Agenda Setting Prozesse


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

17 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Grundlagen und Komponenten

III. Historischer Hintergrund der Agenda-Setting-Forschung

IV. Wirkungsmodelle und Theoriebildung
IVa. Die Wirkungsmodelle
IVb. Spezifikation: Intervenierende Variablen und Rezipientenfaktoren
IVc. Priming

V. Kritik

VI. Exkurs
VIa. Gatekeeper-Funktion
VIb. Die Schweigespirale

VII. Quellenangaben

I. Einleitung

In dem Seminar „Analyse der Bundestagswahl 2002“ im Wintersemester ´02/´03 unter der Leitung von Dr. Wolfgang G. Gibowski wurde auf Grundlage von Wahlforschungstheorien das Wählerverhalten der letzten Bundestagswahl untersucht. Besonders von Interesse war die Frage, wie die politischen Parteien ihre Inhalte und Ziele umsetzen konnten und welche Strategien dabei zum Einsatz kamen.

Gründe für das unterschiedliche Wählerverhalten bei dieser spektakulären Wahl, bei der sich vorzeitig der Kanzlerkandidat der CDU/CSU Edmund Stoiber schon als Sieger glaubte, waren neben dem Elbehochwasser, dem möglichen Irak-Krieg (zu dieser Zeit begannen massive Truppenverlegungen der USA in die Nah-Ost-Region die Debatte zu schüren) und den drei Kanzlerduellen im Fernsehen auch die Berichterstattung der Medien, die eine zentrale Rolle bei der Wahrnehmung von Ereignissen und Meinungsbildung der Öffentlichkeit einnehmen. Um diese Prozesse zwischen Medien, Öffentlichkeit und politischer Elite genauer zu betrachten, ist es notwendig, den Agenda–Setting–Ansatz zu erklären und an Beispielen zu verdeutlichen. Bei diesem Ansatz wird angenommen, dass die Medien durch ihre Berichterstattung einen Einfluss darauf ausüben, welche Themen die Rezipienten als wichtig wahrnehmen und welche als weniger wichtig einstufen.

Diese Hausarbeit soll verdeutlichen, was Agenda–Setting-Forschung ist, welches die historischen und theoretischen Hintergründe sind, welche Komponenten zu diesem Prozess gehören und wie es sich in den Begriff der Medienwirkungsforschung eingliedern lässt. Trotzdem kausale Beziehungen schwer aufzudecken sind, hat das Verständnis von Agenda–Building-Prozessen eine wichtige Bedeutung, nicht zuletzt um zu verstehen, wie Akteure (ob auf politischer, wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Ebene) ihre Programme öffentlichkeitswirksam durchsetzen.

Die Leitthese, die in dieser Arbeit vertreten wird, soll jedoch belegen, dass der gesamte Agenda-Setting-Ansatz bisher noch zu keiner vollständigen Theorie entwickelt wurde und die vorhandenen Ansätze noch unvollständig sind. Es gibt eine große Vielzahl an Ansätzen und Modellen, allerdings mangelt es noch immer an einer umfassenden und schlüssigen Theoriebildung. Des weiteren soll auch auf Mängel der Ansätze hingewiesen werden und auch, wie diese Mängel beseitigt werden können.

II. Grundlagen und Komponenten

a·gen·da s Tagesordnung

to set s setzen[1]

Der Begriff des Agenda-Setting bedeutet frei übersetzt Thematisierung bzw. Themensetzung. Welche Agenda ein bestimmtes Medium setzt, beeinflusst seine Rezipienten, so Kübler: „Den Medien gelingt es nicht immer, den Leuten zu vermitteln, was sie denken (bzw. denken sollen), wohl aber haben die Medien mehr und mehr Einfluss darauf, worüber sie denken bzw. zu denken haben.”[2]

Es wird angenommen, dass die Medien für eine bestimmte Zeit bestimmte Themen in ihre Agenda aufnehmen und andere Themen so vernachlässigen oder nur am Rande behandeln. Diese Annahme führt zu der Folgerung, dass die von den Medien vorgenommene Thematisierung Voraussetzung für Meinungs- und Einstellungsveränderungen bei den Rezipienten ist. Die Medien erwecken und steuern die Aufmerksamkeit und die Problemwahrnehmung bei den Empfängern, eine damit folgende Wertevermittlung bleibt nicht aus. So auch McCombs und Shaw, auf deren Chapel Hill – Studie ich im folgenden Abschnitt eingehen möchte: „While the mass media may have little influence on the direction or intensity of attitudes, it is hypothesized that the mass media set the agenda for each political campaign, influencing the salience of attitudes toward the political issues.”[3]

Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass hier das Hauptproblem liegt, denn wenn die Empfänger (z.B. die Bevölkerung) allein von den Medien Informationen beziehen, konsumieren sie also schon ausgewählte und bearbeitete Berichte, sind aber nicht mehr in der Lage, die Realität unmittelbar zu erfahren.

Schon Walter Lippmann formulierte in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts die „Pictures in our head“ - Theorie, in welcher er feststellte, dass Journalisten dem selben Dilemma wie andere Menschen auch unterliegen, nämlich dass die Auswahlentscheidung, ob und wo ein Ereignis in den Medien vorkommt, auf subjektiven Einflüssen beruht und daher der Journalist bestimmt, welche Themen von Bedeutung sind und welche nicht.[4] Nach Lippmann sind es folgende Punkte, die bestimmen, ob ein Ereignis berichtenswert ist oder nicht: Ungewöhnlichkeit, Bezug zu bereits bekannten Themen, zeitliche Abgrenzung, Einfachheit, erkennbare Konsequenzen, Beteiligung prominenter Personen und räumliche Nähe.[5]

Die folgende Matrix soll die Wirkungsgebiete von Agenda-Setting-Prozessen in drei relevanten Gebieten verdeutlichen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grafik 1

III. Historischer Hintergrund der Agenda-Setting-Forschung

Die beiden Kommunikationsforscher Maxwell McCombs und Donald Shaw begannen im Jahr 1968 eine Studie, die zum Ziel hatte die Wirkung der Medien durch ihre Themenauswahl auf die Wähler und ihre Wahl bei der U.S. – amerikanischen Präsidentschaftswahl im Jahr 1968 zu untersuchen. Diese Untersuchung sollte mittels eines Vergleichs zwischen den Themen, mit denen sich die Medien zu dieser Zeit beschäftigten, und den Themen, die die Wähler der amerikanischen Kleinstadt Chapel Hill in den Wahlkampagnen der Kandidaten (John. F. Kennedy, Richard Nixon) für wichtig hielten, durchgeführt werden.

Einhundert zufällig ausgewählte Kandidaten wurden befragt, unterschieden wurde zwischen entschlossenen und unentschlossenen Wählern, wobei nur die Entschlossenen weiter befragt wurden. Neben diesen Befragungen führten die beiden Forscher eine gleichzeitige Analyse der verwendeten Medien aus: Durham Morning Herald, Durham Sun, Raleigh News, Observer, Releigh Times, New York Times (Tageszeitungen), den Magazinen Time und Newsweek sowie den Nachrichtensendern NBC und CBC. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden tabellenartig nach bedeutenden und weniger bedeuteten Nachrichten unterschieden. So korrelierten die Ergebnisse der Themen, die in den Medien behandelt wurden, mit denen, die nach dem Urteil der Befragten wichtig waren[6]. McCombs und Shaw weisen darauf hin, dass eine hohe Korrelation zwischen Medien- und Rezipientenagenda Bedingung dafür ist, dass ein Agenda-Setting Prozess stattfindet. Wie sich aber in späteren Kritiken immer wieder herausstellte, ist das keine hinreichende Bedingung um einen kausalen Zusammenhang festzustellen[7]. Die Tatsache, dass hier eine Querschnittsstudie durchgeführt wurde, lässt auch keine Möglichkeit zu, die Richtung des Zusammenhangs zwischen der Medienagenda und der Rezipientenagenda zu erkennen. Gleichfalls ist es schwierig, die zeitliche Struktur des Prozesses zu beleuchten, denn mehrere Themen werden nur zu einem bestimmten Zeitpunkt untersucht. Es ergeben sich also unter Umständen Scheinkorrelationen, die aber nach Ablauf des Prozesses als solche nicht mehr erkennbar sein könnten. Auch ein möglicher Einfluss von Drittvariablen wurde nicht berücksichtigt.

Trotzdem gilt die Untersuchung der beiden amerikanischen Forscher als Initialstudie und war der Anstoß zu weiteren Studien und Wirkungsmodellen.[8] Im folgenden Abschnitt will ich daher näher auf die Typologie der Forschung eingehen.

[...]


[1] Bürowörterbuch Englisch/Deutsch Langenscheidt KG, 2000

[2] KÜBLER: Kommunikation und Massenkommunikation : ein Studienbuch, Münster, 1994

[3] McCOMBS / SHAW: Mass Communication in Political Campaigns: Information,

in: KLINE, F.G. / TICHENOR, P. (Hrsg.): Current Perspectives in Mass

Communication Research, Beverly Hills und London 1972

4 auf die spezifische Funktion der Gatekeeper wird an anderer Stelle noch eingegangen

[5] Vgl. LIPPMANN: Public Opinion. New York 1949. Erstausgabe 1922. Dt. Übersetzung: Die öffentliche Meinung. München 1964

[6] McCOMBS, SHAW: “In short the data suggests a very strong relationship between the emphasis placed on different campaign issues by the media (reflecting to a considerable degree the emphasis of the candidates) and the judgment of the voters as to the salience and importance of various campaign topics." In: McCOMBS / SHAW: The Agenda-Setting Function of Mass Media. In: Public Opinion Quarterly, 1972

[7] siehe auch Leitthese weiter oben. Kritikpunkte sind das relativ kleine Wählersample (100 Wähler) und der Vergleich mit aggregierten statt individuellen Daten.

[8] IYENGAR / KINDER führten u.a. 1980 – 1982 eine Reihe von Experimenten durch, in denen die Einstellung der Probanden mit Vorher-Nachher – Messungen ermittelt wurde. Ein starker Einfluss der Medienagenda auf die Rezipientenagenda war bei den Probanden festzustellen die eine eher niedrige Bildung, schwache Parteipräferenz und ein mäßiges politisches Interesse aufwiesen.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Agenda Setting Prozesse
Hochschule
Universität Potsdam  (Lehrstuhl politisches System der BRD)
Veranstaltung
Analyse der Bundestagswahl 2002
Note
1,5
Autor
Jahr
2003
Seiten
17
Katalognummer
V25001
ISBN (eBook)
9783638277426
ISBN (Buch)
9783640129423
Dateigröße
587 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Um die Prozesse zwischen Medien, Öffentlichkeit und politischer Elite genauer zu betrachten, ist es notwendig, den Agenda-Setting-Ansatz zu erklären und an Beispielen zu verdeutlichen. Bei diesem Ansatz wird angenommen, dass die Medien durch ihre Berichterstattung einen Einfluss darauf ausüben, welche Themen die Rezipienten als wichtig wahrnehmen und welche als weniger wichtig einstufen. Hausarbeit mit vielen Grafiken und umfangreichem Quellenverzeichnis. Sehr gute Bewertung!
Schlagworte
Agenda, Setting, Prozesse, Analyse, Bundestagswahl
Arbeit zitieren
Dipl. Verwaltungswissenschaftler Moritz von Münchhausen (Autor:in), 2003, Agenda Setting Prozesse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25001

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