Das Prinzip Gerda - Gerda Buddenbrook als 'bedeutungsvolle Leerstelle' und 'transitorische Figur' in Thomas Manns "Buddenbrooks"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

31 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Die Figur der Gerda Buddenbrook
1.1 Phänomenologie ohne Tiefendimension
1.1.1 Erscheinen
1.1.2 Schweigen
1.1.3 Reden
1.1.4 Musizieren
1.2 Projektionsfläche Gerda
1.2.1 Here
1.2.2 Aphrodite
1.2.3 Brünnhilde
1.2.4 Melusine
1.3 Fazit

2. Das Prinzip »Gerda«
2.1 Restriktives Erzählen
2.2 Enigmatische Wirkung?
2.3 Das Andere und das Fremde

3. Schluss

Literaturverzeichnis

1. Die Figur der Gerda Buddenbrook

Ist Gerda Buddenbrook eine gescheiterte Figur?

Wer die »Buddenbrooks«[1] zum ersten Mal liest, kann die Erfahrung machen, dass unter allen Figuren, die diesen Roman bevölkern, die Figur der Gerda Buddenbrook die am wenigsten greifbare ist. Sie changiert zwischen femme fatale und Fee. Imaginationsversuche scheitern zwischen der obsessiven und todesnahen Erotik eines Gustav Klimt (†1918) und der späten Romantik schwerblütiger Frauengestalten der Weltliteratur eines John William Waterhouse (†1917). Gerda Buddenbrook bleibt ungreifbar, schwebend, allem Geschehen im Roman bis auf wenige Momente wie schlafwandlerisch entzogen. Sie erscheint geheimnisvoll, verführerisch, anziehend und gleichzeitig distanziert, beherrscht, ja sogar abweisend.

Liest man die »Buddenbrooks« ein zweites Mal, dann verschärft sich der Eindruck noch, die Figur der Gerda sei ungreifbar. Nicht nur, dass sie weit weniger komplex gestaltet ist, als andere Figuren des Romans, sie fällt auch aus dem Familiensystem der Buddenbrooks heraus. Keine andere Frauengestalt ist so weit von den innerfamiliären Konflikten entfernt wie sie. Es hat den Anschein, als illustriere die Wahl des Thomas, Gerda zur Ehefrau zu nehmen, nur, welche Veränderungen sich insgesamt für den Familienbetrieb ergeben werden.

Gesetzt, diese Beobachtungen sind richtig – welche Rolle spielt Gerda dann im Roman? Spielt sie – außer der der physischen Mutterschaft – überhaupt eine Rolle? Als Erzieherin tritt sie kaum in Erscheinung. Die Rolle der Künstlerin? Mehr noch als das fascinosum ihrer Musik steht das tremendum, das es bei ihrem Gatten auslöst, im Mittelpunkt des Interesses. Wie auch immer man die Frage wendet, welche Rolle Gerda im Roman spielt, man gerät wieder und wieder an Thomas. Und selbst er weiß mitunter nicht, was er von Gerda halten soll.[2]

Die Erzählung gibt einige Hinweise, wie man Gerda vielleicht verstehen kann. Und es wird sich zeigen, dass an diesen Hinweisen das »vielleicht« entscheidender ist als das Verstehen. Denn diejenigen Hinweise, die gegeben werden, bleiben vage und wenig treffsicher. Sie setzen den Leser auf eine Spur, die kein rechtes Ziel hat. Und eben dies macht möglicherweise eine entscheidende Aussage über Gerda. Aber damit verändert sich die Fragestellung. Nicht mehr: welche Rolle spielt Gerda im Roman, sondern: welche Rolle spielt sie für den Roman? Beiden Fragen geht diese Arbeit nach.

1.1 Phänomenologie ohne Tiefendimension

In der Beschreibung Gerdas, ihrer Gestalt, ihres Verhaltens und Benehmens, fällt auf, dass sie diejenige Frauenfigur in den »Buddenbrooks« ist, die nicht mit Ironie oder Sarkasmus geschildert wird. Körperästhetische Mängel oder psychomotorische Eigenheiten dienen ansonsten im Roman dazu, die Figuren nicht nur darstellend zu entwickeln, sondern sie auch schon zu bewerten. Ein Beispiel:

„Hermann Hagenström … war eine großstädtische Figur, ein imposanter Börsentypus. Er war so außerordentlich fett, dass nicht nur sein Kinn, sondern sein ganzes Untergesicht doppelt war, was der kurzgehaltene, blonde Vollbart nicht verhüllte, ja, daß die geschorene Haut seiner Schädeldecke bei gewissen Bewegungen der Stirn und der Augenbrauen dicke Falten warf. Seine Nase lag platter als jemals auf der Oberlippe und atmete mühsam in den Schnurrbart hinein; dann und wann aber musste der Mund ihr zur Hilfe kommen, indem er sich zu einem ergiebigen Atemzuge öffnete. Und das war noch immer mit einem gelinde schmatzenden Geräusch verbunden, hervorgerufen durch ein allmähliches Loslösen der Zunge vom Oberkiefer und vom Schlunde.“[3]

„Dann … rückte er [Hagenström] seinen Sessel näher zu Frau Permaneders Sofasitz heran und beugte sich zu ihr, so dass nun das schwere Pusten seiner Nase dicht unter der ihren ertönte. Zu höflich, sich abzuwenden und sich seinem Atem zu entziehen, saß sie steif und möglichst hoch aufgerichtet und blickte mit gesenkten Lidern auf ihn nieder. Aber er bemerkte durchaus nicht das Gezwungene und Unangenehme ihrer Lage.“[4]

Dem Ethos der im Hause Buddenbrook gepflegten Bürgerlichkeit, über die Tony so streng wacht, entspricht das nicht. Aber die Diskrepanz, die der Erzähler zwischen den beiden Figuren schon dadurch verdeutlicht, dass sie sich in ihren körperlichen Reaktionen aufeinander unterscheiden (vertrauliche Nähe hier – distanzwahrende Steifheit da), dient nicht nur dazu, die Protagonisten der Szene darzustellen, sondern sie schon durch ihr physisches Verhalten im bürgerlichen Raum zu bewerten. Hagenström kann seiner massigen Körperlichkeit nicht in dem Maße Zurückhaltung auferlegen, das Tony recht wäre. Und so erscheint Hagenström im bürgerlichen Interieur als jemand, der sich nicht zu benehmen weiß, Tony dagegen als eine Frau, die sich den Normen der gesellschaftlichen Gesprächskonvention auch dann nicht entzieht, wenn ihr Empfinden dagegen steht. In der Schilderung erscheint die Wertung: Hagenström reflektiert seine Wirkung im sozialen Raum nicht, Tony ist unfähig, anders auf die empfundene Bedrängnis zu reagieren als ihr die von ihr so streng beachtete Etikette vorschreibt, die sie sich selbst auferlegt. „In der Regel verrät der Körper den Geist.“[5]

Thomas Mann schildert Figuren und Situationen häufig im Modus mehrer, einander überlagernder „Grundmuster“[6]: Das im Gespräch Gesagte wird kommentiert oder konterkariert durch die körperlichen Verhaltensweisen, die das Gespräch untermalen. So werden Absichten, die wahre Natur einer Situation oder auch die wahre Absicht hinter einer vorgeschobenen deutlich. Das Mittel für dieses Verfahren ist die Ironie, das betonte Hervorheben einer im Gesamtkontext vielleicht marginalen Absonderlichkeit eines Ticks oder einer Schwäche, die den Träger dieser Schwäche entlarvt und ihn als den zeigt, der er in Wahrheit ist. „Tomas Manns Entlarvungspsychologie besteht in einer ironischen Demaskierung der Verhaltenslehre“[7], die die Protagonisten zu befolgen meinen. Hinter den sozialen Phänomenen erscheint eine Tiefendimension, die den Figuren im Roman nicht bewusst wird, wohl aber dem Leser.

Eine Ausnahme scheint der Roman nur für Gerda Buddenbrook zu machen. Sie wird nicht demaskiert. Und die wenigen Schilderungen von Situationen, in denen Gerda ihre Façon zu verlieren droht (davon später), besitzen nicht jene ironische Schärfe, die ansonsten an alle anderen Figuren angelegt wird. In der Konzeption ihrer Figur, ihres Charakters spielen andere Zusammenhänge als die einer Entlarvungspsychologie eine Rolle.

1.1.1 Erscheinen

Gerda wird im Roman eher beiläufig und als Nebenfigur eingeführt. Die fünfzehnjährige Tony wird zur weiteren Erziehung in die Pension von Therese (Sesemi) Weichbrodt gegeben und schließt dort neben anderen Mädchen ihres Alters auch Bekanntschaft mit Gerda Arnoldsen,

„… die in Amsterdam zu Hause war, einer eleganten und fremdartigen Erscheinung mit schwerem, dunkelrotem Haar, nahe beieinanderliegenden braunen Augen und einem weißen, schönen, ein wenig hochmütigen Gesicht. […]

Gerda war ein wenig apart und hatte etwas Fremdes und Ausländisches an sich; sie liebte es, ihr prachtvolles rotes Haar trotz Sesemi’s Einspruch etwas auffallend zu frisieren, und viele fanden es ›albern‹, daß sie die Geige spiele – … Darin jedoch musste man mit Tony übereinstimmen, daß Gerda Arnoldsen ein vornehmes Mädchen war. Ihre für ihr Alter vollentwickelte Erscheinung, ihre Gewohnheiten, die Dinge, die sie besaß, alles war vornehm…“[8]

Schon diese erste Schilderung der Erscheinung Gerdas zeigt eine Kongruenz von Charakter und sozialer Wahrheit, die keiner anderen Figur im Roman zugestanden wird. Zwar ist ihr Gesicht ein „wenig hochmütig“, aber zuerst einmal ist es eben „weiß“ und „schön“. Sie frisiert ihr „prachtvolles“ Haar „auffallend“, aber eben doch nicht so, dass Fräulein Weichbrodt auf der Durchsetzung ihres Einspruches bestünde. Darüber hinaus ergreift der Erzähler Partei für Gerda, wenn er feststellt, dass „man“ Tony darin zustimmen müsse, „daß Gerda ein vornehmes Mädchen“ sei, ja dass sogar alles, was sie besitzt „vornehm“ ist. Das Urteil der ‚vielen‘, es sei „›albern‹, daß sie die Geige spiele“, macht sich der Erzähler nicht zu eigen.

Diese kongruente Darstellung der Gerda setzt sich fort. Nachdem Thomas Buddenbrook seiner Mutter in einem Brief mitgeteilt hat, sich mit Gerda verloben zu wollen, führt er sie (und ihren Vater) nach den Sommerferien im elterlichen Haus in der Mengstraße in die Familie und die Gesellschaft ein.

„Es war eine sehr schöne Szene, als der Konsul zum ersten Male seine Braut ins Landschaftszimmer und zu seiner Mutter führte, die ihr mit ausgebreiteten Armen, den Kopf zur Seite geneigt, entgegenkam. Gerda, die mit freier und stolzer Anmut auf dem hellen Teppich dahinschritt, war hoch und üppig gewachsen. Mit ihrem schweren dunkelroten Haar, ihren nahe beieinanderliegenden Augen, ihren breiten, schimmernden Zähnen, die sie lächelnd zeigte, ihrer geraden, starken Nase und ihrem wundervoll edel geformten Munde war dieses siebenundzwanzigjährige Mädchen von einer eleganten, fremdartigen, fesselnden und rätselhaften Schönheit. Ihr Gesicht war mattweiß und ein wenig hochmütig; aber sie neigte es dennoch, als die Konsulin ihr Haupt mit sanfter Innigkeit zwischen beide Hände nahm und ihr die schneeige, makellose Stirne küsste …“[9]

Niemand sonst wird im Roman mit solchen Attributen in solcher Massierung bedacht: „frei“, „stolz“, „hoch“, „üppig“, „wundervoll edel“, „schneeig“ und „makellos“ erscheint Gerda. Keines dieser Attribute wird ironisiert. Einzig in der Tatsache, dass Gerda ihr Gesicht „dennoch“ neigt, blitzt die Möglichkeit auf, dass sie vielleicht auch Gründe haben könnte, es zu lassen. Aber insgesamt war es „eine sehr schöne Szene“, und niemals, „höchstens vielleicht zu Großvaters Zeiten, war es heiterer und geselliger zugegangen“[10]. Thomas’ Mutter reagiert herzlich auf Gerda und sieht in ihr das kommende Glück ihres Sohnes. Tony demütigt sich geradezu vor Gerda, wenn sie ihr ihre Liebe gesteht. Dies ist gleichzeitig die einzige Irritation in der Szene, da mit diesem Geständnis gleichzeitig die übertriebene Befürchtung einhergeht, Gerda habe sie, Tony, „immer gehaßt“[11] – ein Reflex ihres sozialen Minderwertigkeitsgefühls, das aus der gescheiterten Ehe mit Bendix Grünlich resultiert (sogleich erzählt Tony „in fürchterlicher Ausführlichkeit“[12] davon). Nicht zuletzt wegen dieser Selbsterniedrigung Tonys erscheint Gerda als „hohe“ Person, aber auch wegen ihrer souveränen Erwiderung, die diese Demütigung nicht akzeptiert.

Mit Gerda tritt also in die Familie Buddenbrook und in die Lübecker Patriziatsgesellschaft eine Frau ein, die anders ist. Worin genau diese Andersheit besteht, muss sich erst noch zeigen. Bisher (V, 8) liegt im Roman nur der Brief Thomas’[13] an seine Mutter dazu vor. Der Erzähler beschränkt sich zur Darstellung dieser Andersheit vor allem auf die Darstellung ihrer physischen und habituellen Erscheinung und die Reaktionen, die diese im sozialen Raum „Mengstraße“ auslösen.

Zwei Punkte fallen dabei besonders auf. Erstens zeigt sich in den Attributen der Schilderung Gerdas kaum ein Unterschied zwischen der fünfzehnjährigen Pensionatsbewohnerin und der siebenundzwanzigjährigen Frau. Ihre Gestalt ist beide Male „üppig“ – über das Mädchen heißt es sogar, sie habe eine „für ihr Alter voll entwickelte Erscheinung“ – das Haar ist „schwer“, das Gesicht „weiß/mattweiß“ und „ein wenig hochmütig“. Gerda scheint sich kaum verändert zu haben, schon physisch erlebt sie kaum eine weitergehende Reifung. Es ist, als wäre sie von Anfang an das, was sie am Ende immer noch sein wird: eine alterslos schöne Frau, die Bewunderung und Verwunderung gleichermaßen erregt.[14] Dem entspricht, dass eine Variation der Gerda kennzeichnenden Leitmotive fehlt.[15] Wörtliche Wiederholungen zu ihren Augen, Zähnen, Haaren durchziehen den gesamten Romantext und lassen Gerda geradezu statisch erscheinen.

Zweitens offenbart sich aufgrund der fehlenden Ironisierung im Modus der Entlarvungspsychologie keine Dimension ›hinter‹ der Figur und Person Gerda. Sie ist das, was erscheint: die ›schöne Frau‹. Sie bleibt im ganzen Oberfläche, eine schöne Oberfläche zwar, aber eben nur eine solche. Zu selten sind die Gelegenheiten, unter diese Oberfläche zu sehen, und auch dann bleibt stets die Frage, was sich eigentlich zeigt.[16] Eine „Konfrontation der Figurvorstellungen mit der Wirklichkeit“[17], die zur komischen und wahrheitserhellenden Diskrepanz führt, findet bei Gerda nicht statt.

1.1.2 Schweigen

Der Roman »Buddenbrooks« und seine Handlung ist zu einem großen Teil getragen durch den Duktus innerfamiliärer Gespräche. Bewusstseinsprozesse und szenisch-personales Erzählen tragen ihn ebenfalls, aber solche werden für Gerda nicht geschildert. Darum interessiert hier vor allem ihre Rolle im familiären Gespräch. Der Begriff »Rolle« meint dabei den Anteil, den Gerdas Gesprächsbeiträge am Fortgang der Handlung haben.

Der Befund ist freilich ernüchternd. An allen Gesprächen, die als Handlung der Beteiligten wichtige Wendepunkte der Romanerzählung tragen, ist Gerda entweder gar nicht oder nur am Rande beteiligt. Einige Belege:

Zwecks näherer Bekanntschaft mit Herrn Permaneder, Tonys zukünftigem zweiten Ehemann, beschließt die Familie einen sonntäglichen Ausflug, an dem Thomas und Gerda teilnehmen. Auch wenn Gerda „die Erhitzung, das Dérangement“[18] solcher Unternehmungen verabscheut, sie kann sich dieser familiären Verpflichtung nicht entziehen. Aber im Gespräch spielt sie keine Rolle. Erst als man zum Wirtshaus zurückkehrt, von wo ein Spaziergang seinen Ausgang genommen hatte, bessert sich ihre Verfassung und Stimmung und nun „war sie es, die es in liebenswürdigen Wendungen bedauerte, daß Herrn Permaneders Abreise so nahe bevorstehe: jetzt, wo man einander ein wenig kennengelernt“[19]. Am Vorgang des Kennenlernens war Gerda aber gar nicht beteiligt. Sie war nur die Begleitung der Ausflügler. Die Mitteilung des Erzählers über ihre „liebenswürdigen Wendungen“ sagt hier wohl, dass sie das Maß höflicher Konventionalität nicht überschritten haben werden.

Ein anderer Beleg: Die Taufe des kleinen Hanno vier Wochen nach seiner Geburt. Der Stammhalter ist erwartet worden und wird von allen Familienmitgliedern dementsprechend begrüßt. Pastor Tiburtius und Gattin reisen sogar aus Riga an, um an dem Fest teilnehmen zu können. Die Geburt war schwer, die Mutter ist immer noch geschwächt, nimmt aber an der Tauffeier teil. Der Lagerarbeiter Grobleben macht seine Aufwartung, Ida Jungmann wird bereits als künftiges Kindermädchen ausersehen. Und Gerda schweigt zu allem! Kein Wort der Mutter – nur ein Blick „mit einer gewissen verschleierten Mokerie“[20], der auf Pastor Pringsheim ruht, und die dürre Mitteilung, auch „Gerda ist zufrieden mit dem Plan“[21], Mamsell Jungmann zur Kindererziehung zu bestellen.

Und ein weiterer: Nach dem Tod der Konsulin kommt es zwischen den Brüdern Thomas und Christian zu einer heftigen und dramatischen Aussprache, in deren Verlauf beide an die Adresse des jeweils anderen heftige Vorwürfe richten, und an deren Ende der Entschluss zum Verkauf des Hauses in der Mengstraße steht. Tony und Gerda sind bei diesem Gespräch anwesend. Tony ist direkt am Gespräch beteiligt. Und Gerda? „Gerda blickte mit ziemlich spöttischer Miene von einem zum anderen…“[22] Die Auseinandersetzung eskaliert, als Christian seine Ehepläne mit Aline Puvogel darlegt. Tony erträgt die offene Konfliktsituation nicht und zieht sich weinend in eine Zimmerecke zurück. Die Brüder sind beide laut und heftig geworden. Und Gerda? „Gerda hatte das Haupt leicht in die Hand gestützt und beobachtete die beiden mit verschleierten Augen und einem nicht bestimmbaren Gesichtsausdruck.“[23] Das ist alles. Kein Wort ihrerseits.

[...]


[1] Thomas Mann, Buddenbrooks. Verfall einer Familie. Gesammelte Werke in dreizehn Bänden, Band 1: Frankfurt am Main: Fischer, 1990. Zit. als: Buddenbrooks, Teil, Kapitel; GW I, Seite.

[2] „Er verstand sie, er verstand, was sie sagte. Aber vermochte ihr mit dem Gefühl nicht zu folgen und nicht zu begreifen, … Er stand vor einem Tempel, von dessen Schwelle Gerda ihn mit unnachsichtiger Gebärde verwies …“Buddenbrooks VIII, 7; GW I, 509 f.

[3] Buddenbrooks IX, 4; GW I, 601.

[4] Ebd., 604.

[5] Kurzke (1997), 66.

[6] Ebd.

[7] Kurzke (1997), 66. Die Seiten 66-68 behandeln diese These mit einer Vielzahl von Beispielen.

[8] Buddenbrooks II, 7; GW I, 88 f.

[9] Buddenbrooks V, 8; GW I, 292.

[10] Ebd.

[11] Ebd., 293.

[12] Ebd., 294.

[13] Ebd., V, 7, 287-290.

[14] Eine Ausnahme von der Regel bildet Leutnant René Maria von Throta, der mit Gerda gemeinsam musiziert und über dessen Verhältnis zur Gattin des Senators erhebliche Unsicherheit bei diesem besteht. Vgl. Buddenbrooks X, 5; GW I, 644-650.

[15] Für die »Buddenbrooks« beschreibt Jochen Vogt das entgegengesetzte Verfahren: Leitmotivik bei Thomas Mann funktioniert nach dem Verfahren der „variierende[n] Wiederholung von sprachlichen, thematischen und situativen Elementen“, so dass sich „in der Abfolge dieser Elemente die Nicht-Identität dessen erweist, was zunächst unter dem Anspruch und dem Anschein des Identischen steht“. Vogt (1995), 119.

[16] Siehe dazu 1.1.3.

[17] Vogt (1995), 121. Vogt zitiert hier seinerseits Jürgen Petersen, Die Rolle des Erzählers und die epische Ironie im Frühwerk Thomas Manns. Köln 1967, 146.

[18] Buddenbrooks VI, 6; GW I, 344.

[19] Ebd., 350.

[20] Ebd., VII, 1, 397.

[21] Ebd., 402.

[22] Ebd., IX, 2, 576.

[23] Ebd., 581.

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Das Prinzip Gerda - Gerda Buddenbrook als 'bedeutungsvolle Leerstelle' und 'transitorische Figur' in Thomas Manns "Buddenbrooks"
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Neuere Deutsche Literatur)
Veranstaltung
HS: "Der Buddenbrookkomplex"
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
31
Katalognummer
V24760
ISBN (eBook)
9783638275552
Dateigröße
705 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Stichworte: Neuere deutsche Literatur, Literaturwissenschaft, 20. Jahrhundert, Bürgertum, Thomas Mann, Buddenbrooks, Gerda Buddenbrook, Thomas Buddenbrook, Hanno, Musik, Künstler, Here, Hera, Aphrodite, Brünnhilde, Melusine, Verfall, transitorisch, Schwelle, Rätsel. Dichter Text.
Schlagworte
Prinzip, Gerda, Buddenbrook, Leerstelle, Figur, Thomas, Manns, Buddenbrooks, Buddenbrookkomplex
Arbeit zitieren
Martin Andiel (Autor:in), 2002, Das Prinzip Gerda - Gerda Buddenbrook als 'bedeutungsvolle Leerstelle' und 'transitorische Figur' in Thomas Manns "Buddenbrooks", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24760

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