Road Pricing: Ziele, Beispiele, Konsequenzen


Seminararbeit, 2002

24 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Straßengebühren und soziale Kosten
2.1 Zunächst: Einige Zahlen
2.2 Eine Befürwortung
2.3 Die Nachteile einer Gebühr – wirklich oder scheinbar?

3. Ziele und Charakteristika von Gebührensystemen
3.1 Ziele
3.2 Methoden zur Abrechnung

4. Praxisbeispiele für variables Road Pricing
4.1 New York/New Jersey/Connecticut (USA)
4.2 Kalifornien (USA)
4.3 Florida (USA)
4.4 Toronto (Kanada)
4.5 Trondheim (Norwegen)
4.6 Singapur

5. Die optimale Gebührenstruktur – Eine Studie
5.1 Prämissen
5.2 Der Anwendungsbereich: Cordon Tolls
5.3 Welche Vorteile bringt das System?
5.3.1 Nutzen des Systems
5.3.2 Kosten des Systems
5.3.3 Ein Vergleich
5.3.4 Ökologische Konsequenzen

6. Schlussbemerkungen

1. Einleitung

Warum für etwas bezahlen, das man bisher umsonst bekam?

Straßen gelten im allgemeinen als öffentliches Gut. Warum also eine Gebühr für deren Nutzung erheben? Parks, Fußgängerzonen und Strände sind weitestgehend auch unbegrenzt zugänglich. Deren einzige Beschränkung liegt darin, dass das Platzangebot – z.B. bei schönem Wetter – nicht hoch genug ist, um allen Nachfragern gerecht zu werden.

Bei Straßen, insbesondere bei Strecken, die zwischen wichtigen Städten, Stadtgebieten und Wohnung/Arbeitsplatz liegen, gilt das selbe Prinzip, wobei seltener schönes Wetter der Grund für Überfüllung ist als vielmehr die hohe Zahl der Fahrzeuge z.B. zur Hauptverkehrszeit. Die Folge sind Verkehrsstockungen, Staus, Unfälle, Zeitverluste, Luftverschmutzung etc. Die Straßenfläche wird zu einem begrenzten Gut: je höher die Zahl der Verkehrsteilnehmer, desto mehr wird deren persönlicher Nutzen durch Zeitverzögerungen und sonstige Unannehmlichkeiten eingeschränkt. Jedoch hat jeder zusätzliche Verkehrsteilnehmer auch negative Auswirkungen auf alle anderen, indem der Verkehr noch dichter wird, wodurch wiederum die Unfallgefahr steigt, und noch mehr Zeit damit verbracht wird, „im Stau zu stehen“. Sogar Individuen, die als solche nicht am Verkehr teilnehmen – z.B. Anwohner, die neben einer Hauptverkehrsstrecke wohnen – müssen durch erhöhte Lärmbelästigung, Umweltverschmutzung, etc. Nachteile erleiden. Diese Auswirkungen, sog. „Externalitäten“, die die aktive Teilnahme eines Individuums am Verkehr auf andere Individuen hat, müssen internalisiert werden, um die wirtschaftliche Last, die durch überfüllte Straßen erzeugt wird, gerecht zu verteilen: derjenige, der einen Schaden verursacht, sollte auch dafür zahlen, und zwar in einem Maße, das proportional zur Höhe des verursachten Schadens ist.

Ein einfacher Preismechanismus – nur derjenige darf die Straße nutzen, der auch dafür bezahlt – erscheint sinnvoll, um die begrenzte Straßenfläche optimal unter den Nachfragern aufzuteilen. Doch wie genau muss eine Gebührenstruktur aussehen, die alle Externalitäten berücksichtigt und komplett auf den Verursacher abwälzt? Kann der verursachte Schaden gemessen werden und ist eine monetäre Strafe wirklich ein gerechter Weg? Und vor allem: kann eine sorgfältig berechnete und implementierte Gebühr tatsächlich eine Minderung des Verkehrsaufkommens und somit aller anderen schädlichen Nebenwirkungen erreichen?

Auf diese Fragen und andere Aspekte einer Straßengebühr soll in dieser Arbeit näher eingegangen werden, wobei speziell innerstädtische und hauptverkehrszeitbedingte Verkehrsstockungen und deren Lösungen im Mittelpunkt der Argumentation stehen. Anhand von Beispielen soll auch gezeigt werden, dass an einigen Orten bestimmte Gebührensysteme bereits erfolgreich eingesetzt werden.

2. Straßengebühren und soziale Kosten

Um in einer Volkswirtschaft die Aktionen und Entscheidungen von Millionen Individuen zu koordinieren, wird oft ein Preismechanismus angewendet: ein begrenztes Gut wird zu einem Preis verkauft, den nur diejenigen Nachfrager bereit sind zu zahlen, die auch aus dem Gut einen Nutzen ziehen, der mindestens so hoch ist wie der Preis, der für das Gut bezahlt werden soll. Dieser Preismechanismus liefert ein flexibles und genaues Informationssystem, auf dessen Basis unzählige Entscheidungen getroffen werden: die rationalen Reaktionen der Individuen auf diese Informationen interagieren, um ein soziales Optimum zu erreichen, in dem begrenzte Ressourcen optimal genutzt werden.[1] Die Koordination von Transport bzw. Straßennutzung ist ein Beispiel für das Problem, unzählige individuelle Entscheidungen bezüglich der Gegenwart und der Zukunft zu koordinieren.

Ein Grundsatz der Wohlfahrtsökonomie ist, dass das Bestreben einer Gesellschaft darin besteht, den Punkt zu erreichen, an dem soziale Grenzkosten gleich sozialem Nutzen sind:[2] es ist rational, eine Aktivität genau bis zu dem Punkt durchzuführen, an dem die Grenzkosten einer Fortführung der Aktivität genau gleich dem Grenznutzen der Fortführung sind.

Die sozialen Kosten (im Gegensatz zu privaten Kosten, die nur der Entscheidende selbst zu zahlen hat) schließen die negativen Effekte ein, die individuelle Entscheidungen auf andere haben (z.B. Umweltverschmutzung und andere Externalitäten). Diese externen Kosten sollten demjenigen angelastet werden, der sie verursacht:[3] in diesem Fall dem Autofahrer.

Ab einem bestimmten Verkehrsaufkommen wird jedes zusätzliche Fahrzeug zusätzliche Kosten für jedes andere Fahrzeug auf der Straße verursachen, indem es deren Geschwindigkeit verringert und somit die Fahrt verlängert und dadurch weniger effizient macht, als sie es normalerweise wäre. Das gilt auch für Unfallkosten, Luftverschmutzung, etc. Gebühren, die der individuelle Verkehrsteilnehmer zu zahlen hat, sollten in Relation stehen zu den Kosten, die dem Rest der Gesellschaft verursacht werden – am höchsten in verkehrsdichten Zeiten, niedriger in verkehrsschwachen Zeiten, aber immer so berechnet, dass die Kosten für Umweltverschmutzung, Lärmbelästigung, Unfälle und Straßenreparaturen gedeckt werden.[4]

2.1 Zunächst: Einige Zahlen

Das Pacific Research Institute in Kalifornien (USA) veröffentlichte im Februar 1998 ein Paper mit einigen Daten, die die Kosten von Verkehrsstockungen deutlich zeigen:[5]

1994 verloren Autofahrer in den fünf verkehrsdichtesten Stadtgebieten Kaliforniens fast 4.000 Stunden an Zeit, die anderweitig hätte genutzt werden können. Dies resultiert in einem Gesamtverlust an über $14 Mrd. an verschwendetem Treibstoff und Opportunitätskosten. Für die fünfzig größten US-Städte belief sich die Summe im Jahr 1994 auf $53 Mrd., während Verkehrsstockungen in diesen fünfzig Städten die betroffenen Fahrer im Durchschnitt 291 Stunden an Zeitverlust kosteten (also ausgehend von 250 Arbeitstagen pro Jahr etwa 70 Minuten pro Fahrer pro Tag).

1995 hatten 75% der Fahrer in San Francisco und 66,5% derer in Los Angeles zur Hauptverkehrszeit mit verstopften Straßen zu kämpfen.

Die Menge der Abgase wie z.B. flüchtige organische Komponenten und Kohlenmonoxid, beide hauptverantwortlich für die Bildung von Smog, ist zu Stauzeiten um 250% höher als bei fließendem Verkehr.

Die ökonomischen und ökologischen Nachteile von Verkehrsstockungen sind also messbar und leider auch erheblich. Straßengebühren sind eine Möglichkeit, um diese Nachteile zumindest zu entschärfen:

2.2 Eine Befürwortung

Durch die ständige Nutzung von Straßen durch Fahrzeuge aller Art werden Betriebs- und Reparaturkosten verursacht. Fahrer haben einen direkten Nutzen durch Straßen (der allerdings, da Straßen viele Charakteristika eines öffentlichen Gutes aufweisen, möglicherweise nicht als bezahlenswert erachtet wird), deswegen scheint es plausibel, dass sie dafür auch einen gewissen Preis zahlen.[6] Belästigungen wie Lärm, CO2-Ausstoß, Straßenabnutzung, Staus (und damit verbundene Opportunitätskosten der Wartezeit), Unfälle etc. werden direkt von Autofahrern verursacht und sollten so gleichermaßen durch Gebühren ausgeglichen werden.[7]

Insbesondere bei hauptverkehrszeitbedingten Verkehrsstockungen und Staus ist die Nachfrage nach Straßenraum oft höher als das Angebot. Dies beeinträchtigt direkt die Autofahrer selbst und indirekt den Rest der Volkswirtschaft.[8]

Eine direkte Gebühr wäre ein Mittel, um diese sozialen Kosten von Verkehrsstauungen wiederzugeben und zu internalisieren, und um zu einem Gleichgewicht zu führen, in dem der Nutzen der begrenzten Straßenfläche maximiert wird:[9] die begrenzt verfügbare Fläche wird optimal zwischen den einzelnen Autofahrern aufgeteilt. Um ein langfristiges Gleichgewicht zwischen Nachfrage und Angebot zu erreichen, sollten – sofern eine kosteneffektive Möglichkeit besteht – die Einnahmen, die sich durch die Gebühren ergeben darauf verwendet werden, die begrenzten Kapazitäten des Transportsystems erweitern[10] (z.B. durch den Bau von zusätzlichen Straßen, Förderung des ÖPNV, etc). Eine Argumentation zur optimalen Verwendung der Einnahmen würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen, und so soll hier der Schwerpunkt darauf gesetzt sein, die Aspekte und Folgen einer effizienten Gebührenstruktur darzustellen.

2.3 Die Nachteile einer Gebühr – wirklich oder scheinbar?

Straßengebühren werden an verschiedenen Orten aus verschiedenen Gründen erhoben. Unter anderem sind sie zum einen ein Mittel zur Finanzierung bzw. Instandhaltung privater oder auch staatlich unterhaltener Straßen, zum anderen dienen sie wie bereits erwähnt als Instrument, um übermäßigen Verkehr zu regeln bzw. zu mindern.

Für den Autofahrer mag der Nutzen einer Gebühr zunächst nicht offensichtlich sein: benutzt man eine Straße und zahlt dafür, so hat man direkte Kosten, ohne dass der damit erworbene Nutzen unmittelbar erkennbar wäre – z.B. wenn die Einnahmen für Straßenreparaturen verwendet werden. Auch mag wohl ein Teil der Bevölkerung der Ansicht sein, Straßengebühren seien nur ein weiteres Mittel der Regierung, Steuern zu erhöhen.[11] Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, den zahlenden Verkehrsteilnehmern deutlich zu machen, dass ihre Abgaben ihnen letztendlich zugute kommen (so ist man in Norwegen dazu übergegangen, an Straßenbaustellen durch Schilder darauf hinzuweisen, dass die Baustelle durch Straßengebühren finanziert wird[12]).

Als ein Nachteil könnte auch eine Verletzung der Privatsphäre angeführt werden: z.B. kann bei einem Ring- oder Bereichsgebührensystem (s. Kapitel 3.1) von offizieller Stelle – an einem Kontrollpunkt – festgestellt werden, wessen Auto zu welcher Zeit wohin unterwegs ist. Doch auch dieses Problem ist bereits durch neuartige Technologien und Systeme gelöst worden, und die Privatsphäre der Verkehrsteilnehmer wird gewahrt.[13]

Die Technologie, die benötigt wird, um diesen Streitpunkten gerecht zu werden, ist erst seit wenigen Jahren erhältlich und stellt einen nicht geringen Kosten- und Aufwandsfaktor dar. Doch anhand genauer Berechnungen und den entsprechenden Schritten, das Endergebnis eines Abrechnungssystems zu maximieren (s. Kapitel 5), lässt sich zeigen, dass dieser Nachteil im Vergleich zum daraus resultierenden Nutzen vernachlässigbar ist.

[...]


[1] Vgl. Day (1998), S. 5.

[2] Vgl. Day (1998), S. 5.

[3] Vgl. Day (1998), S. 5.

[4] Vgl. Day (1998), S. 6.

[5] Vgl. PRI (1998), „The Road Ahead“.

[6] Vgl. Bayliss (1998), S. 26.

[7] Vgl. Bayliss (1998), S. 26.

[8] Vgl. Bayliss (1998), S. 26.

[9] Vgl. Bayliss (1998), S. 26.

[10] Vgl. Bayliss (1998), S. 27.

[11] Vgl. Ison (1998), S. 22.

[12] Vgl. Ison (1998), S. 24.

[13] Vgl. Ison (1998), S. 23.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Road Pricing: Ziele, Beispiele, Konsequenzen
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Wirtschaftstheoretische Abteilung II)
Veranstaltung
Wirtschaftstheoretisches Seminar zur Stadtökonomie
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
24
Katalognummer
V2586
ISBN (eBook)
9783638115612
ISBN (Buch)
9783656058472
Dateigröße
2911 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
road pricing, congestion pricing, Straßengebühren, Stau, Verkehr, Straßen, soziale Kosten, cordon tolls, electronic road pricing, erp, singapur
Arbeit zitieren
Kerstin Feuersänger (Autor:in), 2002, Road Pricing: Ziele, Beispiele, Konsequenzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2586

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