Pierre Bourdieu


Hausarbeit, 2003

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Pierre Bourdieu
a. Biografie
b. Veröffentlichte Werke
c. Einflüsse auf Bourdieus Arbeiten
d. Bourdieus Bedeutung in der Soziologie

III. Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital
a. Inhaltsangabe
- Allgemeine Erklärung des Kapitalbegriffs
- Das kulturelle Kapital (inkorporiertes, objektiviertes,
institutionalisiertes Kulturkapital)
- Das soziale Kapital
- Die Kapitalumwandlungen
b. Bearbeitung des Textes
- Klassenzugehörigkeit / Sozialer Raum
- Lebensstil
- Habitus (Geschmack, Machtkampf, Sprache)

IV. Eigene Stellungnahme

V. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

In meiner Hausarbeit zur Gesellschaftstheorie Pierre Bourdieus möchte ich untersuchen, welche Problematik die drei Kapitalarten - ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital - hervorrufen. Zu Beginn werde ich kurz den Werdegang des französischen Soziologen beschreiben sowie einen Überblick über seine wichtigsten Veröffentlichungen geben. Neben den originalen, französischen Titeln gebe ich, sofern eine deutsche Fassung erschienen ist, den deutschen Titel der Schriften an, beschränke mich bei der Angabe der Erscheinungsdaten jedoch auf die Originale (Erstfassung). Weiterhin werde ich die Einflüsse anderer Soziologen und Geisteswissenschaftler, Forscher usw., welche auf Pierre Bourdieu gewirkt hatten, darstellen. Hauptsächlich werde ich mich mit Bourdieus Text „Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital“, veröffentlicht im Sonderband „Soziale Ungleichheiten“ (Hg. Reinhard Kreckel), beschäftigen und zum Schluss eine persönliche Stellungnahme dazu beziehen.

II. Pierre Bourdieu

a. Biografie

Der französische Soziologe Pierre Bourdieu wurde am 01. August 1930 in Denguin, einem Ort in den Pyrenäen, geboren. Als Zwanzigjähriger immatrikulierte er sich zunächst an der Faculté des Lettres, dann studierte er in Paris an der Eliteuniversität École Normale Supérieure und schloss dort sein Studium 1954 mit einer Agrégation in Philosophie ab.[1]

1955 ergriff Pierre Bourdieu den Beruf des Gymnasiallehrers und unterrichtete zwei Jahre lang Schüler am Lycée de Moulins. Das Feld der wissenschaftlichen Forschung betrat Bourdieu durch seine Assistenzstelle an der Faculté des Lettres in Algier 1958.[2] Er erforschte den Wandel der algerischen Bevölkerung und entwickelte, aus einem ethnologischen Standpunkt heraus, seine ersten soziologischen Arbeiten.[3] Seit 1964 war Bourdieu Professor für Kultursoziologie an der Pariser École Pratique des Hautes Études en Science Sociale, wo er dann 1985 Direktor wurde. Im Jahr 1981 wurde er Professor an dem renommierten Collège de France. Neben seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit war Bourdieu auch noch Herausgeber zweier Fachzeitschriften: der Actes de la recherche en sciences sociales sowie des europäischen Journals Liber.[4] Pierre Bourdieu ist am 23. Januar 2002 in Paris gestorben.

b. Veröffentlichte Werke

Pierre Bourdieu ist aufgrund seiner Forschungen und Analysen vielfältiger Themen – Kunst, Kultur, Religionen, Erziehung und Bildung, Sport, Mode, Meinungsforschung sowie der gesellschaftlichen Klassenverhältnisse u.v.m. – einer der bedeutendsten Gegenwarts-soziologen unserer Zeit. Da er über vierzig Bücher und unzählige Aufsätze veröffentlicht hat, beschränke ich mich in meiner Ausführung der veröffentlichten Werke auf die wichtigsten Bücher. In seinem ersten Werk Sociologie de l’Algérie, welches 1958 erschien, untersuchte er die algerische Gesellschaft und deren Veränderung unter dem Einfluss der Kolonialisierung am Beispiel der Kabylen, einem Berberstamm im Norden Algeriens. Seine ethnologischen Studien stützten sich auf die Analyse von Verwandtschaftsverhältnissen, Ritualen, Tauschgeschäften und den Machtverhältnissen innerhalb des Stammes. Die gesammelten Erfahrungen übertrug Bourdieu auf seine anschließend im heimatlichen Béarn durchgeführten Studien und ermittelte deren Gesellschaftsstruktur anhand von Verwandtschafts- und Heiratsstrukturen. Die Ergebnisse dieser Arbeit finden sich im Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft (1972), sowie in Sozialer Sinn (Orig. Le sens pratique, 1980) wieder.[5] In den Sechziger Jahren setzte sich Bourdieu, unter anderem aufgrund seines eigenen, für Frankreich ungewöhnlichen, Bildungsweges, mit dem französischen Bildungssystem und der damit verbundenen „Reproduktion gesellschaftlicher Klassenverhältnisse“[6], auseinander. 1964 kam dazu sein Buch Die Illusion der Chancengleichheit heraus. Im Jahr 1979 erschien Bourdieus umfangreichstes Werk: Die feinen Unterschiede (Orig. La distinction. Critique sociale du jugement). Darin arbeitet Pierre Bourdieu die Sozialstruktur Frankreichs in Bezug auf Klassentheorie und Kultursoziologie heraus. Er belegt, dass die persönlichen Vorlieben und Geschmäcker des Menschen weder zufällig noch individuell sind, sondern durch die Gesellschaft und die jeweilige Klassenzugehörigkeit geprägt werden. In seinem Werk homo academicus (1984) thematisiert der Autor die Machtwirkung der Intellektuellen in der Gesellschaft, wobei er auch seine eigene Rolle als Professor und Intellektueller reflektiert.[7] Sprache als „symbolische Macht“ sowie „Diskursanalysen“ untersucht der französische Soziologe in Was heißt Sprechen? (Ce que parler veut dire, 1982). Im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion stand 1993 La misère du monde, ein Buch über soziales Elend in Frankreich.[8]

c. Einflüsse auf Bourdieus Arbeiten

Zu Beginn seiner Laufbahn beschäftigte sich Pierre Bourdieu mit der Völkerkunde. In seinen Feldstudien zur kabylischen Gesellschaft in Algerien wird der ethnologische Einfluss deutlich. Die Auseinandersetzung mit den herrschenden Strukturen dieser Gesellschaft beeinflusste ihn hinsichtlich der Begriffsbildung des „Habitus“. Zur gleichen Zeit setzte er sich intensiv mit klassischen Werken der Soziologie und Philosophie auseinander und fand in Karl Marx, Max Weber und Emile Durkheim Wegbereiter seiner eigenen soziologischen Theorie. Emile Durkheim (1858-1917) begründete in der französischen Soziologie die akademische Institutionalisierung des Faches, was ihn zu einem der wichtigsten Vertreter macht. Seither steht auch die Ethnologie in enger Beziehung zur Soziologie.[9] Weiterhin ist Durkheims Streben nach „strenger Wissenschaftlichkeit mittels empirischer Fundierung“[10] ein zentraler Punkt, der bei Bourdieu wiederzufinden ist: eine „streng wissenschaftlich-methodische Einstellung und Vorgehensweise“[11] bei der Erforschung gesellschaftlicher Strukturen ist in Bourdieus geleitetem Forschungsinstitut Centre de sociologie europénne von höchster Bedeutung, das heißt Aussagen müssen auf empirischen Analysen begründet sein. Auch in Bezug auf den Strukturalismus übernimmt Pierre Bourdieu die theoretischen Ansätze Durkheims. Bourdieu beschreibt den sogenannten Habitus, also die Inkorporierung bestimmten Verhaltens und Geschmacks, als ein Resultat der Sozialisation. Diese Aussage lehnt sich meiner Meinung nach an Durkheims Arbeiten in Bezug auf das Kollektivbewusstsein an, welches „die gemeinsamen Überzeugungen und Gefühle der Durchschnittsmitglieder einer Gesellschaft“ sind und durch Sozialisation vermittelt werden.[12] Die Menschen wählen dieses Bewusstsein nicht aus eigener Vorstellung heraus aus, sondern orientieren sich unterbewusst an der Allgemeinheit, ähnlich wie Bourdieus Individuen von ihrer Klassenzugehörigkeit in Hinsicht auf Geschmack, Körperhaltung, Essgewohnheiten, Lebensstil u.a. beeinflusst werden.

Der Theorie des Strukturalismus bzw. Objektivismus, auch Systemtheorie genannt, konnte sich Bourdieu, schon wegen der starken Verbreitung dessen in den Sechzigern[13], trotz einiger Kritikpunkte nicht entziehen. Zunächst möchte ich einige zentrale Aussagen und methodische Ziele der Strukturalisten, unter ihnen Talcott Parsons, Niklas Luhmann, Claude Lévi-Strauss und Emile Durkheim, aufführen: im Mittelpunkt steht der Bestand der Gesellschaft, ihre Organisationen und Funktionen. Begriffe wie System, Funktionalismus, Strukturalismus, Erklären, Makrosoziologie und normatives Paradigma sind Bestandteile des Objektivismus.[14] Individuelle Handlungen, Erfahrungen und Alltagserkenntnisse werden nicht berücksichtigt. Dass diese „Primärerfahrungen der Subjekte“[15] als sekundäre Erscheinungen vernachlässigt werden, ist für Bourdieu der Hauptgrund seiner Kritik am Strukturalismus. Zudem sträubt er sich gegen den Herrschaftsanspruch, den objektivistische Erkenntnisse erheben.

Doch auch der Subjektivismus bzw. das interpretative Paradigma, deren Vertreter George H. Mead, Erving Goffman und Harold Garfinkel sind, stellt Bourdieu nicht zufrieden. Diese Handlungstheorie geht, im Gegensatz zur Systemtheorie, vom Handeln der einzelnen Individuen aus. Bourdieu nennt es den „phänomenologischen Erkenntnismodus“[16] und kritisiert die bloße Reproduktion der Alltagserfahrungen, wie sie im Subjektivismus praktiziert wird.[17] Die Lösung des Problems sieht Bourdieu in seiner „Praxeologie“, das heißt in der Zusammenführung von Mikro- und Makrotheorie: durch die Vereinigung beider Theorien heben sich die „Einseitigkeiten von Subjektivismus und Objektivismus“ auf, das Wissen beider Theorien wird so bewahrt und sogar erweitert.[18]

Karl Marx’(1818-1883) Kapital- und Klassenbegriff wird von Bourdieu aufgegriffen und modifiziert. Marx meint Produktionsmittel, also materielle Güter wie Betriebsmittel und Boden, wenn er von Kapital spricht. Er teilt die Gesellschaft in zwei Klassen: Besitzer von Produktionsmittel, das sind die Kapitalisten, und Lohnarbeiter bzw. Proletarier. Bei Max Weber (1864-1920) gibt es Klassen, welche durch materiellen Besitz gekennzeichnet sind, und Stände, die von Geburt an zu einer bestimmten Lebensführung verpflichten und relativ unabhängig von der Klassenlage sind.

Trotz der verbreiteten Meinung, dass Marx und Weber gegensätzliche Theorien vertreten, verknüpft Bourdieu beide Ansätze zu einer „Reformulierung der Klassentheorie“[19]. Er übernimmt Webers Vorstellung, dass die soziale Lage die Lebensführung eines Menschen bestimmt, und überträgt sie auf den Begriff der Klassen. Anhand der Klassentheorie untersucht er Gründe und Strukturen, die zu sozialer Ungleichheit führen.[20]

Im Marxismus hat das Kapital rein ökonomische Bedeutung. Bourdieu fügt dem noch zwei weitere, für ihn wichtigere Kapitalarten hinzu: kulturelles und soziales Kapital. Die Klassenlage wird durch diese drei Kapitalarten bestimmt, das heißt eine Klasse ist eine Gruppe von Menschen mit ähnlichem Kapital. Die „Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse oder Gruppe“[21] wird im Habitus eines Menschen deutlich, also in seinem von der Gemeinschaft geprägten Verhaltensstil.[22] Soziale Strukturen einer Gesellschaft entstehen durch die drei Kapitalarten und durch die verschiedenen Klassen bzw. „Sozialen Räume“[23].

[...]


[1] Karl-Heinz Hillmann, Wörterbuch der Soziologie, S. 113

[2] Annette Treibel, Einführung in soziologische Theorien der Gegenwart, S. 204

[3] Markus Schwingel, Pierre Bourdieu zur Einführung, S. 12

[4] Karl-Heinz Hillmann, Wörterbuch der Soziologie, S. 113

[5] Markus Schwingel, Pierre Bourdieu zur Einführung, S. 12

[6] Ebd., S. 13, Anm.: Im Frankreich der 60er Jahre war eine bemerkenswerte Karriere wie die von Pierre Bourdieu recht ungewöhnlich, denn die ausgeprägte Sozialschichtung ließ einen Aufstieg in „bessere Kreise“ nicht zu bzw. setzte den Besuch einer Eliteschule, für Soziologen das Centre National de la Recherche de Scientifique, voraus. Bourdieu kam aus einer Mittelschicht-Familie aus einem kleinen Ort.

[7] Ebd., S. 13 f.

[8] Ebd., S. 14

[9] Ebd., S. 29

[10] Ebd., S. 28

[11] Ebd., S. 30

[12] Hermann Korte, Soziologie im Nebenfach – eine Einführung, 2001

[13] Markus Schwingel, Pierre Bourdieu zur Einführung, S. 34

[14] Ebd., S. 40

[15] Ebd., S. 46

[16] Ebd., S. 42

[17] Ebd., S. 44

[18] Ebd., S. 47

[19] Ebd., S. 33

[20] Hermann Korte, Soziologie im Nebenfach – eine Einführung, 2001

[21] Annette Treibel, Einführung in soziologische Theorien der Gegenwart, S. 210

[22] Ebd., S. 210

[23] Ebd., S. 212, Anm.: Bourdieu erweitert den Klassenbegriff zu „Sozialem Raum“, da das Wort „Klasse“ Missverständnisse hervorrufen kann und in Bezug auf die Individuen zu eng gefasst ist. Der soziale Raum macht deutlich, dass sich die Individuen innerhalb von Grenzen befinden.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Pierre Bourdieu
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Soziologie)
Veranstaltung
Soziologische Theorien der Gegenwart
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
15
Katalognummer
V25774
ISBN (eBook)
9783638283038
Dateigröße
518 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Dichter Text - einzeiliger Zeilenabstand. Entspricht etwa 20 Seiten bei normaler Formatierung.
Schlagworte
Pierre, Bourdieu, Soziologische, Theorien, Gegenwart
Arbeit zitieren
Rosa Badaljan (Autor:in), 2003, Pierre Bourdieu, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25774

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