Psychologie der Dienstleistung am Beispiel des Call Center-Arbeitsplatzes


Hausarbeit, 2003

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition Dienstleistung

3. Psychologische Grundlagen in der Beziehung zwischen Dienstleister und Bedientem
3.1 Interaktion
3.2 Spezifische Belastungen in der Beziehungsebene
3.2.1 Rollenkonflikte
3.2.2 „Emotionsarbeit“
3.3 Folgen der emotionalen Belastungen der Dienstleister

4. Emotionale Anforderungen bei Call Center-Arbeitsplätzen
4.1 Beschreibung des Call Center-Arbeitsplatzes
4.2 Empirische Untersuchung von Dormann, Zapf und Isic
4.3 Typologische Betrachtung zur Arbeitstätigkeit und zum Befinden der Call Center-Mitarbeiter Anhand einer Untersuchung in 14 Schweizer Call Centern

5. Lösungsansatz durch ein arbeitsorientiertes Call Center-Leitbild

Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einleitung

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich in den sogenannten Industrieländern ein Wandel von produktionslastigen Volkswirtschaften hin zur Dienstleistungsgesellschaft vollzogen. Die Zahl der Erwerbstätigen in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen zeigt diesen Wandel. Grundlage ist die von Colin Clark (1940; zit. nach Fourastié, 1954) entwickelte Sektorengliederung der Volkswirtschaften in den primären Sektor (Agrarwirtschaft), den sekundären Sektor (produzierendes Gewerbe und Energiewirtschaft) sowie den tertiären Sektor (Dienstleistungen). Der „Dienstleistungssektor“ umfasst ein sehr breites Spektrum, welches sich durchaus noch weiter unterteilen lässt. Den größten Bereich, egal ob Friseurin, Bankkaufmann, Taxifahrer oder Lehrer, stellt die personengebundene Dienstleistung dar. Der Kontakt mit anderen Menschen steht im Vordergrund.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Entwicklung der Erwerbstätigkeit in Deutschland (bis 1984 alte Bundesländer, 2002 Gesamtdeutschland) in %

(Quelle: Friedemann W. Nerdinger, 1994, S.9, für 2002: Statistisches Bundesamt Deutschland 2003)

Die allgemeine Hoffnung bestand darin, dass sich durch die ständige Interaktion mit anderen Menschen ein insgesamt humaneres Arbeitsbild entwickelt. Die monotone Fließbandarbeit oder das einfache Reagieren auf Maschinen sollte durch Kommunikation mit anderen Menschen ersetzt werden.

Diese Arbeit befasst sich mit den neuen, spezifischen Belastungen, die mit der Arbeit in der personengebundenen Dienstleistung einhergehen.

Im Mittelpunkt steht dabei der – noch junge – Arbeitsplatz in einem Call Center.

2. Definition „Dienstleistung“

Dienstleistung stellt in erster Linie eine ökonomisch ausgerichtete Kategorie dar, in der Menschen miteinander interagieren (Nerdinger, 1994, S. 1).

Es ist eine „immaterielle, entgeltliche oder unentgeltliche (öffentliche) Leistung, die einen Nutzen stiftet“ (Lexikon Zur Soziologie, 1994, S. 142). Rein ökonomisch betrachtet ist allerdings auch die öffentliche Leistung, also zum Beispiel das Bildungssystem, nicht unentgeltlich, da es über Steuergelder allgemein finanziert wird.

Zum Kern von Dienstleistung zählen hauptsächlich 4 Merkmale (Nerdinger, 1994, S. 46 ff.):

1. Interaktion: Die beteiligten Akteure beeinflussen sich wechselseitig.
2. Lösen eines persönlichen Problems: Der Bediente tritt mit dem spezialisierten Dienstleister in Kontakt, beide mit dem Ziel, das Problem des Bedienten zu lösen.
3. Keine weiteren Verpflichtungen: Über die Leistungserstellung hinaus bestehen keine zusätzlichen Verpflichtungen.
4. Leistung gegen Geld: Die vom Dienstleister zur Verfügung gestellten Fähigkeiten verhelfen ihm zur Bestreitung seines Lebensunterhalts.

Die Dienstleistung verlangt dabei den unmittelbaren Kontakt zwischen mehr oder weniger fremden Menschen. Bei diesem Kommunikationsprozess entfaltet sich auch immer eine Beziehungsebene zwischen Diener und Bedientem.

3. Psychologische Grundlagen in der Beziehung zwischen Dienstleister und Bedientem

3.1 Interaktion

Durch die ständige Interaktion im Prozess der Bedarfsdeckung zwischen Dienstleister und Bedientem ist ein hohes Maß an kommunikativer Abstimmung nötig. Dabei lassen sich wenig riskante (Friseur, Kellner,...) von riskanten (Rechtsanwalt, Arzt,...) Dienstleistungen unterscheiden. Bei den riskanten Dienstleistungen ist das psychologische Risiko der Problemlösung höher angesiedelt als bei den weniger riskanten Dienstleistungen (Nerdinger, 1994, S. 58).

Die Kommunikation geschieht im verbalen und im non-verbalen Bereich, wobei allgemein geltende Normen, zum Beispiel der Austausch von Höflichkeitsfloskeln, zwingend eingehalten werden müssen, um Konfliktsituationen zu vermeiden.

Jede persönliche Mitteilung des Einen beeinflusst dabei den Anderen und gibt eine gegenseitige Stellungnahme preis.

Die Dienstleistung besteht in ihrer einfachsten Form aus einer doppelten Interaktion, d.h. die Verhaltensweisen der einen Person sind bedingt durch die der anderen, die Handlung des A ruft die Reaktion des B hervor. Die Reaktion von A wiederum auf die Handlung von B vervollständigt die Sequenz (Nerdinger, 1994, S. 66).

Nach Jones und Gerard (1967) unterscheidet man zwischen 4 Interaktionsformen:

Bei Pseudointeraktionen sind die Reaktionen der Akteure jeweils auf bestimmte Ziele ausgerichtet, auf Verhaltenssignale hin werden die Aktivitäten abgewickelt. Die Interaktion selbst erscheint reguliert.

Bei der asymmetrischen Interaktion spult eine Person ihr Verhaltensprogramm ab und wirkt durch das planmäßige Vorgehen stark auf das Verhalten der anderen Person ein, die wiederum lediglich reagiert.

Bei der reaktiven Interaktion verfolgt keiner der Partner bestimmte Verhaltenspläne. Der eine Partner orientiert sich an den Reaktionen des anderen.

Die totale Interaktion zeichnet sich durch eine Mischung aus planvollem und reaktivem Verhalten aus. Beide Partner verfolgen dabei bestimmte Ziele, ohne jedoch ein vorprogrammiertes Verhalten zu zeigen, man stimmt sich auf die Reaktion des anderen ab.

3.2 Spezifische Belastungen in der Beziehungsebene

In der Dienstleistungsbeziehung gibt es demnach neben der Ebene des Äquivalenttauschs noch das Prinzip der „Reziprozität“. Auf der einen Seite hat der Bediente das Recht, für seine Bezahlung eine bestimmte Leistung zu bekommen, während der Dienstleister die Pflicht hat, diese Leistung zu erbringen. Umgekehrt hat der Dienstleister das Recht, für seine Leistung entlohnt zu werden, was die Pflicht des Bedienten darstellt.

Dadurch, dass der Dienstleister unterstellen kann, dass der Bediente mit dem Recht auf Bedienung auch die Pflicht ihn höflich zu behandeln erwirbt, und der Bediente wiederum davon ausgehen kann, mit der Pflicht zur Bezahlung auch das Recht auf demütiges Verhalten des Dienstleisters zu erwerben, können Konfliktsituationen entstehen (Nerdinger, 1994, S. 68/69).

Dienstleister und Bedienter gehen also eine Beziehung ein, die weder hauptsächlich durch Gefühle, noch durch institutionelle Ordnung geprägt ist.

Vielmehr basiert sie auf Erfahrungswerten und Erwartungen, die der eine Akteur gegenüber dem anderen hat. So kann der Bediente auf Erfahrungen zurückgreifen, die er in vorherigen Interaktionen erzielt hat (Nerdinger, 1994, S. 80) und stellt dementsprechend gewisse Erwartungen an seinen Gegenüber. Parsons „Theorie der sozialen Systeme“ (1951) geht davon aus, dass das Vertrauen innerhalb der Beziehung auf sozial normierten Rollen basiert, d.h. der Patient vertraut dem Arzt wegen dessen umfassender Ausbildung und Kenntnisse.

3.2.1 Rollenkonflikte

Allerdings kann die subjektive Erwartungshaltung der beteiligten Personen den erlebten Erwartungen widersprechen, Rollenkonflikte entstehen.

Gefördert wird diese Konfliktgefahr in Fällen des indirekten Austausches, wo von Seiten des Arbeitgebers des Dienenden – der Organisation – den Erwartungen des Bedienten widersprechende Anforderungen gestellt werden (z.B. der Verkauf von provisionsintensiven Produkten statt provisionsarmen, die aber geeigneter wären).

Der Dienstleister unterliegt also verschiedensten Rollenkonfliktgefahren. Gewöhnlich unterscheidet man zwischen Inter-Rollen-Konflikt, Intra-Rollen-Konflikt und Person-Rollen-Konflikt (vgl. Kahn et al., 1964, S. 55 ff.).

Der Inter-Rollen-Konflikt bezieht sich auf die Tatsache, dass eine Person mehrere Rollen einnimmt, die evtl. miteinander konkurrieren (z.B. Katholik, Ehemann, Freier,...). Diese Art von Rollenkonflikt kann jeden Menschen betreffen, wohingegen die anderen beiden Konfliktarten typisch für die Dienstleistungsbeziehung sind.

Ein Intra-Rollen-Konflikt tritt auf, wenn unterschiedliche oder uneindeutige Erwartungen an den Rolleninhaber gestellt werden. Dort wird einmal in den Inter-Sender-Konflikt (Bediente und Organisation senden unterschiedliche Erwartungen) und den Intra-Sender-Konflikt (der Dienstleister versucht das Unmögliche, nämlich beiden Erwartungen voll zu entsprechen, dies führt dazu, dass jedes erzielte Ergebnis positiv und auch negativ kritisiert werden kann) unterschieden.

Der Person-Rollen-Konflikt entsteht, wenn vom Bedienten Erwartungen gesendet werden, die mit dem Selbstbild und der Persönlichkeit des Dienstleisters kollidieren. Diese Art von Konflikt betrifft hauptsächlich die weniger riskanten Dienstleistungen, da die Bedienten sie vermutlich als auswechselbar ansehen (Shamir, 1980, S.33).

[...]

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Psychologie der Dienstleistung am Beispiel des Call Center-Arbeitsplatzes
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Institut für Soziologie und Sozialpsychologie)
Veranstaltung
Sozialpsychologie der Arbeit
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
13
Katalognummer
V25273
ISBN (eBook)
9783638279482
ISBN (Buch)
9783638789073
Dateigröße
494 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Psychologie, Dienstleistung, Beispiel, Call, Center-Arbeitsplatzes, Sozialpsychologie, Arbeit
Arbeit zitieren
Benjamin Behrens (Autor:in), 2003, Psychologie der Dienstleistung am Beispiel des Call Center-Arbeitsplatzes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25273

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