleistung für den Schulerfolg
4.5. Studien zum Zusammenhang zwischen Sport und kognitiver Leistungsfähigkeit ...
4.6. Sport beeinflusst den Bildungserfolg

5 Bewegte Schule
5.1. Allgemeines Konzept
5.1.1. Versuch einer Definition
5.1.2. Begründungsmuster des Konzepts „Bewegte Schule“
5.1.3. Strukturmerkmale einer „Bewegten Schule“
5.1.4. Chancen der Bewegten Schule für die Schulleistung
5.2. Bewegte Schule am Otto-Hahn-Gymnasium in Göttingen

6 Fazit

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Das Kind lernt vor allem durch Bewegung.“ (Lehner & Riesen, 1999, S. 55) Dieses Zitat wird durch etliche Studien, die zum Teil auch in dieser Arbeit vorgestellt werden, bewiesen. In vielen Bereichen des Lebens spielt die sportliche Betätigung eine zunehmend größere Rol- le. Körperliche Bewegung allgemein ist in den Gedanken der Gesellschaft positiv besetzt. Der Bewegungsdrang ist im Kindesalter besonders ausgeprägt. Neben natürlichen und unbe- wussten Bewegungsabläufen wie Laufen, Hüpfen, Springen usw. werden den Kindern zum Beispiel in Vereinen verschiedene Sportarten angeboten, in der Schulzeit kommt der Sportun- terricht dazu.

Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit der Wirkung des Sports auf das Selbstkonzept und die Schulleistung. Dabei steht eine Frage im Vordergrund: „Kann sportliche Aktivität einen positiven Einfluss auf die Schulleistung nehmen?“

Im Rahmen des Lehramtsstudiums, insbesondere für das Fach Sport, ist es interessant zu ergründen, welche Möglichkeiten der Sport - oder die Bewegung - dem Unterricht bieten kann, welche Konzepte zu diesem Thema bereits umgesetzt wurden und warum Sport in so vielen Schulen nur eine kleine Nebenrolle spielt.

Bis heute wurden viele Forschungen durchgeführt, wobei nur in wenigen Fällen ein direkter Zusammenhang zwischen Sport und Schulleistung untersucht wird. Häufiger sind Studien zu den Beziehungen zwischen Sport und dem Selbstkonzept sowie zu dem Einfluss des Selbstkonzepts auf die Schulleistung. Aus diesem Grund spielt auch das Selbstbild in dieser Arbeit eine zentrale Rolle. Nach einer genaueren Betrachtung der beiden Forschungsgegenstände soll in einem dritten Punkt der Versuch unternommen werden, mit Hilfe einiger Untersuchungen aus den bisherigen Erkenntnissen zu erschließen, inwieweit Bewegung beziehungsweise sportliche Aktivität begünstigend auf die Schulleistung wirkt.

Der erste Teil der Ausarbeitung beschäftigt sich mit Sport und dem Selbstkonzept. Hierzu wird „Sport“ definiert, um den Einstig in das Thema erleichtern. Es ist zu klären, seit wann Sport in seiner jetzigen Form existiert und was wir in der heutigen Gesellschaft darunter ver- stehen. Da in dieser Arbeit die Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt stehen, soll neben einer wissenschaftlichen Betrachtung auch herausgestellt werden, was das Sportverständnis der Schüler ausmacht.

Sport existiert in Deutschland sowohl in als auch außerhalb der Schule. Auch wenn in einigen Kapiteln der außerunterrichtliche Sport eine Rolle spielt, richtet sich das Hauptaugenmerk auf den Schulsport. Die Einordnung des deutschen Schulsports wird deswegen im Kapitel 2.2 erläutert.

Daran anschließend wird ein Definitionsversuch des Selbstkonzepts vorgenommen. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, auf die Entstehung und Kategorisierung des Selbstkonzepts ein- zugehen. Zum Ende des ersten Abschnitts wird herausgearbeitet, wie der Sport das Selbstkon- zept beeinflusst. Dies wird mit anschließenden empirischen Erkenntnissen belegt. Es soll so herausgestellt werden, in welchem Maße Bewegung auf das Selbstkonzept von Kindern und Jugendlichen wirkt. Meine Vermutung ist, dass sportliche Leistung sich je nach den individu- ellen Fertigkeiten und Fähigkeiten positiv oder negativ auf das Selbstkonzept niederschlägt, wobei für diese Arbeit die positive Beeinflussung von größerer Wichtigkeit wäre.

Da im zweiten thematischen Hauptpunkt das Selbstkonzept neben der Schulleistung wieder aufgegriffen wird, liegt der Schwerpunkt auf der Begriffsbestimmung eben jener. Es ist zu klären, wann eine Leistung als gut betrachtet wird und von welchen Faktoren sie abhängen kann. Wie im vorangehenden Punkt beendet eine Übersicht über den Einfluss des Selbstkon- zepts auf die Schulleistung vor ausgewählten Studien das dritte Kapitel. Im anschließenden Abschnitt sollen die vorangehenden Überlegungen zusammengebracht werden und Antwort auf die Ausgangsfrage gefunden werden. Nach einer Darstellung der Bedeutung von Bewegung für Hirnleistung und Identitätsentwicklung sollen verschiedene Forschungen angeführt werden, die versuchen die These von einer positiven Wirkung des Sports auf die Schulleistung zu belegen.

Im Anschluss daran wird in einem weiteren Kapitel auf das Konzept Bewegte Schule eingegangen. Wohlwissend, dass das Programm mehr als ein Zusammenspiel zwischen Bewegung und Leistung beinhaltet, soll mittels der Darstellung dieses Projekts exemplarisch aufgezeigt werden, wie Sport besonders fördernd in den Schulalltag integriert werden kann und warum dies eventuell auch sinnvoll sein könnte.

Das Fazit werden die herausgearbeiteten Ergebnisse zusammentragen und es wird eine Prog- nose gewagt, wie die Institution Schule weiter mit den Resultaten der Forschung umgehen wird.

2 Sport und Selbstkonzept

„Durch Bewegung entdeckt der Mensch sich selbst, die Mitmenschen und die Mitwelt.“ (Pühse & Illi, 1999, S. 59) Vor diesem Hintergrund geht es im ersten Kapitel dieser Arbeit um die Wirkung des Sports - sei es nun in der Schule oder in der Freizeit - auf das Selbstbild von Kindern und Jugendlichen.

Bis heute wurde bereits mehrfach nachgewiesen, dass Sport einen unmittelbaren Effekt auf die psychosoziale Gesundheit und das subjektive Wohlbefinden hat und somit das Selbstkon- zept des Sporttreibenden steigert. Bewegung kann in gewissem Maße als „Stresspuffer“ be- zeichnet werden und schützt in dieser Funktion den Menschen vor emotionalem Stress (vgl. Gerlach, 2008, S. 84 f.).

Für einen grundlegenden Einstieg in die Thematik wird zunächst der Versuch vorgenommen, den Begriff Sport zu definieren. Einerseits sollen wissenschaftliche Erkenntnisse zu einer genaueren Eingrenzung beitragen, andererseits darf aber auch das Begriffsverständnis der Kinder und Jugendlichen - um die es in dieser Arbeit geht - nicht außer Acht gelassen werden. Des Weiteren gibt es einen Einblick in die Situation des Schulsports in Deutschland. Wie hat er sich in den Schulen etabliert? Und welchen Stellenwert hat er heute in den Schulen? Für die Beantwortung werden Teile der DSB1 -SPRINT-Studie vorgestellt.

Im Anschluss liegt der Fokus auf dem Selbstkonzept - einer Begriffsbestimmung und Begriffsabgrenzung - bevor zum Ende des ersten Teils die Wirkungen des Sports auf das Selbstbild von Kindern und Jugendlichen genauer betrachtet werden sollen.

2.1. Definition Sport

Seitdem der Sport 1828 durch den Reiseschriftsteller Fürst zu Pückler-Muskau nach Deutschland gelangte, fällt es den Wissenschaftlern schwer, sich auf eine allgemeingültige, allumfassende Definition des Sportbegriffs festzulegen. Diese Schwierigkeiten sind in der Vielfalt des Sports begründet und haben sich bis in das 21. Jahrhundert weiter vertieft, sodass heute jeder eine individuelle Vorstellung von dem besitzt, was Sport bedeutet.

Etymologisch betrachtet findet Sport seine Bedeutung im Englischen, wo Sport „Zerstreuung, Vergnügen, Zeitvertreib, Spiel“ meint. Ursprünglich stammt das Wort „Sport“ vom latei- nischen Etymon deportare (fortbringen) und wurde später dem französischen (se) de(s)porter (sich verstreuen, sich vergnügen) entlehnt (vgl. Röthig & Prohl u.a., 2003, S. 493).

Eine genaue Begriffseingrenzung ist weitaus schwieriger und bietet den Sportwissenschaften noch heute eine große Herausforderung, da eine Wissenschaft ihren Gegenstandsbereich einheitlich und vollständig festzulegen hat (vgl. Tiedemann, 2007).

2.1.1. Wissenschaftliche Definition

Graf von Norman beschrieb den Sport als „aktive Lust an einer Sache, die mit der geistigen und körperlichen Anwendung verbunden ist“ (1928, S. 286-287) und kommt zu dem Schluss, Sport sei die „Betätigung des Körpers und des Geistes zu gesundheitlichem Zwecke“. 1960 äußerte Diem sich zum Wesen des Sports wie folgt: „Sport als Leibesübung ist im Lebensbe- reich des zweckfreien Tuns ein […] Vervollkommnungsstreben“. Damit greift er den Grund- gedanken der Bewegung auf, ohne jedoch auf den Gesundheitsaspekt einzugehen, der bei Graf von Norman erwähnt wird. In den folgenden Jahren verfällt auch bei anderen Wissen- schaftlern die Berücksichtigung des Effekts des Sporttreibens auf die Gesundheit und der Fo- kus wird auf die körperliche Bewegung gesetzt (vgl. Stahl, 2007, 164). Einen umfassenden Definitionsversuch formuliert Güldenpfennig 2000:

„Sport ist selbstzweckhafte, schwerpunktmäßig im Medium körperlicher Bewegung vollzogene Eigenleistung, in der es um Anerkennung, Setzung und Austestung von Grenzen geht, wobei die freiwillig vereinbarte Auseinandersetzung zwischen gegne- rischen Parteien der (in bestimmter Weise durchaus rücksichtslosen und nicht hilfsberei- ten) Erreichung dieser individuell gesetzten Ziele dient und zugleich die Erzeugung des Wettkampfes als eines ästhetischen `Werkes´ ermöglicht.“ (Güldenpfennig, 2000, S. 201 f.)

Immer längere Definitionen verdeutlichen die Probleme der Wissenschaftler. Die genaue Ein- grenzung wird stetig schwieriger, da es zunehmend mehr Sportarten gibt und zwar nicht nur in organisierten Bereichen. Die Menschen haben unterschiedlichere Erwartungen an den Sport, was in der Folge zu Uneinheitlichkeit in der Begriffsbestimmung führt (vgl. Stahl, 2007a, 162 f.).

Wird der Wandel und die Weiterentwicklung betrachtet, die der Sport erfährt (z.B. durch neue Sportarten oder weniger organisatorische Rahmen, Trend zum Gesundheits- und Abenteuersport), ist davon auszugehen, dass `Sport´ nie vollkommen klar definiert werden kann.

2.1.2. Sportverständnis von Kindern und Jugendlichen

Die Schwierigkeiten, die die Wissenschaft mit dem Sportbegriff hat, werden auch von Kin- dern und Jugendlichen wahrgenommen. Für einen Überblick wurden Jugendlichen in einem von Stahl durchgeführten Interview Fragen gestellt, um herauszufinden, welche Aspekte für sie Sport beinhalten und welche Kriterien dazu führen, dass eine Tätigkeit als Sport angese- hen wird oder nicht („Was ist Sport?“, „Ist […] Sport?“, „Warum? Woran machst du das fest?“) (vgl. Stahl, 2007b, S. 112). Für eine Kategorisierung der Antworten wurde eine Eintei- lung vorgenommen, die zwischen essenziellen, modalen, motivationalen und nicht kategorisierbaren Kriterien unterscheidet. Es ist vorwegzunehmen, dass oftmals keine eindeu- tige Einordnung möglich war, da die Antworten mehrere Kriterien einschlossen.

Für viele Heranwachsende ist Sport mit Bewegung gleichzusetzen. Dementsprechend sind für sie Bewegungsmuster wie Bowlen, mit dem Hund spazieren gehen oder Fangen spielen Sport, Angeln oder Schach jedoch nicht. Bereits dieses Kriterium zeigt, dass es in der Lage ist, Akti- vitäten sowohl als Sport zu identifizieren, wie auch sie auszuschließen. Gleiches gilt für alle anderen Kriterien auch. Ein weiterer Aspekt des Sports ist die mit einhergehende Anstreng- ung und Belastung. Dieses erweitert den Bewegungsaspekt und grenzt einige bisher genannte Tätigkeiten wieder aus (zum Beispiel Bowlen) (vgl. ebd., S. 114 f.). Ein weiteres Argument für „richtigen Sport“ (ebd., S. 116) ist die Teilnahme an Wettkämpfen oder an Trainingsein- heiten. Diese Überlegung führt die Jugendlichen dazu, einige Sportarten situationsbedingt dem Sport zuzuordnen oder nicht. Snowboarden ist somit kein Sport, wenn zum Beispiel eine Familie im Winterurlaub einige Pistenkilometer zurücklegt, sondern erst, wenn ein Snow- boardfahrer an Wettkämpfen teilnimmt, für die er trainiert hat. Während „Bewegung“ und „Anstrengung“ noch zu den essenziellen Kriterien zählen, also den Inhalt der Tätigkeit be- schreiben, gehört Wettkampf und Training neben den Sportstätten und der Sportkleidung in den Handlungsmodus der modalen Kriterien. Demnach kann ein Sportdress darüber entschei- den, ob ein Streetballspiel Sport ist oder nicht (vgl. ebd., S. 117 ff.).

Größtenteils vertrauen die Interviewteilnehmer auf den organisatorischen Rahmen des Schul- sports oder des Vereins. Ausgeführte Sportarten in diesen Institutionen sind in den Köpfen der Jugendlichen in jedem Fall Sport. Des Weiteren zeichnet sich Sport durch eine gewisse Re- gelmäßigkeit oder Professionalität aus, oder durch die Ausübung über einen längeren Zeit- raum hinaus (vgl. ebd., S. 124-125, 135). Wenn ein Person drei Mal in der Woche regelmäßig eine Stunde joggen geht, kann dies als Sport bewertet werden, nicht aber, wenn es nur einmal im Monat ist.

Zu den motivationalen Kriterien zählen Freiwilligkeit, Selbstzweck und der Zielbezug. Ju- gendlichen ist es wichtig, dass Sport aus einer eigenen intrinsischen Motivation heraus getrie- ben wird. Sobald Sport einen Nebenzweck erfüllt (wie zum Beispiel das Erreichen der Schule mit dem Fahrrad) oder den (meist körperlichen) Zielbezug verliert, kann er in ihren Augen nicht mehr als Sport gewertet werden. Ein weiterer Bestandteil des Sporttreibens ist der Gesundheits- und Fitnessaspekt, der in den letzten Jahren immer mehr an Wichtigkeit gewon- nen hat (vgl. ebd., S. 125 ff.).

Einige Punkte wurden von den Jugendlichen aufgezählt, die nicht kategorisierbar waren. Die häufigste unklare Nennung war Spaß, wobei der Faktor Spaß auch Aktivitäten vom Sport ausgrenzen konnte (zum Beispiel Baden im See). Eine interessante Erkenntnis ist, dass die Interviewten auch ethische Faktoren wie Fairness, Toleranz und Gewalt für den Sportbegriff als wichtig erachteten. In dieser Hinsicht kommen sie der wissenschaftlichen Definition des Sports sehr nahe, da insbesondere die Gleichheit der Menschen im Sport ist eine seiner bedeutungsvollsten Vorzüge ist (vgl. ebd., S. 138 f.). Abschließend ist zu sagen, dass es den jugendlichen Interviewpersonen schwer fiel, Sport eindeutig zu definieren und zu sagen, was Sport ausmacht. Das scheint nicht weiter verwunderlich angesichts der Tatsache, dass dies niemand vollkommen klar auszudrücken weiß (vgl. Stahl, 2007c, 148 f.).

2.2. Sportunterricht in Deutschland

Der Schulsport ist in Deutschland nicht nur ein wichtiger Bestandteil der sportwissenschaft- lichen Disziplinen, er ist außerdem von großer Bedeutung für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, die er umfassend zu fördern vermag (vgl. Fessler, 2010, S. 73; Hilde- brandt-Stramann, 2006, S. 509). Bislang haben die Kultusministerien der Länder in Deutsch- land diese besondere Fähigkeit nicht ausreichend erkannt: Während die Weltgesundheitsorga- nisation (WHO) europaweit empfiehlt mindestens drei Stunden Sport in der Woche zu unter- richten, wird in Deutschland der Sportunterricht immer weiter gekürzt, um die Leistungen in anderen Fächern zu steigern. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass Kinder und Jugend- liche aufgrund von zu wenig körperlicher Betätigung physisch und psychisch beeinträchtigt sind.

Obst und Bös versuchen mit einem Schulmodellversuch im Jahre 2000 eine einfache und effi- ziente Lösung aufzuzeigen: In einer Grundschule wird über die Zeitspanne von vier Jahren hinweg in den Klassen jeden Tag eine Stunde Sport unterrichtet. Die Ergebnisse zeichnen ein positives Bild: Neben einer geringeren Unfallzahl und der gesteigerten Fitness der Kinder wurde auch das Schulklima entspannter und positiver wahrgenommen, da weniger Gewalt und Aggressionen den Schulalltag belasteten. Der Versuch legt dar, dass die Wichtigkeit des Schulsports in Deutschland unterschätzt wird. Neben der Ausbildung der sozialen Kompetenzen vermag er den Grundstein in der Gesundheitserziehung zu legen, die die Kinder im späteren Leben weiter ausbauen können (vgl. Moser, 2010, S. 12-15).

Vertiefend soll daher die historische Entwicklung des Schulsports eine Einführung in das Thema geben. Im Anschluss daran wird unter Einbezug der SPRINT-Studie die heutige Situation des Schulsports dargelegt.

2.2.1. Historische Entwicklung

Sport tauchte im schulischen Kontext erstmals bei den Philanthropen auf, bevor im 18. Jahr- hundert in den Internaten von Salzmann, Basedow und Guthsmuths Gymnastik zur Körper- pflege und Gesunderhaltung unterrichtet wurde. Anstelle von Gymnastik wurde im weiteren Verlauf des Schulsports bis 1945 Turnen unterrichtet. Während diese Sportart vor dem Natio- nalsozialismus noch als natürliche Unterstützung der kindlichen Bewegung gesehen wurde, war das Ziel der Nationalsozialisten das „Heranzüchten kerngesunder Körper“ (Hildebrandt- Stramann, 2006, S. 510). In der Nachkriegszeit entwickelte sich ein stark didaktisch orientier- ter Sportunterricht mit einem anthropologisch-bildungstheoretischem Ansatz. In der 1970er Jahren wurde das Schulsportkonzept schließlich auf die bis heute praktizierte Sportdidaktik mit dem Fokus auf das Sportartenkonzept umgestellt (vgl. ebd., S. 510 ff.).

2.2.2. Darstellung der Gegebenheiten

Für die Darstellung der aktuellen Situation des Sportunterrichts in Deutschland wird auf die SPRINT-Studie des Deutschen Sportbundes mit Ergebnissen aus dem Jahr 2003 Bezug ge- nommen.

Vorab sollen dazu die Sportstätten der Schulen betrachtet werden. Obwohl wissenschaftliche nachgewiesen wurde, dass die Sportstätte ein wesentlicher Faktor für einen gelungenen Sportunterricht ist, zeigen die Ergebnisse der SPRINT-Studie auf, dass „zu wenige geeignete Sportstätten bundesweit den Hauptgrund für Probleme der Schulen im Hinblick auf die Erfül- lung des Stundensolls beim Sportunterricht darstellen“ (Breuer, 2005, S. 47, vgl. Abbildung 1). Werden die Gesamtergebnisse aller Schulen verglichen, so fällt auf, dass Sportstunden selten gestrichen werden, um andere ausgefallene Fächer zu ersetzen (4,5%). Häufiger können die empfohlenen Stunden nicht umgesetzt werden, weil Lehrer krank sind oder die Hallen anderweitig genutzt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Probleme im Hinblick auf die Erfüllung des Stundensolls (in %)

Zugriff am 13.09.2011 unter http://bildungsklick.de/datei-archiv/40033/gesamtbericht_dsb_sprint_studie.pdf (S.48)

Dieser Umstand ist, wie später deutlicher erklärt wird, darauf zurückzuführen, dass nicht alle Schulen über eine eigene Halle bzw. über ausreichend Platz verfügen. Zu wenig geeignete Sportstätten sind mit 15,9% der Hauptgrund für eine zu geringe Zahl an unterrichteten Sport- stunden.

Bei der Betrachtung der Versorgung mit überdachten Sportstätten (vgl. Abbildung 2) ist festzustellen, dass die meisten Schulformen Einzelhallen für den Sportunterricht nutzen (70,5%). Dreifachhallen können überwiegend von integrierten Gesamtschulen und Berufsschulen genutzt werden, die Gesamtnutzung liegt hier jedoch nur bei ca. 30%. Nur ein Zehntel der Schulen (vor allem Berufsschulen und Gymnasien) hat Zugriff auf einen Fitnessraum. Die Zahl der nutzbaren Gymnastikräume liegt etwa doppelt so hoch (21,2%).

Abbildung 2: Nutzung überdachter Sportstätten (in %)

Zugriff am 13.09.2011 unter http://bildungsklick.de/datei-archiv/40033/gesamtbericht_dsb_sprint_studie.pdf (S.48)

Die Versorgung mit nicht überdachten Sportstätten ist zufriedenstellend (vgl. Abbildung 3), nur in Berufsschulen ist eine schlechte Versorgung auffällig. Abgesehen von den Grundschu- len kann etwa die Hälfte aller Schulformen Groß- und Kleinspielfelder nutzen. Deutlich höher fällt die Nutzbarkeit von Lauf-, Kugelstoß- und Sprunganlagen aus (die Zahlen der Grundschulen weichen auch hier teilweise ab): Während mehr als 80% der Schulen Lauf- und Kugelstoßanlagen benutzen können, liegt die Verfügbarkeit von Sprunganlagen sogar bei zirka 90%. 60 bis 65% greifen des Weiteren auf Wurfanlagen zu.2

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Nutzung nicht überdachter Sportstätten (in %)

Zugriff am 13.09.2011 unter http://bildungsklick.de/datei-archiv/40033/gesamtbericht_dsb_sprint_studie.pdf (S.49).

Etwa 50% der Schulen steht außerdem ein Lehrschwimmbecken für den Schwimmunterricht zur Verfügung (vgl. Abbildung 4). Erschreckend ist jedoch folgende Zahl: Etwa1 /5 der Schulformen kann kein Schwimmbecken für den Lehrunterricht nutzen. Das bedeutet, dass es durchaus möglich ist, dass einige Schüler in Deutschland während ihrer gesamten Schulzeit keinen Schwimmunterricht erhalten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Nutzung von Anlagen für den Schwimmunterricht (in %)

Zugriff am 13.09.2011 unter http://bildungsklick.de/datei-archiv/40033/gesamtbericht_dsb_sprint_studie.pdf (S.49)

Insgesamt werden die Sportstätten jedoch als gut bis befriedigend eingeschätzt, wobei beson- ders positiv die Erreichbarkeit heraussticht, die in allen Schulformen mit sehr gut oder gut bewertet wird (vgl. Abbildung 5). Auch die zeitliche Verfügbarkeit der Sportstätte für den Sportunterricht wird mit Noten von 1,7 bis 2,3 bewertet.len bzw. Sportboden, die Raumtemperatur im Sommer, die Sicherheit und die Ausstattung mit Während die Ergebnisse für den Hal- Kleingeräten noch im guten Bereich liegen, sind die Bewertungen für die Größe, die Raum- temperatur im Winter, die Sauberkeit, die Ausstattung mit Großgeräten und den allgemeinen Zustand eher befriedigend (2,4-2,9). Der Zustand der Umkleidekabinen und der Sanitärberei- che sowie die Attraktivität der Sportstätten erhalten in einigen Schulformen sogar nur die No- te 3.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Bewertung der am häufigsten genutzten überdachten Sportstätten (Noten von 1 bis 6)

Zugriff am 13.09.2011 unter http://bildungsklick.de/datei-archiv/40033/gesamtbericht_dsb_sprint_studie.pdf (S.51).

Insgesamt sind die vorliegenden Berichte als zufriedenstellend einzuschätzen, es ist aber fest- zuhalten, dass die Situation der Sportstätten in Deutschland besser sein müsste um einen op- timalen Sportunterricht gewährleisten zu können (vgl. Breuer, 2005, S. 45-51). Vor allem die ungünstigen Bedingungen des Schwimmunterrichts sind als äußerst schwerwiegend einzu- schätzen, bedenkt man die Zahl der Badeunfälle, bei denen vor allem Kinder und Jugendliche regelmäßig ums Leben kommen. Ein Schwimmunterricht kann solche Unfälle zumindest mi- nimieren, sodass auf diese Einheit in keinem Fall verzichtet werden darf. Den Schulen muss hier eine bessere Unterstützung geboten werden, damit die Schüler3 die in den Kerncurricula geforderten Kompetenzen erreichen können.

Für die eigentliche Fragebogenerhebung wurden die Schlüsseljahrgänge 4, 7 und 9 befragt,

diese entsprachen ungefähr 8900 Schülern an 219 Schulen. Bei den Schülerstichproben kann von einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Mädchen und Jungen gesprochen werden. 1158 Sportlehrer und 191 Schulleiter nahmen des Weiteren an der Befragung teil (vgl. Heim, Brettschneider, Hoffmann & Kussin, 2005, S. 76 ff.).

Der Schülerfragebogen bezog sich vor allem auf das Sozialklima, die Ziele und Inhalte des Sportunterrichts und seine Organisationsformen sowie das Sportlehrerverhalten und die Beurteilung von Lehrer und Unterricht. Die Sportlehrer machten Angaben zur Person und zur beruflichen Qualifikation. Außerdem schätzten sie die Unterrichtsbedingungen, die Arbeitsbelastung und -bewältigung, das Sozialklima in der Schule und im Kollegium ein. Die Schulleiter mussten schließlich neben einer Äußerung zur Schule und zum Sportunterricht Einschätzungen zu Stellenwert und Zielen des Schulsports, sowie zu Lehrern und Bedingungen des Sportunterrichts geben (vgl. Heim et al., 2005, S. 81 f.).

Die Ergebnisse der Schulleiterbefragung ergaben, dass beim Vergleich der curricularen Vor- gaben mit dem tatsächlich in der Schule erteilten Sportunterricht besonders in Haupt- und Realschulen strukturelle Differenzen bestehen. In Hauptschulen fällt außerdem der meiste Sportunterricht aus, während in Grundschulen erschreckend häufig fachfremd unterrichtet wird. Sportlehrer sind genauso stark wie ihre Kollegen in der Weiterbildung engagiert und auch ihr Status im Kollegium unterscheidet sich nicht von dem der anderen Lehrer (vgl. Hoffmann, Kehne, Brandl-Bredenbeck & Brettschneider, 2005, S. 98). Nahezu alle Schulen bieten über den regulären Unterricht hinaus sportbezogene Maßnahmen und Veranstaltungen an (wie zum Beispiel AGs oder Bundesjugendspiele). Dabei sind die Hauptziele der Schullei- tung die Förderung des fairen Umgangs miteinander, die Gesundheits- und Fitnesserziehung sowie die Hinführung zu weiterem Sporttreiben (vgl. Hoffmann et al., 2005, S. 105 f.).

Die Schüler bewerten ihren Sportlehrer in den meisten Fällen positiver als den gesamten Sportunterricht. Dies liegt häufig daran, dass der Unterricht des Öfteren aufgrund von Disziplinproblemen in der Lehrer-Schüler-Interaktion (zum Beispiel Unpünktlichkeit und Unruhe) nicht reibungslos ablaufen kann. Aus Sicht der Schüler beeinflusst vor allem das Alter der Sportlehrer die Qualität des Unterrichts. Junge Lehrer haben es in Sportklassen leichter, ihr Unterricht wird eher als gut eingeschätzt. Insgesamt wird der Sportunterricht von zirka zwei Dritteln der Schüler als wichtig eingestuft, sie wünschen sich jedoch eine etwas zeitgemäßere Gestaltung, vor allem, was die neueren Sportarten betrifft (vgl. Gerlach, Kussin, BrandlBredenbeck, Brettschneider, 2005, S. 140-144).

Die Lehrerfragebögen brachten folgende Ergebnisse: Grundsätzlich sind die deutschen Sport- lehrer gut ausgebildet, auch wenn der hohe Anteil an fachfremden Lehrern im Unterricht im Grundschulbereich bedenklich erscheint. Die zu erreichenden Kompetenzen im Sportunter- richt sind nach Angaben der Lehrer im Bereich der sportmotorischen Ausbildung (neue Bun- desländer) bzw. der Erziehung und Kompensationsfunktion des Sports (alte Bundesländer) angesiedelt. In den alten Bundesländern wird das Sozialverhalten bei der Notenvergabe noch stärker berücksichtigt, während im Osten Deutschlands die sportpraktische Leistung für die Note ausschlaggebend ist. Aus Sicht der Lehrer beeinträchtigen vor allem die Schüler die Un- terrichtsqualität, alles in allem sind sie mit den Gegebenheiten jedoch zufrieden (vgl. Oester- reich & Heim, 2005, S. 169-171).

Die Ergebnisse der SPRINT-Studie zeigen, dass sich der deutsche Schulsport grundsätzlich positiv gestaltet. Dennoch entspricht er noch nicht den Ausmaßen, die Kinder am besten und sinnvollsten fördern würden. In erster Linie erfüllt er nicht die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (drei Stunden Sport die Woche) und des Weiteren profitiert die Schule noch lange nicht von dem großen Potenzial, welches der Sport - bzw. die Bewegung - einerseits für die Entwicklung der Kinder hat und andererseits, wie später genauer erläutert wird, für die Schulleistungen beinhaltet.

2.2.3. Anforderungen an den Sportunterricht

„Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung sind zentrale Anliegen im Bildungswesen“ (Niedersächsisches Kultusministerium, 2007, S. 5). Aus diesem Grund hat das niedersächsi- sche Kultusministerium4 die Kerncurricula für die verschiedenen Unterrichtsfächer und Schulstufen entwickelt. Sie konzentrieren sich darauf, fachspezifische Kompetenzen auszu- weisen und verschriftlichen die dafür notwendigen Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten. Vor zirka fünf Jahren wurden in Niedersachsen die Rahmenrichtlinien durch die Kerncurricu- la ersetzt. Seitdem wird nicht mehr von Zielen des Unterrichts gesprochen, sondern von den zu erreichenden Kompetenzen. Kompetenzen „umfassen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertig- keiten, aber auch Bereitschaften, Haltungen und Einstellungen“ (ebd., S. 5), dabei zeichnet die Lösung zunehmend komplexerer Aufgaben den Kompetenzerwerb aus.

„Sport leistet einen nicht austauschbaren Beitrag zur Bildung und Erziehung“ (ebd., S. 7). Schülern soll die Freude an Bewegung und gemeinschaftlichem Sporttreiben vermittelt wer- den. Sie sollen lernen, dass eine aktive Lebensweise sich positiv auf ihre körperliche, emotio- nale, soziale und geistige Entwicklung auswirkt. Schulsport soll des Weiteren Teamgeist, Fairness, Toleranz und Leistungsbereitschaft fördern. Sport leistet als einziges Unterrichtsfach (abgesehen von denen der Bewegten Schule) einen Beitrag zur ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung (vgl. ebd., S. 7).

Im Mittelpunkt der sozialen Entwicklung steht das Miteinander, Gegeneinander und ihr Wechselspiel. Schüler müssen deswegen lernen angemessen mit Sieg und Niederlage umzugehen, sich an Regeln zu halten und Verantwortung zu übernehmen.

Viele Inhalte des Sportunterrichts sind darauf ausgelegt, dass Schüler ihr Handeln immer mehr eigenständig bestimmen. Für diesen Prozess ist ein positives oder zumindest gesundes Selbstkonzept unvermeidlich. Insgesamt kann gesagt werden, dass der Sportunterricht neben der Vermittlung von inhaltlichen Kompetenzen auch die Persönlichkeitsentwicklung zu be- einflussen versucht.

2.3. Formen des Selbstkonzepts

Viele Forschungen beschäftigen sich mit der Erfassung des Phänomens Selbstkonzept. Dabei ist es mindestens so komplex wie der Sport und ebenso schwer zu definieren. In der modernen Psychologie gibt es keinen Begriff, der annähernd so verflochten ist und in so vielen For- schungszusammenhängen verwendet wird wie der des Selbstkonzepts (vgl. Gerlach, 2008, S. 62).

Deswegen gibt es auch bis heute keine einheitliche Begriffsbestimmung, sodass viele Synonyme existieren wie zum Beispiel Selbstbild, Selbsttheorie, Selbstschema, Selbsteinschätzung, Selbstwert(-gefühl), Selbstsystem, Selbstwahrnehmung oder Selbstakzeptanz (vgl. Eppinger, 2009, S.28). Diese Begriffsvielfalt erklärte Marsh 1997 wie folgt: „Self-concept […] suffers in that `everybody knows what it is´, so that many researchers do not feel compelled, either to provide a theoretical definition of what they are measuring […]“.

Die Forscher sind sich einig, dass das Selbstkonzept aus der Rückmeldung von anderen Per- sonen entsteht, „[der Mensch sieht sich] mehr oder weniger unterbewußt [sic] so, wie andere [ihn] sehen“ (Mead, 1973). Demzufolge können fünf Quellen die Bildung des Selbstkonzepts beeinflussen: Die direkte Rückmeldung sowie eine indirekte Rückmeldung nach einer Inter- pretation des Verhaltens von anderen Personen, der soziale Vergleich mit anderen, die Inter- pretation und Beobachtung des eigenen Verhaltens und die Erinnerung an vergangene Erleb- nisse (vgl. Gerlach, 2008, S. 48 ff.).

2.3.1. Selbstkonzept - Definition und Entstehung

Die Forschung zur systematischen Erforschung des Selbst begann bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts. Der Urvater der Sozialpsychologie ist William James mit seinem Werk „The principles of psychology“ (1890) und seiner Theorie über die Unterscheidung in `I´ (Ich) und `Me´ (Mich). Das `I´ ist dabei das Subjekt, „das Selbstwertgefühle speichert, erinnert und beurteilt, das sich selbst als bewusst Seiendes oder Bewusstsein handelndes Ich erfährt“, wohingegen `Me´ das Objekt seiner Erkenntnis darstellt und unterteilt ist in materielles, soziales und geistiges Selbst (Schütte, 1993, S. 54).

In den 60er Jahren erlebte die Selbstkonzeptforschung ihren Höhepunkt, stagnierte dann aber bis in die 1990er (vgl. Eppinger, 2009, S. 28).

Heute wird besonders die Selbstwahrnehmung der Jugendlichen erforscht, denn das Selbst- konzept und somit die Bildung der eigenen Identität spielt besonders in der Jugend eine große Rolle. Die Entwicklung „eines positiv getönten, stabilen sowie zusätzlich noch differenzierten Selbstkonzeptes wird als eine der zentralen Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz angese- hen“ (Eppinger, 2009, S. 54). Wissenschaftler sind sich einig, dass von einer gelungenen So- zialisation gesprochen werden kann, wenn der junge Mensch ein stabiles Selbstbewusstsein hat. Es stellt sich die Frage „Wieso müssen Jugendliche ständig etwas bzw. sich beweisen?“ (Nüberlin, 2002, S. 1-3). Die Antwort darauf könnte sein, dass das Selbstbild zu keinem Zeit- punkt vollendet oder fixiert ist; seine Entwicklung ist ein lebenslanger Prozess, der fortläufig von äußeren Faktoren beeinflusst wird. Das Selbstkonzept ist somit eine „naive“ Theorie über sich selbst, die aufgrund positiver und negativer Aspekte, welche das Individuum sich selbst zuschreibt, immer wieder neu überdacht und formuliert werden muss (vgl. Eppinger, 2009, S. 29 f.). Jugendliche müssen sich demnach ständig selbst in den Bereichen Körper, Fähigkeiten, Kenntnisse, Interessen, Gefühle und Werte erfassen, denn das Selbst umfasst nicht nur die Selbstwahrnehmung der eigenen Person, sondern auch gelebte Werthaltungen, Zielvorstellungen und Ideale.

[...]


1 Deutscher Sportbund bis 2006, heute Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB).

2 Wie angedeutet werden die Statistiken der Berufsschule nicht mit einbezogen.

3 Die Verwendung der ausschließlich maskulinen Form in dieser Arbeit dient dem besseren Lesefluss und schließt in jedem Fall auch den weiblichen Suffix „-innen“ ein.

4 Für diese Arbeit wird aufgrund der Lage Göttingens ausschließlich Bezug genommen auf das Kerncurriculum des Landes Niedersachsen. Eine bundesweite Betrachtung ist im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht möglich.

Ende der Leseprobe aus 63 Seiten

Details

Titel
Sportpartizipation und Schulleistung
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Institut für Sportwissenschaften)
Note
2,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
63
Katalognummer
V262226
ISBN (eBook)
9783656558743
ISBN (Buch)
9783656558682
Dateigröße
1249 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sportpartizipation, schulleistung
Arbeit zitieren
Franzeska Wübben (Autor:in), 2011, Sportpartizipation und Schulleistung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262226

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