Computereinsatz im Sachunterricht am Beispiel von Lernsoftware zum Thema "Tiere"


Examensarbeit, 2003

87 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Sachunterricht
2.1. Erziehungsanspruch des Sachunterrichts
2.2. Aneignungsformen des Sachunterrichts
2.2.1. Erleben
2.2.2. Erfahren
2.2.3. Handeln
2.2.4. Folgerungen für den Sachunterricht

3. Der Computer als Medium im Sachunterricht
3.1. Medienpädagogische Aspekte
3.2. Ziele der Arbeit mit dem Computer
3.2.1. Rezeptions- und Reflexionskompetenz
3.2.2. Produktionskompetenz
3.2.3. Selbst- und Sozialkompetenz
3.3. Theoretische Lernmodelle
3.3.1. Behaviorismus
3.3.2. Kognitivismus
3.3.3. Konstruktivismus
3.4. Medieneinsatz im Sachunterricht
3.5. Unterrichtlicher Kontext
3.6. Lernumgebung mit Einsatz von Computern
3.6.1. Medienecke
3.6.2. Computerraum
3.6.3. Mobile Einheiten

4. Einsatz von Lernsoftware im Sachunterricht
4.1. Multimedia-Qualität
4.2. Interesse- und lernmotivationsfördernde Aspekte von Lernsoftware
4.2.1. Lern- und Kompetenz-Unterstützung
4.2.2. Autonomie-Unterstützung
4.2.3. Instruktionsqualität
4.2.4. Soziale Einbindung
4.2.5. Inhaltliche Relevanz / Subjektive Bedeutung
4.2.6. Extrinsische Motivation und „spielerisches Lernen“
4.3. Demotivierende Aspekte von Lernsoftware
4.4. Verschiedene Arten von Lernsoftware für den Sachunterricht
4.4.1. Einteilung in Programmtypen
4.4.2. Einteilung in Arbeitsmöglichkeiten
4.4.3. Übersicht
4.5. Kriterien zur Beurteilung von Lernsoftware
4.5.1. Didaktisch-methodische Kriterien
4.5.2. Fachdidaktische Kriterien
4.5.3. Mediendidaktische Kriterien
4.5.4. Erfahrungsbericht erstellen
4.6. Analyse und Bewertung von Lernsoftware
4.6.1. Zur Auswahl
4.6.2. Faszinierende Kreaturen (Microsoft)
4.6.3. Multimedia Tierlexikon (Vemag)
4.6.4. Die Tierwelt für Kinder (Topos)

5. Schüler arbeiten mit Lernsoftware
5.1. Umsetzung und Voraussetzungen der Schüler
5.2. Beobachtungen
5.2.1. Faszinierende Kreaturen (Microsoft)
5.2.2. Multimedia Tierlexikon (Vemag)
5.2.3. Die Tierwelt für Kinder (Topos)
5.3. Befragung
5.3.1. Allgemeine Ausstattung und Design
5.3.2. Fotos und Filme
5.3.3. Text
5.3.4. Spiele und Ähnliches
5.4. Beurteilung durch die Schüler
5.5. Fazit

6. Zusammenfassung und Ausblick

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Lernsoftwareverzeichnis

Arbeitsblatt

Erklärung

1. Einleitung

Wir leben in einer Informations- und Wissensgesellschaft in der mehr Wissen als in früherer Zeit verarbeitet werden muss. Dabei kann der Mensch heute nicht mehr Informationen in seinem Gehirn speichern, als der Mensch von damals. Wir sind allerdings in der Lage jederzeit über informationstechnologische Kanäle auf extern gespeicherte Kenntnisse zuzugreifen, um so ein scheinbar größeres Spektrum an Wissen zu erlangen.

Schon in der Grundschule ist es wichtig eine kulturtechnische Minimalkompetenz im Umgang mit neuen Medien anzueignen, um die Teilhabe an einer technikorientierten Wissensgesellschaft zu ermöglichen.[1]

Deutschlandweit stehen in den Grundschulen Computer und werden mehr oder weniger von den Schülern und Lehrern[2] genutzt. Sei es, um Internetseiten zu gestalten, Schülerzeitungen herauszugeben oder mit Hilfe von Digitalkameras Fotos zu machen und zu bearbeiten. Im Sachunterricht wird der Computer, außer wenn es um den Unterrichtsgegenstand Computer geht, kaum genutzt. Genauso wenig wird Lernsoftware, die den Freizeitmarkt, in letzter Zeit vor allem mit sachunterrichtlichen Themen[3], überschwemmen, im Unterricht eingesetzt.

Schwierig wird es vor allem bei der Auswahl dieser Programme. Sie müssen didaktischen Kriterien entsprechen und in den Unterricht integrierbar sein.

In dieser Arbeit wird versucht, Bewertungsgrundlagen für Lernsoftware im Sachunterricht auszuarbeiten und diese an einigen Beispielen zum Thema Tiere anzuwenden. Dabei liegt der Fokus auf der Bewertung und Analyse nach sachunterrichtlich- und mediendidaktischen Kriterien von Lernsoftware.

Im zweiten Kapitel wird zunächst die Frage nach dem Erziehungsanspruch und den Aneignungsformen des Sachunterrichts gestellt. Die Einbindung des Computers, anhand von lerntheoretischen Modellen, in diese Aneignungsformen und in den unterrichtlichen Kontext wird in Kapitel drei besprochen.

Schließlich behandelt diese Arbeit den Einsatz von Lernsoftware im vierten Kapitel. Dort wird erarbeitet inwieweit multimediale Merkmale zur Interessensbildung und Lernmotivation der Schüler beitragen können und welche Arten von Lernsoftware zum Thema Tiere vom Markt angeboten werden. All diese Komponenten werden dazu benötigt, um eine Analyse und Bewertung von Lernprogrammen vorzunehmen. Drei Lernprogramme wurden dazu (Kapitel 4.6) ausgewählt, mit denen auch Schüler einer hessischen Grundschule arbeiteten. Ihre Analyse und Bewertung findet man im 5. Kapitel dieser Arbeit.

2. Sachunterricht

2.1. Erziehungsanspruch des Sachunterrichts

Genauso wie alle anderen Fächer, ist der Sachunterricht dazu verpflichtet, allgemeine Bildungs- und Erziehungsaufgaben zu übernehmen. Darüber hinaus soll er den Kindern durch spezielle Bildungs- und Erziehungsaufgaben helfen die Wirklichkeit zu erschließen. Die Schüler sollen lernen sich in ihr zu orientieren, in ihr zu handeln und sie verantwortlich mitzugestalten. Das heißt, in Natur und Kultur, in Technik und Zivilisation durch Eigentätigkeit und Erprobung, durch Experimentieren, Erkunden und Handeln im Unterricht den Kindern die Möglichkeit zu geben, Wissen und Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erlangen.[4]

Die Eigentätigkeit des Schülers und die Aneignung der Realität stehen dabei im Vordergrund. Die drei Schlüsselbegriffe Erleben, Erfahren und Handeln sind nach Müller-Gäbele[5] die Aneignungsformen für den Aufbau eines Wirklichkeitsverständnisses.

2.2. Aneignungsformen des Sachunterrichts

2.2.1. Erleben

In der letzten Zeit wurde der Erlebnisbegriff aus den 50er und 60er Jahren, aus dem sich erlebnispädagogische Ansätze entwickelten, wieder in die didaktische Diskussion eingebracht. Besonders die kultursoziologische Analyse der Erlebnisgesellschaft führt dazu, dass auch im Sachunterricht mehr über dieses Phänomen nachgedacht wird.[6]

Ein lebendiger Sachunterricht sollte ein Erlebnisunterricht sein, in dem die Kinder z.B. Tieren und Pflanzen begegnen und Experimente durchführen. Da aber die Kinder unterschiedlich auf Ereignisse reagieren, bleibt ein Moment der Ungewissheit, ob Erlebnisse überhaupt planbar sind. Entscheidend ist daher die Wandlung vom Ursprungserlebnis zum Reflexionserlebnis in der Reflexionsphase. Das Erlebte bleibt subjektgebunden und einmalig, aber der Unterricht sollte den Kindern dabei helfen, das Erlebte zu reflektieren. Das ist planbar und zielt nicht auf oberflächliche Unterhaltung, die schon im Freizeitbereich der Kinder einen sehr hohen Stellenwert eingenommen hat. Die Schule ist nicht dazu da, Erlebniswelten zu schaffen, sondern durch Erlebnisse die Lebenswirklichkeit der Kinder zu erfassen und zu erklären.[7] Eine Form der aktiven Auseinandersetzung mit einem Erlebnis ist die Erfahrung.

2.2.2. Erfahren

Der Sachunterricht muss auf die Erfahrungswelt der Kinder bezogen sein. Wie die Erlebnisse, so sind auch Erfahrungen subjektbestimmt, einmalig und individuell. Der Sachunterricht hat die Aufgabe widersprüchliche Erfahrungen zu klären und zu ordnen sowie neue Erfahrungsmöglichkeiten durch Erlebnisse zu erschließen. Wie oben schon erwähnt, ist dies schwer planbar.

Erfahrungen kann man auf zweierlei Arten machen. Zum einen passiv: wer Erfahrungen macht ist unangenehmen Situationen ausgesetzt und behauptet sich darin. Zum anderen aktiv: Erfahrungen machen bedeutet, sich mit der Umwelt auseinanderzusetzen.[8] Das heißt, dass „Erfahrungen machen“ eine Wechselwirkung zwischen Tun und Erleiden ist. Außerdem werden Erfahrungen miteinander verknüpft, es entsteht eine Kontinuität, durch die auch eine Korrektur von Erfahrungen möglich ist. Denn aus Erfahrungen werden Lehren gezogen und Erkenntnisse gewonnen, die wichtig für das Handeln sind.

Der Sachunterricht sollte den Kindern die Möglichkeit geben durch Originalbegegnungen Primärerfahrungen zu machen. In der Lebenswelt der Kinder gibt es schon genügend Sekundärerfahrungen, also Erkenntnisse, die nicht Resultat eigener Erfahrungen sind. Oft sind diese medial, also durch Funk und Fernsehen sowie durch Zeitschriften und Bücher, präsentiert.

Es ist allerdings gar nicht möglich nur Primärerfahrungen zu machen, denn in jeden Erfahrungsprozess fließen Vorerfahrungen mit ein, wie zuvor schon an der Kontinuität skizziert. Außerdem können sich Primär- und Sekundärerfahrungen ergänzen, um das Erfassen und Verstehen der Realität zu fördern.[9] Dennoch sollten Originalbegegnungen, aus denen Primärerfahrungen resultieren, an erster Stelle im Sachunterricht stehen.

2.2.3. Handeln

Wie schon im Kapitel 2.2.3 (Erfahren) erwähnt, bedingt sich das Handeln durch die Erfahrungen.

Handeln sollte nach Müller-Gäbele[10] im Sachunterricht nicht nach dem alltagssprachlichen Verständnis definiert werden. Es sollte im Unterricht vielmehr als eine aktive Auseinandersetzung mit der objektiven Realität und als ein zielgerichteter Eingriff in die Wirklichkeit, um Änderungen herbeizuführen, verstanden werden. Es geht um eine zielgerichtete Tätigkeit, die im Unterricht verschiedene Merkmale vorweist:

1. Die aktive Auseinandersetzung mit Situationen, und deren Zielsetzung, wird von den Lerngruppen selbst ausgewählt.
2. Der Lernende identifiziert sich mit dem vorgegebenen Ziel.
3. Die Lerngruppe ist selbst-verantwortlich für ihre Auseinandersetzung mit der Aufgabe. Kooperation steht innerhalb der Gruppe an erster Stelle.
4. Handeln kann in zwei Arten unterteilt werden: In umweltgerichtetes Handeln, bei dem der Lernende seine soziale Lebenswelt verändert und in selbstgerichtetes Handeln, bei dem der Lernende selbst Erkenntnisse und Einsichten gewinnt. Beide Formen sind im Sachunterricht relevant.
5. Selbstverständlich gehört Handeln auch zum bildungstheoretischen Ansatz, bei dem der Schüler befähigt werden soll selbstbestimmt, selbstverantwortlich und sozial zu handeln.[11]

2.2.4. Folgerungen für den Sachunterricht

Erleben, Erfahren und Handeln sind miteinander verbunden. Im Sachunterricht müssen alle drei vom Schüler angewandt werden, um den Verstehensprozess zu entfalten. Ein Ereignis wird mit ihnen vertieft und mit bleibender Wirkung innerlich erfasst.

Da Erleben und Erfahren nur begrenzt planbar sind, kann der Sachunterricht nur einen Erlebnischarakter und Erfahrungsräume schaffen. Dabei bleibt offen, was die Schüler jeweils erleben und erfahren. Zu viele Ereignisse können die Schüler überfordern und nicht zu persönlich bedeutsamen und bleibenden Ereignissen werden.

Für die Unterrichtsgestaltung hat das mehrere Konsequenzen. Der Klassenraum muss verlassen werden, um die Umgebung zu erkunden. Lerngänge müssen vorbereitet und ausgewertet sowie Erlebnisse und Erfahrungen verarbeitet werden. Der Sachunterricht hilft dabei Erlebnisse zu erweitern und zu vertiefen, wobei das angeleitete und das selbstorganisierte handelnde Lernen aufeinander abgestimmt sein müssen.

Die Erfahrungsvielfalt in der Lerngruppe muss vom Lehrkörper beachtet und respektiert werden und das nicht nur im Morgenkreis, in dem meist nur die Erlebnisse der Schüler des vergangenen Tages angehört, aber nicht reflektiert werden. Individuelle Erlebnisse und Erfahrungen der Kinder, die sie von zu Hause mitbringen, bereichern den Sachunterricht und sollten ernst genommen werden.

Besonders der Handlungsbegriff muss im Unterricht an erster Stelle stehen, sonst ist keine Verarbeitung von Erlebnissen und Erfahrungen möglich. Durch handelndes Lernen erhalten die Schüler Freiraum, sich aktiv, selbstständig und kooperativ mit einem Thema zu beschäftigen, ihr Vorhaben selbst zu planen, durchzuführen und auszuwerten und Verantwortung für das Geschehen zu übernehmen. Nur durch Handlungsfähigkeit werden Kinder im wachsendem Maße dazu befähigt sein, „die aktive Auseinandersetzung mit der ihnen zugänglichen Wirklichkeit selbst zu planen, zu organisieren und zu verantworten.“[12]

3. Der Computer als Medium im Sachunterricht

3.1. Medienpädagogische Aspekte

Wie verträgt sich ein Sachunterricht, der hauptsächlich die Aufgabe hat den Kindern durch Primärerfahrungen die Realität näher zu bringen, mit Computern, die doch hauptsächlich auf Sekundärerfahrungen beruhen, und wie kann die Handlungsfähigkeit gefördert werden, wenn man auf Computern nur „herumklicken“ kann.

Bis in die 60er Jahre hinein galten noch bewahrpädagogische Konzepte, nach denen die Kinder möglichst von Produkten der Medienindustrie ferngehalten werden sollten, es sei denn, sie wurden ausdrücklich als „pädagogisch wertvoll“ eingestuft.[13]

Heutzutage ist der Computer in den Freizeitbereich fest integriert, er ist ein fester Bestandteil vieler Arbeitsplätze und er dient als Hilfsmittel in vielen öffentlichen und privaten Bereichen der Informationsgewinnung und –verarbeitung. Der Computer ist Gegenstand der Lebenswirklichkeit der Kinder. Sie sind ständig im Alltag mit Computern umgeben: In der Bücherei, im Bahnhof, an der Kasse u.v.m. Die Kinder sind neugierig auf den Computer und wollen ihn nutzen.

Beim aktiven Auseinandersetzen mit der Lebenswirklichkeit muss der Lernende die Mittel einsetzen, die er in seiner Lebenswirklichkeit vorfindet, um Handlungskompetenzen zu entwickeln. Der Computer ist daher aus der Lernsituation nicht herauszuhalten, da sonst den Kindern ein Lernweg vorenthalten wird. Mit ihm können Erlebnisse und Erfahrungen vorbereitet, verarbeitet und vertieft werden.

Die Arbeit mit dem Computer kann eine zielgerichtete Tätigkeit sein, wie sie von Müller-Gäbele[14] beschrieben wird. Besonders das selbstgerichtete und selbstorganisierte Handeln, bei dem der Lernende Erkenntnisse und Einsichten gewinnt[15], wird durch die Computerarbeit unterstützt. Für die Grundschule heißt das, dass sie Kindern den Umgang mit dem Computer nicht vorenthalten, sondern kritisch und intellektuell vermitteln soll, denn der Einstieg in die Computerwelt ist für die Kinder ein ganz natürlicher Lernprozess. Dabei sollten die Originalbegegnungen durch den Computer nicht zurückgedrängt werden. Der Computer soll nicht nur als Hilfsmittel zur Aufarbeitung der Erfahrungen dienen. Er sollte zu aktiven Erkundungen und Experimenten anregen und Primärwissen vertiefen, denn Lernen ist, auch im Sachunterricht, mit verschiedenen Medien möglich.[16] Der Computer bietet nur eine weitere neue Zugangsform.

„Die Arbeit mit Computern ist im Grundschulunterricht nur dann gerechtfertigt, wenn sie in hoher pädagogischer Verantwortung in einem guten Grundschulunterricht stattfindet, der sich reformpädagogischen Konzepten von Kind- und Sachorientierung, von Handeln und Denken, von Lebensweltorientierung und Weltoffenheit und anderem verpflichtet weiß.“[17] Die Arbeit mit dem Computer muss innovativen und handlungsorientierten Unterricht unterstützen, wobei nicht der Computer, sondern die Art der Aktivität, welche der Schüler damit ausführt, im Mittelpunkt steht.

Der Computer ist in den einzelnen Unterrichtssequenzen dabei ein wichtiges Werkzeug unter vielen anderen Arbeitsmitteln, mit denen die Schüler selbstständig umgehen können. Der Klassenraum wird zum Werkstatt-Raum und der Lehrer zum Berater und Moderator. Er vermittelt nicht mehr das Wissen und kontrolliert die Leistungen der Schüler, sondern geht über in die pädagogische Einzelberatung, in die Projektleitung, in die Diskussionsführung und in die Förderung sozialer Kompetenzen.[18] Er wird also nicht überflüssig, sondern übernimmt andere Aufgaben. Der Schüler ist nicht mehr derjenige, dem der Stoff vom Lehrer vorgesetzt wird, sondern er muss selbst befähigt sein, sich Wissen zu erarbeiten, was Selbstständigkeit und Eigenverantwortung voraussetzt, die er verstärkt lernen muss. Somit lernen die Kinder nicht nur die Lerninhalte, sondern auch die Fähigkeit Wissen selbstständig anzueignen. Das rezeptive Lernen wandelt sich mit Hilfe des Computers zu einem kreativen Lernen,[19] denn mit dem Computer sind viele neue Formen der Wissensaneignung möglich geworden.

3.2. Ziele der Arbeit mit dem Computer

„Kinder und Jugendliche sollen Kenntnisse und Einsichten, Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben, die ihnen ein sachgerechtes und selbstbestimmtes, kreatives und sozialverantwortliches Handeln in einer von Medien durchdrungenen Welt ermöglichen.“[20] Sich Wissen selbstständig anzueignen bedarf Kompetenzen, die weit hinausgehen über Lesen und Schreiben. Die Kompetenz der Wissensaneignung, besonders im Zusammenhang mit Internet und Lernsoftware, steht im Mittelpunkt bei der Arbeit mit dem Computer.

Die Schüler sollten am Ende des vierten Schuljahres einen Mindeststandard der Medienkompetenz besitzen, um die Grundvoraussetzung zur Teilhabe am zukünftigen gesellschaftlichen Leben zu erlangen. Diese Medienkompetenz beinhaltet unter anderem Rezeptions-, Produktions- und Reflexionskompetenz sowie Selbst- und Sozialkompetenz.

3.2.1. Rezeptions- und Reflexionskompetenz

Der Mensch ist von Natur aus neugierig. Er konsumiert viele Informationen, um seinen Erkenntnisdrang zu befriedigen. Der Auszubildende, Student oder Berufstätige sammelt neueste Informationen seiner Wissenschaft oder seines Berufsfeldes, der Bürger informiert sich über die Ereignisse und Situationen seiner Gemeinde, Stadt oder seines Landes und der Freizeitmensch konsumiert Medien zur Freizeitbeschäftigung, er spielt und lässt sich unterhalten, er sucht nach Rat oder nach Neuigkeiten über sein Hobby.

Doelker[21] stellt verschiedene „Aggregatzustände“[22] der Information vor. Zum einen gibt es die stehenden Informationen, die jederzeit abrufbar, also dauerhaft angelegt sind, wie Bücher, Landkarten oder CD-Roms. Zum anderen gibt es fließende Informationen, wie Nachrichten im Fernsehen oder Printmedien (Periodika), die sich ständig ändern, und zu guter Letzt die aggressiven Informationen, wie Werbung und Boulevard, die alle Medien durchziehen und sporadisch auftauchen. Der Schüler muss diese Aggregatzustände kennenlernen und lernen mit ihnen umzugehen.

Unterschieden wird außerdem zwischen den Darbietungsformen. Sie bestehen aus Buchstaben und Zahlen, aus Bild und Ton. Zur Darbietungsform gehört auch der dazugehörige Kode. Doelker[23] spricht von vier verschiedenen Kodes. Der biologische Kode basiert auf stammesgeschichtlichen Programmen und versucht so die Aufmerksamkeit vorrangig zu beanspruchen. Besonders das Fernsehen und die Werbung bedienen sich dessen durch rasche Bewegungen, auffällige Details oder durch Sexualität. Der archaiche Kode dagegen beschränkt sich auf Mimik und Gestik. Beide Kodes sind leicht verständlich. Mehr Interpretationsleistung verlangen der konventionale Kode, also Zeichen mit einer festgelegten Bedeutung, und der kategoriale Kode (symbolhafte Inhalte), der in Nachrichten, Tageszeitungen oder Romanen benutzt wird. Der Schüler muss vor allem lernen, symbolhafte Inhalte interpretieren zu können.

Zusätzlich gibt es noch unterschiedliche Arten, wie sich bestimmte Informationen darstellen. Bei der sogenannten „invasiven Informationsfront“[24] drängen sich Informationen durch Eigenbewegung in unser Wahrnehmungsfeld. Meist sind es aggressive Informationen mit einem biologischen Kode, wie Werbeplakate, E-Mails, Handy-Anrufe und dergleichen. Bei der „diskreten Informationsfront“[25] dagegen stehen die Daten zur Disposition. Sie „warten“ auf den Abruf des Nutzers. Hier handelt es sich in den meisten Fällen um stehende Informationen, wie in Büchern oder auf CD-Roms, aber auch Zeitungen und Zeitschriften gehören dazu. Der Schüler muss unter den verschiedenen Darstellungsarten differenzieren können und lernen die diskrete Informationsfront zu nutzen.

Eine weitere Unterscheidung gibt es nach Doelker[26] bei der Speicherung der Informationen. Für überflüssige Inhalte ist im menschlichen Gedächtnis kein „Speicherplatz“ vorhanden. Nur relevante Informationen werden dort gespeichert. Die Speicherung außerhalb des Gehirns wurde mit der Erfindung der Schrift möglich. Wichtige Informationen können seitdem aufgeschrieben werden und mit dem Buchdruck fing die Verarbeitung von Daten an. Die Relevanz von Informationen wird seither hinterfragt. Gerade diese Fragen muss sich der Schüler stellen, wenn er Informationen sammelt: Was ist wichtig und was unwichtig? Der Schüler muss also neben der Alphabetisierung auch in der Medienalphabetisierung geschult sein, damit er Informationen selektieren kann. In Eigenverantwortung muss er entscheiden, welche Informationen für ihn relevant sind. Er muss außerdem wissen, wo er sie sich beschaffen kann. Dabei muss er die Informationen verstehen und nach Glaubwürdigkeit, Vertretbarkeit und Stimmigkeit beurteilen können.

Während der Arbeit mit dem Computer ist es immanent wichtig, dessen Gefahren aber auch Möglichkeiten zu reflektieren. Eine kritische und differenzierte Auseinandersetzung mit dem Werkzeug Computer ist daher notwendig, um den Kindern die Grenzen des Geräts aufzuzeigen.

3.2.2. Produktionskompetenz

An handhabungstechnischen Kompetenzen sollten die Kinder am Ende der vierten Klasse mit der Maus, mit der Tastatur und mit mindestens einer Benutzeroberfläche vertraut sein. CD-ROMs, bzw. Lernsoftware können von den Kindern selbstständig genutzt werden, genauso wie Standardprogramme zur Text-, Layout- und Bildbearbeitung. Des Weiteren sollten sie regelmäßigen Umgang mit dem Internet und mit Kommunikationsplattformen zum Verschicken von E-Mails haben. Sie sollten möglichst mit zwei verschiedenen Betriebssystemen vertraut sein (Mac OS und Windows) und mit diesen Ordner anlegen, sowie deren Software bedienen können. Dabei sollte die Handhabung von Hard- und Software nicht um ihrer selbst willen gelernt werden, sondern möglichst dann benutzt werden, wenn fachbezogene Aufgaben mit Hilfe des Computers lösbar sind. Besonders für den Sachunterricht gibt es mehrere Möglichkeiten den Umgang mit dem Computer zu lernen. In der ersten und zweiten Klassen werden Gruppenergebnisse mit selbst ausgedruckten Texten und Bildern präsentiert. Mit einer Digitalkamera wird z.B. die Umgebung der Schule fotografiert und die Bilder danach bearbeitet. In der dritten und vierten Klasse werden Tabellen erstellt, digitale Lexika und das Internet zur Recherche bestimmter Themen befragt, Webseiten gestaltet und E-Mail benutzt, um mit Menschen in anderen Regionen oder Ländern Kontakt aufzunehmen.[27] Während der ganzen Grundschulzeit ist die Arbeit mit altersgerechter Lernsoftware möglich.

3.2.3. Selbst- und Sozialkompetenz

Der Computer kann bei Schülern das Selbstbewusstsein stärken, da sie bei der Bedienung des Geräts den Erwachsenen oft überlegen sind. In dieser Hinsicht hat der Computer eine Sozialisationsfunktion, die für viele Kinder eine neue Erfahrung ist. Der Computer bietet ihnen die Möglichkeit zu arbeiten „wie Erwachsene“.

Studien[28] ergaben, dass Schüler in den konventionellen Unterrichtssequenzen weniger miteinander kommunizieren, als bei Unterrichtssequenzen mit Computerarbeit. Die Kommunikation und die Kooperation werden innerhalb und auch außerhalb der Schule durch den Computer gefördert. Es kann eine „parasoziale Interaktion“[29] entstehen, bei der die Kinder über das Erlebte am Computer sprechen. Dies widerspricht der üblichen Annahme, dass die Arbeit mit dem Computer die Kinder zu „süchtigen Computerfreaks“ mache, die den Umgang mit ihren Mitmenschen scheuen und ein distanziertes Verhältnis zum anderen Geschlecht haben.[30]

Während in der Sekundarstufe die Einstellung zum Computer zwischen den Geschlechtern divergiert, engagieren sich Mädchen in der Grundschule ebenso wie ihre männlichen Mitschüler, vor allem, wenn ihnen die Programme gefallen oder wenn Kooperation, statt Wettbewerb die Arbeit mit dem Computer bestimmt.[31] Auch die Hilfsbereitschaft wächst vor dem Bildschirm. „Computerexperten“ unter den Kindern geben gerne ihr Wissen weiter; sogar an die Lehrer.

Generell ist es besser, wenn Kinder zu zweit mit dem Computer arbeiten, da sie sich in dieser Kleingruppe nicht scheuen Fehler zu machen und sich gegenseitig helfen können, gerade wenn der Computer etwas Neues für sie ist.

Weitere Ziele bei der Arbeit mit dem Computer sind individualisiertes, differenziertes Lernen und Üben, mehrdimensionale Lernförderung durch Ansprache verschiedener Sinneskanäle, kreative Werkzeugnutzung, Interessenförderung und –entwicklung, Förderung von zukunftorientiertem und innovativem Lernen, Förderung von Konzentration und Ausdauer, Förderung bzw. Aktivierung der Lernmotivation[32], selbstbestimmtes Lernen und Selbsttätigkeit.[33]

3.3. Theoretische Lernmodelle

Damit der Schüler die Ziele bei der Arbeit mit dem Computer erlangen kann, hilft man sich in der Mediendidaktik mit verschiedenen Lerntheorien, die Annahmen über den Lernprozess machen. Diese lerntheoretischen Überlegungen liegen bei der Entwicklung interaktiver Medien, wie der Computer einer ist, zugrunde. Bei der späteren Analyse von Lernsoftware lassen sich Bezüge zu diesen Theorien herstellen.

Es ist zu untersuchen, inwieweit diese Lerntheorien mit den zentralen Aneignungsformen des Sachunterrichts[34] vereinbar sind, damit die Arbeit mit dem Computer im Sachunterricht möglich sein kann.

3.3.1. Behaviorismus

Die Grundlagen des Behaviorismus findet man schon bei den Arbeiten des russischen Psychologen Iwan Pawlow (1849-1936). Er untersuchte den Speichelfluss und die Magensekretionen von Hunden und konnte beobachten, dass schon beim bloßen Anblick des Futters der Speichelfluss angeregt wurde. Pawlow stellte fest, dass bestimmte Ereignisse, die mit der Futteraufnahme zu tun haben, beim Hund bestimmte Reflexe auslösen. So reagierten die Hunde mit Speichelfluss, wenn ein Glöckchen ertönte, welches vorher immer gleichzeitig mit der Futterausgabe läutete. „Diese neue Art der Verbindung (Assoziation) zwischen zwei Reizen (Stimuli) wird als klassische Konditionierung bezeichnet. Durch eine solche Konditionierung wird nach Pawlow generell das Erlernen von Verhaltensweisen erreicht.“[35]

Der behavioristische Ansatz, wie er auch für die Mediennutzung gebraucht wird, kommt aus den USA. Er geht davon aus, dass das Individuum von außen stimuliert werden muss, um Lernerfolge aufzuweisen. Der Lernende wird von Hinweisreizen und Verstärkungen gesteuert. Das Lernen reduziert sich auf Reflexe, die durch Adaption erworben werden.[36] Ein geeigneter Stimulus ruft ein bestimmtes Verhalten hervor, welches, nach der Befolgung durch den Lernenden, sofort bekräftigt wird.

Vor allem für den „Programmierten Unterricht“, der ausschließlich auf das Lernen am Computer beschränkt wird, wurden ähnliche Konzepte entworfen. Nach einer Abfolge von Denkanstößen (Stimuli) reagiert der Lernende. Es erfolgt eine sofortige Erfolgsmitteilung, die das Lernverhalten bestärkt. Die Lernschritte werden klein und linear gehalten, daher gibt der Lernende meistens richtige Antworten, um sich sukzessiv dem Lernziel zu nähern.[37]

Durch diese Methode hängt der Erfolg des Lernprozesses, wenn es sich um ein wissenschaftlich fundiertes Programm handelt, nicht mehr von den individuellen Fähigkeiten des Lehrers ab. Bald aber wurde diese Idee des programmierten Unterrichts verworfen, da sich viele Lernstoffe schlecht in kleine Lernstücke zerteilen ließen und auch nur eine bestimmte Form von Lernaufgaben in die notwendigen Formalismen übersetzt werden konnten.[38]

Das behavioristische Konzept wird heute noch in abgeschwächter Form in so genannten „Drill- and Practice-Programmen“ oder auch Lernware[39] verwendet, die Regeln der Rechtschreibung, der Mathematik oder der Fremdsprachen vermitteln. Durch Vergabe von Lob oder Punkten wird ein kleinschrittiger Lernerfolg bekräftigt. Sie lassen dem Lernenden wenig Spielraum, können aber zur reinen Übung, statt eines Arbeitsblattes, im Unterricht eingesetzt werden. Man lernt Fertigkeiten, wie zum Beispiel Vokabeln, die in Fleisch und Blut übergehen sollen. Oft geht es dabei um Stoff, den man bereits verstanden hat. Der Lernweg ist dabei starr vorgegeben, das Einstiegsniveau allerdings meist wählbar.

Lernsoftware mit Sachunterrichtsthemen nach dem behavioristischen Konzept sind weniger anzutreffen. Man kann allerdings Quiz-Programme hinzuzählen, die Wissen über sachunterrichtliche Themen abfragen und eine sofortige Rückmeldung erteilen.

Die Eigentätigkeit des Schülers wird nach diesem Modell unterdrückt. Im Gegenteil: gerade weil der Schüler nicht selbstständig handelt, funktioniert das Prinzip der Reflexreaktionen auf dargebotene Stimuli, so wie es schon Pawlow entdeckte.

3.3.2. Kognitivismus

Anfang der 80er Jahre kam ein Ansatz auf, der sich stark an der mittlerweile etablierten Kognitionspsychologie orientiert. Dort sieht man das Verstehen als aktiven Interpretationsprozess an. „Neue Informationen werden demnach von dem Individuum mit Vorauskonstruktionen verglichen“[40] und hinsichtlich seines Erfahrungs- und Entwicklungsstandes verarbeitet. Piaget nennt diese Datenverarbeitung „Assimilation“ oder „Akkomodation“. Bei der Assimilation nimmt der Organismus nur das wahr, was in seine schon bekannten Strukturen hineinpasst. Assimilation ist also stets eine Reduzierung neuer Erfahrungen. Durch Akkomodation ändern sich die vorhandene kognitive Struktur und das Einzufügende. Neue Erfahrungen können also die kognitive Struktur auch verändern. Die Gesamtheit aller Erfahrungen und Entwicklungen eines Individuums machen dessen kognitive Struktur aus.

Vertreter des kognitivistischen Ansatzes, in unterschiedlichen Ausprägungen, sind Wolfgang Köhler, Kurt Koffka und Max Wertheimer, aber auch Kurt Lewin, J.S. Bruner, Jean Piaget oder Marvin Minsky. Sie haben vielfältige Theorien entwickelt, wie Informationen verarbeitet werden können.[41]

Im Gegensatz zum behavioristischen Ansatz, wird der Lernende im kognitivistischen Ansatz als Individuum begriffen. Äußere Reize werden aktiv und selbstständig vom Lernenden verarbeitet. Lernen wird daher als Wechselwirkung eines externen Angebots mit der kognitiven Struktur verstanden.

Generell gilt, dass bei den kognitivistischen Ansätzen das Lernen durch Instruktion und Lernhilfen angeregt, gestützt und gesteuert wird und sich somit die Arbeit mit dem Computer auf geführte Lernprogramme beschränkt. Die Idealvorstellung der Softwarehersteller sind Programme mit individualisierten Instruktion, die sich den individuellen Lern-Bedürfnissen des Nutzers anpasst, so genannte „Intelligente Tutorielle Systeme“[42].

Der Schüler lernt dabei Strategien und Methoden zum Lösen von Problemen. Solch eine Teachware kann, im Gegensatz zur Lernware[43] in unbekannte Wissensgebiete einführen.[44]

Richtige Lernprogramme für den Sachunterricht, die dem kognitivistischen Ansatz entsprechen, gibt es nur in Ansätzen. Der Aufwand wäre viel zu groß, denn auf Fehler der Lernenden adäquat zu reagieren, bedarf es einer Intelligenz des Programms, die technisch zurzeit nicht realisierbar ist.[45]

3.3.3. Konstruktivismus

Hinsichtlich der Mediendidaktik fand Mitte der 90er Jahre mit dem Konstruktivismus ein Paradigmenwechsel statt. Allerdings gibt es nicht den Konstruktivismus, sondern viele verschiedene Varianten mit verschiedenen Akzentuierungen, welche von erkenntnistheoretischen Problemen über soziologische und psychologische Fragen bis hin zu pädagogischen Aufgaben reichen.[46] Erkenntnisse aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, wie Neurobiologie, Kognitionspsychologie, Linguistik und Informatik werden unter dem Begriff Konstruktivismus diskutiert.[47]

Eins haben alle diese Varianten gemein: die individuelle Wahrnehmung und Verarbeitung von Erfahrungen und Erlebnissen (zentrale Aneignungsformen des Sachunterrichts[48]) in der Umwelt steht im Mittelpunkt. Dabei wird die Wirklichkeit individuell auf der Basis des vorhandenen Erfahrungs- und Wissensschatzes sowie kognitiven Strukturen konstruiert und organisiert. Reize aus der Außenwelt dienen nur als Rohmaterial, das vom Gehirn erst interpretiert und verstanden werden muss. Was wir wahrnehmen ist die Interpretation von Dingen und nicht die Dinge selbst.

Nach der konstruktivistisch geprägten Sicht vom Lernen, kann man dem Lernprozess, nach Reinmann-Rothmeier/Mandl[49], bestimmte Merkmale zuordnen:

Der Lernende übernimmt selbst die Steuerungs- und Kontrollprozesse. Das Lernen wird so zum selbst gesteuerten Prozess und ist kein passives Aufnehmen und Abspeichern von Informationen und Wahrnehmungen. Konstruktives Lernen erfolgt stets mit individuellem Erfahrungs- und Wissenshintergrund, eigenen Interpretationen und in spezifischen Kontexten, so dass jeder Lernprozess als situativ gelten kann. Schließlich ist Lernen auch immer ein sozialer Prozess, da der Lernende stets soziokulturellen Einflüssen ausgesetzt ist und jedes Lernen ein interaktives Geschehen ist.[50]

Dabei darf es nach dem radikalen Ansatz des Konstruktivismus keine Rahmenpläne geben. Vertreter dieser extremen Richtung sind unter anderem Wyrwa, Siebert und Schulmeister, welche instruktionale Komponenten im Lernprozess kategorisch ablehnen.[51]

Mediale Angebote, die ihr Wissen auf Lernende übertragen, werden ausgeschlossen. Erlaubt sind dagegen Medien als Werkzeuge für die selbstgestalteten Lernprozesse, wie Hypermedia-Arbeitsumgebungen, nämlich Datenbestände, Datenbanken (u.a. auch das Internet als eines der größten digitalen Datenbanken) und Programmiersysteme. Lernende werden in den konstruktivistisch-geprägten Programmen lediglich beraten, begleitet und unterstützt. Sie gehen ansonsten ihre eigenen Lernwege. Das Programm bleibt Coach, Berater, Wegweiser und Werkzeug.[52]

Ein gemäßigter Konstruktivismus verbindet Elemente des kognitionstheoretischen und des konstruktivistischen Ansatzes. Der handelnd Lernende steht zwar im Mittelpunkt, ist allerdings auf adäquate kognitive Strukturen angewiesen, die auch Instruktion einschließen, um das benötigte Wissen darzustellen und zu organisieren.

Ausgeschlossen werden im Konstruktivismus Lehrformen, wie der Frontalunterricht. Ein möglichst handlungsorientierter Unterricht und die Arbeit in Gruppen sowie die Nutzung von Hilfsmitteln zeichnen den gemäßigten Konstruktivismus aus.

Medien sollen daher zwar Erkenntnisse präsentieren, allerdings nicht in fertiger Form. Der Lernende muss die Möglichkeit erhalten, eigene Wissensbestände und Interpretationen mit einfließen zu lassen, um neue Erfahrungen zu machen. Dabei sollte die Lernsoftware, genauso wie der Unterricht, den Lernenden mit verschiedenen Perspektiven des Problems konfrontieren und eigene Gestaltungsmöglichkeiten zulassen. Ferner sollten Lerntätigkeiten und Originalerlebnisse auch außerhalb des Computers mit einfließen und erst mit Hilfe des Computers zu Reflexionserlebnissen werden.

Das handelnde Lernen, welches dem Schüler die Möglichkeit gibt, „seine ihm zugängliche Wirklichkeit selbst zu planen, zu organisieren und zu verantworten“[53], sowie Erlebnischarakter und Erfahrungsräume[54] werden mit diesem Ansatz unterstützt. Daher ist dieses Modell des gemäßigten Konstruktivismus, mit Anteilen des Kognitivismus, für den Sachunterricht ein entscheidender Schlüssel zur Aneignung der Realität.

3.4. Medieneinsatz im Sachunterricht

Materialien und Medien werden, wie im Konstruktivismus dargelegt (Kapitel 3.3.3), im Unterricht und insbesondere im Sachunterricht hauptsächlich als unterstützende Werkzeuge genutzt. „Sie sollen zwar Erkenntnisse präsentieren, aber nicht in fertiger Form.“[55]

An erster Stelle steht im Sachunterricht die Begegnung mit der Realität und nicht die Bilder oder Texte über diese. Bei unmittelbaren Handlungserfahrungen nehmen Medien nur die zweite Stelle ein. Erfahrungen werden durch sie ausgetauscht, reflektiert, vernetzt und versprachlicht. Dadurch wird die Handlungskompetenz der Kinder erweitert und ihr Lernen auf ein höheres Abstraktionsniveau geführt.

Nach Scholz[56] gibt es drei Gründe, Medien im Sachunterricht einzusetzen:

1. „Es gibt Sachzusammenhänge, die nicht aufgesucht und untersucht werden können.“[57] Zum Beispiel ist es fast unmöglich mit einer Schulklasse wilde Tiere (wie Löwen oder Tiger) in freier Wildbahn zu beobachten. Also erst wenn Originalerfahrungen nicht realisierbar sind, sollten Medien und Materialien eingesetzt werden.
2. Materialen können zur Vor- oder Nachbereitung bei der Auseinandersetzung von Sachzusammenhängen dienen. Aus Büchern oder multimedialen Anwendungen ergeben sich zusätzliche Fragen und Anregungen und mit Hilfe von Text- und Bildbearbeitungsprogrammen lassen sich einfache Dokumentationen erstellen.
3. Durch Materialien können komplexe Sachzusammenhänge reduziert werden, indem sie das Wesentliche eines Zusammenhanges enthalten. Es handelt sich dabei hauptsächlich um Modelle oder Simulationen. Sie geben den Kindern die Möglichkeit selbst handelnd damit umzugehen.

Insgesamt sollen Materialien die Schüler nicht davon abhalten sich mit Sachen zu beschäftigen, sei es sie außerhalb der Schule aufzusuchen oder sie in die Schule hereinzuholen. Sachverhalte sollen daher im Mittelpunkt der Materialien stehen und nicht das Medium selbst. Dieses sollte sich daher nicht mit fachwissenschaftlichen Begriffen sondern mit den eigentlichen Sachverhalten beschäftigen, „an denen etwas zu verstehen ist“[58]. Die Materialien sollen „zum Verstehen der eigenen kindspezifischen Deutungsmuster beitragen“[59].

[...]


[1] Granzer (2003).

[2] Ohne weibliche Schüler und Lehrer diskriminieren zu wollen, verwende ich in dieser Arbeit stets die männliche Form, um komplizierte Satzstrukturen zu vermeiden.

[3] Wie zum Beispiel die „Löwenzahn-Reihe“ von Terzio.

[4] Duncker (1994), S. 29.

[5] Müller-Gäbele (1997).

[6] Müller-Gäbele (1997), S. 13.

[7] ebd., S. 15.

[8] ebd.

[9] ebd., S. 17.

[10] Müller-Gäbele (1997).

[11] ebd., S. 18ff.

[12] Müller-Gäbele (1997), S. 25.

[13] Kommer (2000) S. 32-35.

[14] Müller-Gäbele (1997).

[15] Siehe Kapitel 2.2.3.

[16] Siehe Kapitel 3.4.

[17] Mitzlaff (1997b), S. 50.

[18] Bauer (1997), S. 393.

[19] ebd., S. 394.

[20] Tulodziecki (1997), S. 29.

[21] Doelker (1998).

[22] ebd., S. 58.

[23] Doelker (1998).

[24] ebd., S. 60.

[25] ebd.

[26] ebd.

[27] Weiterführende Basiskompetenzen für jedes Schulfach und jede Klassenstufe in: Wilde (2003).

[28] Bauer, R. (1998), S. 92.

[29] ebd., S. 93.

[30] ebd., S. 92.

[31] ebd., S. 93.

[32] Siehe dazu: Kapitel 4.2.

[33] Vgl.: Mitzlaff (1997b), S. 47.

[34] Siehe Kapitel 2.2.

[35] Thissen (o.J.).

[36] Meschenmoser (1999), S. 53.

[37] Meschenmoser (1999), S. 53.

[38] Kommer (2000), S. 33.

[39] Gervé (1998-2000).

[40] Krauthausen/Herrmann (1994), S. 21.

[41] Thissen (o.J.), S. 9.

[42] Blumstengel (1998).

[43] Siehe Kapitel 3.3.1.

[44] Gervé (1998-2000).

[45] Kommer (2000), S. 33.

[46] Reinmann-Rothmeier / Mandl (1999), S. 21.

[47] Thissen (o.J.), S. 15.

[48] Siehe Kapitel 2.2.

[49] Reinmann-Rothmeier / Mandl (1999).

[50] ebd., S. 21.

[51] Meschenmoser (1999), S. 58.

[52] Gervé (1998-2000).

[53] Siehe Kapitel 2.2.4.

[54] Siehe Kapitel 2.2.4.

[55] Siehe Kapitel 3.3.3.

[56] Scholz (1995).

[57] Gervé (1998-2000).

[58] Scholz (1995), S. 6.

[59] ebd.

Ende der Leseprobe aus 87 Seiten

Details

Titel
Computereinsatz im Sachunterricht am Beispiel von Lernsoftware zum Thema "Tiere"
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Erziehungswissenschaften)
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
87
Katalognummer
V23984
ISBN (eBook)
9783638269742
Dateigröße
1447 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Examsarbeit zeigt Kriteriumspunkte für einen richtigen Umgang mit Lernsoftware im handelnden Unterricht in der Grundschule auf. Es werden verschiedene Lernsoftwareprogramme verglichen. Desweiteren wurden Untersuchungen mit Schüler einer Grundschule gemacht.
Schlagworte
Computereinsatz, Sachunterricht, Beispiel, Lernsoftware, Thema, Tiere
Arbeit zitieren
Anke Lüdtke (Autor:in), 2003, Computereinsatz im Sachunterricht am Beispiel von Lernsoftware zum Thema "Tiere", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23984

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