Arbeitswelten im Wandel - Vom Industriekapitalismus zum Neoliberalismus


Seminararbeit, 2004

22 Seiten, Note: 1-


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

I. Einleitung

II. Taylorismus, Fordismus, Industriekapitalismus
1. Die „wissenschaftliche Betriebsführung“ des Frederick W. Taylor
1.1 Produktivitätssteigerung durch Rationalisierung
1.2 Trennung von Arbeitsprozess und Arbeiterqualifikation
1.3 Trennung von Planung und Ausführung
2. Die Mechanisierung der Arbeit in Highland Park, Detroit
2.1 Die Einführung des Fließbandes bei Ford 1913
2.2 Zeitkontrolle wird Maschinentaktbindung
2.3 Die totale Entfremdung vom Produkt der Arbeit
3. Das Gesellschaftssystem des Industriekapitalismus
3.1 Vorraussetzungen von Massenproduktion und Standardisierung
3.2 Die Integration der Arbeiterschaft durch Massengewerkschaften
3.3 Der „New Deal“
3.4 Neudefinition gesellschaftlicher Werte
3.5 Demokratie durch Vollbeschäftigung

III. Globalisierung, Liberalisierung, Flexibilisierung
1. Die Krise des Fordismus
2. Von der nationalen zur postnationalen Moderne
2.1 Sättigung und Globalisierung der Märkte
2.2 Die Entörtlichung der Produktion
2.3 Die Globalität des Kapitals und die Lokalität der Arbeitskraft
3. Von der Arbeits- zur Tätigkeitsgesellschaft
3.1 Neoliberalismus als Patentlösung der arbeitsgesellschaftlichen Probleme ?
3.2 Die Zerstörung der Gesellschaft durch den Neoliberalismus
4. Arbeitszeitflexibilisierung und Risikoregime
4.1 Arbeitszeitmodelle und „McJobber“
4.2 Das Risikoregime und die „selbsttätige Gesellschaft“

IV. Schluss

Literaturverzeichnis

Abstract

This essay trys to analyse the economic and social changes that have occured in the post-fordist era concerning new forms of work relations. Therefor, at first the author wants to describe elemental properties of the taylorist-fordist system before he is discussing the aftermath of global economic breakdown and globalisation in the post-fordist society.

I. Einleitung

Die gegenwärtige politische, wirtschaftliche und soziale Situation der westlichen post-industriellen und postmodernen Gesellschaften ist ge(kenn-)zeichnet durch das Ende der Vollbeschäftigung am Ende der 1970er Jahre. Waren die Arbeitnehmer während des fordistischen Booms der produzierenden Industrie in ein staatliches System aus Sicherheiten eingebettet, das ihnen für die Unwägbarkeiten des Lebens (Unfall, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Bedürftigkeit, Alter) entsprechende Hilfe-, Vorsorge- und Versorgungsleistungen zur Verfügung stellte, so ist dies heute zwar noch nicht Vergangenheit, aber zumindest nur noch in eingeschränktem Maße so und wohl auch in dieser Art nicht zukunftsfähig.

Aus der Unsumme der damit einhergehenden Veränderungen für Staat, Gesellschaft und Individuum wurden für diesen Essay speziell die Wandlungen im Verhältnis des Individuums zu seiner Arbeit als Schwerpunkt ausgewählt, diese jedoch dabei in den Kontext der sich zwischen den Phasen des Fordismus und Postfordismus verändernden Ökonomie und Gesellschaft eingebettet.

Im ersten Teil erfolgt eine recht detaillierte Beschreibung des Weges der Industriegesellschaft vom Taylorismus über den Fordismus zum Industriekapitalismus. Dabei soll besonders die allmähliche Verzahnung von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik zu einem großen Räderwerk mit dem Zweck des gesamtgesellschaftlichen Wohlstandes durch Arbeit und besonders: mit dem Normalarbeits-verhältnis als Basis beschrieben werden.

Eben dieses Normalarbeitsverhältnis begann mit der Krise des Fordismus enorm zu erodieren, was die Phase des Post-Industrialismus bzw. Postfordismus einläutete und die westlichen Gesellschaften vor bis heute ungelöste Probleme stellte. Neue Formen der Arbeit entstanden und zusammen mit einsetzender Individualisierung, Globalisierung, Flexibilisierung und Liberalisierung der Gesellschaften führte dies zu zunehmender Verarmung früher prosperierender Mittelschichten und der Freisetzung des Arbeitnehmers in die individualisierte „Risikogesellschaft“. Diese Entwicklungen und ihre Folgen werden im zweiten Teil des Essays behandelt. Hier sollen schwerpunktmäßig die nach Überzeugung des Autors negativen Eigenschaften der gesellschaftlichen Organisation nach US-amerikanischem Vorbild in den Vordergrund gerückt werden und der Blick für die sich abzeichnende Rück-Entwicklung der westlichen Gesellschaften zu bloßem Ko-Existieren und Überleben geschärft werden.

II. Taylorismus, Fordismus, Industriekapitalismus

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begannen sich die Wirtschaftssysteme der westlichen Industriestaaten grundlegend zu wandeln. Der technische Fortschritt, zunehmender Wettbewerbsdruck, die Volatilität der Märkte, wachsende Unternehmensgrößen und ein größerer Staatsanteil im Verhältnis Politik – Wirtschaft übten einen starken Rationalisierungsdruck auf die Betriebe aus. Die großen Stahl-, Walz- und Textilwerke mussten sich diesen Entwicklungen anpassen. Dies geschah in der Folgezeit zunächst weitgehend unter dem Motto „Lohnkosten steigern, Produktionsumfang erhöhen“. Durch rigorose Ausbeutung der Arbeitskraft ungelernter Tagelöhner, verbunden mit der immer weiter fortschreitenden Mechanisierung der Massenproduktion glaubte man, die Produktivität und mit ihr den Unternehmensgewinn immer weiter steigern zu können.

Den Anfang machte Frederick W. Taylor mit seinem System der „wissenschaftlichen Betriebsführung“, welches vor allem auf die Effizienzsteigerung der einzelnen Produktionsschritte Wert legte und dabei die Qualifikation der Arbeiter von ihrer Leistungsfähigkeit entkoppelte.

In der Folge erkannte Henry Ford, dass ein erhöhter Produktionsausstoß nur dann Sinn macht, wenn seine Arbeiter sich die Produkte ihrer Arbeit auch leisten konnten. Das Fließband als weitere Rationalisierungsmaßnahme machte also nur Sinn, wenn er auch entsprechend höhere Löhne bezahlte und so den Massenkonsum erst ermöglichte.

Mit der Einführung sozialer Sicherungssysteme, der Neudefinition (arbeits-)gesellschaftlicher Ziele und Werte und dem Entstehen eines Kollektivvertrags-Verhandlungssystems, welche allesamt im Rahmen des „New Deal“ als Antwort auf die Regulationskrise und das Scheitern der Akkumulationsstrategie entstanden, avancierte Ford's Automobilwerk in Highland Park, Detroit schließlich zum Idealtypus einer neuen wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Ära: des Industriekapitalismus.

1. Die „wissenschaftliche Betriebsführung“ des Frederick W. Taylor

1.1 Produktivitätssteigerung durch Rationalisierung

Taylor, einst selbst Arbeiter in einem Stahlwerk, fiel früh auf, dass die Arbeiter mit ihrer Kraft unökonomisch haushalteten. Zusätzlich war er mit den Methoden der absichtlichen Arbeitskraftzurückhaltung durch die Arbeiter vertraut, welche er als rationales Interesse der Arbeiter durchaus auch verstand. Durch Mehrarbeit konnten einerseits Arbeitsplätze von Kollegen gefährdet sein und außerdem wurde sie nicht bezahlt. Diese Umstände führten in der Sicht Taylors zu suboptimaler Effizienz und niedriger Produktivität, die es beide zu beseitigen galt. Er bemühte sich, ein System zu finden, das einerseits die Effizienz der Arbeitskraftnutzung steigern konnte, ohne dass die Arbeiter dafür körperlich mehr leisten mussten und ihnen andererseits Anreize für Mehrarbeit bereitstellte. Letzteres glaubte er durch Prämien zu erreichen, die es im Falle des Überschreitens des eingeplanten „Pensums“ zu verdienen gab.

Die Effizienzsteigerung der Arbeitskraft wurde zu Taylors tatsächlicher Lebensaufgabe. Er führte das System der „wissenschaftlichen Betriebsführung“ in seinem Betrieb ein. Dieses sah drei Leitlinien vor[1]: Trennung von Arbeitsprozess und Arbeiterqualifikation, Trennung von Planung und Ausführung sowie detaillierte Planung und Normierung jedes einzelnen Arbeitsschrittes durch das im Rahmen der vertikalen Betriebshierarchie neu eingeführte „Management“ des Unternehmens. Die Arbeitskraft diente ab jetzt ausschließlich dem Erfüllen des Pensums, dem jegliche unqualifizierte geistige Betätigung der Arbeiterschaft im Wege stand und die es auszumerzen galt. Nachgedacht und geplant wurde von nun an an anderer Stelle, in den Werkhallen wurde nur noch ausgeführt, wobei Taylor von den Arbeitern stets Höchstleistung forderte: „Das Streben überhaupt nach Höchstleistung (...) habe ich 'Taylorismus' genannt“. Insgesamt beschreibt Gottl-Ottilienfeld das Taylor-System als „organisatorisch zwangsläufige Bestgestaltung der auszuführenden Arbeit im Betriebe“[2].

1.2 Trennung von Arbeitsprozess und Arbeiterqualifikation

Waren vor Taylors Umstrukturierungen meist noch gelernte Handwerker und Fachkräfte für die Produktion zuständig, so begann nun das Zeitalter der Ungelernten. Um althergebrachte Bewegungsabläufe und Produktionsmethoden aus den Unternehmen zu verbannen, schlug Taylor vor, nur noch ungelernte Arbeiter einzustellen und sie im Betrieb mit genau auf den jeweiligen Produktionsprozess zugeschnittenen Teilqualifikationen zu versehen. Die Produktion selbst wurde dabei in winzige optimierte Arbeitsschritte zerlegt, was die Verwendung der ungelernten Arbeiter noch besser ermöglichte. Die früher den Produktionsprozess beherrschenden Handwerker und Meister wurden nun in dezimierter Zahl für die Weitergabe der Instruktionen und für Kontrollaufgaben eingesetzt. „Den Taylor-Betrieb nennt man das 'Paradies der Ungelernten'; Dahinter spielt sich aber die Tragödie des Facharbeiters ab“ da sich in die Rolle des menschlichen Zahnrades nur einfindet, „wer sehr weit geht in der Selbstentäußerung seiner Persönlichkeit als Arbeiter“[3].

1.3 Trennung von Planung und Ausführung

In den neu gegründeten „Arbeitsbüros“ der Unternehmen entwarfen Manager und Ingenieure eine am Produktionsergebnis orientierte Vorstellung des Arbeitsprozesses. Durch Analyse und Kontrolle von Bewegungsabläufen bestimmte Taylor die Zeit, die für die einzelnen Schritte benötigt wurde und errechnete daraus das zu erreichende Pensum jedes Arbeiters. Dieser Prozess unterlag ständiger Kontrolle und Optimierung. Auf die Spitze trieb die Zeitkontrolle Frank B. Gilbreth, der einzelne Bewegungsabläufe auf 10000stel Minuten genau maß und sie in Normen umwandelte. „Ziel ist die Bewegungsvereinfachung, -verdichtung und -mechanisierung“[4].

Geistige Betätigung der Arbeiter war indes nicht erwünscht sondern störte den Produktionsprozess in seiner maschinengleichen Perfektion. Das einzige Interesse der Arbeitskräfte an der Produktion sollte finanzieller Natur sein und dieses Interesse sollte sie zu ständiger Höchstleistung anspornen.

Taylor propagierte diese strikte Arbeitsteilung mit der Vorstellung eines „herzlichen Einvernehmens zwischen Leitung und Arbeitern“ und der der „Entlastung von Verantwortung dank der Sorge der Leitung für alles“[5].

2. Die Mechanisierung der Arbeit in Highland Park, Detroit

2.1 Die Einführung des Fließbandes bei Ford 1913

Einen durchschlagenden Erfolg auf dem Wege der Rationalisierung des Produktionsprozesses stellte 1913 die Einführung des Fließbandes, der „wandernden Wege“[6], im Ford-Werk Highland Park, Detroit dar. Während Taylor zwar schon in bestmöglichem Ausmaß auf den Einsatz von Maschinen pochte um Verzögerungen der Produktion und damit Produktivitätseinbußen durch menschliche Fehlleistungen zu vermeiden, erreichte Ford mit dem Fließbandsystem ein nie da gewesenes Maß an Reibungslosigkeit.

Das „T-Modell“ von Ford bestand aus 5000 Teilen, welche in etwa 8000 Einzelschritten von 50000 Arbeitern überwiegend an Maschinen zusammen gesetzt wurden. Immenses Verzögerungspotenzial stellten die oft langen und ungünstig angelegten Transportwege von einem Montageplatz eines Teiles zum nächsten dar, welche sich nicht selten wechselseitig überschnitten und behinderten[7]. Durch die Anlage fester, bis ins kleinste Detail ausgeklügelter und vor allem: sich selbst bewegender Produktions- und Transportwege konnte dieses Hindernis wirkungsvoll beseitigt werden. Die Werkstücke konnten direkt und verzögerungsfrei von einem zum nächsten Arbeitsplatz befördert werden. Damit erreichte Ford ein Ausmaß an zusätzlicher Produktivität, welches ihm trotz des weitgehenden Verzichts auf den Drill und die strenge Zeitvorgabe tayloristischer Arbeitsorganisation erlaubte, seinen Arbeitern überdurchschnittlich hohe Löhne und den Acht-Stunden-Tag anzubieten. Zusätzlich hob er das Diktat der Arbeitsbüros weitestgehend auf und organisierte sein Unternehmen so, dass es grundsätzlich jedem Arbeiter möglich war, seine Eignung für eine höher qualifizierte Tätigkeit unter Beweis zu stellen. Er forderte sogar dazu auf, Vorschläge zur Verbesserung des Produktionsprozesses zu machen und vergütete diese entsprechend, sofern der Arbeiter dies wünschte (was oft nicht der Fall war), mit Aufstiegsmöglichkeiten und der inbegriffenen Übernahme größerer Verantwortung. Auch der Einsatz gelernter Facharbeiter und von Vorarbeitern wurde zu diesen Zwecken wiederentdeckt. Gottl-Ottilienfeld (1924, 14) meint zum Unterschied zwischen Taylorismus und Fordismus: „Bei Ford arbeitet man, bei Taylor 'wird' man gearbeitet“.

[...]


[1] Mikl-Horke 2000, 70

[2] Beides aus: Gottl-Ottilienfeld 1924, 6

[3] Gottl-Ottilienfeld 1924, 9

[4] Mikl-Horke 2000, 72

[5] Gottl-Ottilienfeld 1924, 10

[6] Ebenda, 16

[7] Ebenda, 16ff

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Arbeitswelten im Wandel - Vom Industriekapitalismus zum Neoliberalismus
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Grundkurs Theorie III
Note
1-
Autor
Jahr
2004
Seiten
22
Katalognummer
V25618
ISBN (eBook)
9783638281843
ISBN (Buch)
9783656313526
Dateigröße
588 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit beschreibt die Entwicklung der Industriegesellschaft vom Taylorismus und Fordismus über den Industriekapitalismus hin zur modernen neoliberalen/flexiblen Teilzeitarbeitsgesellschaft und behandelt dabei besonders die Gebiete Fordismus, Taylorismus, Industriekapitalismus, Flexibilisierung, "schöne neue Arbeitswelt" (Beck) und Risikoregime
Schlagworte
Arbeitswelten, Wandel, Industriekapitalismus, Neoliberalismus, Grundkurs, Theorie
Arbeit zitieren
Michael Grindmayer (Autor:in), 2004, Arbeitswelten im Wandel - Vom Industriekapitalismus zum Neoliberalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25618

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