Kabinett der Tauben und Blinden


Seminararbeit, 2001

43 Seiten, Note: Sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1 Einleitung
1.1 Einführung
1.2 Gliederung der Arbeit

2 Noricum: Elemente eines Skandals
2.1 Das politische Umfeld: das Ende der „Insel der Seligen“
2.2 Die rechtliche Grundlage
2.3 Das volkswirtschaftliche Kalkül
2.4 Ablauf des Skandals

3 Verschleierung, Aufdeckung und gerichtliche Verfolgung
3.1 Zur Rolle der Medien und der politischen Opposition
3.2 Der Noricum Untersuchungsausschuß
3.3 Die Gerichtsverfahren
3.3.1 Das Managerverfahren
3.3.2 Das Politikerverfahren

4 Der Untersuchungsausschuß
4.1 Das Wesen des Untersuchungsausschusses in Österreich
4.2 Der parlamentarische Noricum Untersuchungsausschuß
4.2.1 Einsetzung des Noricum Untersuchungsausschusses
4.2.2 Zur Überprüfbarkeit politischer Verantwortung
4.2.3 Schlußfolgerungen des Noricum Untersuchungsausschusses

5 Resümee

6 Bibliographie

7 Anhang
7.1 Zeitleiste
7.2 Kriegsmaterialgesetz vom 18.Oktober
7.3 Kriegsmaterialgesetz vom 1. Juli
7.4 Korrespondenz zum Einstieg in die Waffenproduktion
7.5 Aussagen zur Administrierbarkeit des Kriegsmaterialgesetzes
7.6 Das Sterben der österreichischen Waffenindustrie
7.6.1 Tod an der Enns
7.6.2 Verpulvert
7.6.3 Traurige Kanonen
7.7 Die verschiedenen tarnempfängerländer
7.8 Zeitplan der Kriegsmaterialtransporte
7.8.1 Lieferungen an den Irak
7.8.2 Lieferungen an den Iran

1 Einleitung:

1.1 Einführung:

Skandale rücken, so meint man, immer mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Ihre Existenz ist nicht neu. Auch die öffentliche Empörung, die sie hervorrufen, ist altbekannt. Auf ihre Hintergründe einzugehen , lohnt sich dennoch.

Jeder Skandal weist ganz spezifische Merkmale, Verlaufsformen und charakteristische Eigenarten auf. Skandale sind hinsichtlich ihrer Themen, Verlaufsformen, Anlässe und Resultate Ausdruck der gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen sie passieren.

Skandalanalysen können Aufschluß geben über Normen und Werte, über politische Legitimation, über die jeweilige politische Kultur und nicht zuletzt über den Stellenwert der Politik an sich. Darum lege ich meiner Arbeit folgende Aussage zugrunde:

„Die in der jüngeren Vergangenheit beobachtbare Zunahme politischer Skandale, deren Angriffspunkte, Verlaufsformen und Wirkungen, sind Indizien für eine erhöhte „Legitimationsempfindlichkeit“ staatlicher Politik in den großen westlichen Demokratien. Unterstellt werden dabei ein gestiegener Legitimationsbedarf einerseits und gewachsene Schwierigkeiten der Legitimationsbeschaffung andererseits.“[1]

Entscheidend ist die Frage nach der regulären, kontrollierbaren Ausübung von Macht. Im Rahmen des politischen Systems nehmen demokratisch gewählte Mandatare bzw. Politiker politische Machtfunktionen wahr. Ihre Macht ist also durch Wahlen legitimiert und durch ein entsprechendes Vertrauen abgesegnet. Demokratien sind Systeme, in denen jede Ausübung von Macht durch Gesetze sanktioniert sein muß und allen Bürgern, das heißt auch den Politikern, ein bestimmtes Maß an Gleichheit vor dem Gesetz eingeräumt wird. Skandale entstehen dann, wenn es zu einem massiven Macht- bzw. Vertrauensmißbrauch kommt, wenn also gegen gesellschaftliche Regeln und Normen und gegen die Rechtmäßigkeit, also die Gesetze, verstoßen wird.

Skandal und Korruption definieren sich dementsprechend als Normwidrigkeit, als Verstoß gegen Vertrauen und Legitimation.

Der Noricum Skandal ist das Resultat des Fehlverhaltens politischer Machtträger, der Unfähigkeit einer an den politischen Machtapparat gebundenen Beamtenschaft, Kontrolle auszuüben, der Manipulierbarkeit politischer Entscheidungen und der potentiellen Erpreßbarkeit von Politikern.

Der materielle Kern des Skandals äußerte sich im Tatbestand des illegalen Waffenexports in die kriegsführenden Staaten Iran und Irak einerseits und in der Verschleierung genau dieser Tatsache andererseits.

Im Zuge des Untersuchungsausschusses wurde von den belasteten Politikern immer wieder die schwere Administrierbarkeit der einzelnen Gesetze als Legitimation für ihr Verhalten angeführt, sowie die überaus schwierige Situation in der sie sich befanden, da ja sehr viele verschiedene Normen als möglicher Anhalt für die Entscheidung vorlagen. An welche Norm aber fühlten sie sich gebunden? An jene der österreichischen Neutralität, an jene des Kriegsmaterialexportgesetzes oder aber jene Norm, die dem Staat als Eigentümer auch volkswirtschaftlichen Handlungsbedarf gebietet?

Letztendlich wurden alle Normen gebrochen und damit das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Verantwortungsbewußtsein und die Korrektheit des Staates hintergangen und mißbraucht. Die Legitimationsbeschaffung erschöpfte sich in Ausreden. Volkswirtschaftliche und beschäftigungspolitische Aspekte sollten die freizügige Handhabung des Kriegsmaterialexportgesetzes rechtfertigen. Die Übertretung des Gesetzes wurde mit dessen schweren Administrierbarkeit gerechtfertigt. Ein Teufelskreis tat sich auf, der Skandal nahm seinen Lauf.

1.2 Gliederung der Arbeit:

Die Arbeit verfolgt zwei große Ziele: auf der einen Seite soll der historische Ablauf des Noricum Skandals aufgezeigt werden, und die daraus resultierenden Reaktionen von Medien, Politik und Gerichten. Diese Vorgänge, die schon vom damaligen Bundeskanzler Fred Sinowatz, als „sehr kompliziert“ beschrieben werden, sollen hierbei etwas näher betrachtet und hinterfragt werden.

Der zweite große Part, der in den Ersten, aufgrund des Versuches, einen historisch klaren Ablauf zu liefern, integriert werden mußte, darin aber ein eigenes Unterkapitel bildet, beschäftigt sich ausschließlich mit dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß des Noricum Skandals. Beleuchtet werden dabei alle Facetten dieses Untersuchungsausschusses, angefangen bei der zögerlichen Einsetzung des selben, bis hin zu seinen Ergebnissen, und den daraus für die Beteiligten abgeleiteten Konsequenzen.

Abgerundet wird dieser Part durch ein eigenes Unterkapitel mit den rechtlichen Bestimmungen für die Einsetzung und Handhabung eines Untersuchungsausschusses in Österreich.

Im Anhang werden dann alle, für die Nachvollziehung dieses, in der Fachliteratur oft als des „Größten Skandals“ der zweiten Republik, bezeichneten Skandals benötigten Unterlagen über Lieferungen, Anträge und dergleichen mehr, eingefügt.

2 Noricum: Elemente eines Skandals:

2.1 Das politische Umfeld: das Ende der „Insel der Seligen“

Die Vorstellung, ja der Glaube der Österreicher, auf einer „Insel der Seligen“ zu wohnen, resultierte schon jeher weniger aus einem Mangel an Skandalen und Korruption, die es doch zu jeder Zeit gab, als aus dem Gefühl, in einem stabilen ökonomischen, sozialen und politischen Gefüge zu leben.

Letzteres hatte durchaus seine Richtigkeit. Der stabile österreichische Parteien- und Verbändestaat baute auf einer durchformierten Gesellschaft auf. Die enge Verflechtung von Parteien und Verbänden, institutionalisiert durch eine österreichspezifische Form des Kooperatismus, der Sozialpartnerschaft, erleichterte die politische Konsensfindung.

Diese Durchorganisiertheit der österreichischen Gesellschaft mündete im bekannten Lagerdenken, garantierte jedoch gleichzeitig, daß die politischen Entscheidungen auch umgesetzt werden konnten. Dafür galt es einen Preis zu bezahlen.

„Der Preis für eine solchermaßen erzeugte Stabilität des Systems ebenso wie für eine durch Einbindung in Großorganisationen erkaufte soziale Sicherheit des einzelnen waren eingeschränkte Partizipationschancen über die formalen Akte wie Wahlen hinaus, eingeschränkte soziale Mobilitätschancen, eingeschränkte Chancen zur Innovation und zur Nonkonformität. Aber auch die Patronage mit all ihren Formen gehört zu den Kosten dieser Konkordanzdemokratie. Die Protektion ist eine Folge des Parteien- und Verbändestaates mit seinen Proporzregeln und seiner gesellschaftlichen Omnipräsenz.“[2]

Spätestens seit Mitte der achtziger Jahre läßt sich eine langsam fortschreitende grundsätzliche Neuorientierung feststellen, die mit dem Aufweichen der traditionellen Charakteristika des politischen Systems in Österreich einhergeht. Die Gründe für das Abgehen vom traditionellen Lagerdenken sind vielfältig. Der soziale Strukturwandel, der zu einem Schrumpfen der sozialen Basis der Lager führt, die ideologische Öffnung der Parteien, ein verstärktes Auftreten von Phänomenen der Parteiverdrossenheit, neue Formen politischer Partizipation.[3]

Nicht zuletzt das Entstehen sozial und oder ökologisch motivierter Bürgerbewegungen bzw. Initiativen und die Entstehung grüner Parteien trugen dazu bei, daß neue Akteure am politischen Prozeß in Österreich beteiligt wurden.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Neubewertung von Skandalen und Korruptionsaffären zu sehen, die „oftmals nur in der Publikwerdung alteingesessener Praktiken bestehen.“[4] Die Häufung politischer Skandale zieht – forciert durch die Wachsamkeit der neuen politischen Akteure und der an Bedeutung gewonnenen Massenmedien – Transparenz nach sich.

Dies läßt es zu hinter die Kulissen der Parteiapparate und ihrer Machtbefugnisse zu blicken. Dem schockierten Publikum konnten die nunmehr veröffentlichten Praktiken von Protektion und Freunderlwirtschaft so unbekannt nicht sein.

Ausschlaggebend für das gestiegene Interesse an Skandalen aller Art war die gewachsene Partei- und Politikverdrossenheit.

Politische Ohnmacht, resultierend aus mangelnder Partizipation einerseits und persönlicher Betroffenheit aufgrund ökonomischer Krisenerscheinungen andererseits erzeugten ein Gefühl, persönlich nicht mehr in gewohnter Weise vom politischen System profitieren zu können. Die gängige Redensart, „Die da oben werden es sich schon richten“, gewann mit jedem Skandal neuen Zündstoff:

„Lucona und Mitterndorfer Senke, Noricum und Brixlegg, A9 und Asbestvergiftung verdanken wir dem ewig gleichen Zusammenspiel: von Geschäftsinteressen, politischen Freundschaftsdiensten und einer willfährigen Bürokratie. Meistens funktioniert alles ganz gut im Rahmen der geltenden Gesetze. Manchmal müssen sie gebrochen werden. Das Risiko ist nicht allzu groß: Nicht selten sind die, die die Gesetze brechen auch die, die sie überwachen sollen, und auch die , die sie nach ihren Bedürfnissen beschließen lassen können. Der Skandal ist nicht der Ausnahmefall. Er ist die bekanntgewordene Regel.“[5]

2.2 Die rechtliche Grundlage:

Der „größte Skandal der Zweiten Republik“, wie der Noricum Skandal von Journalisten nicht ganz zu Unrecht bezeichnet wurde, nahm seinen Anfang bereits 1979/80 als die verstaatlichte VÖEST-Alpine AG die fatale Entscheidung traf, in die Waffenproduktion einzusteigen.

Dieser Grundsatzentscheidung gingen nur unzureichende ökonomische und vor allem rechtliche Überlegungen voraus. Die rechtlichen Eckpfeiler, die neben moralischen Überlegungen, beim Waffenexport zu berücksichtigen waren, sind das Kriegsmaterialexportgesetz und die Neutralität. Bei der Entwicklung und Herstellung von Rüstungsgütern ist außerdem auch noch der Staatsvertrag wegen der darin ausgesprochenen Verbote zu beachten.

Am 18. Oktober 1977 wurde vom Nationalrat das Bundesgesetz über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial (BGBL Nr. 540/1977) beschlossen.[6]

Aus Anlaß der Diskussion über den Export österreichischer Panzer nach Chile wurde vom damaligen Abgeordneten Dr. Heinz Fischer und Genossen, am 12. Mai 1982 ein Antrag auf Abänderung des Gesetzes eingebracht. Diese Änderung sollte erreichen, daß ein Export von Kriegsmaterial nicht bewilligt werden dürfe, wenn dieses Material zur Unterdrückung von Menschenrechten eingesetzt werden könnte.

Darüber hinaus wurde durch Einführung eines § 3a eine jährliche Berichterstattung an den Außenpolitischen rat verlangt.[7]

Am 1. Juli 1982 wurde dann eine neue Fassung des BGBL 540 beschlossen, darin lautet der §3 Abs. 1 wie folgt:

Kriegsmaterialgesetz vom 1. Juli 1982

§ 3.(1) Die Bewilligung nach § 1 wird vom Bundesministerium für Inneres mit dem Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten und dem Bundesministerium für Landesverteidigung nach Anhörung des Bundeskanzlers, soweit keine andere gesetzlichen oder völkerrechtlichen Verpflichtungen entgegenstehen, unter Anwendung von Artikel 130 Abs. 2 BVG erteilt.

Hierbei ist darauf Bedacht zu nehmen, daß:

1.) Die Ein-, Aus- und Durchfuhr völkerrechtliche Verpflichtungen oder außenpolitische Interessen der Republik Österreich unter besonderer Berücksichtigung der immerwährenden Neutralität nicht zuwiderläuft;
2.) Die Aus- oder Durchfuhr nicht in ein Gebiet erfolgen soll, in dem ein bewaffneter Konflikt herrscht, ein solcher auszubrechen droht oder sonstige gefährliche Spannungen bestehen;
3.) Die Aus- oder Durchfuhr nicht in ein Bestimmungsland erfolgen soll, in dem auf Grund schwerer und wiederholter Menschenrechtsverletzungen die Gefahr besteht, daß das gelieferte Kriegsmaterial zur Unterdrückung von Menschenrechten verwendet wird;
4.) Embargobeschlüsse des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen unter Bedachtnahme auf die immerwährende Neutralität Österreichs entsprechend berücksichtigt werden;
5.) Der Ein-, Aus- oder Durchfuhr sicherheitspolizeiliche oder militärische Bedenken nicht entgegenstehen;
6.) Keine sonstigen vergleichbaren gewichtigen Bedenken bestehen.[8]

Als weitere rechtliche Grundlage für die Entwicklung, Herstellung und den Vertrieb von Kriegsmaterialien in Österreich gilt der Staatsvertrag von 1955, der Österreich die Entwicklung, Herstellung, Vertrieb und den Besitz von Steilfeuerwaffen mit einer Reichweite von mehr als 30 Kilometern verbietet.

Wie sich später herausstellte, ist die Noricum Kanone GHN 45 ohne Spezialmunition in der Lage diese vorgegebene Reichweite zu übertreffen.

Dies war ein klarer Widerspruch zum Staatsvertrag. Doch das wollte man nicht so genau wissen. Strenggenommen sollte nach der Lektüre der einschlägigen Gesetze klar sein, daß es für österreichische Unternehmen unzulässig ist in die Waffenproduktion einzusteigen. Wie sich aber herausgestellt hat, kamen die zuständigen Manager und Politiker nicht zu dieser Ansicht.

War man sich nicht in allen Lagern augenzwinkernd darüber einig, daß es nur ein Un-Gesetz sein kann, daß den Verkauf von Waffen an Kunden verbietet, die Waffen brauchen, dafür die Lieferung an Bezieher gestattet, die für Waffen keine Verwendung habe?“ [9]

2.3 Das volkswirtschaftliche Kalkül:

Die Grundsatzentscheidung der Verstaatlichten Industrie, sich im Bereich der Wehrtechnik verstärkt zu engagieren, vor allem großkalibrige Waffensysteme zu erzeugen, war aus heutiger Sicht zu wenig vorbereitet, und stellt eine gravierende Fehlentscheidung dar.

Der Risikofaktor, daß fast 100% der neu zu schaffenden Produktion in den Export gehen müßten wurden bei den Überlegungen nicht beachtet.

Dazu meint Peter Pilz:

„Rüstungsproduktion war in Österreich eigentlich immer nur in zwei Fällen ein Geschäft: Wenn man jemandem liefert, der die Waffen dringend brauchte, oder wenn man seine Ladenhüter wieder einmal beim Bundesheer abladen konnte. Seit der Dritten Welt endgültig das Geld ausgegangen ist, läuft das Geschäft nicht mehr. Konnte man sich bis zum Ende der siebziger Jahre noch in der Grauzone der österreichischen Gesetze bewegen, so ist es damit seit 1980 vorbei. Die beiden einzigen bedeutenden Kriegsmaterialexporte nach 1980 gingen in den Golfkrieg- an den Irak und den Iran.“[10]

Der Staat als Eigentümer der verstaatlichten VÖEST-ALPINE AG traf dann aber trotz anfänglicher Zweifel die Grundsatzentscheidung zum Einstieg in die Waffenproduktion.[11]

Die schwierige wirtschaftliche und beschäftigungspolitische Lage, in der sich die verstaatlichte Industrie zum damaligen Zeitpunkt befand ist unbestritten.

„Durch einen verstärkten wirtschaftlichen Druck wurden von der Verstaatlichten Industrie immer gewagtere Geschäfte abgeschlossen. Wie von Zeugen zum Ausdruck gebracht wurde, hatte sich ein Subsystem gebildet, in dem einzelne Personen ohne Rücksicht auf Grenzen, Unternehmenszuständigkeiten, Beteiligungen und Berichtspflichten tätig wurden und ihre - wirtschaftlichen – Ziele unter Außerachtlassung gesetzlicher Regelungen verfolgten. Für diese Entwicklung gab es aber auch politische Verantwortung.“[12]

An welche Norm aber fühlten sich die politischen Entscheidungsträger gebunden? An jene der österreichischen Neutralität, an jene des Kriegsmaterialexportgesetzes oder aber an jene Norm, die dem Staat als Eigentümer auch volkswirtschaftlichen Handlungsbedarf gebietet?

Letztlich wurden alle Normen gebrochen und damit das Vertauen der Öffentlichkeit in das Verantwortungsbewußtsein und die Korrektheit des Staates hintergangen und erschüttert. Die Legitimationsbeschaffung erschöpfte sich in Ausreden: Volkswirtschaftliche und beschäftigungspolitische Aspekte sollten die freizügige Handhabung des Kriegsmaterialexportgesetzes rechtfertigen. Die Übertretungen des Gesetzes wurden mit dessen schwieriger Administrierbarkeit gerechtfertigt.[13] Ein Teufelskreis entstand, der Skandal nahm seinen Lauf.

So vielversprechend das Kanonengeschäft von den zuständigen Politikern und Managern zu Beginn beurteilt wurde, so wenig „profitabel“ war es letztendlich. Weder trug es zur ökonomischen Sanierung des angeschlagenen VÖEST Konzerns bei, noch wurde dadurch auch nur ein Arbeitsplatz langfristig gesichert.[14]

2.4 Ablauf des Skandals:

Der Erste Golfkrieg dauerte von 1980 bis 1988. Der Noricum Skandal beschäftigte die österreichische Öffentlichkeit von 1985 bis 1993. Ohne auf die genaue Geschäftsabwicklung einzugehen, nenne ich hier nur die relevanten Fakten[15]:

Von 1981 bis 1983 belieferte die VÖEST Waffentochter Noricum den Irak über das Tarnland Jordanien mit Kanonen des Typs GHN45, Zubehör und Munition.

Ab 1985 wurde dann der Kriegsgegner Iran beliefert. Als Tarnland diente diesmal Libyen. In der Öffentlichkeit gilt vor allem das „Iran Geschäft“ als Skandal. Der Vertragsabschluß mit den Iranern über die Lieferung von 200 Kanonenhaubitzen, Ersatzrohren, sowie Munition um 6,8 Milliarden Schilling, kam im April 1985 zustande. Bereits im März 1985 hatte das Innenministerium die Bewilligung für den Export von Noricum Kanonen nach Libyen erteilt. Im Juli 1985 begann dann die Auslieferung der Rüstungsgüter.

[...]


[1] Ebbighausen Rolf: Skandal und Krise. Zur gewachsenen „Legitimationsempfindlichkeit“ staatlicher Politik, in: Anatomie des politischen Skandals, hrsg. V. Ebbighausen Rolf/ Nekkel Sighard, Frankfurt am Main 1989, S.173.

[2] Nick Rainer/ Pelinka Anton, Österreichs politische Landschaft, Innsbruck 1993, S.103.

[3] Plasser Fritz/ Ulram A. Peter/ Grausgruber Alfred, Vom Ende der Lagerparteien. Perspektivenwechsel in der österreichischen Parteien- und Wahlforschung, in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 16 (1987) 3, S. 242 ff.

[4] Nick Rainer/ Pelinka Anton, Österreichs politische Landschaft, S.108.

[5] Pilz Peter, Land über Bord, Wien 1989, S.11.

[6] Der Wortlaut des Gesetzes findet sich im Anhang wieder, Kapitel 7.2;

[7] Bericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses (Noricum Untersuchungsausschuß) 1235 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVIII GP, April 1990 S.4.f.

[8] Bericht des Noricum Untersuchungsausschusses XVIII GP S.5.

[9] Lindlau Dagobert, Ein Produkt kollektiver Heuchelei, in: Der Standard, 14.02.1990

[10] Pilz Peter, Land, S.51.

[11] Siehe dazu auch Anhang, Kapitel 7.4;

[12] Bericht des Noricum Untersuchungsausschusses XVIII GP S.6.

[13] Siehe dazu auch Anhang Kapitel 7.5;

[14] Siehe dazu auch Anhang Kapitel 7.6;

[15] Siehe dazu auch Anhang Kapitel 7.1, 7.8 und 7.9

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Kabinett der Tauben und Blinden
Hochschule
Universität Salzburg  (Institut für Politikwissenschaften)
Veranstaltung
Österreichische Politik II
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
2001
Seiten
43
Katalognummer
V24434
ISBN (eBook)
9783638273084
Dateigröße
701 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Vollständige Zitierung im Rahmen der Fußnoten, daher kein extra ausgewiesenes Literaturverzeichnis.
Schlagworte
Kabinett, Tauben, Blinden, Politik
Arbeit zitieren
Stefan Idinger (Autor:in), 2001, Kabinett der Tauben und Blinden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24434

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