Innerfamiliale Gewalt


Hausarbeit, 2003

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Begriffsbestimmung Gewalt
1.2 Gewalt und Familie – ein Widerspruch ?

2. Phänomen „Gewalt“
2.1 Gewalt im familialen Nahraum
2.2 Familiale Gewalt und Schichtzugehörigkeit
2.3 Spirale der Gewalt
2.4 Folgen der Gewalt

3. Gegensteuerung
3.1 Prävention und Intervention
3.2 Ansätze der Hilfe im Feld der sozialen Arbeit

4. Schlußbetrachtung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Begriffsbestimmung Gewalt

Täglich werden wir in unserer heutigen Gesellschaft mit den unterschiedlichsten Er-scheinungsformen von Gewalt konfrontiert. Sie begegnet uns im Straßenverkehr, im Fernsehen, auf Videospielen, im Sport, im Beruf, in den Nachrichten usw.. Kurz um, in allen Lebensbereichen kommen wir mit ihr mittelbar oder unmittelbar, freiwillig oder unfreiwillig in Kontakt. Dabei ist die Gewalt keineswegs ein neues oder gar spe-zielles Phänomen der postfordistischen Zeit. Im Gegenteil, Gewalt gibt es schon seit Anbeginn der Menschheit und genauso alt sind auch die Bestrebungen der Gewalt entgegenzuwirken bzw. sie einzudämmen. Gleichwohl gab und gibt es aber auch die Lust an der Gewalt und Grausamkeiten, was darauf schließen läßt, dass in den Bezieh-ungen des Individuums zu sich selbst und zu dem sozialen System, in das es hineinge-boren wird, eine Ambivalenz angelegt ist.

Was in der Öffentlichkeit zumeist als Gewalt diskutiert wird, sind in der Regel wohl eher die Auswirkung von Gewalt, nicht aber die Gewalt als solches. Um jedoch den Begriff Gewalt näher zu beleuchten, gilt es meines Erachtens erst einmal zu hinter-fragen, wie Gewalt überhaupt bemerkt wird und ab wann wir eigentlich Gewalt als Gewalt empfinden. Im Grunde schließt sich an diese Fragestellung unweigerlich die Überlegung an, dass Unterschiede in der Wahrnehmung von Gewalt, auch automatisch zu unterschiedlichen Folgen von Gewalt führen.

Neben dieser grundlegenden Feststellung, stellt sich natürlich auch die Frage, auf wel-chem Verständnis von Gewalt denn die Forschung basiert. In diesem Zusammenhang gibt der Leipziger Professor für empirische Kommunikations- und Medienforschung Werner Früh zu bedenken, dass sich die Debatte um dieses Thema meist auf die „star- ken Formen der Gewalt“ wie z.B. töten, schlagen, beleidigen stützt, wobei die Unter-scheidung zwischen Täter und Opfer vernachlässigt wird. Aus seiner Sicht ist es deshalb sinnvoll, den Gewaltbegriff am Täter und seiner Intention – andere zu schädigen – fest-zumachen, egal ob der Täter seine Absicht durchsetzten konnte oder nicht. In der Summe abgeleitet, kann Gewalt folglich als eine realisierte oder beabsichtigte, bewusste (nicht unbedingt geplante) Schädigung von Personen, Tieren, Pflanzen oder Sachen definiert werden. > vgl. http://www.uni-leipzig.de/presse2002/gewalt-medien.html. vom 10.12.2002

Fokusiert auf Personen, läßt sich Gewalt als die absichtsvolle, auf Schmerzzufügung aus-gerichtete Einwirkung von Menschen auf Menschen erklären, um diese, gegen ihren Willen, zu einem bestimmten Verhalten zu nötigen. Das heißt Gewalt dient zum Gefügig-machen und wird bei Ungehorsam zur Bestrafung und Unterdrückung eingesetzt.

1.2 Gewalt und Familie – ein Widerspruch ?

Schaut man oberflächlich auf das Bild der bundesdeutschen Durchschnittsfamilie, könnte man meinen, die Männer gehen brav zur Arbeit und sichern das Familien- einkommen, bilden sich weiter und streben nach Karriere. Frauen wirken indessen im Haushalt, erziehen hingebungsvoll die gemeinsamen Kinder, sind glücklich und planen darüber hinaus ihren baldigen Wiedereinstieg in das Berufsleben bzw. kom-binieren problemlos Beruf und privates. Die Kinder sind früh selbständig, haben Spaß am Lernen und sind bemüht in der Schule gute Noten zuschreiben, während man am Wochenende gemeinsam ins Grüne fährt und Harmonie pur verkörpert („Rama-Familie“). Blickt man allerdings einmal hinter die Kulissen, kann man sehr oft die Leere und die Entfremdung in Familien erkennen, die geradezu von dem trügerischen Idyll einer schönen, heilen Welt maskiert wird. Man stößt auf Frauen, die von ihren Männern mißhandelt und vergewaltigt werden. Man stößt auf unzählige Kinder, die mißhandelt, vergewaltigt oder sogar getötet wer- den und man findet alte und behinderte Menschen, die in ihren Familien vernachlässigt oder sogar schlechter behandelt werden als Haustiere. > vgl. Lau / Boss / Stender (1979, S.140) < Dabei sind gerade Ehe und Familie Institutionen, die nach Art. 6 Abs.1 GG unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Was bedeutet, dass die gesetzlichen Regelungen auf den Erhalt und die Unterstützung von Ehe und Familie abzielen und so-gar gesetzlicher Schutz vor staatlichen Eingriffen besteht. Insofern müssen ordnende Eingriffe zum Schutz des Individuums in besonderer Weise legitimiert werden. Im Klar-text heißt das, die Gewalt, welche innerhalb der Ehewohnung geschieht, muss zunächst von Zeugen der Gewalthandlungen oder den Betroffenen selbst öffentlich gemacht wer-den, um dem Staat überhaupt die Möglichkeit zu geben, tätig zu werden. Jedoch wer- den Gewalthandlungen im familialen Kontext relativ selten angezeigt. Die Gründe dafür können vielfältig sein, z.B. Scheu den Partner / -inn bloßzustellen, Angst vor weiteren Gewalthandlungen, Angst vor der Auflösung der Beziehung und den daraus resultier-enden Folgen für das eigene Leben oder das Leben der Kinder, aber auch Unsicherheit der Be-troffenen gegenüber, was in der Interaktion von Ehepartnern normal und damit innerhalb der Familie zu bewältigen ist und was nicht. Oftmals werden auch erst im Falle einer Scheidung Gewalthandlungen im familialen Umfeld öffentlich, was im Umkehr-schluss natürlich für eine hohe Dunkelziffer spricht.

Wie aus dem Buch von Herrn Prof. Witterstätter zu entnehmen ist, liegt die Dunkelziffer innerfamilialer Gewalt bei rund 90% der Vorkommnisse. Ein enormer Wert, wenn man davon ausgeht, dass in der Bundesrepublik Deutschland jährlich rund vier Millionen Ge-walttaten von Männern an ihren Frauen und 150 000 Taten von Frauen an ihren Männern verübt werden. Die in etwa 500 000 Kindesmißhandlungen noch nicht eingerechnet.

> vgl. Witterstätter / Stumpf 2002 (S. 116) <

Zweifellos kommt es nicht in allen Familien zu offener gewaltmäßiger Auseinander-setzung, aber in allen Familien existiert eine emotionale Dynamik, die durchaus Gewalt auslösen kann. Den häuslichen Rahmen als ausschließlich harmonisch zu beschreiben, verzerrt die Realität der Familien. So ist u.a. das Familienleben von inneren Wider-sprüchen bestimmt, die aus der systematischen Ungleichheit moderner Familien und aus der zunehmenden Intimisierung familialer Beziehungen hervorgeht. Das System Familie ist sozusagen eingebettet in seine soziale Ökologie, aus der charakteristischer Weise auch die Störfaktoren stammen, die eine Krise des familialen Gleichgewichtes bedingen.

Ein besonderes Gewicht im Rahmen der Entstehung innerfamilialer Gewalt haben zum einen spezifische konfliktbegünstigende Strukturen der Familienorganisation, zum anderen aber auch gewaltbegünstigende soziale Normen, die Gewalt gegen Fa-milienmitglieder als adäquates Mittel zur Konfliktlösung erscheinen lassen. Auch ist die Familie der Ort, an dem wesentliche Bedürfnisse wie z.B. Zuwendung, Beachtung, Wertschätzung, Liebe, Zärtlichkeit usw. angemeldet und befriedigt, aber gelegentlich auch blockiert werden. Der gegenseitige Austausch von Bedürfnisbefrie- digungen folgt nach einem internen Regelsystem des Gebens und Nehmens. Folglich wird der normalerweise hohe Stellenwert der Familie für das emotionale Gleichgewicht bzw. psychische Stabilität auch zum Ort der Austragung von enttäuschten Hoffnungen und von Versagungen.

> vgl. http://www.sozialarbeitspsychologie.de/aggrfamilie.htm vom 12.12.2002 <

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Paradoxie von Gewalt und Familie daraus resultiert, dass die Familie als Intimgruppe und als Institution, entgegen ihrer eigentlichen Zweckbestimmungen, ungewollt auch die Voraussetzungen dafür schafft, dass es zu Gewalttätigkeiten kommen kann. Insofern ist das Potential für Gewalttätig- keit die Kehrseite des Potentials für Liebe und Intimität. Eng verbunden mit der vor- mals beschriebenen familialen Gewalt, ist der Begriff „häusliche Gewalt“. Auch hier spielen sich die Straftaten in den eigenen vier Wänden, also zu Hause ab. Allerdings be-zeichnet die häusliche Gewalt, über die bereits beschriebene familiale Gewalt hinaus, Gewaltstraftaten zwischen Personen – unabhängig vom Tatort / quasi auch ohne ge-meinsamen Wohnsitz - die in einer partnerschaftlichen Beziehung leben, welche der- zeit besteht, sich in Auflösung befindet oder bereits sogar aufgelöst ist, soweit es sich nicht um Straftaten zum Nachteil von Kindern handelt.

2. Phänomen „Gewalt“

2.1 Gewalt im familialen Nahraum

Gewalt in der Ehe kann zwischen Ehepartnern („Partnergewalt“), zwischen Eltern (bzw. Elternersatzpersonen) und Kindern („Eltern-Kind-Gewalt“), zwischen den Ge-schwistern („Geschwistergewalt“) oder von Kindern gegenüber ihren Eltern (bzw. Elternersatzpersonen) („Kind-Eltern-Gewalt“) erfolgen. Die häufigsten Formen famili-aler Gewaltanwendung sind jedoch einerseits die Gewalt gegen die Frau - / Ehefrau (konjugale G.), die in ihrer gravierendsten Form als Vergewaltigung (§§ 177 StGB) oder eventuell sogar nach §178 StGB als sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge enden kann und andererseits die „Eltern-Kind-Gewalt“ (parentale G.). Letzter genannte Form entspricht allerdings aber auch dem übergeordneten Begriff der „Mißhandlung“, womit sowohl die familiale Vernachlässigung (§§ 225, 221 StGB), der emotionale und / oder sexuelle Mißbrauch (§§ 173 - 184 StGB) und die körperliche Mißhandlung (§§ 223, 224, 225 StGB) verstanden werden kann. Die Gewalt zwischen Geschwistern, die Kind- Eltern- Gewalt oder auch die Gewalt gegen Alte, sind in erweiterter Sicht ebenfalls unter dem Begriff familiale Gewalt zu fassen, würden aber ausführlich dargestellt, den Rahmen der Hausarbeit sprengen. Ich habe mich deshalb entschlossen, den Fokus meiner Ausführungen im Wesentlichen auf die parentalen und konjugalen Formen familialer Gewalt zu richten. Allerdings möchte ich vorab zur Vervollständigung des Themas kurz auf die Gewalt gegen alte, zumeist pflegebedürftige Familienmitglieder eingehen. In diesem Kontext ist festzustellen, dass das Thema erst seit einigen Jahren in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Zurückzuführen ist dies u. a. darauf, dass wir es heute, durch die gestiegene Le-benserwartung, vermehrt mit einer überdurchschnittlich großen Zahl hochaltriger Men-schen (überwiegend verwitwete Frauen) zu tun haben, bei denen ein Verlust an psych-ischen und sozialen Kompetenzen zu beklagen ist. Diese Einschränkungen macht die ältere Generation in wachsendem Maße hilfebedürftig und damit auch mißhandlungs-fähig. Die Ursachen, die zu Mißhandlungen führen, sind durchaus unterschiedlich. So können z.B. die anderen Familienmitglieder (erwachsenen Kinder oder der gleichaltrige rüstige Ehepartner) die altersbedingten Störungen als Provokation auffassen oder aber sie empfinden die Pflege als Bürde und fühlen sich körperlich und psychisch überfordert. Denkbar ist auch, dass aufgestaute Hass- und Rachegefühle aus früheren Jahren zu Miß-handlungen führen (Rollenumkehr), als die jetzt hilfebedürftige Person leistungsfähig war und das familiale Umfeld terrorisierte bzw. selbst gegen Kinder und Ehepartner (parentale / konjugale Gewalt) gewalttätig war.

Zur grundsätzlichen Verdeutlichung, was unter parentaler und konjugaler Gewalt zu verstehen ist, gilt es zunächst festzuhalten, dass wir es bei der Familie mit einem Dominanz-Subsystem zu tun haben, welches überwiegend auf „anerkannter Autorität“ der Eltern über die Kinder, als auch zwischen den Ehepartnern an sich fußt. In diesem Kontext ergänzt Prof. Witterstätter, dass gerade die elterliche Autorität gegenüber Kin-dern für das Lernen eine unerlässliche Grundvoraussetzung darstellt. Führen die Ehe-gatten zudem ihre Aufgaben arbeitsteilig aus, so hat auch jeder Gatte das Recht für sei-nen Aufgabenbereich ebenfalls Autorität zu beanspruchen. Wobei in diesem Zusam-menhang auch daran erinnert wird, dass selbst in unserem Jahrhundert, das alte Leit- bild von der Dominanz des Mannes in der Familie nie ganz aufgegeben wurde. > vgl. Witterstätter / Stumpf (2002, S. 116) < Autorität und Macht sind also im familialen Umgang unverzichtbare Instrumente bei der Kindererziehung, wobei die Verantwortung der Eltern ihren Kindern gegenüber insbesondere darin besteht, ihre erzieherische Autorität und Macht sinnvoll und ausge-wogen einzusetzen. Erfahren Kinder im innerfamilialen Umgang jedoch ein exorbitantes Maß an elterlicher Autorität und Macht, entsteht unweigerlich ein, durch regide Erzieh-ungsmaßnahmen (Verbote, Restriktionen) bedingter, konfligierender Zustand zwischen Eltern und Kinder oder auch unter den Eltern selbst, die sich im erzieherischen Konzept und / oder der Autoritätsverteilung uneinig sind. In solchen starren unflexiblen familialen Strukturen sind Überschreitungen der elterlichen bzw. partnerschaftlichen Autorität zur parentalen bzw. konjugalen Gewalt geradezu vorprogrammiert.

Wie bereits angedeutet, ist hinsichtlich der familialen Gewalt also eine Unterscheidung in parentale und konjugale Gewalt zu treffen. Während unter parentaler Gewalt (parental = zur Elterngeneration gehörend, von ihr herrührend) das Ausüben der Gewalt von Eltern an ihren Kinder verstanden wird, erscheint dagegen die konjugale Gewalt (konjugal = ehelich) zum einen als strukturell bedingte Macht, jenes Ehepartners, welcher über die stärkeren Ressourcen verfügt und dieses (ihn bevorteilende) Übergewicht zu Durchsetz-ung seiner Vorstellungen nutzt. Was zu Folge hat, dass ein Ausbalancieren des famili-alen Gleichgewichts massiv verhindert wird. Zum anderen erscheint sie aber auch als physische Gewalt die in 4 Typen unterschieden werden kann (Marina Lewkowicz – beschrieben unter „Konjugale Gewalt“ Seite 9,10).

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Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Innerfamiliale Gewalt
Hochschule
Hochschule Ludwigshafen am Rhein
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
22
Katalognummer
V23923
ISBN (eBook)
9783638269292
Dateigröße
751 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Innerfamiliale, Gewalt
Arbeit zitieren
Frank Kotterer (Autor:in), 2003, Innerfamiliale Gewalt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23923

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