Die Entwicklung der modernen russischen Literatursprache unter Puškin


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

23 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Entwicklung der Literatursprache unter Puškin
2.1 Die Entwicklungen vor Puškin
2.2 Die sprachlichen Einflüsse
2.3 Puškins Literatursprache
2.4 Die Phasen des Schaffens Puškins

3 Der Zusammenfluss der Sprache unter Puškin
3.1 Puškin und der narodnost´- Begiff
3.2 Kirchenslawische Elemente in der Sprache Puškins
3.3 Die europäischen Einflüsse in der Sprache Puškins
3.4 Die Prosa Puškins
3.5 Zusammenfassend

4 Schluss

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Als russische Literatursprache der Gegenwart oder einfach russische Gegenwart-sprache bezeichnet man heute meist die russische Literatursprache in dem Entwicklungsstand, in dem sie sich um die Mitte und in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts befindet. Man darf jedoch nicht außer Acht lassen, dass trotz mancher Veränderungen- vor allem im Wortschatz und in den Wortbedeutungen- die russische Literatursprache seit der Zeit Puškins bis heute in struktureller Hinsicht eine relative Einheit bildet.“[1]

Aleksandr Sergeevič Puškin ist für die russische Literatursprache von großer Bedeutung. Mit seinem vielfältigen Werken konnte er seine Theorie von der Sprache in die Tat umsetzten und die russische Literatursprache reformieren.

„Wir haben gesehen, dass Puškin mit seinen literarischen Werken, nicht nur für die Sprache der Literatur, sondern auch für die Literatursprache insgesamt Überragendes geleistet hat.“[2]

Er verband, wie in der russischen Literatur, auch in der russischen Literatursprache die Einflüsse seiner Zeit, um etwas Neues seiner Art zu schaffen. Er schuf nationale Werke, die sowohl in der Sprache, als auch vom Inhalt den nationalen Charakter Russlands definierten. Besonders herausstechend ist diesbezüglich das Werk Evgenij Onegin; Евгений Онегин ( 1933).

„Evgenij Onegin wird ein wichtiger Beitrag zum Projekt einer Nationalliteratur gewiss durch die vielbesprochene Qualität als „Enzyklopädie des russischen Lebens“(V. Belinskij).“[3] Anhand des Evgenij Onegin wird der Zusammenstoß der russischen, folkloristischen und der fremden europäischen Kultur verdeutlich. Dieser Roman in Versen vereint beides in sich und schafft eine neue russische Identität.[4]

In dieser Hausarbeit möchte ich mich der Literatursprache Puškins widmen. Zuerst möchte ich auf die sprachlichen Einflüsse Puškins und seine Vorreiter eingehen. Daraufhin möchte ich die unterschiedlichen Phasen seines Schaffens erklären, sowie die wichtigsten Elemente der neu entstandenen russischen Literartursprache aufspalten und mit Beispielen verdeutlichen. Vor allem anhand des Werkes Evgenij Onegin.

2 Die Entwicklung der Literatursprache unter Puškin

2.1 Die Entwicklungen vor Puškin

Die schon vor Michail Vasil'evič Lomanosov (1711-1765) existierende Lomanovsche Drei- Stil- Theorie bestehend aus dem hohen, mittleren und dem niederen Stil wird bereits mit Nikolaj Michajlovič Karamzin (1766-1826) abgelöst. Der Ansatz Lomonosovs war nicht die Schaffung eines Funktionalstiles, sondern die Zuordnung bestimmter sprachlicher Mittel zu einer bestimmten literarischen Gattung.[5]

Der damalige hohe Stil, der aus gemeinslavischen und aus verständlichen, nicht ausgesprochenen archaischen kirchenslavischen Wörtern bestand, wurde in Heldenpoemen, Oden und für wichtige Reden in der Prosa angewandt. Der mittlere Stil bestand vorwiegend aus gemeinslavischen und russischen Wörtern.[6] In diesem Stil sollten Theaterstücke, Satiren, Briefe in Versen und Eklogen verfasst werden. Der niedere Stil bestand aus russischen und gemeinslavischen Wörtern. In diesem Stil sollten Epigramme und Komödien verfasst werden.[7] Es gab unter Lomonosov eine Zuordnung der Stile zu den einzelnen Genres.

Der Klassizismus wurde bald vom Sentimentalismus nach westlichem Vorbild abgelöst. Schriftsteller wie Goethe, Sterne oder Rousseau leiteten die neue Welle auch im slavischen Raum ein. Es entstanden Werke des russischen Sentimentalismus, wie Erzählungen oder Reisebeschreibungen. Karamzin manifestierte den Sentimentalismus unter anderem mit dem Werk „Briefe eines russischen Reisenden“.[8]

Ende des 18. Jahrhunderts traten Werke der realen Wirklichkeit in den Vordergrund. Somit wurde auch in Russland nach neuen sprachlichen Mitteln gesucht um dieses neue Genre auszudrücken. Die meisten Autoren dieser Zeit entschieden sich für „eine Sprache, die durch viele Elemente des hohen Stils, besonders eine buchsprachliche Lexik, charakterisiert ist.“[9] Puškin hingegen wählte einen anderen Weg, wobei auch sicherlich sozial- politische Faktoren eine Rolle spielten. Die Debatten der Slavophilen und der Westler trugen zu Puškins Schaffen bei. Ebenso die strenge Regentschaft Alexander I., unter dem sich der Adel von der Aristokratie zu spalten begann. Hier begann auch die Emanzipation der Kultur vom Staat.[10]

Es entstand damals eine Debatte, die nach einem nationalen Gedanken strebte, jedoch auch die Adaption westlicher Kultur anzweifelte.

In Zeiten, in denen französische Hauslehrer als Standard angesehen waren und der Adel hautsächlich auf Französisch sprach wurde vieles übernommen und kompensiert.

So ist es nicht verwunderlich, dass Karamzin das Französische zum strukturellen Muster der literarischen Sprache erhob.[11]

Es entstand eine Sprachdebatte zwischen den Karamzinisten und den Šiškovisten,

zwischen dem Lager des westlichen Vorbildes und dem Lager des Kirchenslavischen als kulturelle Quelle. Allerdings kamen die Šiškovisten hier in eine problematische Lage, da viele sprachliche Elemente schon über Jahre aus der westlichen Kultur übernommen wurden und gar nicht mehr zurückverfolgt werden konnten.

Die Richtung Karamzins mündet in der aus dem Westen adaptierten, nach-petrinischen Hofkultur, was dem anderen Lager wiederum nicht zusagte.[12]

So waren Šiškovs Stilprinzipen: „in einem hohen feierlichen Stil, in der Vermeidung von Lehnwörtern, in einer hohen Zahl an Kirchenslavismen und Biblismen.[13]

Die Suche nach literarischer Authentizität führt auch in den 1820er und 1830er Jahren zu einer Suche nach einer Nationalliteratur. Gerade auch um sich gegen das Ausland abzugrenzen.

Die russische Nationalliteratur, schien kaum die abgekupferte Sprache Karamzins zu sein. Auch das andere Extrem der Šiškovisten konnte sich nicht durchsetzten.

Mit dem narodnost`-Begriff entsteht also eine Debatte, die den Karamzin-Stil in Frage stellt, da er nach Herder keine nationale Spezifik beinhaltet.[14]

So trug Karamzin als auch Šiškov, sowie Krylov und Griboedov entscheidend zu der Sprachfindung Puškis bei.

2.2 Die sprachlichen Einflüsse

N. M. Karamzin (1766-1826) galt als bedeutendster Vertreter des russischen Sentimentalismus und in der Literatursprache schuf er den Karamzin-Stil, der anfänglich einer großen Beliebtheit gewann, jedoch bald als gekünstelt und nicht authentisch galt. Seinen новой слог, (neuen Stil oder Karamzin-Stil) beschrieb er in seinen Werken. Auch wand er diesen selber an. So konnten auch andere Autoren seinem Stil folgen. Karamzin hatte die Theorie der Drei-Stile endgültig hinter sich gelassen.[15]

Das strukturelle Modell für die russische Sprache war bei ihm die französische Sprache.

Wenn es keine passenden Wörter gab, sollten nach seinem Stil, eher neue Wörter geschaffen werden, als aus dem Kirchenslavischen übernommen werden.

Viele Wörter wurden daher damals aus dem französischen oder deutschen übernommen, wie zum Beispiel тротуар (von trottoir), кучер (von Kutscher) oder эпоха (von Epoche), und Neologismen wie zum Beispiel влюблоность (Verliebtheit).[16]

Auch in der Phraseologie und in der Synatx dienten Fremdsprachen als Vorbild.

Die Verkürzung der Satzgefüge hatte zur Folge, dass weniger Konjunktionen verwendet wurden. So wurden einige alte Konjunktionen gar nicht mehr verwendet.

Karamzin führte die genaue Wortfolge ein, deren Grundeigenschaften heute die selbigen sind.[17]

„Die Polemik Šiškovs gegen die übermäßige Verwendung von Lehnwörtern, Lehnübersetzungen, Lehnbedeutungen und Lehnsyntax wies zweifellos auf Probleme im Sprachgebrauch nicht nur Karamzins und seiner Anhänger, sondern der Adelsgesellschaft Ende des 18. Jahrhunderts hin.“[18] Jedoch nicht nur Karamzin, Derzavin, oder Šiškov beeinflussten Puškin zu seinem Schaffen.

Auch Krylov und Griboedov beeinflussten mit ihrem Sprachgebrauch Puškins Werke.

Krylov zog schon lexikalische und phraseologische Elemente der Umgangssprache des einfachen Volkes in seine Fabeln mit ein. Und auch Griboedov (Komödie in Versen: Горе от ума ¸ Verstand schafft Leiden; 1824) gab in seinen Komödien Besonderheiten der Umgangssprache verschiedener sozialer Schichten wider. Außerdem führten auch beide „typische syntaktische Konstruktionen der einfachen Umgangssprache“ mit ein, wie Sätze mit transportiertem Gebrauch des Imperativs, oder Infinitivsätze.[19]

In den 20er Jahren waren für Puškins Schaffen auch die Dekabristen von Bedeutung, die auf ihrer revolutionären Suche nach Freiheit, die unteren Schichten unterstützten und auch diese auszudrücken versuchten. Sie suchten ebenso wie Puškin die adäquaten sprachlichen Mitteln und richtet ihr Interesse auf die volkssprachlichen Redewendungen und Inhalte.[20]

Auch die Sprache der Komödien und Satiren, die sich in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelte trug zur Veränderung der Sprache bei. Denn hier wurden vor allem die Adeligen kritisiert und gleichzeitig die Rechtlosigkeit der Bauern. Hier war es möglich eine volkssprachliche oder umgangssprachliche Sprache zu verwenden.[21]

2.3 Puškins Literatursprache

„Im Schaffen Puškins ist in den verschiedensten Genres endlich eine Synthese der genetischen unterschiedlichen sprachlichen Mittel verkörpert, zu der es in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des 19 Jahrhunderts Ansätze gab.“[22]

Für Puškin war es ein Anliegen, in einer Sprache zu schreiben, die einen nationalen Charakter, im weitesten Sinne, aufweist. Er hatte großes Interesse an den alten Redewendungen, Märchen und Sprichwörtern. Nicht nur in der Sprache auch in der Literatur strebte er zum “Nationalen“.

„Im Allgemeinen kann man sagen, dass sich die Verwendung und das Reflektieren von Literatur durch Puschkins Werke ziehen, wie ein roter Faden, zusammen mit dem Projekt einer nationalen Literatur in Russland.“[23]

„In seinem ironischen Umgang mit den virtuellen literarischen Mustern doppelt der Autor, der sehr wohl intendiert, eine Art Nationalpoem der Russen zu schaffen, die innerfiktional am Sujet entwickelte Frage nach der dualistischen Kultur, nach der Dualität von Ost und West in Russland „[24]

[...]


[1] Mulisch 1993, S. 21

[2] Eckert 1983, S. 227

[3] Ebbinghaus 2000, S. 109

[4] Vgl. Ebbinghaus 2000, S. 109

[5] Vgl. Boeck 1974, S. 79 f.

[6] Vgl. ebd., S. 80

[7] Vgl. ebd.

[8] Vgl. Eckert 1983, S. 216

[9] Vgl. Eckert 1983, S. 210

[10] Vgl. Ebbinghaus 2004, S. 2

[11] Vgl. ebd., S. 3

[12] Vgl. ebd.

[13] Ebbinghaus 2004, S. 3

[14] Vgl. Ebbinghaus 2004, S. 8

[15] Vgl. Boeck 1974, S. 79 f.

[16] Vgl. Portoi 2007, http://www.levportnoi.ru/shorts/1890.php; 29.10.2012

[17] Vgl. Eckert 1983, S. 218

[18] Eckert 1983, S. 219

[19] Vgl. Eckert 1983, S. 221

[20] Vgl. ebd.

[21] Vgl. ebd.

[22] Eckert 1983, S. 222

[23] Ebbinghaus 2004, S. 24

[24] Ebd., S. 25

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Entwicklung der modernen russischen Literatursprache unter Puškin
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Slavisches Institut)
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
23
Katalognummer
V262221
ISBN (eBook)
9783656512325
ISBN (Buch)
9783656512332
Dateigröße
703 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
entwicklung, literatursprache, puškin
Arbeit zitieren
Christina Briviba (Autor:in), 2012, Die Entwicklung der modernen russischen Literatursprache unter Puškin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262221

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