Flächenrecycling auf Gewerbebrachen - Konzepte, Probleme, Beispiele


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition und Ursachen der Entstehung von Gewerbebrachen

3. Flächenrecycling
3.1 Erhöhter Flächenbedarf trotz stagnierender Wirtschaft?
3.2 Probleme bei der Umsetzung des Flächenrecyclings
3.3 Die Chancen des Flächenrecyclings
3.4 Strategien und Instrumente des Brachflächenrecyclings

4. Ein Beispiel neuer Nutzungen altindustrieller Gewerbebrachen: Der Gewerbepark „Ilseder Hütte“ (Niedersachsen)

5. Lösungsansätze zur Vermeidung von Brachflächenentstehung

6. Schlußresümee

Literaturverzeichnis

Anlagen

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen

Tabelle 1: , Hemmnisse für die Um- und Wiedernutzung brachgefallener Gewerbeflächen. Quelle: Kahnert 1992,

Tabelle 2, Gründe für die Aufgabe gewerblicher Betriebsstandorte nach ihrer Bedeutung. Quelle: Kahnert 1992,

Abbildung 1: Anhaltender Landschaftsverbrauch - Flächennutzungsänderungen alte Länder. Quelle: Estermann/Noll 1997,

1. Einleitung

Die europäische Industriestadt gehört heute schon längst der Vergangenheit an. In-dustrie- und Gewerbebrachen sind Ergebnis und sichtbarer Ausdruck des städti-schen Strukturwandels. Selbst in den ehemals sehr industriell geprägten Städten des Ruhrgebiets, beispielsweise in Dortmund, ist die Zahl der Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor weitaus höher als die der im produzierenden Gewerbe Täti-gen. (vgl. Pesch 1997)

Mit Beginn der Industrialisierung kam es innerhalb der Siedlungsstruktur zu einer Zentralisierung, was in erster Linie an den damals immobilen Produktions- und Standortfaktoren (Energie, Transportmöglichkeiten etc.) lag. Der zunehmende tech-nische Fortschritt führte sowohl zu einer Expansion der Gewerbe als auch zu einer geringer werdenden Bindung an Produktions- und Standortfaktoren und somit zuerst zu einer Verlagerung der Gewerbe an den Rand, später in das Umland der Agglo-merationen. (Haggett, S. 439 ff.)

Die durch diesen Strukturwandel frei gewordenen Flächen bieten seit Beginn der Industrialisierung erstmals wieder die Chance für eine aktive Stadtentwicklung. Defizite in der Infrastruktur können abgebaut, Insellagen beseitigt und somit neue stadträumliche Qualitäten geschaffen werden.

Als Nutzungsmöglichkeiten bietet sich Wohnen, Arbeitsplätze und Freiräume an, wobei das Optimum in einer Mischform aller drei genannten Nutzungsmöglichkeiten liegt. Das vielseitig diskutierte Konzept der ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit steht dabei an oberster Stelle. Die höchste Priorität ist dabei allerdings auf die Schaffung zukunftssicherer Arbeitsplätze zu legen, da in den meisten Fällen die Arbeitsplätze der ursprünglichen Nutzung durch den Strukturwandel verloren gingen. (vgl. Pesch 1997, S. 135 ff.)

Diese Arbeit soll zunächst neben einer Definition des Begriffs „Gewerbebrache“ die Ursachen ihrer Entstehung aufzeigen. Danach folgen neben einem Überblick über die Konzepte, Strategien und Instrumente des Flächenrecyclings auch die Probleme und vor allen Dingen die Chancen, die sich in Anbetracht des Themas Flächenrecyc-ling auf Gewerbe-brachen darlegen. Anhand eines Beispiels, dem Gewerbepark „Il-seder Hütte“, soll kurz die praktische Vorgehensweise bei der Realisierung eines Flächenrecyclingprojekts aufgezeigt werden. Letztendlich werden vor dem Schluß-resümee noch Lösungsansätze zur Vermeidung der Entstehung von Brachflächen aufgezeigt.

2. Definition und Ursachen der Entstehung von Gewerbebrachen

Es ist schwierig für den Begriff „Gewerbebrache“ eine einheitliche Definition zu fin-den bzw. aufzustellen. Betrachtet man den Begriff „Brache“ aus Sicht der Landwirt-schaft, so meint er ursprünglich einen „unbestellten Acker“, der „im Rahmen der Dreifelderwirtschaft eingeplant war und der Bodenverbesserung dient“. (Leser 1998) In der heutigen Zeit entstehen Landwirtschaftsbrachen auf Grenzertragsböden. Dies geschieht wegen der “Unrentabilität der Bodenbestellung unter den heutigen Marktbedingungen”. (zitiert nach Rebele / Dettmar, S. 35) In der Regel werden diese Böden dann ganz aufgelassen, so dass sie sich frei entwickeln können.

Insofern sieht man leicht Parallelen zwischen Gewerbe- und Landwirtschaftsbrachen, denn auch bei den Gewerbebrachen handelt es sich um Flächen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unrentabilität stillgelegt wurden und deren Böden dann einer natürlichen Weiterentwicklung unterliegen. Jedoch handelt es sich bei Gewerbe- und Industriebrachen nicht um Kulturböden, sondern in den meisten Fällen um Roh- oder Ruderalböden (Kompletter Abschnitt vgl. Rebele / Dettmar, S. 35).

Die Stadt- und Raumplanung definiert den Begriff Gewerbebrachen als “funktionslose Flächen, von denen sich Investoren, Eigentümer oder Nutzer vorübergehend oder endgültig zurückgezogen haben” und als “Flächen, die aufgrund ihrer Lage, ihrer natürlichen Bedingungen oder wegen ihrer ehemaligen Nutzung nicht mehr wirtschaftlich genutzt werden können, weil die Kosten ihrer Erschließung oder Aufbereitung im Verhältnis zu einem möglicherweise auf dieser Fläche zu erwirtschaftenden Gewinn zu hoch sind”. (Rebele/Dettmar zitiert nach Dietrich 1984, S. 978).

In Großbritannien wird dafür der Begriff “industrial derelict land”, definiert als “Land, das so geschädigt ist durch industrielle oder bauliche Inanspruchnahme, dass es ohne Behandlung nicht wieder vorteilhaft genutzt werden kann” (ebd.), gebraucht. Eine Fläche ist somit also dann eine Gewerbebrache, wenn sie nach Aufgabe der gewerblich-industriellen Nutzung über einen längeren Zeitraum ungenutzt und, unter ökonomischen Gesichtspunkten, funktionslos geworden ist. (vgl. Kahnert 1993, S. 2) Durch diese Definitionen des Begriffes wird deutlich, dass es viele verschiedene Ur-sachen und Gründe gibt, warum eine ehemals wirtschaftlich genutzte Fläche zu ei-ner Brachfläche wird. Es kann hier zwischen Gründen unterschieden werden, die zur Aufgabe eines Gewerbestandortes führen, und Gründen, die einer Wiedernutzung einer Fläche entgegenstehen und diese somit zu einer Brachfläche werden lassen.

Neben dem bereits angesprochenen Strukturwandel sind als Gründe für die Aufgabe einer Fläche noch planungs- und immissionsschutzrechtliche Nutzungsbeschrän-kungen sowie eine Verdrängung des Gewerbes aufgrund städtebaulicher Sanie-rungsmaßnahmen zu nennen. (Kahnert, S. II) So sind in 30,3 % aller Fälle immissi-onsschutzrechtliche Auflagen eine vorrangiges Problem für die Aufgabe eines Standorts. Die beiden meistgenannten Gründe sind das Fehlen von Erweiterungsflä-chen (54,9 %) und Konzentrationsprozesse (53,8 %, siehe Anlagen, Tabelle II und Kahnert, S. 11)

Zum Brachfallen eines bereits aufgegebenen Gewerbestandortes sind dagegen folgende Gründe aufzuführen:

- baulich-strukturelle Mängel der Fläche, beispielsweise Kontaminationen oder Altlasten im Boden, sowie zu beseitigende Anlagen.
- überzogene Preisvorstellungen und/oder fehlende Verkaufsbereitschaft des Ei- gentümers (für 63,7 % ein großes Problem, siehe Anlagen, Tabelle I und Kah- nert, S. 14)
- Alternative Flächen in neuen Gewerbegebieten, welche häufig eine günstigere weil billigere Alternative darstellen.
- Eine fehlende Verkaufsbereitschaft der Eigentümer (43,1 %, ebd.)

Jedoch wird auch deutlich, dass im Endeffekt alle diese Ursachen und Gründe auf Größen zurückzuführen sind, die in betriebswirtschaftlicher Hinsicht Kostengrößen darstellen. Ein Gewerbe siedelt sich nämlich nur dort an, wo die gesamten durch den ausgewählten Standort entstehenden Kosten (Grundstückspreis, Kostengrößen harter und weicher Standortfaktoren, Logistikkosten, Steuern etc.) ihren Minimalpunkt haben bzw. am geringsten sind. (vgl. Schätzl 2001, S. 38f)

Die Ursachen für das Entstehen von Gewerbebrachen sind, bereits gesagt, zum Teil bedingt durch den wirtschaftlichen Strukturwandel. Seit den frühen 70er Jahren kam es in Deutschland zu einem Brachfallen gewerblicher und infrastrukturell genutzter Flächen. Die Hauptursachen hierfür sind der wirtschaftliche Niedergang traditioneller Industriebereiche (vor allem Brachflächen der Montan-, Textil-, Maschinen- und Schiffbauindustrie), Unternehmensverlagerungen (häufig bedingt durch Expansion und Outsourcing) und der Funktionsverlust von Infrastruktur-Einrichtungen wie Häfen, (Güter-) Bahnhöfen und dergleichen mehr.

Dies wurde in Deutschland besonders in den altindustriellen Regionen (Ruhrgebiet, Saarland, Halle-Leipzig etc.) zu einem schwerwiegenden Problem. Angaben über die Zahl und die Fläche von Gewerbebrachen sind jedoch nur äußerst unvollständig. Im Durchschnitt sind 4,5 % des Gemeindegebietes deutscher Städte sogenannte Altlastenverdachtsflächen, in Einzelfällen sind es bis zu 14% des Gemeindegebie-tes. (vgl. Estermann/Noll 1997) Allerdings sagen diese Werte noch nichts über die Anzahl und die Fläche von Gewerbebrachen aus, denn nicht jede Gewerbebrache ist mit Altlasten belastet.

Bedingt durch die große Anzahl an brachgefallenen Flächen kam es zu einem Überangebot, was extrem niedrige Bodenpreise zur Folge hatte. Zudem sind die Kosten der Wiedernutzbarmachung in vielen Fällen enorm. Es war also Handlungsbedarf für den Staat, die Länder und die Kommunen gegeben. (vgl. Reiß-Schmidt 1997) Unter ökologischen Gesichtspunkten besitzen Gewerbebrachen anders als andere urbane Brachflächen schon aufgrund ihrer flächenmäßig meist größeren Ausdehnung eine wesentlich höhere Bedeutung, wenn man an sämtliche Funktionen des Naturhaushalts denkt.(vgl. Rebele / Dettmar, S. 35 f.)

3. Flächenrecycling

Dieses Kapitel wird das Thema Flächenrecycling behandeln. Es soll zuerst geklärt werden, warum immer mehr Fläche in Anspruch genommen wird. Danach werden zuerst die Probleme, später die Chancen des Brachflächenrecyclings aufgezeigt, wonach dann auf die (neuen) Strategien und Instrumente eingegangen wird, bevor in Kapitel 4 dies alles anhand des Beispiels „Ilseder Hütte“ gezeigt wird.

3.1 Erhöhter Flächenbedarf trotz stagnierender Wirtschaft?

Fläche gehört nicht zu den vermehrbaren Ressourcen. Dessen sind sich Planer, Ökonomen und Politiker nicht erst seit der UN-Konferenz in Rio 1992 bewusst. (Reiß-Schmidt, 1997) Trotzdem werden täglich nach wie vor neue, große Siedlungs-flächen ausgewiesen und das, obwohl ein schonender Umgang mit Boden über eine Bodenschutzklausel im Baugesetzbuch von der Bundesregierung per Gesetz festge-legt wurde. (ebd.)

Durchschnittlich wird allein in Deutschland täglich eine Fläche von etwa 120 ha (was der Fläche von ca. 250 Fußballfeldern entspricht) bisher unbeanspruchten Bodens durch Bebauung in Anspruch genommen. (vgl. Doetsch) Man muss sich hierbei die Frage stellen, warum trotz der Bodenschutzklausel des Baugesetzbuchs und dem Vorhandensein einer Vielzahl ausreichend großer Brachflächen, welche wieder nutzbar gemacht werden können, die Bereitstellung von Gewerbe- und Industrieflä-chen noch immer fast ausschließlich auf die Ausweisung von Freiflächen beschränkt ist.

Das liegt zum größten Teil daran, dass noch bis zu Beginn der 80er Jahre die Rein-haltung der Gewässer und der Luft im Vordergrund der deutschen Umweltpolitik stand. Aufgrund umfangreicher Programme sind die Gewässer Deutschlands heute in einem wesentlich besseren Zustand, als sie vor 30 Jahren waren und selbst die Qualität der Luft hat durch umfangreiche Maßnahmen erheblich zugenommen. (vgl. Estermann/Noll 1997)

Erst Mitte der 80er Jahre rückten in der Umweltpolitik ganz andere Themen in den Vordergrund: Bodenschutz, Altlastensanierung und vor allen Dingen das Thema Flächenrecycling. Der Produktionsfaktor Boden wurde sowohl aus ökologischer, als auch aus ökonomischer Sicht als ein zu schützendes Gut erkannt. (ebd.) Aber warum werden immer mehr Flächen benötigt, wenn es einerseits innerhalb der Bevölkerung zu einem Nullwachstum und andererseits innerhalb der Wirtschaft zu einem immer geringer werdenden Wachstum kommt?

Seitens der Bevölkerung liegt das sicherlich an gewachsenen Wohnansprüchen der Gesellschaft. So stieg die Wohnflächenversorgung von 15 m² pro Person im Jahre 1950 auf heute fast 40 m². (Reiß-Schmidt 1997) Dies liegt unter anderem an der veränderten Bevölkerungsstruktur, der veränderten Bevölkerungsweise und an verschiedenen sozio-ökonomischen Veränderungen. Beim Gewerbe und der Industrie sind dazu folgende Ursachen zu nennen:

- Arbeitsteilung und Fortschritte innerhalb der Logistik. Die weltweite Arbeitsteilung führt ohne Zweifel zu einem höheren Verkehrsaufkommen und dies führt nicht nur zu einem notwendigen Ausbau der Verkehrswege und -flächen, sondern auch zu einem erhöhten Flächenbedarf im Transportgewerbe, beispielsweise für den Bau neuer Lagerhallen oder Distributionszentren. (vgl. Pfohl 2000, S. 98ff. und Apel / Henkel)
- Prozeßinnovationen, beispielsweise die Automatisierung innerhalb der Produkti- on, Just-in-Time-Konzepte, Postponement und ebenerdige Produktion wegen er- höhter Anforderungen an die Deckentragfähigkeit führen zwar zu weniger.

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Flächenrecycling auf Gewerbebrachen - Konzepte, Probleme, Beispiele
Hochschule
Universität Mannheim  (Geographisches Institut)
Veranstaltung
Hauptseminar wirtschaftsgeographie 1
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
20
Katalognummer
V23988
ISBN (eBook)
9783638269780
Dateigröße
915 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Flächenrecycling, Gewerbebrachen, Konzepte, Probleme, Beispiele, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Jörg Scharfenberger (Autor:in), 2002, Flächenrecycling auf Gewerbebrachen - Konzepte, Probleme, Beispiele, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23988

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