Integrationshemmende Ausländerpolitik?


Seminararbeit, 2003

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Integration und ihre Vorraussetzungen
1. Integration, Assimilation und Multikulturelle Gesellschaft
2. Leistungen zur Integration
2.1 Leistungen des Einwanderers
2.2 Leistungen der Aufnahmegesellschaft

III. Einwanderung und Ausländerpolitik in Deutschland
1 Einwanderung in die BRD seit 1945
1.1 Phase der Vertriebenen und DDR-Flüchtlinge
1.2 Phase der Anwerbung von Gastarbeitern
1.3 Phase des Anwerbestops und Familiennachzugs
1.4 Phase der Flüchtlingsmigration und Ostöffnung
2. Gastarbeiter-/Ausländerpolitik der Bundesregierung seit 1945
2.1 Deutschland, Einwanderungsland ohne Einwanderungspolitik?
2.2 Phase der Anwerbe- und Rotationspolitik
2.3 Phase der Konsolidierung
2.4 Phase der restriktiven Ausländerpolitik
2.5 Neue Ausländerpolitik?

IV. Ausländerpolitik und Integration
1. Integration der Zuwanderergruppen durch die Ausländerpolitik
2. Defizite der Ausländerpolitik in Bezug auf Integration
2.1 Öffentliche Darstellung der Zuwanderung
2.2 Gleichstellung der nichtdeutschen Bevölkerung
2.3 Einbürgerung und doppelte Staatsbürgerschaft

V. Fazit

VI. Verwendete Literatur

I. Einleitung

„Die sehr dicht besiedelte Bundesrepublik ist kein Einwanderungsland“ (zit. nach Bischoff/Teubner 1991: 96).

Deutschland ist seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland, doch wurde diese Tatsache lange Zeit von der politischen Führung in obiger Form (hier von Bundesinnenminister Zimmermann, 1984) und ähnlich geleugnet, sowie in der Politik gegenüber der nichtdeutschen Bevölkerung wenig berücksichtigt. In dieser Arbeit soll untersucht werden, inwieweit die von der Bundesregierung seit den 1960er Jahren betriebene Gastarbeiter-/Ausländerpolitik den Ansprüchen und Bedürfnissen eines Einwanderungslandes und der in ihm lebenden ausländischen Bevölkerung gerecht wurde und wird. Vor allem soll betrachtet werden, ob die Ausländergesetzgebung eine erfolgreiche Integration der ausländischen Bevölkerung ermöglichte oder ob sie eine solche nicht eher hemmte, schon allein weil die diesbezügliche Politik von vornherein von der permanenten Leugnung des unumkehrbar stattgefundenen Einwanderungsprozesses nach Deutschland überschattet wurde (denn ohne Einwanderung wäre ja auch keine Integration von Nöten).

Um dieser Fragestellung nachzugehen soll zuerst der in dieser Arbeit verwendete Integrationsbegriff definiert und mit anderen in diesem Zusammenhang ebenfalls verwendeten Begriffen der Assimilation und multikulturellen Gesellschaft verglichen werden. Inwieweit beschreiben diese Begriffe gleiche oder unterschiedliche Sachverhalte? Weiterhin geklärt werden muss, warum die Integration der ausländischer Bevölkerung in die Aufnahmegesellschaft eigentlich so wichtig ist. Nicht zuletzt sollen auch die Leistungen betrachtet werden, die für eine erfolgreiche Integration der ausländischen Bevölkerung sowohl von dieser als auch vom Aufnahmeland erbracht werden müssen. Dies soll später helfen, die Ausländergesetzgebung und Ausländerpolitik auf ihre Integrationsfähigkeit zu überprüfen und zu entscheiden, ob in Deutschland die Grundlagen für eine erfolgreiche Integration nichtdeutscher Bevölkerung bestehen.

Nach den Überlegungen zum Begriff der Integration soll sich dann dem Begriff des Einwanderungslandes zugewandt werden. Die Tatsache Deutschland, ein Einwanderungsland soll anhand der Geschichte der Immigration nach 1945 in die BRD (die Immigration in die ehemalige DDR soll hier außer Acht gelassen werden) und der in den verschiedenen Phasen der Einwanderung betriebenen Gastarbeiter-/Ausländerpolitik (und des Scheiterns der oftmaligen Bemühungen und Maßnahmen zur Umkehrung des Einwanderungsprozesses) aufgezeigt werden.

Abschließend müssen die Defizite der bundesdeutschen Ausländerpolitik in Bezug auf einen integrationsförderlichen Umgang mit der hier lebenden nichtdeutschen Bevölkerung aufgezeigt, jedoch im gleichen Zug Lösungsansätze und eventuelle Verbesserungen in den letzten Jahren betrachtet werden. Hat sich, vor allem mit dem Regierungswechsel 1998 im Zuge dessen auch ein Wandel in der Ausländerpolitik angekündigt wurde, bis heute eine positive Tendenz abzeichnen können? Und wo besteht in der Zukunft noch Handlungsbedarf zur Verbesserung der Integration und der Lage der nichtdeutschen Bevölkerung in Deutschland? Eine Bearbeitung und Versuch der Beantwortung dieser Fragen soll nun in dieser Hausarbeit folgen.

II. Integration und ihre Vorraussetzungen

Zum hier verwendeten Integrationsbegriff bedarf es Klärung, denn in der Soziologie wird der Begriff in vielfältiger Weise benutzt. So können zum Beispiel Menschen, Gesellschaften, Systeme, unter anderem sozial, strukturell oder funktional integriert sein.

Somit soll in diesem Kapitel zuallererst betrachtet werden, was der Begriff Integration im Kontext der Migrationsforschung und dieser Arbeit bedeutet und was eine erfolgreiche Integration auszeichnen sollte. Dabei spielen Begriffe wie politische, soziale und kulturelle Integration, aber auch Assimilation und Multikulturalität eine Rolle. Letztere spiegeln in Debatten um Einwanderung und Integration verschieden Erwartungen und Standpunkte gegenüber den künftigen Rollen, Positionen, Rechten und Pflichten der eingewanderten Personen im Aufnahmeland (aber auch ihrer dort geborenen Kinder) wider. Der Integrationsbegriff, wie er im Rahmen von Migration und Einwanderung benutzt wird, hat viele Facetten und oft werden mit dem gleichen Begriff völlig verschiedene Anforderungen und Erwartungen verbunden und gestellt. Teilweise wird jedoch dabei auf Seiten der aufnehmenden Gesellschaft vergessen, dass auch sie ihren Beitrag zu einer erfolgreichen Integration leisten muss, und es wird oft zu wenig gewürdigt, dass die Bewältigung der an die Einwanderer gestellten Anforderungen zur Integration in die Aufnahmegesellschaft teils große psychische Anstrengungen von ihnen verlangt.

1. Integration, Assimilation und Multikulturelle Gesellschaft

Es ist schwierig eine einheitliche Definition für den Begriff Integration im Rahmen der Migrationsforschung und Einwanderungsdebatten zu finden. Vor allem in den politischen Diskussionen wird er noch sehr vielseitig verwendet. Anscheinend wird mit ihm jedoch immer ein Prozess der Eingliederung der Einwanderer in die aufnehmende Gesellschaft beschrieben, welcher ein möglichst konfliktfreies Zusammenleben in der Gesellschaft ermöglichen soll. Ob und bis zu welchem Grad diese Eingliederung jedoch rechtlich, ökonomisch, sozial und/oder kulturell erfolgen soll, ob der Prozess selbst als Integration zu bezeichnen ist, Integration das Ergebnis dieses Prozesses ist oder es nur eine Integration „auf Zeit“ sein soll und in wieweit und in welchen Bereichen Gleichstellung damit verbunden ist, wird unterschiedlich begriffen. Hier unterscheiden sich die Auffassungen zu Inhalt, Vorraussetzungen und Ablauf von Integration.

Zumeist beinhaltet der vor allem im Bereich der Politik verwendete Begriff Aspekte eines anderen Begriffes zur Eingliederung, dem der Assimilation: „Zunächst wurde die „soziale Integration“ der Ausländer intentionell (also nicht verbal durch offizielle Erklärungen der staatlichen Instanzen) als ihre weitgehende Anpassung an den wie auch immer ausgewiesenen Verhaltensstandard der deutschen Bevölkerung, also faktisch ihre Assimilation, verstanden.“ (Ibrahim 1997: 119) „Die „Integrationspolitik“ (…) der Bundesrepublik (…) begreift Integration weitgehend als einseitige Anpassung der Zuwanderer an die gesellschaftlichen Verhältnisse, an die Lebensformen und die Kultur des Aufnahmelandes“ (Schoger 1994: 93) Aber auch in der sich mit Migration und Integration befassenden Forschung scheint Assimilation das Grundverständnis von Integration zu prägen: „Die Integrationsforschung sieht den Integrationsprozess traditionell als Assimilationsprozess des Migranten an. Zwar wird in dieser Forschungsrichtung nicht mehr von einer vollständigen Assimilation ausgegangen, dennoch werden Faktoren untersucht, die den Anpassungsprozess von Migranten beeinflussen.“ (Seifert 2000: 59) Assimilation ist also ein Anpassungsprozess und wird meist besonders auf die kulturelle Anpassung bezogen. Von den Zugewanderten und ihren Nachkommen wird erwartet, dass sie nicht nur die Sprache und rechtliche Regelungen, sondern auch kulturelle Werte und Normen erlernen und verinnerlichen, also sozusagen in der Aufnahmegesellschaft aufgehen bzw. von ihr assimiliert werden.

Der Begriff und damit verbundene Konzepte sind somit jedoch sehr einseitig und es ist fraglich, ob sie eine erfolgreiche Integration in einem modernen Einwanderungsland wie der BRD ermöglichen können. Denn nur von den Zugewanderten wird erwartet sich anzugleichen und einzuordnen. Beiträge der Aufnahmegesellschaft und ein gegenseitiges Aufeinanderzugehen, Aspekte der Toleranz verschiedener Kulturen und des gegenseitigen Lernens kommen hier meist zu kurz. Zudem bleibt auch die Frage „…an welcher der zahlreichen Subkulturen […] man sich als Einwanderer ausrichten…“ soll (Elwert 2001: 257). Zygmunt Bauman spricht von Assimilation als das Entgehen der durch den Staat stigmatisierten, fremden (also der den Einwanderern eigenen) Lebensart, durch die Akzeptanz der nicht stigmatisierten Lebensart (also der der Aufnahmegesellschaft). Diese Stigmatisierung solle der Sicherung der sozialen Hierarchie und dem Machterhalt des Staates dienen und „unterstellte die Überlegenheit einer Lebensform und die Unterlegenheit einer anderen […] Sie [die Regierung; Anm. d. Verfassers] verstärkte effektiv die Ungleichheit, indem sie die Diskriminierung der unteren Ebene der Machstruktur an deren eigene Schwächen und Unzulänglichkeiten, eben deren ‚Andersartigkeit’, band.“ (Bauman 1990: 23)

Die Defizite und negativen Empfindungen, welche mit dem Konzept der Assimilation verbunden waren, wurden in den 1980er Jahre erkannt und das neue Konzept der multikulturellen Gesellschaft kam in öffentlichen Diskussionen in der BRD auf (vgl. Ibrahim 1997: 122). Der Inhalt dieses Konzeptes wurde von Geißler wie folgt zusammengefasst: „… die Bereitschaft, mit Menschen aus anderen Ländern und Kulturen zusammenzuleben, ihre Eigenarten zu respektieren, ohne sie germanisieren oder assimilieren zu wollen. Das heißt auf der einen Seite, ihnen, wenn sie wollen, ihre kulturelle Identität zu lassen, aber gleichzeitig von ihnen zu verlangen, dass sie die universellen Menschenrechte und die Grundwerte der Republik, z.B. die Gleichberechtigung der Frau und die Glaubens- und Gewissensfreiheit, achten und zweitens die deutsche Sprache beherrschen oder beherrschen lernen.“ (Zit. nach Ibrahim 1997: 125). Lobenswert am Konzept der Multikulturellen Gesellschaft ist, dass es die gegenseitig notwendigen Beiträge zur Integration hervorhebt und nicht mehr eine Assimilierung der Zugewanderten in die Aufnahmegesellschaft fordert. Den Zuwanderern und ihrer kulturellen Identität wird somit auch auf schätzender Weise begegnet.

Kritisiert an diesem Modell wird jedoch die Überhöhung des Kulturellen und der kulturellen Differenzen zwischen den „ethnischen“ Gruppen untereinander und der Aufnahmegesellschaft. Dies kann laut Ibrahim dazu führen, dass zwischen den Gruppen Konfliktpotentiale konstruiert bzw. hochstilisiert und die einzelnen Gruppen zu undifferenziert in Bezug auf unterschiedliche, sozialstrukturelle Lagen und Interessen ihrer Mitglieder betrachtet werden könnten, sie sozusagen „in einen Topf geworfen werden“ (vgl. Ibrahim 1997: 127). Weitere Vorwürfe sind, dass der Multikulturalismus: „

- die Analyse der Migration durch moralisches Engagement und sozialromantischen Folklorismus ersetze, u. a. zur Pflege der Psychohygiene der Befürworter
- die Ungleichheit zwischen Eingewanderten und Mehrheitsgesellschaft verdecke, zementiere und das reale Machtgefälle zwischen Mehrheit und Minderheit idyllisiere;
- die Ethnisierung sozialer Kontakte fördere, fundamentalistische Rückzüge rechtfertige und zusätzliche Stigmatisierung auslöse;
- bestenfalls- wie das „Amt für multikulturelle Angelegenheiten“ – herkömmliche Integrationspolitik unter anderem Etikett betreibe.“ (Krummacher 1998: 326f)

So sollte nun der Integrationsbegriff weder von einer Forderung nach vollkommener Assimilation bestimmt sein, noch sollte er auf einer Überhöhung kultureller Unterschiede als Hauptmerkmal der Unterscheidung von Einwanderungsgruppen fußen, und somit zum Beispiel ökonomische und soziale Unterschiede ausblenden. Vielmehr sollte Integration eine Gleichstellung der nichtdeutschen Bevölkerung im sozialen, ökonomischen und rechtlichen, sowie eventuell auch dem politischen Bereich sein. Hierbei sollte die kulturelle Identität des Einwanderers von der Aufnahmegesellschaft geachtet, er jedoch nicht auf diese reduziert werden. Im Gegenzug wird vom Einwanderer „…die Anerkennung der gleichen konfliktregelnden Institutionen“ (Elwert 2001: 257) erwartet. Gegenseitige Integration kann somit möglich sein, „… wenn ein gemeinsamer Kommunikations- und Lernprozess zwischen Ausländern und Deutschen unter den Bedingungen der Gleichberechtigung, gegenseitiger Achtung und Toleranz stattfinde.“ (Ibrahim 1997: 127)

2. Leistungen zur Integration

2.1 Leistungen des Einwanderers

Die enormen Leistungen die der Einwanderer in der ihm neuen Gesellschaft erbringen muss, werden oft verkannt. Er muss meist nicht nur eine neue Sprache erlernen (was schon einen erheblichen Aufwand an Zeit und Kosten darstellt) um überhaupt in der neuen Gesellschaft soziale und ökonomische Beziehungen aufbauen zu können, sondern er muss sich zugleich in einer Kultur zurechtfinden, deren Wertvorstellungen und soziale Normen, Sitten und Gebräuche ihm oft fremd sind. Um in deren Alltag handlungsfähig zu sein, bedarf es nach Alfred Schütz der Kenntnis des Alltagswissens (vgl. Siebel 1997: 35). Dieses ist ein „… System vorbewusster Interpretationsmuster, verinnerlichter Normen und habitualisierter Verhaltensschemata, die im Verlauf von Geschichte entwickelt und im individuellen Sozialisationsprozess angeeignet werden.“ (Siebel 1997: 35) Der Einwanderer verfügt jedoch über ein anderes Alltagswissen, als das der Aufnahmegesellschaft, nämlich dem seiner eigenen Kultur. Es wurde ihm, wie den Mitgliedern der Aufnahmegesellschaft ihr eigenes, seit der Geburt vermittelt. So ist es ähnlich dem Erlernen einer fremden Sprache, sich das Alltagswissen einer fremden Kultur anzueignen und der Einwanderer muss meist ein Leben lang „… über den Kopf reproduzieren, was andere mit der Muttermilch eingesogen haben.“ (Siebel 1997: 35).

[...]

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Integrationshemmende Ausländerpolitik?
Hochschule
Technische Universität Berlin  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Sozialstruktur und Spezialsoziologien
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
23
Katalognummer
V24826
ISBN (eBook)
9783638276030
Dateigröße
497 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In dieser Arbeit wird untersucht, inwieweit die von der Bundesregierung seit den 1960er Jahren betriebene Gastarbeiter-/Ausländerpolitik den Ansprüchen und Bedürfnissen eines Einwanderungslandes und der in ihm lebenden ausländischen Bevölkerung gerecht wurde und wird. Vor allem soll betrachtet werden, ob die Ausländergesetzgebung eine erfolgreiche Integration der ausländischen Bevölkerung ermöglichten konnte.
Schlagworte
Integrationshemmende, Ausländerpolitik, Sozialstruktur, Spezialsoziologien
Arbeit zitieren
Daniela Bode (Autor:in), 2003, Integrationshemmende Ausländerpolitik?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24826

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