Herausforderungen des strategischen Terrorismus


Seminararbeit, 2003

14 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

2. Definitionen und Bearbeitungsrahmen: Terrorismus und Al Qaida

3. Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung des strategischen Terrorismus

4. Eine globale Strategie

5. Herausforderungen und Chancen für die Bundesrepublik

6. Folgerungen

Literaturverzeichnis

Anmerkungen

Einleitung

Seit den Anschlägen vom 11.09.2001 in den USA sind das Internet, Zeitschriften und der Buchmarkt mit Analysen, Stellungnahmen und Mutmaßungen zum Thema „Terrorismus“, seinen Ursachen, dem Vor- und Verlauf der Anschläge und zu deren Urhebern überschwemmt worden. Dabei ist der symbolträchtige Einsturz der New Yorker Twin Towers am 11.09.2001 der häufigste Bezugspunkt, selten werden gedanklich die Bombenattentate auf die US-Botschaft in Tansania, auf die USS Cole und auf Bali mit einbezogen.

Der unbestrittene Symbolcharakter dieser Anschläge[i] und die anschließenden Diskussionen machen deutlich, dass „9-11“ weithin sichtbarer Kristallisationspunkt der jahrelangen Entwicklung eines Konflikts und der Form seiner Austragung ist, und damit lediglich Initialzündung für die allgemeine, öffentliche Bewusstwerdung „im Westen“ für eine längst bestehende Bedrohung darstellt[ii], nicht aber den Auftakt zu einer völlig neuen Art von Sicherheitsrisiko. Allerdings hat ihre deutliche Präsenz ihre Wahrnehmung in den Bevölkerungen gewandelt – nicht zuletzt ausgelöst durch die auch für mit Sicherheitspolitik und Terrorismusforschung befassten Fachleute unerwartete Form und Ausmaße des Anschlags.

Da dank der Vielzahl von Texten beinahe jede denkmögliche These zu oder Facette von „9-11“ beleuchtet worden ist, geht es nunmehr um die Suche nach der bestmöglichen Antwort auf die Ereignisse, nicht mehr so sehr um die Analyse der Fakten. Im Folgenden wird deshalb versucht, Bereiche aufzuzeigen, in denen für die BRD Handlungsnotwendigkeit bestehen könnte. Dabei wird auch der Versuch einer Orientierung an den Prämissen und Konstellationen. Außerdem wird versucht, Handlungsoptionen zu nennen.

2. Definitionen und Bearbeitungsrahmen: Terrorismus und Al Qaida

Diese Arbeit ist beschränkt auf die Indikationen der Form des Terrorismus, wie er sich im Al Qaida-Netzwerk manifestiert. Angesichts der vielzähligen Definitionsversuche des Phänomens Terrorismus kann auch an hier nicht mit einer allgemeingültigen Definition aufgewartet werden; allerdings sollen für den Rahmen dieser Arbeit folgende Merkmale[iii] hervorgehoben werden:

- Der Terrorakt zielt darauf ab, den Gegner in seinem politischen Verhalten zu beeinflussen, z.B. dauerhafte Veränderung der (Außen-)Politik einer Regierung;[iv]
- Terroristen agieren in einem Handlungsdreieck bestehend aus ihnen selbst als Ausübende terroristischer Gewalt, den Opfern dieser Gewalt und der eigentlichen Zielgruppe (=Gegner), um deren psychologische Beeinflussung und entsprechend verändertes Verhalten es eigentlich geht[v];
- Wichtiger als die physischen Auswirkungen eines Attentats sind die psychologischen auf die Zielgruppe (Hervorrufen von Angst und Verunsicherung), weshalb es an eine breitere Öffentlichkeit gerichtet als es die unmittelbaren Opfer sind; die verübte Gewalt hat einen hohen symbolischen Stellenwert;
- Jeder Terrorakt provoziert ein entsprechendes Maß an Gegenemotionen auf der Gegnerseite; deshalb muss der verübte Akt entsprechend gezielt und in seinen Auswirkungen heftig (=,effektiv‘) sein, um diesen strategischen Nachteil auszugleichen;
- Nutzung der Medienberichterstattung als Sprachrohr [vi]
- Terrorismus ist eine Kommunikationsstrategie[vii].

Insofern letzteres Merkmal berührt ist, agiert Al Qaida in internationalem Kontext [viii] auf strategischer Ebene, weshalb ihre Form des Terrorismus sowohl als „internationaler“ als auch als „strategischer Terrorismus“ bezeichnet wird. [ix]

Das von Usama Bin Laden geschaffene Terrornetzwerk Al Qaida verfügt über einige Merkmale, die sie in Struktur und Reichweite von bisher bekannten Terrorgruppen unterscheidet. Vornehmliches Merkmal ist die Netzstruktur der Organisation, die die Koordination mehrerer Terrorgruppen ermöglicht. Die Schaffung unabhängig agierender, aber auf ein bestimmtes gemeinsames Ziel hin handelnder und darüber lose mit dem Kern verbundener Zellen weltweit bewirkt, dass die Organisation sowohl dezentriert als auch ohne stabilen Kern oder die Persönlichkeit ihres Gründers lebens- und handlungsfähig ist. Allerdings darf der Geldfluss nicht abreißen, bzw. müssen Aktionen finanzierbar sein. Die Geschäftsbeziehungen ihres Gründers und ihrer Mitglieder verquicken Al Qaida mit den internationalen Finanzmärkten. In der Folge vermischen sich legale Geschäfte, Terrorismus und organisierte Kriminalität – Bereiche, die von unterschiedlichen (inter-)nationalen Institutionen überwacht werden. Durch diese Struktur wird Al Qaida quasi autark, d.h. sie kann ihren Kampfapparat selbst finanzieren. Solange die Struktur der Organisation nicht erheblich geschwächt wird (Austrocknung der Finanzquellen, keine Nachwuchs, keine Schlupfwinkel für Mitglieder), kann sie unbegrenzt weiter existieren. Mitglieder des Netzwerkes unterhalten eigene Kontakte zu anderen Terrorgruppen in Nordafrika und Europa, oder sind in dort verorteten kleineren Netzwerken aktiv[x], was Al Qaidas Reichweite erhöht und die Ressourcen des Netzwerkes entlastet oder erweitert.[xi]

Als Mittel stehen Al Qaida alle bekannten konventionellen Methoden zur Verfügung[xii], überdies muss auch für die Zukunft mit der Umdeutung von Orten und Gegenständen und der Nutzung der zivilen Infrastruktur als Kampfmittel gerechnet werde. Daneben ist zu erwarten, dass alle Mittel, die sich die Terroristen verfügbar machen können, auch eingesetzt werden – zu denken ist hier an eine Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen, ballistische Raketen und Cyberterrorismus.[xiii]

Zum Kanon der mit Al Qaida verbundenen sicherheitspolitischen Unwägbarkeiten gehört abschließend ein geraffter Blick auf die vermuteten politischen Ziele Bin Ladens und seines Netzwerk zu werfen. Als solche werden angenommen[xiv]:

- Überwerfung als korrupt und dekadent empfundener politischer Regime in muslimischen Ländern, besonders in Saudi-Arabien;
- Beendigung der amerikanischen Militärpräsenz in islamischen Staaten, insbesondere in Saudi-Arabien;
- Zurückdrängen westlicher Werte und Verhaltensmuster in Gesellschaft und Wirtschaft;
- Kontrolle und Verwertung der Energiereserven und Rohstoffe im islamischen Raum durch Muslime;
- Bekämpfung Israels und die Herrschaft über Palästina;
- Die politische Umwandlung islamischer Staaten nach den Grundsätzen der ‚Scharia‘.

Bin Laden untermauert die Legitimität seiner Angriffe vornehmlich religiös, in Teilen aber auch ideologisch, ethno-politisch und „ordnungspolitisch“.[xv]

3. Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung des strategischen Terrorismus

Prekäre Sicherheitsrisiken für potentielle Opfer terroristischer Aktivitäten ergeben sich vor allem aus der religiösen Motivation der Anhänger Bin Ladens. Neben taktischen Vorteilen bei der Planung und Durchführung von Anschlägen schließt dieser legitimatorische Hintergrund eine Verhandlungslösung aus . In der Konsequenz ist die verbleibende Alternative eine Bekämpfung durch das Aufbrechen der Organisationsstrukturen Al Qaidas und das Zurückdrängen der Ursachen ihrer Militanz. Dieser Umstand und der Aktivitätsradius Al Qaidas verdeutlichen, dass auch im Rahmen der Terrorismusbekämpfung Sicherheit nicht mehr allein durch militärische Maßnahmen aufrechterhalten werden kann, sondern die Problemfelder gleichfalls den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich einbeziehen. Mögliche Maßnahmen umfassen militärisches Vorgehen präventiv oder als Reaktion auf terroristische Anschläge, verstärkte Überwachungs- und Geheimdiensttätigkeit, Abwehrtechnologie für ballistische Raketen; Schutz großer Bevölkerungszentren und strategisch wichtiger Einrichtungen eines Staates; auswärtige Kulturpolitik, Entwicklungshilfe, Wirtschaftsförderung für islamisch geprägter Staaten, Unterstützung gemäßigter islamischer Regierungen, Kriminalitätsbekämpfung, das Austrocknen der Finanzen Al Qaidas bzw. das Einfrieren der Finanzreserven, die Zerschlagung ihrer Geschäftsstrukturen durch Isolation der Geschäftspartner. Entsprechend der Erfahrungen muss bei der Analyse neuartiger Bedrohungspotentiale Fantasie bewiesen Denkzyklen zur Einleitung von Schutz- und Gegenmaßnahmen[xvi] verkürzt werden.

[...]


[i] Baudrillard, Jean: Der Geist der Terrorismus, Wien 2002. S. 31; Waldmann,Peter:Terrorismus als weltweites Phänomen: Eine Einführung, in: Frank, Hans/ Hirschmann, Kai (Hrsg.):S. 11-26,S.13.

[ii] Hirschmann, Terrorismus als internationale HerausforderungXXX, S.2; Nitsch, Holger: Terrorismus und internationale Politik am Ende des 20. Jahrhunderts, Inaugural-Dissertation, München 2002, S. 191 - 193; Tanter, Raymond: Rogue Regimes – Terrorism and Proliferation, New York, 1999, S. 263-268.

[iii] Hirschmann, Kai:Terrorismus in neuen Dimensionen–Hintergründe und Schlussfolgerungen,in: APuZ, B 51/ 2001,S. 7-15,S. 7; Hoffman, Bruce: Terrorismus - der unerklärte Krieg, Bonn 2002, S. 123.Aufzählung terroristischer Zielparameter in Hutter,Reinhard:„Cyber-Terror“: Risiken im Informationszeitalter, in: APuZ B 10–11,S.31-39,S.31; dieser Aufsatz liefert einen guten Einblick in das aus der Verbreitung von Informationstechnologien resultierende Bedrohungsspektrum des Cyberterrorismus.

[iv] Gambill, Gary C., The Balance Of Terror – Way By Other Means In The Contemporary Middle East, in: Journal of Palestine Studies, Vol. 28, No. 1 Autumn 1998, Issue 109, zitiert nach: http://www.bintjbeil.com/E/terror_gambill. html (15.9.2003).

[v] Gambill, Gary C., a.a.O.; Waldmann, a.a.O., S. 21.

[vi] Baudrillard, a.a.O., S.29-32, „Ohne Medien wäre der Terrorismus nichts.“; Hoffman, a.a.O., S. 189, 205-208, Münkler, Herfried: Die neuen Kriege, Bonn 2002 , S. 197.

[vii] Münkler, S. 177; Hirschmann, Kai, Terrorismus als Internationale Herausforderung, http://www.feuerwehr-hamburg.org/kongress/vortraege/Vortrag%20Hirschmann.pdf (03.07.2003); Hoffman, a.a.O., S. 173; Waldmann,a.a.O., S. 13.

[viii] Hirschmann, BUCH, S. 33; Waldmann,a.a.O.,S. 20.

[ix] http://www.parliament.the-stationery-office.co.uk/pa/cm200102/cmselect/cmdfence/348/34804.htm (15.9.2003); Gambill, Gary C., a.a.O.

[x] Nitsch, a.a.O., S. 190.

[xi] Gambill, Gary C., a.a.O.

[xii] Hutter, a.a.O., S. 31

[xiii] Hutter, a.a.O., S. 31–32; Cordesman, Anthony A.: Forging a Transatlantic Strategy for Terrorism and Asymmetric Warfare, January 2002, http://www.911investigations.net/IMG/pdf/doc-347.pdf (15.09.2003), S. 4.

[xiv] Übernommen von Hirschmann, Kai: Internationaler Terrorismus gestern und heute: Entwicklungen, Ausrichtungen, Ziele, in: Frank, Hans/Hirschmann, Kai (Hrsg.)., S. 60; weitere Darstellung bei Tanter, a.a.O., S. 263-266.

[xv] Bau d rillard, a.a.O., S. 25-27, der die Konsequenzen religiöser Motivation sehr plastisch darstellt; Hirschmann, Kai: Terrorismus in neuen Dimensionen – Hintergründe und Schlussfolgerungen, in: APuZ, B 51/2001, S. 7 -15 , S. 9.; Hoffman, a.a.O., S.121-123, 169-171; Münkler, a.a.O., S. 192, 200 der auf die Ausbeutung der moralischen Selbstbindungen des Angegriffenen vom Terroristen hinweist.

[xvi] Erbel, Günter: Die öffentliche Sicherheit im Schatten des Terrorismus, in: ApuZ B 10-11/2002, S.14-21, S. 19, Hutter; Münkler, a.a.O., S. 199 warnt vor zunehmender „Umdefinition von Waffen und Kampfplätzen“; Reinhard, a.a.O., S. 31.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Herausforderungen des strategischen Terrorismus
Hochschule
Universität zu Köln  (Seminar für politische Wissenschaften)
Veranstaltung
Deutschland zwischen transatlantischer und europäischer Ausrichtung: Sicherheitspolitik vor neuen Herausforderungen
Note
gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
14
Katalognummer
V24710
ISBN (eBook)
9783638275200
Dateigröße
549 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Herausforderungen, Terrorismus, Deutschland, Ausrichtung, Sicherheitspolitik, Herausforderungen
Arbeit zitieren
Eva Hammel (Autor:in), 2003, Herausforderungen des strategischen Terrorismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24710

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