Die Hausmythen der Hohenzollern


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1) Vorwort

2) Begriffsdefinition: „Was ist ein Mythos?“

3) Mythen und Geschichtsschreibung als Instrument des Legitimation von Herrschaft

4) Die wichtigsten Hausmythen der Hohenzollern

5) Die Hausmythen der Hohenzollern untersucht auf
5.1) Ihre Entstehungsgeschichte
5.2) Ihre Wirkungsgeschichte

6) Der Stand der Forschung zu den Hausmythen der Zollern

7) Bilanz und Nachwort

Verwendete Literatur

1) Vorwort

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit den Hausmythen der Hohenzollern, einem auf der einen Seite sehr interessanten, auf der anderen Seite jedoch auch schwer zu untersuchendem Thema.

Mythographie im Zusammenhang mit Historiographie ist eine in der Literatur eher selten untersuchte Materie. Einzig im Zusammenhang mir Memoriakultur tauchen Werke wie die „Deutschen Erinnerungsorte“ Hagen Schulzes auf. Gezielte Untersuchungen einzelner Mythen sind bis auf verstreute Aufsätze in Zeitschriften und einzelne Kapitel in Monographien jedoch selten.

Diese Arbeiten beschäftigen sich dann auch meistens mit der mehr oder weniger gründlichen Zerstörung der Mythen[1] und weniger mit deren Untersuchung auf Intention oder Wirkungsgeschichte[2]. Es wird zum Beispiel niemand bestreiten, dass die in vielen Adelsgeschlechtern auftauchende Herleitung von Karl den Großen in den Meisten Fällen erfunden ist, für die jeweiligen Adligen zu Bestimmten Zeitpunkten aber zur Legitimierung ihres Herrschaftsanspruches benötigt wurde. In der Literatur wird aber zumeist mehr auf den ersten Aspekt des Erfunden seins eingegangen und weniger auf den zweiten, den der Legitimation der Herrschaft, die durch den Mythos erfolgt.

Erst die neuere Forschung hat, wie Wolfgang Neugebauer schreibt, „mit guten Argumenten und originellem Material die politische und symbolgeschichtliche Bedeutung der Historie herausgearbeitet, die in ihrer Zeit „Begründungszusammenhänge“ schuf, Macht durch Mythos unterbaute und dafür Geschichtsbilder produzierte und konstruierte“.[3]

Anstatt der Reihe der Mythendekonstruktionen hiermit eine weitere Arbeit hinzufügen zu wollen, soll hier ein Versuch unternommen werden, Mythen in ihrer Entstehung, Wirkung und Deutung zu erfassen.

Daher ist zunächst der Mythenbegriff zu klären, um zu einer für das weitere Arbeiten sinnvollen Definition zu gelangen. Im Anschluss daran ist die Bedeutung von Mythen und Geschichtsschreibung für die Legitimation von Herrschaft kurz darzustellen, um dann unter den Aspekten der Entstehungs- und Wirkungsgeschichte die wichtigsten Hausmythen der Hohenzollern zu untersuchen.

Zum Abschluss soll ein kurzer Überblick den aktuellen Stand der Forschung zu diesem Thema erläutern.

2) Begriffsdefinition: „Was ist ein Mythos?“

Durch den oben angesprochenen Umgang des Historikers mit Mythen sind sinnvolle Definitionen von dieser Seite schwer zu finden. Man ist daher gezwungen, mit den von Theologen, Germanisten und Altphilologen aufgestellten Definitionen zu arbeiten, da der Umgang mit Mythen bei diesen Disziplinen zu alltäglichen Handwerk gehört.

Im Lexikon für Theologie und Kirche wird der Mythenbegriff zunächst etymologisch als „der griechische Begriff [der] im Unterschied zur logoshaften begrifflichen Rede das Wort [bezeichnet], das in anschaulicher Weise Kunde […] von numinosen raum- und zeittranszendenten Begebenheiten [gibt]“[4] definiert. Dabei hat der Mythos drei Funktionen wahrzunehmen: „Er will erklären, begründen und beglaubigen. Gegenwärtige Verhältnisse und Zustände werden im Mythos auf ihre ursprunghaften Gründe gedeutet.“[5]

In der Theologie besitzt der Mythos eine Vermittlerrolle, indem er dem Menschen zum einen Begründungen für religiöse Handlungen bietet und zugleich Fragen wie die nach dem Ursprung der Menschheit beantwortet.

Eine solche Definition des Mythenbegriffs ist jedoch im Sinne dieser Arbeit nur eingeschränkt zu verwenden, da sie eher einen etymologischen oder religiösen Ansatz benutzt und nicht auf die für Historiker relevanten Aspekte wie den historischen Kontext oder die Kritik an der Provenienz des Mythos eingeht.

Eine brauchbare Definition des Begriffs im Sinne einer Arbeitsdefinition für Historiker gibt Wolfgang Weber. Er definiert den Mythos als „eine um eine historische Figur, ein historisches Ereignis, einen historischen Sachverhalt oder eine historische Entwicklung kreisende, lediglich in einem Kernbereich inhaltlich fixierte, im Übrigen variabel rezipierte und reproduzierte, unkomplexe Narration (…), die im Hinblick auf einen Kontext ursprünglicher Anfänglichkeit, eschatologischer Endlichkeit oder historischen Verlaufs entscheidende Relevanz suggeriert oder Beansprucht“[6].

Wichtig in dieser Definition sind vor allem zwei Aspekte: Zum einen der Aspekt der Aspekt der nur in einem „Kernbereich“ fixierten Narration, zum anderen der Wahrheitssuggestion oder Beanspruchung.

Die Fixierung auf einen bestimmten Kernbereich einer Erzählung, die im Übrigen aber variabel ausgestaltet werden kann, ist für eine Arbeit mit Mythen vor allem dann von Interesse, wenn es darum geht, mehrere Varianten eines Mythos beziehungsweise den Wandel von Mythen im Laufe der Zeit zu untersuchen. Der Aspekt der Wahrheitssuggestion legt eine kritische Überprüfung des Mythos nahe, da sein Inhalt nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen muss, auch wenn er als Solche dargestellt wird.

3) Mythen und Geschichtsschreibung als Instrument der Legitimation von Herrschaft

„Historiographie, die der fürstlichen Dynastie den Vorrang gibt, kann nicht nur als der Ausdruck einer politischen Propaganda im Dienste des Fürsten und der Dynastie verstanden werden. Sie ist vielmehr der wesentliche Ausdruck eines Gefühls der nationalen oder regionalen Identität, das in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters bei der politischen Elite vorhanden war.“[7]

Diese These Jean - Marie Moeglins zu Historiographie und Herrschaft beinhaltet zwei wesentliche Kernpunkte.

Zum einen dient die Historiographie dem Fürstenhaus an sich, in dem sie ihm die Möglichkeit gibt, durch eine große und ruhmvolle Vergangenheit eine Legitimation für die ausgeübte Herrschaft zu geben und diese mit Verweis auf die Geschichte zu rechtfertigen. „Die genealogischen Fabeln, die Verherrlichung der großen Taten einer Dynastie, dienten (…) dazu, den hervorragenden Charakter eines Geschlechts zu beweisen und den Rang, den es einnahm, beziehungsweise die Ehre, die es beanspruchte, zu rechtfertigen.“[8]

Der zweite hier angesprochene Gedanke ist die regionale oder nationale Identität, die sich in einer Identifikation des Landes mit seiner Dynastie äußert und im Endeffekt dieser wiederum zu Gute kommt.

Der dritte, von Moeglin nicht erwähnte, in meinen Augen aber relevante, Aspekt befasst sich schließlich mit der direkten Auswirkung des Mythos auf eine Dynastie nicht in Form von Festigung der eigenen Herrschaft oder Traditionsbildung in Verbindung mit dem eignen Territorium, sondern mit der Bedeutung der Geschichtsschreibung für die Dynastie an sich, indem sie deren Einheit und inneren Zusammenhalt fördert.

In diesen drei Punkten ist die Bedeutung der Geschichtsschreibung für eine Dynastie offensichtlich.

4) Die wichtigsten Hausmythen der Hohenzollern

Im Folgenden sollen in einer kurzen Darstellung die wichtigsten Hausmythen der Hohenzollern, der Collona- und der Trojanermythos sowie der Thassilomythos, dargestellt werden.

Beginnen möchte ich mit dem Colonna- und Trojanermythos, da diese inhaltlich eng miteinander verknüpft sind.

Die Rückführung berühmter Geschlechter oder eines ganzen Volkes auf die Trojaner kommt zum ersten Mal in der römischen Geschichte vor. Auch hier soll der breiten Masse eine alte und ehrwürdige Tradition suggeriert werden, die den Herrschaftsanspruch der regierenden Geschlechter untermauert. Dies erfolgt vor allem durch literarische Werke wie die Aenaeis.

Auch im Mittelalter und der beginnenden Neuzeit führen viele alte römische Familien ihre Herkunft weiterhin auf die geflüchteten Trojaner zurück[9], so auch die Familie der Colonna. Der seit 1417 auf dem Stuhle Petri sitzende Papst Martin V. folgerte im Jahre 1421 aufgrund einer Ähnlichkeit im Wappen, die Colonna führten als Wappen eine Säule in Feld, die Hohenzollern ein Szepter, auf verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den seinem Geschlecht und den Hohenzollern.

Durch die oben erwähnte Rückführung der Colonna auf die Trojaner kam nun über diese vermutete Verwandtschaft der Trojaner- und der Colonnamythos zu den Hohenzollern[10]. Unterstützend kommt hinzu, dass dieser Abstammungsmythos im Reich zu diesem Zeitpunkt von den Habsburgern abgelegt und dadurch „frei“ geworden war[11], so dass die Hohenzollern ihn

in Besitz nehmen können[12].

Nachdem dieser Mythos aus Gründen auf die später noch einzugehen sein wird nicht mehr zu halten ist, wird versucht, das Haus auf andere, altehrwürdige Vorfahren zurückzuführen.

[...]


[1] „Sowohl für die Produkte der Geschichte als auch für die der Geschichtswissenschaft geht mit dem Erforschen des Funktionierens die Dekonstruktion des Erforschten einher. Die mit solcher Dekonstruktion ausgelöste Verlusterfahrung freilich wirft ihrerseits die Frage nach einer neuen Konstruktion von Geschichte auf, die sich über den Verdacht der Schaffung neuer Mythen erhaben wissen möchte.“ Völker - Rasor, Anette: „Mythos. Vom neuen Arbeiten mit einem alten Begriff“ IN: Völker – Rassor, Anette und Schmale Wolfgang (Hrsg.): „MythenMächte – Mythen als Argument.“ Berlin, 1998, S. 13.

[2] „Bis vor rund zehn Jahren im Ganzen unerschütterlicher Mehrheitsauffassung der Historiker zufolge, ist Geschichtswissenschaft demnach nur noch in einer Hinsicht und in einer Form mit Mythos bzw. Mythen befasst: Mythen können, soweit ihnen Geschichtsmächtigkeit zugeschrieben werden kann, Objekt der Geschichtswissenschaft sein. Der Umgang mit ihnen ist bzw. soll sein dann stets kritisch und destruktiv. Ihr historischer Wahrheitsgehalt soll überprüft, gegebenenfalls ihre Fiktionalität erwiesen werden“, Weber, Wolfgang: „Historiographie und Mythographie. Oder: Wie kann und soll der Historiker mit Mythen umgehen?“ IN: Völker – Rassor, Anette und Schmale Wolfgang (Hrsg.): „MythenMächte – Mythen als Argument.“ Berlin, 1998, S. 66.

[3] Neugebauer, Wolfgang: „Das historische Argument um 1701. Politik und Geschichtspolitik“ IN: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, Beiheft 6, Berlin 2002, S. 27.

[4] Bürkle, Horst: „Mythos, Mythologie“ IN: Kasper, Walter, u. a. (Hrsg.): „ Lexikon für Theologie und Kirche. Siebter Band: Maximilian bis Pazzi“, Freiburg, Basel, Rom, Wien, 1998, SP. 597.

[5] Ebd., Sp. 598.

[6] Weber (wie Anm. 1), S. 71.

[7] Moeglin, Jean - Marie: „Dynastisches Bewusstsein und Geschichtsschreibung. Zum Selbstverständnis der Habsburger, Wittelsbacher und Hohenzollern im Spätmittelalter“, München 1993, S. 7.

[8] Ebd., S. 47.

[9] Hier zeigt sich sehr deutlich, wie lange sich Mythen im Glauben und Denken der Menschen erhalten können, wenn sie durch richtige propagandistische Unterstützung suggeriert werden.

[10] Vgl.: Herrmann, Erwin: „Genealogie und Phantasie. Zu den Abstammungsfabeln der Hohenzollern seit dem 15. Jahrhundert“ IN: „Archiv für Geschichte Oberfrankens“, Nr. 62, Bayreuth, 1982, S. 57.

[11] „Freilich haben die Habsburger, hinter die die schwäbischen Hohenzollern im späten Mittelalter weit zurückgefallen waren, die Colonna - Tradition seit dem 16. Jahrhundert doch in den Hintergrund treten lassen und versucht, sich auf Merowinger und Karolinger zurückzuführen“. Neugebauer: „Das historische Argument …“ (wie Anm. 3), S. 31.

[12] Diese Sicht des Freiwerdens des Colonnamythos wird in der neueren Forschung nicht mehr geteilt, denn „die Zollern - Fabel ist schon in einer Zeit belegbar, zu welcher die Habsburger – Fabel noch keineswegs als abgelegt und aufgegeben gegolten hatte.“ Lehmann, Hans – Dieter: „Cuno dux Bauwarorum – als Zollernvorfahre in cognatischer Linie Vorbild für den obskuren „Herzog Tassilo von Zollern“?“ IN: „Jahrbuch für fränkische Landesforschung“, Nr. 62, Neustadt/Aisch, 2002, S. 75.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Hausmythen der Hohenzollern
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Seminar für neuere Geschichte)
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
20
Katalognummer
V24364
ISBN (eBook)
9783638272551
ISBN (Buch)
9783638796712
Dateigröße
523 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hausmythen, Hohenzollern
Arbeit zitieren
Jean Philipp Ruprecht Beckmann (Autor:in), 2003, Die Hausmythen der Hohenzollern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24364

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