Sterbehilfe. Ein Vergleich rechtlicher Grundlagen (Stand 2003)


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der „Euthanasie – Begriff im Wandel der Zeit

3 Zur Unterteilung der Sterbehilfe
3.1 Sterbebegleitung
3.2 Passive Sterbehilfe
3.3 Indirekte Sterbehilfe
3.4 Aktive Sterbehilfe

4 Sterbehilfe aus rechtlicher Sicht historisch und gegenwärtig in Deutschland

5 Rechtsvergleich zur Sterbehilfe zwischen Deutschland und den europäischen und angloamerikanischen Ländern

6 Der rechtliche Sonderweg der Niederlande zur Sterbehilfe/Euthanasie
6.1 Hintergründe
6.2 Änderung des Gesetzes über das Bestattungswesen
6.3 Legalisierung der Sterbehilfe/Euthanasie

7 Das Sterbehilfegesetz in Belgien

8 Abschlussbetrachtung

9 Literaturverzeichnis
9.1 Monographien
9.2 Sammelwerke
9.3 Fachzeitschriften
9.4 Sonstiges

1 Einleitung

Die moderne Hochleistungsmedizin hat dazu geführt, dass die Lebenserwartung im Durchschnitt stetig steigt. Das verlängerte Leben bringt aber nicht nur Freude und Glück mit sich, sondern stellt für viele Menschen –besonders Schwerstkranke – nur eine Sterbens- und Leidensveränderung am Lebensende dar. Diese Menschen wünschen sich ein Sterben in Würde, sprich ein friedvollen und schmerzlosen Tod. Das ist sicherlich einer der Gründe, warum der Ruf nach ärztlicher Sterbehilfe immer lauter wird. Die Niederlande haben als das erste europäische Land auf diese Rufe geantwortet und die ärztliche Sterbehilfe am 10.04.2001 legalisiert. Damit hat die Niederlande die ohnehin bislang sehr liberale Gesetzgebung zur ärztlichen Sterbehilfe noch weiter geöffnet, „... welche es seit vielen Jahren erlaubte, aktive Sterbehilfe zu dulden, wenn bestimmte „Sorgfaltsbedingungen“ erfüllt waren.“ (Oduncu /Eisenmenger 2002, S.327)

Mein persönliches Interesse an dem Thema “Sterbehilfe“ beruht auf einem Erlebnis, das ich während des Praktikums beim Ombudsmann[1] des Universitätskrankenhauses Hamburg Eppendorf hatte. Einer Patientin sollte aufgrund eines Gangräns ein Bein amputiert werden. Die Patientin wollte dies aber nicht und verweigerte, wohlwissend dass sie dann an einer Sepsis sterben würde, die Operation. Die behandelnden Ärzte fragten beim Ombudsmann, der ein pensionierter Richter ist, nach, was sie tun sollten. Der Ombudsmann riet den Ärzten davon ab, nicht ohne Einwilligung zu operieren. Noch am selben Tag ging der Ombudsmann zur Patientin, um mit ihr über ihre Situation zu sprechen. Während des Gesprächs äußerte die Patientin, dass sie gerne Sterbehilfe in den Niederlanden in Anspruch nehmen möchte, wenn es eine Möglichkeit gebe. Nach ausführlicher Internetrecherche meinerseits fand ich heraus, dass ein “Sterbehilfe – Tourismus“ nicht möglich ist. Der Ombudsmann berichtete dieses der Patientin. Zwei Tage später ließ sich die Patientin operieren, nachdem sie mit ihrer Schwester gesprochen hatte.

Mit der Bearbeitung dieses Themas erhoffe ich mir einen Überblick darüber zu gewinnen, wie das Sterbehilfegesetz in den Niederlanden zustande kam und unter welchen Bedingungen es angewendet werden darf.

Meine Arbeit gliedert sich in drei Bereiche auf. Der erste Teil befasst sich mit den Begriffen der Euthanasie und Sterbehilfe. Im zweiten Abschnitt wird die Rechtslage der Sterbehilfe in Deutschland und anderen europäischen und angloamerikanischen Ländern aufgezeigt. Der letzte Teil beschäftigt sich dann mit dem rechtlichen Sonderweg der Niederlande zur Sterbehilfe.

2 Der „Euthanasie“ – Begriff im Wandel der Zeit

Der Begriff “Euthanasie“ wurde in der griechisch – römischen Antike geprägt und bedeutet dem Ursprung des Wortes nach guter, richtiger Tod[2]. Gegenwärtig werden der Euthanasie viele verschiedene Bedeutungen zugewiesen, die mit der antiken Begrifflichkeit in keinerlei Weise in Zusammenhang stehen und sich nur historisch erklären lassen. (vgl. Wiesing 1998, S. 704)

In der Antike beschrieb die Euthanasie „... den leichten, schmerzfreien, unbeschwerten Tod, den Tod als Erfüllung des Lebens oder auch den ehrevollen Tod in militärischem Kontext.“ (ebd.) Der Begriff wurde aber immerfort mit einer guten und genussvollen Lebensgestaltung verbunden und bezog sich nicht auf das Eingreifen eines Menschen in den Sterbeverlauf. Beispielhaft hierfür sind die Worte eines gewissen Tyrannen Dionysios in der Komödie “Der Fischer“ von Menandros[3]: „ Als persönlich begehrenswert scheint mir einzig dieser Tod ein guter Tod zu sein, mit dickem Bauch feist auf dem Rücken zu liegen, mit Mühe lallend und kurzatmig, essend und sprechend: „Ich faule vor Lust“.“ (Benzenhöfer 1999, S. 16-17) Mit der Euthanasie setzten sich in der Antike nicht die Mediziner, sondern die Dichter und Philosophen auseinander.

Francis Bacon[4] schrieb Anfang des 17. Jahrhundert der Euthanasie eine neue Bedeutung zu. Er war der Ansicht, dass es eine ärztliche Aufgabe sei, die Schmerzen und Qualen von erkrankten Menschen zu lindern. Die Ärzte sollten aber nicht nur schmerzstillende und betäubende Mittel an erkrankte Menschen verabreichen, um damit deren Gesundheit wieder herzustellen, sondern auch den Menschen mit infauster Prognose zukommen lassen, damit diese mit einem leichten und sanften Tod aus dem Leben gehen könnten. Francis Bacons Forderungen zur Euthanasie blieben in der Medizin für zwei Jahrhunderte ungehört. (vgl. ebd., S. 66-69)

Erst im frühen 19. Jahrhundert strebte die Medizin – unter dem Stichwort der “Euthanasie“ an, hoffnungslos Erkrankte im Sterben zu begleiten und deren Schmerzen zu lindern. Eine ärztlich unterstützte Lebensverkürzung wurde allerdings kategorisch abgelehnt. (vgl. Wiesing 1998, S. 705)

Bei der ablehnenden Einstellung der Medizin sollte es aber nicht bleiben. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzte unter breiter öffentlicher Resonanz eine Diskussion ein, „... die eine lebensverkürzende Sterbehilfe für gerechtfertigt hielt, zunächst nur auf Verlangen bei unheilbar Kranken.“ (ebd.) Unter dem Gesichtspunkt “einer Tötung auf Verlangen bei unheilbar Kranken“ wurde im deutsprachigen Raum der Begriff “erweiterte Euthanasie“ nun erstmals verwendet. Gleichzeitig wurden in die Diskussion immer mehr rassistische, wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Überlegungen, dass beispielsweise Behinderte und Geistesgestörte eine Belastung für die Allgemeinheit seien, eingebracht. Die Bedeutung des Euthanasiebegriffs wurde nochmals inhaltlich erweitert. „Er umfasste nun auch die Tötung ohne Verlangen bei sogenannten “lebensunwertem Leben“.“ (ebd.)

Anfang des 20. Jahrhundert kam es zu einer erneuten Bedeutungserweiterung des Euthanasiebegriffs. Der Jurist Karl Binding und der Psychiater Alfred Hoche[5] widmeten sich in ihrer Publikation “Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ der Frage, „... inwieweit der Staat die Pflege nicht absolut wertloser, sondern negativ zu wertender Existenzen betreiben solle.“ (ebd.;zit. n. Binding/Hoche 1920, S.27) In der Schrift wurde darüber geklagt, dass der Staat mit einen viel zu großen Aufwand die “Schwächsten“ im Land unterstütze und im Gegensatz dazu die “Stärksten“ – beispielsweise im Krieg – opfere. Diese Ballastexistenzen könne sich der Staat - aufgrund der anhaltenden ökonomischen Krise - auf Dauer nicht mehr erlauben. Binding und Hoche forderten unter anderem den Zustand durch ein Euthanasieprogramm zu begegnen und dieses gesetzlich zu regeln. Die Ansichten beider erlangten in der Bevölkerung weiten Einfluss; eine Änderung des Gesetzes ist allerdings nie erfolgt.

Während in der Weimarer Republik (1919 – 1933) die “Vernichtung lebensunwerten Lebens“ eine theoretische Angelegenheit blieb, wurde diese im Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945) von den Nationalsozialisten systematisch durchgeführt. (vgl. Seitz 2001, S.832) Dabei wurden bei den vernichtenden Aktionen – neben dem millionenfachen Mord an den Juden - schätzungsweise 70.000 geistig Behinderte und psychiatrische Patienten, etwa 20.000 kranke, alte und schwache Menschen und ca. 5.200 behinderte und missgebildete Kinder grauenhaft umgebracht. (vgl. Leven 1998, S.10-11) Die Vernichtungsaktionen der Nationalsozialisten wurden mildernd mit den Wörtern “Gnadentod“ und “Euthanasie“ umschrieben.

Bis heute konnte sich kein Versuch den Begriff “Euthanasie“ zu definieren, durchsetzen. In der gegenwärtigen Alltagssprache enthält dieser noch immer alle dargestellten Sinninhalte. (vgl. Wiesing 1998, S.706) Heutzutage wird in der Regel anstelle des Wortes “Euthanasie“ das Wort “Sterbehilfe“ verwendet.

3 Zur Unterteilung der Sterbehilfe

Die Sterbehilfe seinerseits wird wiederum in Sterbehilfe als Sterbebeistand (Sterbebegleitung), passive Sterbehilfe, indirekte Sterbehilfe und aktive Sterbehilfe unterteilt. (vgl. Schuster 1998, S.451)

[...]


[1] Der Begriff “Ombudsmann“ kommt aus dem Schwedischen und heißt Schlichter. Er hat u.a. die Aufgabe bei Unstimmigkeiten und Problemen zwischen Patient und Krankenhaus zu vermitteln.

[2] Aus dem Griechischen: eu = gut, richtig, thanatos = Tod

[3] Griechischer Dichter (342/41 – 293/292 v. Chr.)

[4] Jurist und Philosoph (1561 – 1626)

[5] Der Jurist Karl Binding (1841 – 1920) und der Psychiater Alfred Hoche (1865 – 1943) werden heute als geistige Wegbereiter der Nationalsozialisten angesehen.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Sterbehilfe. Ein Vergleich rechtlicher Grundlagen (Stand 2003)
Hochschule
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg  (Fachbereich Sozialpädagogik / Studiengang Pflege)
Veranstaltung
Konzepte der Sterbebegleitung
Note
1,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
22
Katalognummer
V25448
ISBN (eBook)
9783638280723
ISBN (Buch)
9783638647106
Dateigröße
508 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sterbehilfe, Konzepte, Sterbebegleitung
Arbeit zitieren
Diplom Pflegewirt (FH) Sebastian Herholz (Autor:in), 2003, Sterbehilfe. Ein Vergleich rechtlicher Grundlagen (Stand 2003), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25448

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