Bundesstaatsreform in Österreich


Seminararbeit, 2000

26 Seiten, Note: 1


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Begriff Bundesstaat
2.1 Verfassungsrechtlich
2.2 Bundesstaatstheoretisch

3. Bundesstaatliche Qualität Österreichs

4. Verlauf der Reformen
4.1 Reformen bis Mitte der achtziger Jahre
4.2 Reformen der neuen großen Koalition bis Ende 1994
4.2.1 Kleine Föderalismusreform
4.2.2 Große Föderalismusreform
4.3 Reformen und Perspektiven ab 1995

5. Hindernisse für die Bundesstaatsreform

6. Zusammenfassung

7. Literaturverzeichnis

1. EINLEITUNG

Im Gegensatz zur Schweiz und weitgehend auch zu Deutschland wurde Österreich in den vergangenen Jahrhunderten von einer zentralisierten Bürokratie mit einem absoluten Monarchen an der Spitze regiert. In Österreich fehlt somit eine föderale Tradition mit Selbstbestimmungsrechten für kleinere Verwaltungseinheiten wie Länder, Bezirke oder Gemeinden, es mangelt an Erfahrungswerten einer egalitären Kooperation zwischen verschiedenen Ebenen. Nach der Festsetzung des bundesstaatlichen Prinzips in der Verfassung sträubte sich der Bund (und tut dies bis heute) dann auch dementsprechend, Forderungen v.a. der Länder nach Kompetenzübertragungen zu erfüllen.

Die vorliegende Arbeit hat die Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern im Bereich Bundesstaat, deren wechselseitige Forderungen aneinander und die Gründe für die Erfüllung bzw. Nicht-Erfüllung dieser Forderungen zum Gegenstand.

Bundes- bzw. länderinterne Verhandlungen werden dabei nur am Rande berücksichtigt.

Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich vom Beginn der zweiten Republik bis heute.

Die Datenerhebung erfolgte mittels Literatur- und Inhaltsanalyse. In der Auswahl der Literatur wurden zum Großteil Vertreter der „Innsbrucker Schule“ berücksichtigt, um die Ländersichtweise der Bundesstaatsreform zu vermitteln. Dies hauptsächlich deshalb, weil Vertreter der „Wiener Schule“ meist gar nicht die Notwendigkeit zu einer Reform sehen und den bundesstaatlichen Status quo verteidigen.

Begriffsdefinitionen und Abkürzungserklärungen folgen im Text.

Die zentrale Fragestellung die mit dieser Arbeit beantwortet werden soll lautet:

Welche Entwicklungen kennzeichnen die Bundesstaatsreform in Österreich?

Die folgenden abgeleiteten Fragestellungen sollen helfen, die zentrale Fragestellung zu beantworten:

- Was ist ein Bundesstaat?
- Inwieweit ist das bundesstaatliche Prinzip in Österreich verwirklicht?
- Welche Reformphasen können unterschieden werden?
- Was ist die kleine Föderalismusreform?
- Was ist die große Föderalismusreform?
- Was ist das „Paktum von Perchtoldsdorf“?
- Warum wurde die Regierungsvorlage 1994 von den Ländern nicht akzeptiert?
- Welche Perspektiven hat die Bundesstaatsreform heute?
- Welche Faktoren haben eine grundlegende Reform zugunsten der Länder verhindert?

Die zu klärende Hypothese lautet:

Wenn der Bund für wichtige Vorhaben die Zustimmung der Länder braucht, dann ist die Wahrscheinlichkeit für die Verwirklichung einer umfassenden Bundesstaatsreform zugunsten der Länder hoch.

2. BEGRIFF BUNDESSTAAT

2.1 VERFASSUNGSRECHTLICH

Die Bundesstaatlichkeit Österreichs ist im Art. 2 Abs. 1 B-VG von 1920 idF. von 1929 „Österreich ist ein Bundesstaat“ verankert, was konkret heißt, daß die Staatsfunktionen zwischen den Gebietskörperschaften (Bund, Ländern, Bezirken und Gemeinden) aufgeteilt sind. Bei der österreichischen Bundesstaatlichkeit handelt es sich um ein Prinzip, ein „Baugesetz“ der Verfassung, dessen Wichtigkeit daran abgelesen werden kann, daß eine Änderung dieser Norm einer Gesamtänderung der Bundesverfassung gleichkäme und einer Volksabstimmung unterzogen werden müßte. „Österreich ist ein Bundesstaat“ ist als Programmsatz zu verstehen, der seine verfassungsrechtliche Gestalt aus den Einzelregelungen erlangt, die in ihrer Gesamtheit das institutionelle Profil des Baugesetzes prägen (zB. Rechtsstellung der Länder, Anteil an den Staatsfunktionen, Aufgabenverteilung, usw.). Diese Regelungen sind in den jeweiligen Rechtsquellen nicht einheitlich zusammengefaßt, sondern stark zersplittert, was Unübersichtlichkeit zur Folge hat. (Adamovich/Funk/Holzinger 1998, S. 328f)

2.2 BUNDESSTAATSTHEORETISCH

Der Bundesstaat (Gegenteil Einheitsstaat) ist eine Verbindung von mehreren Staaten zur Einheit eines Gesamtstaates. Man spricht von „doppelter Staatlichkeit“ und „doppelter Hoheitsgewalt“ im Gegensatz zur ausschließlichen Souveränität der obersten Staatsorgane im Einheitsstaat, die eine weitere Regierung im Staat unzulässig macht. Sowohl der Gesamtstaat (Bund) als auch die Teilstaaten (Länder) haben jeweils eigene staatliche Funktionen und Organisationen. Zwischen der gesamtstaatlichen und der teilstaatlichen Ebene gibt es organisatorische Verbindungen und funktionelle Verschränkungen in Form von wechselseitiger Mitwirkung und gemeinschaftlicher Aufgabenerfüllung.

Das typische Struktur- und Organisationsprinzip zur inneren Ordnung des Bundesstaates ist der Föderalismus (Gegenteil Unitarismus). Seine Vorteile sind:

a) Förderung der Demokratie Die Bürger können in engere Verbindung mit den staatlichen Institutionen und deren Amtsträgern treten. Dies soll zu einem Abbau der Politikverdrossenheit führen, wobei als Indikator häufig die höhere Wahlbeteiligung bei Landtagswahlen im Vergleich zu Nationalratswahlen genannt wird.
b) Zusätzliche vertikale Dimension der Gewaltenteilung Staatliche Herrschaft wird differenziert und beim einzelnen Entscheidungsträger beschränkt.
c) Konkret kann der Föderalismus dem Bürger bringen: - vereinfachte Verwaltung, verkürzte Behördenwege,

- einen besseren Zugang zu den politischen Entscheidungsträgern und zum Rechtsschutz,
- Kostensenkung und Bürokratieabbau, - innerhalb der EU kann der Föderalismus förderlich für die Wahrung der regionalen Identität sein. (Laufer 1994, S. 180ff)

3. BUNDESSTAATLICHE QUALITÄT ÖSTERREICHS

Eine Einschätzung wie das bundesstaatliche Prinzip in Österreich verwirklicht ist ist aus zwei Gründen schwierig:

a) Es gibt keinen Bundesstaat in Reinform, der für einen Vergleich herangezogen werden könnte.
b) Es gibt keine einheitliche Bundesstaatstheorie. Dieser Umstand äußert sich in Österreich im Vorhandensein einer „Wiener“ und einer „Innsbrucker“ Schule.

Die „Wiener Schule“ umfaßt rechtspositivistisch geprägte Föderalisten sowie staatstheoretisch orientierte Rechtsdenker, die den Bundesstaat als eine spezielle Form der Dezentralisation sehen, d.h. die Länder als nichtsouveräne Teilverbände, deren Einrichtung auf einer Delegation der gesamtstaatlichen Verfassung beruht.

Die „Innsbrucker Schule“ begreift den Bundesstaat unter Einbeziehung von historischen und sozio-politischen Komponenten als Staatenstaat, d.h. sowohl der Gesamtstaat als auch die Teilstaaten bilden echte Staaten. Man spricht auch von einer „originären Staatlichkeit“ der Teilstaaten. (Pernthaler 1992, S. 368f)

Bei einer Beurteilung der Bundesstaatlichkeit Österreichs kann abseits von Vergleichen mit anderen Bundesstaaten und bundesstaatstheoretischen Überlegungen ein Abwiegen von formellem Recht mit materiellem Recht und diesbezüglicher politischer Praxis weiterhelfen.

Ein Blick auf die formellen Beziehungen zwischen Bund und Ländern läßt auf eine Gleichberechtigung zwischen beiden schließen:

a) Der Bundesstaat wird aus den selbständigen Ländern gebildet (Artikel 2 B-VG).
b) Für Gebietsänderungen sind übereinstimmende Verfassungsgesetze des Bundes und der Länder notwendig (Artikel 3 B-VG).
c) Die Beseitigung der Länder wäre ein Widerspruch zum bundesstaatlichen Prinzip und bedürfte einer Volksabstimmung (Artikel 44 Abs. 3 B-VG).
d) Artikel 99 B-VG normiert die Verfassungsautonomie der Länder. Die Landesverfassungen sind daher keine Ausführungsgesetze zur Bundesverfassung.
e) Machtkonflikte sind grundsätzlich als Rechtsstreitigkeiten vor dem Verfassungsgerichtshof auszutragen und können nicht durch einseitige Entscheidungen des Bundes geregelt werden.
f) Den Paritätsgedanken unterstreichen für Bund und Länder gemeinsame „doppelfunktionelle Organe“ (zB. Bundespräsident, Rechnungshof, Verwaltungsgerichtshof, Verfassungsgerichtshof).

Von den formellen Beziehungen zwischen Bund und Ländern sind die materiellen Gewichtungen im Verhältnis zwischen den beiden Verbandsebenen zu unterscheiden. In materieller Hinsicht besteht eine deutliche Disparität mit einem Übergewicht des Bundes. Dieses Übergewicht zeigt sich insbesondere:

a) in den finanziellen Beziehungen (faktische Finanzhoheit des Bundes, Finanzausgleich stark zentralistisch),
b) in der Stellung des Bundesrates als Länderkammer (nur suspensives Veto, stimmt traditionell nach Parteilinien ab),
c) im Ausschluß der Länder von der Gerichtsbarkeit (Unabhängige Verwaltungssenate sind keine wirklichen Gerichte und gehören organisatorisch zur Bundesverwaltung),
d) in der Verteilung der Zuständigkeiten (Art. 15 B-VG „Generalklausel“, die alle Materien die nicht ausdrücklich Bundesangelegenheit sind den Ländern überläßt. Ein verfassungs-rechtliches Problem hat sich aus dem Umgang mit diesem an sich vernünftigen Artikel ergeben: In Zeiten von 2/3-Mehrheiten der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP im Nationalrat konnten Einzelregelungen über Zuständigkeiten zugunsten des Bundes in Verfassungsrang fixiert werden, wodurch sie vor Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof geschützt waren, soweit sie nicht offensichtlich mit dem Baugesetz „Bundesstaatlichkeit“ unvereinbar waren. Diese verfassungsgesetzlichen Maßnahmen, die zwar einzeln betrachtet unterhalb der Schwelle einer Gesamtänderung blieben, führten in ihrer Summe zu Beeinträchtigungen, deren Reichweite und Intensität einer „schleichenden“ Gesamtänderung des bundesstaatlichen Prinzips und somit der Bundesverfassung gleichkam. Die Kompetenzausstattung der Länder ist aufgrund dieser Vorgehensweise schwer beeinträchtigt worden, zugunsten immer weitergehender Zentralisationen im Bereich der Kompetenzaufteilung, der Staatsorganisation sowie der Wirtschafts- und Finanzverfassung. Ein Höhepunkt war beispielsweise die Schul-Verfassungsnovelle von 1962 auf Kosten der Kulturhoheit der Länder. Seither bestimmt der Bund im allgemeinen Schul- und Erziehungswesen (Art. 14 B-VG) alle Bildungsinhalte.) (Adamovich/Funk/Holzinger 1998, S. 412ff)

Weitere Ursachen für die materielle Ausformung zugunsten des Bundes bildeten

- Kriegsfolgen und Besatzungsregime (einheitliches Auftreten Österreichs gegenüber den Alliierten, Repräsentation Österreichs durch Bundespolitiker, Besatzungszonen gingen über Ländergrenzen hinaus),
- Kammern und Verbände (Standesinteressen vor Länderinteressen, Durchdringung der Gesellschaft auch in den Bundesländern),
- sowie die historisch starke Stellung der Lagerparteien gegenüber Vertretern territorialer Interessen.

Österreich kann somit formell als Bundesstaat bezeichnet werden, seine Verfassung ist aber sehr stark dem Modell des „Dezentralisierten Einheitsstaates“ angenähert. Pernthaler nennt Österreich einen „zentralistischen Bundesstaat“.

[...]

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Bundesstaatsreform in Österreich
Hochschule
Universität Salzburg  (Institut für Politikwissenschaft)
Note
1
Autor
Jahr
2000
Seiten
26
Katalognummer
V23892
ISBN (eBook)
9783638269070
Dateigröße
521 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bundesstaatsreform
Arbeit zitieren
Erich Gamsjäger (Autor:in), 2000, Bundesstaatsreform in Österreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23892

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Bundesstaatsreform in Österreich



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden