Bewertungssysteme auf C2C-Plattformen: Vertrauensbildung bei Informationsasymmetrie


Diplomarbeit, 2004

88 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

1 Problemstellung

2 C2C-Plattformen
2.1 Definition
2.2 Geschäftsmodelle
2.3 Bedeutung und Besonderheiten
2.4 Auktionen bei eBay

3 Informationsasymmetrie
3.1 Informationsasymmetrie in der Theorie
3.1.1 Definition
3.1.2 Adverse Selection und der „Market for ‚Lemons’“
3.1.3 Moral Hazard und das Gefangenendilemma
3.2 Informationsasymmetrie in der Praxis
3.2.1 Face-to-Face-Transaktionen und Informationsasymmetrie
3.2.2 Internet-Transaktionen und Informationsasymmetrie
3.3 Formelle Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen
3.3.1 Explizite Verträge, Garantien, gesetzliche Regelungen
3.3.2 Verträge und C2C-Plattformen
3.3.3 Anonymität auf C2C-Plattformen
3.3.4 Relevanz expliziter Verträge auf C2C-Plattformen
3.4 Informelle Marktmechanismen: Vertrauen und Reputation
3.4.1 Vertrauen
3.4.2 Vertrauen auf Basis persönlicher Erfahrung
3.4.3 Vertrauen auf Basis von Reputationsmechanismen
3.4.4 Reputationsmechanismen auf C2C-Plattformen

4 Bewertungssysteme auf C2C-Plattformen
4.1 Bewertungssysteme im Internet
4.2 Das Bewertungssystem von eBay
4.3 Strukturelle Alternativen
4.3.1 Fragestellungen
4.3.2 Wer darf Bewertungen über wen abgeben?
4.3.3 Wie ist die Bewertungsabgabe strukturiert?
4.3.4 Wie werden die Bewertungen aggregiert?
4.3.5 Wie werden die Informationen präsentiert?

5 Return on Reputation: Empirische Ergebnisse
5.1 Anmerkungen zu den Analysemethoden
5.2 Einflüsse der Verkäuferbewertung auf den Return on Reputation
5.3 Anmerkungen zum tabellarischen Überblick
5.4 Direkter Einfluss der Verkäuferbewertung auf den Final Price
5.5 Einfluss der Verkäuferbewertung auf die Verkaufswahrscheinlichkeit
5.6 Indirekter Einfluss der Verkäuferbewertung auf den Final Price

6 Aussagekraft der Verkäuferbewertung
6.1 Häufigkeit der Bewertungsabgabe
6.2 Validität der Bewertungen
6.3 Prognose des Verkäuferverhaltens

7 Fazit

Literaturverzeichnis

Anzahl Wörter: 14.255

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Entscheidungsbaum beim Vorliegen von Hidden Intention

Abbildung 2: Bewertungsabgabe bei eBay

Abbildung 3: Kurzfassung eines Bewertungsprofils bei eBay

Abbildung 4: Ausführliches Bewertungsprofil bei eBay

Abbildung 5: Abgabe einer Bewertung bei amazon

Abbildung 6: Kurzfassung eines Bewertungsprofils bei hood

Abbildung 7: Kurzfassung eines Bewertungsprofils bei QXL

Abbildung 8: Ausführliches Bewertungsprofil bei atrada

Abbildung 9: Ausführliches Bewertungsprofil bei AZUBO

Abbildung 10: Einflüsse der Verkäuferbewertung auf den Return on Reputation

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Direkter Einfluss der Verkäuferbewertung auf den Final Price

Tabelle 2: Einfluss der Verkäuferbewertung auf die Verkaufswahrscheinlichkeit

Tabelle 3: Einfluss der Anzahl der Bieter bzw. Gebote auf den Final Price

Tabelle 4: Einfluss der Verkäuferbewertung auf die Anzahl der Bieter bzw. Gebote

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Problemstellung

Mit ungebremstem Wachstum und einer immer stärker werdenden Anziehungskraft gilt das Geschäftsmodell von Online-Auktionshäusern auch außerhalb von Consumer-to- Consumer-Plattformen (C2C-Plattformen) als herausragende Erfolgsstory der New Economy. eBay ist mit weltweit 94 Millionen Mitgliedern und Plattformumsätzen von jährlich 24 Milliarden US$ ein Musterbeispiel dafür, dass die enormen Effizienzvorteile des Internet erfolgreich genutzt werden können.1

Bei einer über eine C2C-Plattform vermittelten Transaktion begegnen sich die Parteien in aller Regel nicht, die vereinbarten Leistungen werden nicht gleichzeitig erbracht, auch eine Inspektion des Artikels vor Ort ist nicht möglich. Die sich daraus ergebenden, teilweise erheblichen Risiken lassen den Erfolg von Websites wie eBay besonders be- merkenswert erscheinen, zumal die Anbieter in der Regel keine Erfüllung der über ihre Plattformen abgeschlossenen Verträge garantieren und sich deren gerichtliche Durch- setzung über unterschiedliche Rechtsräume hinweg als problematisch erweist.

Ziel dieser Arbeit ist es, die grundlegende Struktur von C2C-Plattformen unter besonde- rer Berücksichtigung von Auktionshäusern auf ihre theoretische und praktische Funkti- onsweise hin zu untersuchen. Insbesondere sollen die Fragen geklärt werden, auf wel- che Weise den erheblichen opportunistischen Verhaltensspielräumen begegnet werden kann und welche Bedeutung hierbei dem subjektiven Empfinden der Plattformmitglie- der zukommt.

Es wird gezeigt, dass rationales Verhalten aller Marktteilnehmer einen von Informati- onsasymmetrie geprägten Markt zum Erliegen bringen kann. In traditionellen Märkten etablierte Möglichkeiten der Risikoreduktion stoßen bei ihrer Anwendung in anonymen Internetmärkten auf Probleme. Dies betrifft sowohl formelle Kontroll- und Sicherungs- maßnahmen als auch informelle Marktmechanismen. Die Funktionsfähigkeit von C2C- Plattformen ist zu erheblichen Teilen abhängig von der erfolgreichen Kommunikation einer Durchsetzbarkeit von Online-Verträgen sowie der effektiven Vermittlung einer hohen Wirksamkeit der Bewertungssysteme an die Plattformmitglieder.

Kapitel 2 gibt einen Einblick in die Thematik der C2C-Plattformen. In Kapitel 3 wird nach einer theoretischen Einführung in das Problem der Informationsasymmetrie darge- legt, aus welchen Gründen asymmetrische Informationsverteilungen insbesondere auf C2C-Plattformen anzutreffen sind und inwieweit hier formelle Kontroll- und Siche- rungsmaßnahmen sowie informelle Marktmechanismen in der Lage sind, opportunisti- schem Verhalten entgegenzuwirken. In Kapitel 4 werden Aufbau und Funktionsweise von Bewertungssystemen auf C2C-Plattformen erläutert. Dazu wird das System von eBay detailliert vorgestellt, gefolgt von einer Darstellung alternativer, teilweise bereits umgesetzter Strukturelemente. In Kapitel 5 werden mit Hilfe empirischer Studien Wir- kungszusammenhänge zwischen Bieterverhalten bei eBay-Auktionen und dem entspre- chenden Bewertungssystem untersucht. Insbesondere soll geklärt werden, ob sowohl statistisch als auch ökonomisch signifikante Returns on Reputation realisierbar sind. In Kapitel 6 wird anhand des Bewertungssystems von eBay beschrieben, welche Problem- felder für eine potenziell suboptimale Aussagekraft der Verkäuferbewertungen verant- wortlich sind. Außerdem wird hier untersucht, ob sich aus dem Bewertungsprofil eines Mitglieds auf sein zukünftiges Verhalten schließen lässt. Ein Fazit schließt die Arbeit in Kapitel 7 ab.

2 C2C-Plattformen

Dieses Kapitel gibt eine Einführung in die Thematik der C2C-Plattformen. Zunächst sollen in Abschnitt 2.1 der Begriff definiert und Probleme bei der Abgrenzung aufgezeigt werden. In Abschnitt 2.2. folgt eine Abhandlung der gängigsten Geschäftsmodelle. Abschnitt 2.3 beschreibt die Entwicklung und die ökonomische Relevanz von C2C- Plattformen. Schließlich wird in Abschnitt 2.4 die Funktionsweise derartiger Plattformen am Beispiel von eBay-Auktionen verdeutlicht.

2.1 Definition

Ein Internet-Marktplatz wird als C2C-Plattform bezeichnet, wenn die Wertschöpfung des Anbieters einer solchen Plattform primär aus der internetbasierten Intermediation von Leistungsaustauschprozessen zwischen privaten Konsumenten resultiert.2

Die Kategorie „C2C“ leitet sich dabei aus der im E-Commerce üblichen Unterteilung nach den an den Austauschprozessen beteiligten Akteuren ab.3 Hierzu ist jedoch anzumerken, dass sich virtuelle Marktplätze in der Praxis oftmals nicht klar nach ihren Teilnehmern unterscheiden lassen:

eBay gilt als Klassiker unter den C2C-Plattformen, ist aber längst weit mehr als ein Treffpunkt für Nicht-Kaufleute. So wird das Online-Auktionshaus vermehrt von Klein- unternehmungen genutzt, denen sich auf diese Weise eine kostengünstige Möglichkeit eröffnet, ihre Artikel einem weltweiten Publikum zu präsentieren.4 Auch für größere Unternehmen sind derartige Plattformen von Interesse, z. B. im Bereich des Restpos- tenverkaufs, zur Unterstützung einer Penetrationsstrategie oder zur Erreichung preissen- sitiver Käufersegmente.5 Mittlerweile werden sogar Consumer-to-Business- und Con- sumer-to-Administration-Transaktionen vermittelt, die US-amerikanische Raumfahrt- behörde NASA bspw. bezieht offenbar über eBay Ersatzteile, die vom Hersteller nicht mehr lieferbar sind.6

Das Geschäftsmodell von amazon hingegen ist zunächst in den Business-to-Consumer- Bereich einzuordnen, für Teilbereiche ist jedoch der Begriff „C2C-Plattform“ durchaus zutreffend. So können die Kunden über die Website auch Bücher aus dem eigenen Bestand zum Privatverkauf anbieten. Außerdem haben sie über Kundenrezensionen die Möglichkeit, Informationen untereinander auszutauschen.

Aufgrund dieser Schwierigkeiten bei der Abgrenzung und im Sinne der Zielsetzung der Arbeit werden im weiteren Verlauf auch Teilbereiche eines Marktplatzes, sofern sie obiger Definition genügen, als C2C-Plattformen verstanden.

2.2 Geschäftsmodelle

Matthiesen (2003) unterscheidet im Bereich des C2C-Commerce folgende Geschäfts- modelle:7

- Auktionen (z. B. atrada, AZUBO, eBay, QXL)
- Anzeigenmarktplätze (z. B. babysitter.de, mobile.de, Quoka, Scout24)
- Tausch digitaler Produkte (z. B. gnutella, Kazaa, Napster, WinMX)
- Informationsaustausch (z. B. dooyoo, ICQ, oneview, uboot)

In der Praxis ist eine klare Trennung jedoch auch hier oft nicht möglich. eBay bietet neben Auktionen im eigentlichen Sinne auch Festpreisauktionen an und ist damit zusätzlich ein Anzeigenmarkt. Yahoo! hingegen setzt den C2C-Schwerpunkt weiterhin im Bereich des Informationsaustausches, betreibt jedoch auch ein Auktionshaus. Andererseits bietet mittlerweile fast jede C2C-Plattform ihren Mitgliedern die Kommunikation über Communities oder per Chat an.8

In dieser Arbeit soll neben Anzeigenmärkten die Betrachtung von Auktionshäusern im Mittelpunkt stehen, da unter Intermediation dieser Plattformen Transaktionen getätigt werden, bei denen die Beteiligten mitunter erhebliche Risiken eingehen.9 Die Risiken der Parteien beim Tausch digitaler Produkte und beim Informationsaustausch sind hingegen als vergleichsweise niedrig einzustufen.10

2.3 Bedeutung und Besonderheiten

Zu Beginn des Internet-Booms Mitte der neunziger Jahre wurden mit einer bemerkens- werten Kreativität verschiedene Ideen zur Nutzung des neuartigen Kommunikationsme- diums konzipiert und realisiert. Einige dieser Geschäftsmodelle berücksichtigten die enormen Effizienzvorteile des Internets und werden bis heute äußerst erfolgreich umge- setzt. Zweifellos gehören dieser Gruppe auch Vertreter der C2C-Plattformen an.

Wurden Sammler und Schnäppchenjäger noch vor einigen Jahren hauptsächlich auf Messen oder Flohmärkten fündig, so haben sie durch das Internet die Möglichkeit, weltweit zu überschaubaren Kosten miteinander zu tauschen und zu handeln. Die digitale Basis des neuen Mediums ermöglicht zudem eine kostengünstige, problemorientierte Standardisierung der Vermittlungsprozesse. Die Eröffnung der ersten kommerziellen Online-Auktionshäuser war somit lediglich eine Frage der Zeit.

Als „eBay’s AuctionWeb“ im September 1995 in Form einer digitalen Tauschbörse für Liebhaber von Pfefferminzbonbon-Spendern online ging, war sie nicht die erste Website ihrer Art, ist heute jedoch zweifellos die erfolgreichste. Bereits im Jahr 1999 wurden auf eBay bei zweistelligen monatlichen Wachstumsraten mehrere Milliarden Dollar über die Versteigerung von hunderttausenden Artikeln umgesetzt.11

Momentan ist das Online-Auktionshaus mit über 17 Millionen Besuchern pro Monat allein in Deutschland weiterhin unangefochtener Marktführer im C2C-Bereich.12 Welt- weit waren Ende 2003 bei eBay 94 Millionen Mitglieder registriert, von denen 43% als „aktiv“ eingestuft werden. Im Jahre 2003 wechselten über die Plattform Artikel im Ge- samtwert von 24 Milliarden US$ ihren Besitzer.13 Pro Sekunde werden auf der Website durchschnittlich 37 Artikel von der Briefmarke bis zur Audienz beim Papst neu gelistet, wobei der Großteil dieser Auktionen eher in der Preiskategorie von Briefmarken anzu- siedeln ist.14 Die jährlichen Wachstumsraten bewegen sich bei diesen Daten weiterhin z. T. im zwei- oder sogar dreistelligen Bereich.15

Natürlich ist nicht nur eBay im C2C-Bereich aktiv. Im deutschsprachigen Internet bieten weit über 100 Webseiten digitale Auktionen an, die meisten jedoch mit eher mäßigem Erfolg.16 Allerdings gibt es auch immer wieder Konzepte, die sich auf dem Markt etablieren. Jüngst hat sich bspw. AZUBO als Spezialist für Holländische Auktionen durchgesetzt. Für Nachahmer sind mittlerweile eine Reihe relativ günstiger SoftwareProdukte zur Erstellung des eigenen Auktionshauses erhältlich.17

2.4 Auktionen bei eBay

Aufgrund des hohen Bekanntheitsgrades von eBay soll hier der Ablauf einer StandardAuktion aus Sicht eines Käufers rekapituliert werden. Für detaillierte Ausführungen wird auf Lucking-Reiley (2000) bzw. die Websites von eBay verwiesen.

In aller Regel stellen das gezielte Suchen über die Artikelsuchfunktion oder das Stöbern in der Kategorienliste die Ausgangspunkte potenzieller Käufer dar, über die sie zu der vom Verkäufer hinterlegten Artikelbeschreibung gelangen. Hier finden sich neben der eigentlichen Beschreibung des Artikels Einzelheiten zu den Zahlungs- und Versandmo- dalitäten sowie Informationen zum Bewertungsprofil des Verkäufers und zum bisheri- gen Verlauf der Auktion.

Registrierte Mitglieder können über die Artikelbeschreibung Gebote abgeben, wobei alle Gebote gezählt werden, die sowohl über dem aktuellen Höchstgebot als auch über dem einsehbaren Mindestgebot liegen. Auf eBay.com haben Verkäufer über die obliga- torische Festlegung des Mindestgebots hinaus die Möglichkeit, einen Secret-Reserve- Price (Reservationspreis) zu bestimmen. Die Website informiert in diesem Fall lediglich darüber, ob diese Schranke bereits überschritten wurde oder nicht. Bieter können ihre

Gebote neben dem klassischen Bietverfahren über Bietagenten abgeben. Automatisches Bieten bis zum individuellen Höchstpreis ersetzt hierbei die fortlaufende manuelle An- passung des eigenen Gebots während der Auktion. Da die Auktionen in der Regel zu einem vorgegebenen Zeitpunkt enden, wird der größte Teil der Gebote quasi „in letzter Sekunde“ abgegeben. In Kombination mit Agentengeboten ergibt sich daraus der Cha- rakter einer Auktion mit verdeckten Geboten.18 Der Gewinner der Auktion erhält den Artikel zum zweithöchsten Gebot zuzüglich eines unerheblichen Erhöhungsschritts. In der wissenschaftlichen Literatur wird deshalb in diesem Zusammenhang oft von einer Vickrey-Auktion gesprochen.19

Nach Auktionsende tauschen Käufer und Verkäufer die zur vollständigen Abwicklung der Transaktion notwendigen Daten (Adressen, Bankverbindungen) aus. Üblicherweise wird der Artikel nach Überweisung des Kaufpreises per Post verschickt. Das Auktionshaus tritt hier lediglich als Vermittler auf und unterstützt die Abwicklung der Transaktion z. B. durch die automatisierte Versendung von Bestätigungsmails.

Käufer und Verkäufer haben nach der Transaktionsabwicklung die Möglichkeit, ihre Beurteilung hinsichtlich der Zuverlässigkeit des jeweiligen Geschäftspartners im Bewertungssystem zu hinterlegen. Funktions- und Wirkungsweise dieser Bewertungssysteme sind Gegenstand dieser Arbeit.

3 Informationsasymmetrie

In diesem Kapitel wird nach einer theoretischen Einführung in die Problematik der In- formationsasymmetrie (Abschnitt 3.1) dargelegt, aus welchen Gründen asymmetrische Informationsverteilungen insbesondere auf C2C-Plattformen anzutreffen sind (Ab- schnitt 3.2). Anschließend wird die Frage erörtert, inwieweit formelle Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen sowie informelle Marktmechanismen in der Lage sind, opportu- nistischem Verhalten im Hinblick auf C2C-Plattformen entgegenzuwirken (Abschnitte 3.3 und 3.4).

3.1 Informationsasymmetrie in der Theorie

3.1.1 Definition

Asymmetrische Informationsverteilung unter Marktteilnehmern (Informationsasymmet- rie) führt zu opportunistisch ausbeutbaren Verhaltensspielräumen von Transaktions- partnern.20 Die sich daraus ergebenden Verhaltensunsicherheiten lassen sich wie folgt unterscheiden:21

Hidden Characteristics: Vorvertragliche Informationsasymmetrie, bei der einer Partei Informationen über die Merkmale der potenziellen Transaktion vorenthalten werden. Diese Merkmale betreffen u. a. die ex ante feststehende Qualität des veräußerten Pro- duktes, die hier vom Käufer erst ex post verifiziert werden kann (Qualitätsrisiko).

Hidden Intention: Nachvertragliche Informationsasymmetrie, bei der eine Partei nicht vollständig über transaktionsrelevante Absichten der Gegenpartei informiert ist. Das Verhalten des jeweiligen Transaktionspartners steht ex ante nicht fest, ist aber ex post beobachtbar, etwa durch Ausbleiben der vereinbarten Gegenleistung (Erfüllungsrisiko).

Hidden Action: Nachvertragliche Informationsasymmetrie, bei der eine Partei nicht vollständig über transaktionsrelevante Maßnahmen der Gegenpartei informiert ist. Das Verhalten des jeweiligen Transaktionspartners steht ex ante nicht fest, bleibt der be- nachteiligten Partei aber im Gegensatz zur Hidden Intention auch ex post verborgen (Beispiel: Verkauf von E-Mail-Adressen).

Vorvertragliche Informationsasymmetrien führen zu Adverse Selection, nachvertragli- che Informationsasymmetrien zu Moral Hazard. Sowohl das in Hidden Characteristics begründete Adverse Selection-Problem als auch Moral Hazard im Sinne von Hidden Intention sind im Internethandel von zentraler Bedeutung und werden im Folgenden ausführlich besprochen. Die Hidden Action-Problematik hingegen hat auf C2C- Plattformen einen eher sekundären Charakter und soll im Sinne der Zielsetzung dieser Arbeit nicht weiter vertieft werden.

3.1.2 Adverse Selection und der „Market for ‚Lemons’“

In dem auf Akerlof (1970) zurückgehenden Modell des „Market for ‚Lemons’“ wird am Beispiel des US-amerikanischen Gebrauchtwagenmarktes gezeigt, dass Hidden Characteristics nicht nur die Durchschnittsqualität der auf dem Markt angebotenen Produkte und damit die Markteffizienz senken, sondern als Folge dessen den betreffenden Markt zum Erliegen bringen können. Die Zusammenhänge sollen hier auf ein Beispiel aus dem C2C-Bereich übertragen werden:22

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten23 24 25

3.1.3 Moral Hazard und das Gefangenendilemma

Prinzipiell kann der „Market for ‚Lemons’“ auf Erfüllungsrisiken übertragen werden, das Moral Hazard-Problem lässt sich jedoch ebenso anschaulich anhand des Gefangenendilemmas erläutern:26

Es gelten weiterhin die in Abschnitt 3.1.2 getroffenen Annahmen, allerdings wird nun das Entscheidungsverhalten der an einer bestimmten Transaktion i beteiligten Parteien untersucht. Weiterhin wird angenommen, dass die wahre Qualität q der CD sowohl dem Käufer als auch dem Verkäufer bekannt ist. Die Parteien haben untereinander onli- ne einen Vertrag abgeschlossen, sind sich aber vollkommen unbekannt, haben nicht die Möglichkeit, miteinander zu kommunizieren und werden auch in Zukunft in keiner Weise miteinander in Kontakt treten. Sowohl die juristische Einklagbarkeit des Vertra- ges als auch andere dem Erfüllungsrisiko entgegenwirkende Effekte werden zunächst ignoriert.27

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Entscheidungsbaum beim Vorliegen von Hidden Intention 28

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Sowohl bei Adverse Selection als auch bei Moral Hazard findet also aus stilisierter theoretischer Sicht Handel nur in äußerst eingeschränktem Maße oder gar nicht statt. Aus diesem Grund liegt es nahe, dass die jeweils getroffene Annahme des Vorliegens vollständiger Informationsasymmetrie auf funktionierenden Märkten nicht bestätigt werden kann. Nicht zuletzt aufgrund der gewählten Beispiele erscheint es jedoch plausibel, dass auf C2C-Plattformen ein relativ hohes Niveau an asymmetrischer Informationsverteilung anzutreffen ist. Dies soll im Folgenden thematisiert werden.

3.2 Informationsasymmetrie in der Praxis

3.2.1 Face-to-Face-Transaktionen und Informationsasymmetrie

Auf traditionellen, nicht-virtuellen Märkten, z. B. auf dem Flohmarkt oder in einem Kaufhaus, ist die Informationsasymmetrie angesichts der Inspektionsmöglichkeit des Artikels und der Zahlung bei Übergabe oft nur in geringem Ausmaß zu beobachten. Ist die Qualität des Artikels sowohl dem Käufer als auch dem Verkäufer bekannt, liegt keine vorvertragliche Informationsasymmetrie vor.29 Wenn beide Parteien ihre Leistung zur gleichen Zeit am gleichen Ort erbringen (Face-to-Face), besteht auch kein nachvertragliches Erfüllungsrisiko im Sinne von Hidden Intention.

Ausnahmen im Bereich Hidden Characteristics bilden hierbei Leistungen, die hinsichtlich ihrer Qualität vom Käufer nur unzureichend oder zu unverhältnismäßig hohen Kosten überprüft werden können. Dies ist bspw. bei Akerlofs (1970) Gebrauchtwagenmarkt,30 bei Herkunftsangaben von Agrarprodukten oder auch bei Falschgeld der Fall. Moral Hazard-Risiken können wiederum dadurch entstehen, dass eine Partei in Vorleistung tritt, etwa durch die Gewährung eines Kaufkredits.

3.2.2 Internet-Transaktionen und Informationsasymmetrie

Im Vergleich zum klassischen Face-to-Face-Handel stellt die vor- und nachvertragliche Informationsasymmetrie bei Internet-Transaktionen ein weit größeres Problem dar. So bieten Online-Marktplätze gegenüber traditionellen Märkten zwar erhebliche Effizienzvorteile,31 der Handel im Internet ist jedoch auch von wesentlich größeren Risiken im Sinne von Adverse Selection und Moral Hazard geprägt:

Hidden Characteristics: Begründet in der geographischen Ausdehnung eines Online- Marktplatzes ist es für den potenziellen Käufer in aller Regel höchst ineffizient, die

Qualität des Artikels ex ante festzustellen. Er muss sich auf die Informationen des Verkäufers verlassen und geht damit ein Qualitätsrisiko ein.32

Hidden Intention: Bedingt durch die räumliche Trennung der Vertragsparteien werden die Leistungen zeitlich versetzt erbracht. Typischerweise tritt der Käufer in Vorleistung und geht damit ein Erfüllungsrisiko ein.

Hidden Characteristics und Hidden Intention sind im Internethandel jedoch nicht so klar voneinander abzugrenzen wie dies im traditionellen Handel möglich ist. Bedenkt man, dass Hidden Characteristics die extreme Ausprägung erreichen kann, dass der Verkäu- fer ein Produkt beschreibt, welches gar nicht existiert, so ist dies offensichtlich mit Hid- den Intention gleichzusetzen, die Gegenleistung bleibt aus. Andererseits ist es auch möglich, einen tatsächlich vorhandenen Artikel wahrheitsgemäß zu beschreiben, ihn im Laufe der Transaktion jedoch an den Preis anzupassen bzw. durch einen ähnlichen Arti- kel mit abweichender Qualität auszutauschen. Auf diese Weise entsteht ein Qualitätsri- siko, das auf Moral Hazard beruht. Desweiteren stellt sich die Frage, ob im Bereich von Hidden Characteristics nicht auch zwischen Qualität des Artikels und Seriosität des Verkäufers differenziert werden sollte.

In jedem Fall wird deutlich, dass das Niveau an Informationsasymmetrie auf C2C- Plattformen hoch ist und angesprochen werden muss. Dies wird sowohl in der wissen- schaftlichen Literatur als auch in der Praxis akzeptiert. So bemerken Miller, Resnick, Zeckhauser (2003): „When information comes by wire, severe asymmetries must be expected; market failure threatens.“33 Pitofsky (1999) geht einen Schritt weiter: „The informal nature of the medium, the lack of personal contact between buyer and seller, the geographic dispersion of sellers, create new and unprecedented opportunities for consumer abuse through fraud and deception - opportunities so great that, if not effec- tively addressed, they can undermine the full development of global competition it- self.“34

3.3 Formelle Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen

3.3.1 Explizite Verträge, Garantien, gesetzliche Regelungen

Hintergrund von formellen Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen ist die „offizielle“ Risikoreduktion beim Vorliegen von Informationsasymmetrie. Abstrakt betrachtet ge- hen beide Transaktionsparteien mit dem Abschluss eines (expliziten) Kaufvertrages eine verbindliche Verpflichtung zur Leistung ein, die bei Ausbleiben von der benachtei- ligten Partei eingeklagt werden kann. Neben Verträgen fallen formelle Garantien in diese Kategorie, die einer einseitigen Verpflichtung gleichkommen und oft Bestandteil von Verträgen sind. Außerhalb der Verträge gibt es gesetzliche Regelungen, die die eine oder andere Partei zu einer bestimmten Leistung verpflichten. Derartige Abkommen bzw. Regelungen sind nicht neu, eine nähere Betrachtung ihrer Funktionsweise soll hier ausbleiben.

Für den weiteren Verlauf der Arbeit ist von Bedeutung, dass explizite Verträge, Garan- tien und geltendes Recht einklagbar sind. Diese Eigenschaft ist bei Transaktionen mit asymmetrisch verteilten Informationen von besonderem Interesse, da durch die Mög- lichkeit der Erzwingung der vereinbarten Leistung ein Gegenpol sowohl zu Adverse Selection als auch zu Moral Hazard geschaffen ist. Idealerweise muss in diesem Zu- sammenhang der Verkäufer den Artikel in dem Zustand übereignen, in dem er von ihm beschrieben worden ist. Ein Spielraum für opportunistisches Verhalten ist nicht vorhan- den.

Natürlich sind mit diesen formellen Willenserklärungen auch Nachteile verbunden, von denen hier insbesondere zwei eine Rolle spielen. Zum einen sinkt die Effektivität sol- cherlei Sicherungsvorkehrungen mit der praktischen Relevanz der Einklagbarkeit. Bei Artikeln von geringem Wert, bspw. einer CD, bleibt der Weg zum Anwalt trotz rechtli- cher Basis aufgrund nahe liegender Rationalitätsgründe in aller Regel aus. Weiterhin ist oft schon die Ausarbeitung von diversen Eventualitäten bei der Vertragserstellung mit einem Effizienzproblem verbunden.35 Diese Problematik betrifft vor allem den Handel in der unteren Preiskategorie, der die Substanz von C2C-Plattformen ausmacht.

3.3.2 Verträge und C2C-Plattformen

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von eBay heißt es: „Mit dem Ende der von dem Anbieter bestimmten Laufzeit der Online-Auktion oder im Falle der vor- zeitigen Beendigung durch den Anbieter kommt zwischen dem Anbieter und dem das höchste Gebot abgebenden Bieter ein Vertrag über den Erwerb des von dem Anbieter in die eBay-Website eingestellten Artikels zustande.“36 eBay selbst wird dabei nicht Ver- tragspartner und garantiert auch ausdrücklich nicht die Erfüllung des Vertrages.37

Explizite Verträge haben erst mit der Möglichkeit der Einklagung Auswirkungen auf das Verhalten der Vertragsparteien.38 Das Zustandekommen eines Vertrages „per Mausklick“ wurde vom Bundesgerichtshof inzwischen bestätigt. Die auf C2C-Plattformen geschlossenen Verträge sind demnach zumindest unter Transaktionspartnern in Deutschland einklagbar.39 Viele C2C-Plattformen sind allerdings internationale Marktplätze, und es ist fraglich, ob für die Erzwingung der Leistungen in unterschiedlichen Rechtsräumen überhaupt eine gesetzliche Grundlage besteht.40

3.3.3 Anonymität auf C2C-Plattformen

Die praktische Einklagbarkeit expliziter Verträge ist unmittelbar abhängig vom Grad der Anonymität zwischen den Vertragsparteien. Aufgrund der offenen Natur des Internets liegt somit die Notwendigkeit einer verlässlichen Identitätsprüfung auf C2C- Plattformen nahe. In der Tat lässt die Einführung diverser Sicherheitsschranken auf Plattformen wie eBay darauf schließen, dass die Anbieter zunehmend Wert auf eine Prüfung der Mitgliederidentitäten legen.

eBay stellt in seinen AGB fest, dass „die Identifizierung von Mitgliedern im Internet schwierig ist und nicht zugesichert kann, dass jedes Mitglied die Person ist, für die es sich ausgibt.“41 Bei der Anmeldung als neues Mitglied auf eBay.de werden die persönli- chen Daten mit der SCHUFA42 abgeglichen. Die Anmeldung auf englischsprachigen eBay-Seiten, die ebenso zum Handel auf eBay.de berechtigt, erfordert hingegen die Angabe einer seriösen eMail-Adresse oder alternativ eine gültige Kredit- oder Scheckkartennummer.43 Zusätzlich zu dieser Standardprozedur stehen den Mitgliedern mehrere Optionen offen, sich von der wahren Identität der potenziellen Vertragsparteien überzeugen zu lassen bzw. sich selbst ins rechte Licht zu rücken, bspw. durch eine kostenpflichtige Identitätsprüfung per Post.

Derartige Maßnahmen sprechen für die Kommunikationspolitik von eBay. Leider sind diese Schranken nach wie vor relativ einfach zu umgehen. Es ist fraglich, ob auf diese Weise unter Annahme rationalen Verhaltens der Beteiligten wesentlich zur Lösung des Moral Hazard-Problems beigetragen wird, da es offenbar bereits Hackern mit mittelmä- ßiger Erfahrung möglich ist, sich unter fremden Mitgliedskonten einzuloggen oder Pro- file auf technischem Wege zu manipulieren. Somit verwundert es nicht, dass eBay mitt- lerweile auch für die organisierte Kriminalität eine attraktive Plattform darstellt.44 Im Bereich der Datensicherheit sind ohne Zweifel erhebliche Verbesserungen nötig, eine Diskussion dieses Themas würde jedoch über das Ziel dieser Arbeit hinausgehen.

3.3.4 Relevanz expliziter Verträge auf C2C-Plattformen

Selbst wenn die Möglichkeit der Leistungserzwingung auf C2C-Plattformen besteht, stellt sich die Frage, ob die rechtliche Durchsetzung von Online-Verträgen auf Websites wie eBay überhaupt eine realistische Option darstellt. Ein Indiz liefert der äußerst mä- ßige Erfolg von eBays Treuhandservice. Dieses Angebot ist eine von gesetzlichen Re- gelungen unabhängige formelle Möglichkeit, opportunistische Verhaltensspielräume des Verkäufers einzuschränken, indem es einen Face-to-Face-Handel simuliert. Der Käufer überweist den fälligen Betrag zunächst auf ein von eBay verwaltetes Treuhand- konto und gibt die Zahlung an den Verkäufer nach Empfang der Ware frei. So sinnvoll dieser Service auch erscheint, er ist mit Kosten verbunden und wird von den Mitglie- dern nur selten in Anspruch genommen.45 Für einen großen Teil der typischerweise in der unteren Preisklasse vermittelten C2C-Transaktionen ist der Aufwand für die Teil- nahme an derartigen Programmen bzw. für eine Geltendmachung des Vertrages, gemes- sen an empfundenem Risiko und Streitwert offenbar zu hoch. Auf juristischen Beistand oder die Inanspruchnahme alternativer formeller Sicherheitsgarantien wird oft verzich- tet.46

Der achtsame Umgang in der Kommunikation der eingeschränkten Effektivität formel- ler Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen auf C2C-Plattformen an die Mitglieder scheint jedoch ebenso wichtig zu sein wie die Fakten selbst. Psychologische Elemente spielen hierbei eine große Rolle. So ist es offensichtlich, dass viele Käufer aus Unwissenheit in eBay den Vertragspartner sehen und nicht im Verkäufer des ersteigerten Artikels. eBays Anstrengungen hinsichtlich der Identitätsprüfung erwecken womöglich den Eindruck, dass Verträge grundsätzlich einklagbar sind und erfolgreich durchgesetzt werden. Für Zweifler hält eBay das sog. Käuferschutzprogramm bereit, das bei Betrug unter be- stimmten Bedingungen einen Ausgleich bis zu einem Wert von EUR 200 zahlt.47 Auf der anderen Seite ist anzunehmen, dass bereits die Androhung einer Klage bzw. Be- schwerde opportunistischem Verhalten vorbeugt, selbst für den Fall, dass tatsächlich nie eine solche eingereicht wurde.48

Täglich werden mehrere Millionen Transaktionen über C2C-Plattformen vermittelt. Es ist äußerst fraglich, ob die o. g. psychologischen Faktoren zu einer Irrationalität im Verhalten der Beteiligten in dem dafür nötigen Ausmaß führen. Wird den Mitgliedern jedoch zusätzlich die Wirksamkeit informeller Systeme in Form von Reputationsmechanismen bzw. Bewertungssystemen erfolgreich kommuniziert, so führt dies in der Praxis offenbar zu genau diesem Phänomen.

3.4 Informelle Marktmechanismen: Vertrauen und Reputation

3.4.1 Vertrauen

In Märkten, in denen die Durchsetzung formeller Verträge schwierig bzw. unwirtschaftlich ist, gewinnen informelle Mechanismen an Bedeutung.49 Im Gegensatz zu expliziten Verträgen besteht bei impliziten (informellen) Verträgen keine Möglichkeit der Einklagung.50 Im Idealfall liegen reibungslose Transaktionsabwicklung und symmetrische Informationsverteilung jedoch im Interesse beider Parteien.

Informelle Konstrukte bauen unmittelbar auf dem Vertrauensbegriff auf, der nach wie vor Gegenstand interdisziplinärer Kontroversen in der wissenschaftlichen Literatur ist.51 In dieser Arbeit wird „Vertrauen“ folgendermaßen definiert:

Vertrauen ist die subjektive Einschätzung eines Vertrauensgebers, dass die Gegenpartei als Vertrauensnehmer bei einer bestimmten Transaktion in einem von Unsicherheit ge- prägten Umfeld motiviert ist, freiwillig auf opportunistisches Verhalten zu verzichten.52

3.4.2 Vertrauen auf Basis persönlicher Erfahrung

Formelle Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen gegen opportunistisches Verhalten werden selbst auf traditionellen Märkten in ihrer Bedeutung oft überschätzt. Ein Beispiel aus dem B2C-Bereich soll dies verdeutlichen:

Bei Reklamation einer verdorbenen Ware im örtlichen Einzelhandel sind in aller Regel keinerlei rechtlichen Schritte zur Erlangung einer Entschädigung erforderlich. Selbst wenn keine rechtliche Grundlage dafür bestehen sollte, wird der Kunde eine Ersatzleis- tung erhalten, da dem Händler die Sanktionsmöglichkeit des Kunden in Form einer Be- endigung der Geschäftbeziehung bekannt ist. Würde der Einzelhändler dem Kunden die verdorbene Ware nicht erstatten, könnte er zwar kurzfristig die Gegenleistung für den Verkauf eines wertlosen Artikels als Gewinn verbuchen, die langfristig eintretenden

Gewinneinbußen durch den verlorenen Kunden wären jedoch höher. Dadurch, dass der rational agierende Einzelhändler offenbar kein Interesse an unzufriedenen Kunden hat, wird er darauf achten, dass sich im Sortiment nur frische Lebensmittel befinden. Dieses Verhalten wird vom Kunden antizipiert und sorgt für ein niedrigeres Niveau an Infor- mationsasymmetrie.

Eine elementare Voraussetzung für den beschriebenen Kreislauf ist die Erwartung einer längeren Handelsbeziehung. Der Einzelhändler wird die Ware nicht auf Kulanzbasis erstatten, wenn er kurz vor der Geschäftsaufgabe steht, da der kurzfristige Gewinn höher ist als der Wert des zufriedenen Kunden, der in diesem Fall bei Null liegt.

Ist die Annahme von ausgedehnten Handelsbeziehungen zwischen zwei Parteien auf traditionellen C2C-Märkten bereits äußerst problematisch, so kann ihre Erfüllung auf C2C-Plattformen nahezu ausgeschlossen werden. Nach einer empirischen Studie von Resnick, Zeckhauser (2002) kommt es auf eBay zwar in 18% der Fälle zur Wiederholung einer bestimmten Käufer-Verkäufer-Kombination, dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass Käufer oft mehrere Artikel desselben Verkäufers simultan ersteigern, um Porto zu sparen.53 Zusätzlich lässt die Möglichkeit von nicht identifizierbaren Eigenbewertungen auf Validitätsprobleme dieses Ergebnisses schließen.54

Ein zentraler Effizienzvorteil von C2C-Plattformen ist gerade die Flexibilität bei der Auswahl der Transaktionspartner. Durch eine Beschränkung des Handels auf „ausgewählte“ Mitglieder wird dieser Vorteil ignoriert. Vertrauensbildung im direkten Sinne kann in diesem Bereich selbst bei Lockerung der Rationalitätsannahme nicht als sinnvoller Gegenpol zur Informationsasymmetrie in Betracht kommen.55

[...]


1 Vgl. eBay (2004a) S.1f.

2 In Anlehnung an Matthiesen (2003) S.142.

3 Vgl. Hermanns, Sauter (2001) S.23; Wirtz (2001) S.35.

4 Vgl. Afif, Lehmkuhl (2004) S.89ff; Beckmann (2003) S.42.

5 Vgl. Afif, Lehmkuhl (2004) S.88f; manager-magazin.de (2003); Skiera, Spann (2002) S.703; auctionaddict.com.

6 Vgl. Afif, Lehmkuhl (2004) S.89; Schmundt (2002).

7 Vgl. Matthiesen (2003) S.145.

8 Z. B. AZUBO-Chat, eBay-Gemeinschaft, WinMx-Message, zweite-Hand24.de-Forum.

9 Vgl. Kapitel 3.

10 Vgl. Kollock (1999); Resnick, Zeckhauser (2002) S.1.

11 Vgl. Green, Browder (1998); Lucking-Reiley (2000) S.228, Omidyar (1999) S.XV-XVII.

12 Stand: Dezember 2003; vgl. Nielsen//NetRatings (2004).

13 Vgl. eBay (2004a) S.1f.

14 Vgl. Resnick, Zeckhauser, et al. http://www.wortfilter.de/kurios.html. (2003) S.14; Schmundt (2002); vgl. auch

15 Vgl. eBay (2004a) S.1f.

16 Vgl. Bajari, Hortaçsu (2002) S.3; für eine Auflistung deutschsprachiger Auktionshäuser im Internet vgl. bspw. alleauktionen.de, auktionsindex.de, auktionsuche.com, online- auktionen.info.

17 Z. B. Binaryminds, GSL, HIS Auktion, Phpauction, Shocksoft, Ultimate Auction.

18 Bei amazon hingegen verzögert sich durch die „Endspurt-Regel“ das Ende der Auktion um jeweils zehn Minuten, falls innerhalb der letzten zehn Minuten vor dem geplanten Ende ein Gebot abgegeben wird; vgl. amazon (2004).

19 Vgl. bspw. Bajari, Hortaçsu (2002) S.4; Cabral, Hortaçsu (2003) S.4; Dewally, Ederington (2002) S.6; Lucking-Reiley (1999) S.1064f.

20 Vgl. Kaas (1995) S.25.

21 Vgl. Spann, Zuber (2003) S.5f; Spremann (1990) S.566.

22 Eigenes Beispiel; vgl. Akerlof (1970) S.488-492; Feess (2000) S.650-653; Kaas (1995) S.26; Resnick, Zeckhauser (2002) S.21; Scoones (2004).

23 Vereinfachende Annahme; vgl. Akerlof (1970) S.490f.

24 Vgl. Akerlof (1970) S.491f; Miller, Resnick, Zeckhauser (2003) S.1.

25 Vgl. Feess (2000) S.652f; Scoones (2004).

26 Vgl. Ba (2001) S.329f; Bolton, Katok, Ockenfels (2003a) S.5f; Greif (1989) S.865; Kandori (1992) S.68f; Kollock (1999); Ockenfels (2002) S.1; Ockenfels (2003) S.298ff.

27 Vgl. Abschnitte 3.3 und 3.4.

28 In Anlehnung an Bolton, Katok, Ockenfels (2003a) S.5.

29 Vgl. Ba (2001) S.326; Ba, Pavlou (2002) S.244; Dewally, Ederington (2002) S.5; Resnick, Zeckhauser (2002) S.2; Resnick, Zeckhauser, et al. (2003) S.2; Shapiro (1983) S.659.

30 Vgl. Abschnitt 3.1.2.

31 Vgl. Bakos (1997); Bolton, Katok, Ockenfels (2003a) S.1; Houser, Wooders (2000) S.1.

32 Vgl. Ba, Pavlou (2002) S.244; Dewally, Ederington (2002) S.2,5; Resnick, Zeckhauser, et al. (2003) S.18.

33 Vgl. Miller, Resnick, Zeckhauser (2003) S.2.

34 Vgl. Pitofsky (1999).

35 Vgl. Williamson (1993) S.460f.

36 Vgl. eBay (2004b) §9(3).

37 Vgl. eBay (2004b) §1.

38 Vgl. Bull (1983) S.658.

39 Vgl. Bundesgerichtshof (2001).

40 Für eine ausführliche Diskussion zu diesem Thema vgl. Johnson, Post (1996).

41 Vgl. eBay (2004b) §6(1).

42 Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung; SCHUFA HOLDING AG Wiesbaden.

43 eBay.com akzeptiert als Identitätscheck nach eigenen Angaben nur von Internet Service Pro- vidern, Schulen, Organisationen oder Unternehmen ausgestellte eMail-Adressen. Stichpro- ben lassen jedoch vermuten, dass es sich hierbei lediglich um einen Ausschluss von Free- eMail-Suffixen handelt.

44 Vgl. z. B. Perband (2004); Schmundt (2003); Thon (2003).

45 Vgl. Cabral, Hortaçsu (2003) S.4; Klein, Leffler (1981) S.616; Kollock (1999).

46 Vgl. Kollock (1999); Bakos, Dellarocas (2003) S.1f; McDonald, Slawson (2002) S.633; Ockenfels (2003) S.296.

47 Vgl. eBay (2004d).

48 Vgl. Resnick, Zeckhauser (2002) S.5.

49 Vgl. Greif (1989) S.866; Williamson (1985) S.9f.

50 Vgl. Bull (1983) S.658.

51 Für einen Einblick in die „Vertrauensdiskussion“ vgl. bspw. Engel (1999); Kettel (2002); Ripperger, Tanja (1998); Williamson (1985); Williamson (1993).

52 In Anlehnung an Ba, Pavlou (2002) S.245; Ripperger (1998) S.60.

53 Vgl. Resnick, Zeckhauser (2002) S.10.

54 Vgl. Abschnitt 6.2.

55 Vgl. Ba (2001) S.324; Ba, Pavlou (2002) S.247; Kollock (1999).

Ende der Leseprobe aus 88 Seiten

Details

Titel
Bewertungssysteme auf C2C-Plattformen: Vertrauensbildung bei Informationsasymmetrie
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Lehrstuhl für Electronic Commerce)
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
88
Katalognummer
V26081
ISBN (eBook)
9783638285216
ISBN (Buch)
9783638702300
Dateigröße
4332 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Diplomarbeit befasst sich mit der grundlegenden Struktur und Funktionsweise von C2C-Plattformen. Sie zeigt Wege zur Unterbindung opportunistisch ausnutzbarer Verhaltensspielräume auf derartigen Plattformen auf. Dabei wird sowohl auf theoretische als auch auf praktisch relevante Aspekte ausführlich eingegangen. Ein umfassender Vergleich einer Vielzahl empirischer Studien zu Bewertungssystemen auf C2C-Plattformen, insbesondere eBay, bildet den Kern der Arbeit.
Schlagworte
Bewertungssysteme, C2C-Plattformen, Vertrauensbildung, Informationsasymmetrie
Arbeit zitieren
Mark Domroese (Autor:in), 2004, Bewertungssysteme auf C2C-Plattformen: Vertrauensbildung bei Informationsasymmetrie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26081

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