Die Miniaturen des Heinrich von Veldeke im ´Codex Manesse` sowie in der ´Weingartner Liederhandschrift` und ihr Bezug zum Liedkorpus


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Reproduktionsgeschichte der Miniaturen in C

III. Bildbeschreibungen
1., her heinrich von Veldig im ´Codex Manesse`
2., MAISTER HAINRICH UON VELDEG in der ´Weingartner Liederhandschrift`

IV. Autorenbild – Definition und Vorbilder

V. Fragen nach dem historischen Wert und der Individualität der Darstellungen

VI. Verknüpfungen von Bild und Liedtext
1., Lesezeichenfunktion der Miniaturen
2., Die entsprechenden Liedtexte
3., Landschafts- und Tierdarstellung
4., Frühlingsdarstellung
5., Trauergestus
6., Das Schrift- bzw. Spruchband

VII. Bemerkungen zur gemeinsamen Vorlage *BC

VIII. Zusammenfassung

Abkürzungen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

I. Einleitung

Ob Text oder Illustration in einer Handschrift vorrangig betrachtet werden sollen, wird unter Germanisten und Kunsthistorikern jeweils gegensätzlich bewertet. Dies ist ebenfalls bei den Miniaturen Heinrichs von Veldeke im ´Codex Manesse` sowie in der ´Weingartner Liederhandschrift` der Fall.

Hier soll nun der Versuch unternommen werden, eine interdisziplinäre Bildbetrachtung vorzulegen, die neben Beschreibungen auch den Aspekt des Autorenbildes und die Frage nach dem historischen Wert der Darstellungen behandelt. In wie weit das Bildmotiv des sitzend sinnenden Dichters in direktem Zusammenhang mit seinen Liedern steht, soll anhand von Motivanalysen erörtert werden. Schlussendlich werden einige Bemerkungen zu einer gemeinsamen Vorlage der Handschriften angebracht sein.

Bei einer umfassenden Betrachtung der Miniaturen müssten Bildteppiche, Wandmalereien, Minnekästchen, allerlei Elfenbeinarbeiten, Psalterillustrationen, Monatsdarstellungen und Glasmalereien des 13. Jh. berücksichtigt werden.[1] Dies würde jedoch über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen. Auch werde ich nicht auf die Nachträge der Handschriften sowie weitere Fragmente und Bruchstücke eingehen, da diese keinen direkten Zusammenhang zur Miniatur Heinrichs von Veldeke bilden. Der eigenständige Fragenkomplex nach Geschichte, Weg, Datierung und den Auftraggebern der Handschriften kann hier außerdem ebenso wenig behandelt werden wie die Problematik der Ständeordnung.

Als Textgrundlage habe ich die faksimilierte Handschrift des ´Codex Manesse` gewählt, da mir die Textedition in „Des Minnesangs Frühling“ als unzureichend erscheint. Nur die gängige Verszählung habe ich übernommen und mich im weiteren neben meiner eigenen Transkription auf die gelungene Bearbeitung von F. Pfaff gestützt. Auch wenn ich mich bei den Liedtexten auf die Zeilen des ´Codex Manesse` beziehen werden, sei noch die nützliche Bearbeitung der ´Weingartner Liederhandschrift` (B) von O. Ehrismann genannt.

II. Reproduktionsgeschichte der Miniaturen im ´Codex Manesse`

In J.J. Bodmers Vorrede zu den „Proben der alten schwäbischen Poesie des 13. Jahrhunderts“[2][3] 1748 werden die Miniaturen lediglich als nach heraldischen Gesichtspunkten brauchbar bewertet und die ersten Durchzeichnungen angefertigt. Auch eine Faksimilierung wurde nur aus antiquarischem Interesse befürwortet und 1810 erstmals von F.H. von der Hagen in Angriff genommen. Dieser musste das Unternehmen aufgrund mangelnder Finanzierung und fehlender Abzeichnungen aufgeben; auch J. Grimm gelangte 1814 nicht an geeignete Kopien. 1815 fertigte C.M. Engelhardt die ersten Durchzeichnungen an und kolorierte sie nach dem Original. Mit entsprechenden Lithographien versehene „Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin“ wurden 1844-54 durch von Hagen erstmals publiziert und ebenfalls erstmals der Miniatur Heinrichs von Veldeke die Abbildung der ´Weingartner Liederhandschrift` zur Seite gestellt. Breitenwirkung erreichten die Lithografien aber erst 1856-61 mit dem „Bildersaal Altdeutscher Dichter“ [4], die Abbildungen wurden dem Original aber nur bedingt gerecht. Die Abzeichnungen und das fehlende Kolorit verfälschten den eigentlichen Eindruck, auch wenn die Abbildungen in Originalgröße einen entschiedenen Fortschritt bedeuteten. Die allgemeine Vorstellung der Miniaturen veränderte sich erst 1886 mit F.X. Kraus`[5] Lichtdruckausgabe in zwei Bänden und der zweiten Auflage von 1895 mit farbigen Kunstbeilagen. Erst 1929 entstand das erste Vollfaksimile.

III. Bildbeschreibungen

1., her heinrich von Veldig im ´Codex Manesse`

Der ´Codex Manesse` (C) ist im alemannischen

Sprachraum, im ersten Drittel des 14. Jh. vermutlich in Zürich als Sammelhandschrift entstanden.[6] Aufgrund einer entsprechenden Namensnennung in einem Lied Hadlaubs wurde er den Brüdern Manesse als Auftraggebern zugeordnet.[7] Der seit 1748 durch Johann Jakob Bodmer nach ihnen so benannte Codex wird heute in Heidelberg unter der Signatur Codex Palatinus Germanicus 848, kurz cpg 848, aufbewahrt. Die Handschrift besteht aus 426 ungrundierten Pergamentblättern, also 852 Seiten im Großfolioformat von ca. 25x35,5 cm, einem Schriftspiegel von 26x17,5 cm und insgesamt 137 ganzseitigen, farbigen Miniaturen. Seit J. R. Rahn wird bei den Miniaturen in einen Grundstock mit 110 Bildern und drei Nachträge mit insgesamt 27 Bildern unterschieden.[8]

Der hier ausschließlich zu berücksichtigende Grundstock der Handschrift wurde wohl im ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts angelegt und ist nach Autoren geordnet. Ein ständisches Prinzip ist sicherlich beabsichtigt gewesen, allerdings nicht ganz konsequent durchgehalten worden.[9] Heinrich von Veldeke bildet mit den Seiten 30-35 den Abschluss der 15 Blätter enthaltenden zweiten Lage der Handschrift. Das Liederkorpus Heinrichs von Veldeke beginnt mit einer neuen Seite und wird durch eine große, repräsentative, zweifarbige Initiale mit Filigrangeflecht eingeleitet. Die fünf Textseiten bestehen aus zwei Kolumnen zu je 46 Zeilen. Die Verse sind nicht abgesetzt, vielmehr fällt hierbei auf, dass deren Enden durch einfache Reimpunkte gekennzeichnet werden. Die Farbe der zweizeiligen Versinitialen wechselt zu jedem neuen Ton.[10]

Als Eröffnung des Werkes ist jedoch die ganzseitige Miniatur auf fol. 30r anzusehen, welche schon durch die zentriert geschriebene Namensnennung (her heinrich von Veldig) über dem Rahmen einen Bezug zum Autor der darauffolgenden Lieder herstellt. Zudem ist die Heinrich aus dem Inhaltsverzeichnis zugeordnete Zahl XVI in roten Ziffern beigefügt. Es handelt sich hierbei also um eine Autorenzuweisung, welche die abgebildete Figur als Verfasser des nachfolgenden Liedkorpus identifiziert und so Text und Bild aufeinander bezieht.[11] Da beide Teile jeweils eine ganze Seite einnehmen, bilden Illustration und Text rein formal eine Einheit.

Die Miniatur wird von einem rechteckigen, aus einem blau-gold-roten Farbstreifen bestehenden Rahmen umgeben, wobei außerhalb des Rahmens ein breiter Pergamentstreifen frei bleibt.

Der Rahmen stellt das die Komposition bestimmende Ordnungsprinzip dar und erstellt einen repräsentativen Bezug zur Schriftseite. Einen weiteren Bezug zum Dargestellten gibt Schild und Helm, die voneinander getrennt im oberen Bildbereich zu erkennen sind. Der Schild ist schräg rechts in Gold und Rot geteilt; ebenso ist das Schirmbrett als sogenanntes Hilfskleinod mit Pfauenfedern besteckt und unten zu einer roten Helmdecke verlängert. Die Pfauenfedern beschneiden rechts leicht den Rahmen und verdecken links teilweise einen Vogel.

Darunter sitzt der Dichter auf einem grünen, von kleinen weißen und roten Blumen übersäten Hügel, das geneigte Haupt auf die Hand gestützt. Er trägt ein purpurrotes Obergewand mit breiten Goldborten am Ärmelabschluss und einer dunkelblau gefütterten Kapuze, der gugel[12]. Von Oechelhäuser deutet Goldbesatz und Kapuze als Zeichen vornehmen Standes.[13] Er weist mit der Hand auf das neben sich befindliche Spruchband. Eine Art idealen Bildraum füllt ein ornamental wirkendes Netzwerk, dessen gelbe und rote glockenblumenartigen Blüten zehn Vögel in unterschiedlichsten Haltungen und Positionen umschließen. Diese Art der Darstellung erinnert zuweilen an das Thema der Vogelpredigt des hl. Franziskus.[14] I.F. Walther deutet die Vögel rechts als Fasan und Elster, im Rücken des Dichters einen Vogel als Storch und das schwarze Wesen auf seiner Schulter als Eichhörnchen.[15]

Der Dichter wird im Dreiviertelprofil gezeigt, wobei die ovale Gesichtform sowie die Gesichtszüge mehrfarbig konturiert angedeutet sind. Ebenso werden die halblangen, blonden Locken durch eine entsprechend dunklere Farbnuance angedeutet. Ein goldener Perlenkranz, schapel[16] genannt, hält schmückend die Locken aus der Stirn.

Farblich dominieren die Grundtöne Zinnober und Purpur, Preußischblau, Dunkelgrün und Gold als auszeichnende Schmuckfarbe. Man darf davon ausgehen, dass Maler und Illuminator eine Person waren. Von technischer Seite sind teilweise heute noch skizzierte Vorzeichnungen mit schwarzem Stift auf dem ungrundierten Pergament zu erkennen. Anschließend wurden die Farben gleichmäßig deckend, zuweilen über die Konturen hinaus aufgetragen. Die Farben sind in verschiedenen Abstufungen, insbesondere in Gesicht und Gewand modellierend anwendet und erzielen dadurch bisweilen plastische Wirkung. So entsteht ein spannungsvoller Ausgleich zwischen Flächigkeit und Körperlichkeit.

Begründet werden könnte dies mit einer Vermischung byzantinisch modellierender Einflüsse und einer Rezeption flächiger Buchkunst der französischen Gotik.[17]

2., Maist(er) Hainrich v(on) Veldeg in der ´Weingartner Liederhandschrift`

Die ´Weingartner Liederhandschrift` (B) ist wohl im zweiten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts in Konstanz entstanden[18] und erst viel später nach ihrem einstigen Aufbewahrungsort, dem bei Ravensburg gelegenen Benediktinerkloster Weingarten, benannt worden.[19] Die Lyriksammelhandschrift enthält bei einem Kleinformat von 15x11,5 cm und einem Schriftspiegel von 12,5x8,5 cm auf 156 Blättern, also 179 Pergamentseiten und 14 Lagen, die Lieder von 26 Dichtern, sowie Nachträge mit sechs weiteren Korpora und einem epischen Gedicht des Johann von Konstanz. Die in alemannischer Textualis Gothica[20] geschriebenen je 28 Verszeilen stehen in einer Kolumne und sind nicht abgesetzt, sondern werden durch Reimpunkte kenntlich gemacht. Rote und blaue Kleininitialen markieren abwechselnd die Strophenanfänge.

Dialektgeographische Kriterien wie ai statt ei und das Ausschreiben der Züricher Abkürzungen dc oder wc, sowie stilistische Verwandtschaft mit anderen Kunstdenkmälern machen Konstanz oder die umgebende Bodenseelandschaft als Entstehungsort wahrscheinlich.[21] Über die genauere Datierung Anfang des 14. Jh. besteht jedoch Zweifel, auch wenn in der neueren Forschung im allgemeinen eine spätere Datierung nach dem ´Codex Manesse` angenommen wird.[22] Heute befindet sich die Handschrift in Stuttgart und wird in der Württembergischen Landesbibliothek unter der Signatur HB XIII [ potae germanici ] 1 aufbewahrt.

Wie im ´Codex Manesse` bildet eine ganzseitige Miniatur, fol. 51r, den Auftakt für den hier die Seiten 51-59 umfassenden Liedkorpus Heinrichs von Veldeke. Dieses findet sich an zwölfter Stelle am Ende der dritten Lage des Hauptteils.

Auf natürlichem Pergament, das auch als Bildhintergrund dient, wurde in rot skizzierten Linien die Vorzeichnung ausgeführt und danach unkorrigiert mit Schwarz fixiert. Die Farben wurden gleichmäßig deckend aufgetragen, oft über die Konturen hinaus. Die Begrenzung bildet ein ornamental geschmückter Rahmen, sodass ein natürlicher Pergamentrand das Bild umschließt. Die obere Querleiste des Rahmens beinhaltet Titel und Namen des Dargestellten (Maist(er) Hainrich v(on) Veldeg) in großen roten Minuskelbuchstaben, wobei der Platz nicht ausreichte und die übrigen Buchstaben über dem Rahmen ergänzt wurden. Auch wird der Rahmen im unteren Teil von den Füßen des Dargestellten überschnitten.

Der auf einem grünen Hügel sitzende Dichter stützt wiederum seinen Kopf auf die Hand und diese auf das linke Knie. Vor dem das ausgestreckte rechte Bein kreuzende Knie, weist der Dichter mit einem Stock auf das neben sich stehende Schriftband. Den oberen Bildraum nimmt ein völlig grüner Baum ein, in dessen stilisierter Blätterkrone sechs Vögel sitzen.

In der Miniatur der ´Weingartner Liederhandschrift` ist die Flächigkeit des Dargestellten besonders zu bemerken. Die Darstellung wirkt holzschnittartig und hat im Gegensatz zum malerischen Grundstock des ´Codex Manesse` eine eher graphische Wirkung. Die leuchtend bunten Farben werden zu rein dekorativen Zwecken genutzt und weniger um die in der Realität übliche Farbe wiederzugeben. Die Töne Rot und Grün sind vorherrschend, als Goldersatz findet sich ein kräftiges Gelb. Farbliche Korrespondenzen werden vermieden, besonders das längsgestreifte mi-parti- Kleid ist ein Beispiel für die bewusst kontrastreiche Farbgebung.

[...]


[1] G. Siebert-Hotz, Das Bild, S. 29-30.

[2] E. Grunewald, Retuschiertes Mittelalter, S. 435-445; E.M. Vetter, Die Rezeption, S. 155/163/168.

[3] J.J. Bodmer, Proben, Vorrede.

[4] F. H. v. d. Hagen, Bildersaal.

[5] F.X. Kraus, Die Miniaturen.

[6] L. Voetz, Überlieferungsformen, S. 227.

[7] W. Werner, Die Handschrift, S. 25.

[8] J. R. Rahn, Kunst, S. 103.

[9] L. Voetz, Überlieferungsformen, S. 229.

[10] F.-J. Holznagel, Wege, S. 44.

[11] F.-J. Holznagel, Wege, S. 74.

[12] A.v. Oechelhäuser, Die Miniaturen, S. 395.

[13] A.v. Oechelhäuser, Die Miniaturen, S. 398.

[14] G. Siebert-Hotz, Das Bild, S. 197 Anm. 17.

[15] I. F. Walther, Codex Manesse, S. 32.

[16] A.v. Oechelhäuser, Die Minaturen, S. 397.

[17] A. Haseloff, Die kunstgeschichtliche Stellung, S. 124-125.

[18] L. Voetz, Überlieferungsformen, S. 234.

[19] W. Irtenkauf, Die Handschrift, S. 11.

[20] W. Werner, Die Handschrift, S. 17.

[21] F.-J. Holznagel, Wege, S. 124-125.

[22] R. Kroos, Die Miniaturen, S. 133.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die Miniaturen des Heinrich von Veldeke im ´Codex Manesse` sowie in der ´Weingartner Liederhandschrift` und ihr Bezug zum Liedkorpus
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Germanistisches Seminar)
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
27
Katalognummer
V24955
ISBN (eBook)
9783638277099
ISBN (Buch)
9783638956369
Dateigröße
586 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Umfangreiches Literaturverzeichnis!
Schlagworte
Miniaturen, Heinrich, Veldeke, Manesse`, Liederhandschrift`, Bezug, Liedkorpus
Arbeit zitieren
M.A. Saskia Dams (Autor:in), 2003, Die Miniaturen des Heinrich von Veldeke im ´Codex Manesse` sowie in der ´Weingartner Liederhandschrift` und ihr Bezug zum Liedkorpus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24955

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