Der Online-Chat. Ein Element der computervermittelten Kommunikation


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

35 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffsdefinition

3 Entwicklung und Nutzung des Online-Chats
3.1 Gegenwartige Situation
3.1.1 Nutzungsmerkmale des Online-Chats
3.1.2 Nutzungsmotivation der Online-Chat-User
3.1.3 Mobilitatseffekte des Online-Chats
3.2 Hinweise auf die zukunftige Entwicklung und Nutzung des Online-Chats

4 Formen und Einsatzpotenziale von Online-Chats
4.1 Formen des Online-Chats
4.1.1 Video-Chats
4.1.2 Grafik-Chats
4.1.3 Text-Chats
4.1.4 MUD (Multi-User-Domain)
4.2 Soziale Einsatzpotenziale des Online-Chats
4.2.1 Zeitliche Ausdehnung und RegelmaBigkeit
4.2.2 Thematische Fokussierung
4.2.3 Zusammenfassung

5 Chat als Element der computervermittelten Kommunikation (cvK)
5.1 Der Rahmen computervermittelter Kommunikation: Moglichkeiten und Grenzen.
5.2 Beziehungen des Chat zu anderen Formen computervermittelter Kommunikation

6 Analyse des Online-Chats als Element der cvK
6.1 Anonymitat
6.2 Unverbindlichkeit
6.3 Handlungen im Chat
6.4 Identitat, Identitatsmanagement und Kommunikation
6.5 Authentische und nicht-authentische Selbstdarstellung im Chat

7 Fallbeispiel: Der Online-Chat als Kommunikationsspiel
7.1 Das Spielmodell
7.2 Der Untersuchungsaufbau
7.3 Die Ergebnisse

8 Fazit / Ausblick

II. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Nutzung von Chat/MUD nach Altersgruppen

Abbildung 2: Nutzung von Chat/MUD nach Bildung

Abbildung 3: Chatten/MUD und Internetnutzung in Jahren

Abbildung 4: Grande zur Nutzung von Chat/MUD

Abbildung 5: Einstellungen zum Internet als Motivationsfaktoren zum Chatten/fur MUD

Abbildung 6: Einstellungen zum Internet als Nutzungsbarrieren des Chatten von MUD

Abbildung 7: Psychografische Merkmale und Nutzungshaufigkeit Chat/MUD

Abbildung 8: Veranderungen im Freizeitverhalten aus Sicht der Befragten

Abbildung 9: Art und Weise der Kontakte auBerhalb von Chatraumen

Abbildung 10: Zuruckgelegte Entfernungen zu personlichen Treffen

Abbildung 11: computervermittelte vs. technisch vermittelte Kommunikationsformen

Abbildung 12: Vergleich von Kommunikationsfreiheiten und -restriktionen computervermittelter Kommunikationsformen

Abbildung 13: Arbeitsmodell des Chattens als Spiel

Abbildung 14: Spielmodell des Chattens

III. Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Differenzierung von Text-Chats

Tabelle 2: Formen und Einsatzpotenziale von Online-Chats

Tabelle 3: Vergleich der Spielmerkmale zwischen konventionellem und virtuellem Spiel

1 Einleitung

Mobilitat war das Schlagwort der Industrialisierung und ist noch immer eine der Grundvoraussetzungen innerhalb der modernen Arbeitswelt. Geschaftsleute sind standig unterwegs, eilen von einem Termin zum nachsten und sitzen, um vor Ort prasent zu sein, oft stundenlang im Flugzeug. Im privaten Bereich sieht die Welt ein wenig anders aus: Pizza wird per Telefon bestellt, Auftrage per Telefax bestatigt und die neue Kuche uber das Internet ersteigert. Hier ist nicht mehr die Face-to-Face-Kommunikation erforderlich, sondern man bedient sich technischer Hilfsmittel.

Sind die neu gewonnenen Kommunikationswege im Privat- aber auch Geschaftsbereich wirklich ein weiterer Schritt hin zu mehr Mobilitat und Zeitoptimierung? Oder fuhren sie zu zusatzlicher Anonymitat und starken somit die Scheu vor sozialen Kontakten?

Diese Fragen sowie ihre Relevanz fur die Medienokonomie sollen im Folgenden detailliert behandelt und beantwortet werden.. Tatsache ist, dass das Internet zu einem immer bedeutenderen Kommunikationsmedium wird, mit dessen Hilfe nicht nur bestehende Kontakte gepflegt, sondern vor allem auch neue Kontakte geknupft werden. Dies geschieht durch Online-Chats in unterschiedlichen Formen, die in dieser Arbeit vorgestellt werden. Innerhalb dieser verschiedenen Typen von Chats stellt sich, analog zu anderen technischen Hilfsmitteln wie beispielsweise E-Mail, die Frage nach Sozialitat und Identitat, sowie den Motiven fur die Nutzung dieses Kommunikationsmediums. Keine Berucksichtigung findet im Folgenden die Thematik der Sprache und Interaktion im Online-Chat. Detaillierte Ausfuhrungen hierzu finden sich unter anderem in Arbeiten von Angelika Storrer[1], die sprachliche Besonderheiten getippter Gesprache anhand von Sprecherwechsel und sprachlichem Zeigen in der Chat-Kommunikation untersucht, und Juliane Schonfeldt[2], die die Gesprachsorganisation in der Chat-Kommunikation beleuchtet. Des Weiteren wird auf eine Ausdifferenzierung von Nutzern bestimmter Chat-Typen[3] (z.B. Kinder und Jugendliche in Webchats) verzichtet, da diese speziellen und vertiefenden sozialpsychologischen Betrachtungsweisen den Rahmen der Arbeit sprengen.

Zunachst soil eine Begriffsklarung von „Online-Chat“ erfolgen, um so im weiteren Verlauf eine einheitliche Anwendung dieses Begriffs zu ermoglichen. Nach einem kurzen entwicklungsgeschichtlichen Abriss werden die verschiedenen Formen des Online-Chats vorgestellt, um so eine Basis fur die Diskussion der Einsatzpotentiale dieses Kommunikationsmediums sowie fur seine Analyse als Element der computervermittelten Kommunikation zu gewinnen. AbschlieBend sollen die gewonnenen Erkenntnisse auf das Fallbeispiel „Online-Chat als Kommunikationsspiel“ ubertragen werden.

2 Begriffsdefinition

Der Begriff „Online-Chat“ bezeichnet ein neu geschaffenes Kompositum aus den Begriffen „Online“ und „Chat“. In der Literatur[4] findet man zahlreiche Definitionen fur den Begriff „Chat“.

Hoflich/Gebhardt (2001) definieren das „Chatten“ wie folgt[5]:

„Beim ,Chatten’ handelt es sich um eine zeitgleiche, d.h. synchrone Kommunikationsform zwischen zwei oder mehreren Gesprachsteilnehmern, welche im Gegensatz zu den asynchronen, bzw. zeitversetzten Kommunikationsformen wahrend der Kommunikationssituation prasent sind und spontan aufeinander reagieren konnen.“ (Hoflich/Gebhardt, 2001)

Diese Definition reicht zur eindeutigen Begriffsklarung jedoch nicht aus. Chatten konnte danach ein Face-to-Face-Gesprach sein. Der technische Aspekt wird bei Hoflich/Gebhardt anhand des Beispiels des Text-Chats (siehe Kapitel 4.1.3) erlautert. Erst dadurch erhalt ihre Definition Eindeutigkeit. Diese weicht von der Bedeutung der Wortzusammensetzung „Online-Chat“ nicht ab, sondern integriert den Wortbestandteil „Online“.

Diesen integrativen Aspekt des Begriffs "Online" berucksichtigen auch Zoche/ Kimpeler/Joepgen (2002)[6] bei ihrer Definition von "chatten":

„Der Begriff Chat (engl. Plaudern) bezeichnet [..] eine direkte synchrone Kommunikationsmoglichkeit zwischen mindestens zwei Personen [...]. Technisch gesehen erfolgt das Chatten im Internet uber das Client-Server-Prinzip, d.h. der Chatter ist vom lokalen PC aus uber das Internet mit einem Chat-Server verbunden. [...] (Zoche/Kimpeler/Joepgen, 2002)

Diese Definition ist zwar eindeutig bezuglich des technischen Vorgangs beim Online-Chat, differenziert jedoch nicht zwischen verschiedenen Arten des Online-Chats (vergleiche Kapitel 4.2). Hier wird vom Online-Chat lediglich in der Form des Webchats gesprochen.

Unter Berucksichtigung der unterschiedlichen Formen des Online-Chats ergibt sich folgende Definition, die innerhalb dieser Arbeit Verwendung finden soll[7]:

Unter dem Begriff „Online-Chat“ (to chat (engl.) = plaudern) versteht man eine zeitgleiche, d.h. synchrone Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Gesprachsteilnehmern, die von ihrem lokalen PC aus miteinander (im Regelfall uber das Internet) verbunden sind. Die Kommunikation findet dabei entweder uber einen Web-Server oder eine dafur installierte Software statt.

In der oben genannten Definition des Begriffs „Online-Chat“ wurde bereits auf die Art der Kommunikation und die technischen Bedingungen eingegangen. Zoche/Kimpeler/Joepgen (2002, S. 173) bezeichnen Online-Chat daruber hinaus als eine „Mischform zwischen schriftlicher und mundlicher Kommunikation“. Schriftlich, weil Informationen uber die Tastatur eingegeben werden, und mundlich, weil eine direkte Reaktion wie bei einer Face-to- Face-Unterhaltung moglich ist.

Eine weitere grundlegende Eigenschaft ist die „pseudonyme Kommunikation“: Der User meldet sich mit seinem Nickname (selbst gewahlter Name, haufig einschlieBlich eines Passwortes) bei dem entsprechenden System an und kann mit anderen Usern kommunizieren.

3 Entwicklung und Nutzung des Online-Chats

Die gegenwartige Entwicklung und Nutzung des Online-Chats (Kapitel 3.1) behandelt die Merkmale der User, ihre Motivation und abschlieBend die durch den Online-Chat verursachten Mobilitatseffekte. Kapitel 3.2 versucht Hinweise auf die zukunftige Entwicklung und Nutzung von Online-Chats zu geben.

3.1 Gegenwartige Situation

Wie in Kapitel 4.1.3 ausfuhrlich geschildert wird, entwickelte sich die alteste Form des Online-Chats, der Internet Relay Chat (IRC), bereits Mitte der 1980er Jahre. Die Nutzung dieses Chats war allerdings nur erfahrenen Nutzern vorbehalten, da die Installation eines zusatzlichen Clients und die Verbindung zu einem IRC-Netzwerk notwendig ist. Erst durch die Entstehung des Internets konnten sich sowohl Internet Relay Chats als auch Online-Chats in Form von Webchats und Instant Messaging zunehmend verbreiten.

Zoche/Kimpeler/Joepgen[8] untersuchen die Nutzung von Online-Chats hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Mobiliatsverhalten durch den Einfluss der Virtualitat. Doch nicht nur die Mobilitatseffekte, die Online-Chats auf unsere Gesellschaft ausuben (Kapitel 3.1.3), sondern auch Antworten auf die Fragen, wie und warum Menschen den Online-Chat nutzen (Kapitel 3.1.1 und 3.1.2), sind im Rahmen dieser Arbeit von Interesse.

3.1.1 Nutzungsmerkmale des Online-Chats

In der oben genannten Studie wurden 802 Personen befragt. Demnach gaben 38% der Befragten an, „wenigstens selten“[9] zu chatten und/oder Multi-User-Spiele zu spielen. Es stellte sich heraus, dass 10,5% der Befragten MUD (davon 2,5 % ausschlieBlich) spielen und 35,3 % chatten (davon 27,2 % ausschlieBlich).

Fur die genauere Differenzierung der folgenden Nutzungsmerkmale wurden die Nutzergruppen in Nie-, Wenig-, und Viel-Nutzer[10] eingeteilt. Dadurch ergab sich, dass 62,4 % der Befragten Nie-, 34 % Wenig- und 3,6 % Viel-Nutzer sind.

Zunachst wurden als Nutzungsmerkmale die demografischen Einflusse untersucht. Bezuglich des Geschlechts gab es nur geringfugige Unterschiede: Frauen sind insgesamt weniger online, nutzen im Verhaltnis zu dieser Ausgangslage allerdings haufiger Chats oder MUDs als Manner. Bezuglich des Alters wurde festgestellt, dass der typische Chat-User zwischen 14 und 19 Jahren alt ist und Befragte ab 30 Jahren unterreprasentiert sind (vgl. Abbildung 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Nutzung von Chat/MUD nach Altersgruppen[11]

Des Weiteren ergab die Studie, dass Personen unabhangig von der Anzahl der in ihrem Haushalt lebenden Kinder[12] chatten.

Aus Abbildung 2 geht hervor, dass Personen, die studieren oder studiert haben, unterreprasentiert sind (21,3 % zu 33,5 %). Dagegen ist im Vergleich zu allen Befragten die Personengruppe derer uberreprasentiert, die das Abitur besitzen oder anstreben (32,7 % zu

27,4 %) oder eine weiterfuhrende Schule ohne Abitur besuchen bzw. besuchten (32,3 % zu 25,8 %).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Nutzung von Chat/MUD nach Bildung[13]

Ein weiteres demographisches Kriterium ist die Untergliederung nach der Berufstatigkeit. Dabei stellt sich heraus, dass nicht-berufstatige Nutzer uberreprasentiert sind.[14] Neben den demographischen Untersuchungskriterien stellt die Form der Internetnutzung ein wichtiges Nutzungsmerkmal dar. Zunachst wurden die Teilnehmer der Studie gefragt, ob sie einen privaten Internetanschluss zum Chat/MUD benutzen. Als Ergebnis konnte festgehalten werden, dass Chat und MUD eher privat genutzt werden.[15]

Im Anschluss daran wurde untersucht, inwieweit die Online-Erfahrung Einfluss auf die Nutzung von Chat/MUD nimmt (vgl. Abbildung 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Chatten/MUD und Internetnutzung in Jahren[16]

Der Anteil der Chatter/MUD-Spieler nimmt mit zunehmendem Nutzungszeitraum ab: Wahrend immerhin 44 % der Befragten mit weniger als einem Jahr Internetnutzung wenigstens selten chatten/MUD spielen, tun dies nur noch 30,1 % der Befragten, die das Internet langer als vier Jahre nutzen.

Vermutlich verlieren Chat/MUD fur die Mehrheit der Nutzer im Zeitverlauf ihren Reiz und damit auch ihre mogliche Substitutionswirkung gegenuber den Formen der herkommlichen Interaktion und Kommunikation.

3.1.2 Nutzungsmotivation der Online-Chat-User

Bezuglich der Nutzungsmotivation der Online-Chat-User wurden die Grunde der Nutzung, die Meinungen zum Internet sowie die Bedurfnisse nach sozialem Kontakt untersucht. Dabei wurde die in Kapitel 3.1.1 getroffene Unterscheidung in Wenig- und Viel-User beibehalten. Bei der Frage nach den Grunden der Chat/MUD-Nutzung legte man den Untersuchungspersonen elf Antworten vor, denen jeweils „voll und ganz“, „weitgehend“, „weniger“ oder „gar nicht“ zugestimmt werden sollte. Die Verteilung der beiden zustimmenden Antwortkategorien („weitgehend“ und „voll und ganz“) ist in Abbildung 4 dargestellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Gründe zur Nutzung von Chat/MUD[17]

Beziehungen zu pflegen“, „um zu flirten“), zeigen dabei die groBten Unterschiede zwischen den beiden Nutzergruppen. Die deutlichen Differenzen in diesen beiden Kategorien legen die Vermutung nahe, dass die Bedeutung fur die Beziehungsanbahnung und -gestaltung mit steigender Nutzungshaufigkeit zunimmt, und die Relevanz von Chat/MUD fur die Kontaktpflege entsprechend hoch ist.

Im Anschluss wurde untersucht, inwieweit Meinungen bezuglich der „Auswirkungen des Internets auf die Kommunikation“ mit der Nutzungshaufigkeit von Chat/MUD korrespondieren. Diese Analyse geht von der Grundthese aus, dass User Anwendungen um so haufiger (seltener) nutzen, je positiver (negativer) ihre Meinung uber mogliche Auswirkungen ausfallt. Sollte diese These zutreffen, so konnen positive Meinungen als Motivationsfaktoren und negative Meinungen als Nutzungsbarrieren betrachtet werden. Da nach Meinungen und nicht nach Grunden der Nutzung gefragt wurde, konnten hier auch diejenigen Nutzer berucksichtigt werden, die Chat/MUD nie nutzen. Zunachst wurde den Befragten eine Reihe von positiven Statements vorgelegt, denen sie jeweils „voll und ganz“, „weitgehend“, „weniger“ oder „gar nicht“ zustimmen sollten (siehe Abbildung 5). Je haufiger Chat/MUD genutzt wird, desto positiver sieht der User das Internet. Wie aus Abbildung 5 ersichtlich ist, variieren der Grad der Zustimmung zwischen Nicht- und Viel-Usern teilweise sehr deutlich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Einstellungen zum Internet als Motivationsfaktoren zum Chatten/für MUD[18]

In Abbildung 6 wird ein Uberblick uber tendenziell negative Einstellungen der User zum Internet gegeben, die als Nutzungsbarrieren fur das Chatten/den MUD angesehen werden konnten. Nach dem Fazit hinsichtlich der positiven Einstellungen der User zum Internet als Motivationsfaktoren ware zu erwarten, dass die Zustimmung auf negative AuBerungen mit steigender Nutzungshaufigkeit geringer ausfallt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Einstellungen zum Internet als Nutzungsbarrieren des Chatten von MUD[19]

Wie die Angaben der Graphik jedoch verdeutlichen, stellen negative Meinungen jedoch keine Nutzungsbarrieren dar. Vielmehr „bestatigen“ Wenig- und Viel-User einige dieser Ansichten, obwohl sie Chat/MUD vergleichsweise haufiger nutzen.

Bei der Untersuchung der Chat-User hinsichtlich ihres Bedurfnisses nach sozialem Kontakt stellte sich heraus, dass sich die Nutzergruppen aufgrund der unregelmaBigen und geringfugigen Zustimmungsdifferenzen nur geringfugig unterscheiden (vergleiche Abbildung 7). Daruber hinaus ist bei steigender Nutzungshaufigkeit keine systematische Zunahme der Zustimmung erkennbar. Bei der Aussage „Ich finde es interessant, Leute aus anderen Kulturkreisen kennenzulernen“ nimmt sie sogar ab. Uber die Ursache hierfur sagt die Studie allerdings nichts aus.

3.1.3 Mobilitatseffekte des Online-Chats

In diesem Kapitel werden mogliche Nutzungseffekte von Chat/MUD auf physische Mobilitatsformen untersucht. Als Untersuchungsmerkmale dienen hierbei das Freizeitverhalten, die Kontaktaufnahme und Kontakte, die zu personlichen Treffen fuhren. Die Studienteilnehmer wurden zunachst explizit nach Veranderungen im ihrem Freizeitverhalten gefragt, welche eingetreten sind, seitdem sie chatten/MUD spielen (siehe Abbildung 8). Hier zeigte sich, dass nach Ansicht von rund 15 % der Befragten ihr Fernsehkonsum zuruckgegangen ist und sich die fur das Videoschauen aufgewendete Zeit verringert hat. Diese substituierende Tendenz war bei anderen Freizeitaktivitaten nicht so stark ausgepragt, da die meisten Befragten angaben, dass sich ihre Freizeitgestaltung, seitdem sie Chat/MUD nutzen, nicht geandert hat.

Ein weiterer Aspekt zur Charakterisierung des Mobilitatsverhaltens ist die Untersuchung der Art der Kontakte auBerhalb von Chatraumen und dabei zunachst der Frage, wie diese hergestellt werden (siehe Abbildung 9). Uber ein Drittel aller Personen, die zumindest selten chatten/MUD spielen haben schon einmal auBerhalb des Chat-Rooms/MUDs per Telefon (59,5 %), Brief (33,6 %), E-Mail (74,7 %) oder in einem personlichen Treffen (59,2 %) Kontakt zu Personen aufgenommen, die sie uber Online-Chat kennen gelernt haben. Die Wahrscheinlichkeit der Kontaktaufnahme steigt mit zunehmender Nutzung dieser Anwendungen.

Fur die Frage nach dem Zusammenhang zwischen virtuellem und physischem Mobilitatsverhalten sind insbesondere personliche Kontakte von Interesse, da diese eine Anderung im Mobilitatsverhalten induzieren. Es wurden 62 Personen naher betrachtet, die angegeben haben, bereits personliche Kontakte aufgenommen zu haben. Dabei wurde festgestellt, dass „Neugierde“ (84,9 %) der mit Abstand am haufigsten genannte Grand fur die Aufnahme personlicher Kontakte ist, vor Partnersuche (19 %), Personensuche mit gleichen Interessen (16 %) und Zeitmangel, Leute auf anderem Weg kennen zu lernen (8,4 %). Bei uber drei Viertel (76,8 %) hat sich die Aufnahme des Kontaktes „zufallig ergeben“, nur bei 17,7 % war sie Absicht. 96,5 % dieser Personengruppe haben sich schon mal mit Bekannten aus Chat-Rooms getroffen, aber nur 39,1 % nahmen schon mal an Chattertreffen teil. Dabei werden auch langere Wegstrecken in Kauf genommen (siehe Abbildung 10).

Neun von 62 Personen (14,8 %) sind sogar zu einem Treffen schon ins Ausland gefahren. In diesen Fallen scheint neben den bereits erwahnten Interessen noch die Verbesserung der Sprachkenntnisse und das Kennenlernen anderer Kulturen im Mittelpunkt zu stehen.

3.2 Hinweise auf die zukunftige Entwicklung und Nutzung des Online-Chats

Dieses Kapitel soll einen Blick in die Zukunft des Online-Chat werfen und die Perspektiven im Sinne einer Zu- bzw. Abnahme seiner Nutzung aufzeigen. „Wurden Sie haufiger chatten, wenn Sie dies unter Idealbedingungen tun konnten?“ war in diesem Zusammenhang eine interessante Frage, die den Nutzern im Rahmen der in Kapitel 3.2 vorgestellten Studie gestellt wurde.

[...]


[1] Storrer, Angelika (2001): Sprachliche Besonderheiten getippter Gesprache: Sprecherwechsel und sprachliches Zeigen in der Chat-Kommunikation. In: BeiBwenger, Michael (Ed.): Chat-Kommunikation. Sprache, Interaktion, Sozialitat & Identitat in synchroner computervermittelter Kommunikation. Perspektiven auf ein interdisziplinares Forschungsfeld. Stuttgart, S. 3 - 24

[2] Schonfeldt, Juliane (2001): Die Gesprachsorganisation in der Chat-Kommunikation. In: BeiBwenger, Michael (Ed.): a.a.O., S. 25 - 53

[3] Hier sei als Beispiel genannt: Vogelgesang, Waldemar (2000): "Ich bin, wen ich spiele". Ludische Identitaten im Netz. In: Thimm, Caja (Ed.): Soziales im Netz. Sprache, soziale Beziehungen und Kommunikationskulturen im Internet. Opladen. Wiesbaden, S. 241 - 260

[4] z.B. bei Zoche, Peter, Kimpeler, Simone & Joepgen, Markus (2002): Virtuelle Mobilitat: Ein Phanomen mit physischen Konsequenzen? Zur Wirkung der Nutzung von Chat, Online-Banking und Online-Reiseangeboten auf das physische Mobilitatsverhalten, Springer, Berlin, S. 173

[5] Hoflich, Joachim & Gebhardt, Julian (2001): Der Computer als Kontakt- und Beziehungsmedium - Theoretische Verortung und explorative Erkundungen am Beispiel des Online-Chats. In: Medien & Kommunikationswissenschaft, 49. Jahrgang, 01/2001, S. 27

[6] Zoche, Peter, Kimpeler, Simone & Joepgen, Markus (2002), a.a.O., S. 173

[7] durch den Verfasser definiert

[8] Zoche, Peter, Kimpeler, Simone & Joepgen, Markus (2002), a.a.O., S. 173-226

[9] Vorgenommene Kategorisierung: „haufig“, „gelegentlich“, „selten“, „nie“

[10] Wenig = bis zu 3 Tagen/Woche; viel = an mindestens 4 Tagen/Woche

[11] Grafik entnommen aus: Zoche, Peter, Kimpeler, Simone & Joepgen, Markus (2002), a.a.O., S. 179

[12] Kinder = Personen unter 14 Jahre

[13] Grafik entnommen aus: Zoche, Peter, Kimpeler, Simone & Joepgen, Markus (2002), a.a.O., S. 194

[14] Grafik entnommen aus: Zoche, Peter, Kimpeler, Simone & Joepgen, Markus (2002), a.a.O., S. 195 20

[15] Grafik entnommen aus: Zoche, Peter, Kimpeler, Simone & Joepgen, Markus (2002), a.a.O., S. 196

[16] Grafik entnommen aus: Zoche, Peter, Kimpeler, Simone & Joepgen, Markus (2002), a.a.O., S. 209

[17] Grafik entnommen aus: Zoche, Peter, Kimpeler, Simone & Joepgen, Markus (2002), a.a.O., S. 212 23

[18] Grafik entnommen aus: Zoche, Peter, Kimpeler, Simone & Joepgen, Markus (2002), a.a.O., S. 221

[19] Grafik entnommen aus: Zoche, Peter, Kimpeler, Simone & Joepgen, Markus (2002), a.a.O., S. 195

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Der Online-Chat. Ein Element der computervermittelten Kommunikation
Hochschule
Universität des Saarlandes  (Fachbereich 5.6)
Veranstaltung
Hauptseminar Medienökonomie
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
35
Katalognummer
V23672
ISBN (eBook)
9783638267519
ISBN (Buch)
9783638684170
Dateigröße
1517 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Online-Chat, Hauptseminar, Medienökonomie
Arbeit zitieren
Martin Burgard (Autor:in), 2004, Der Online-Chat. Ein Element der computervermittelten Kommunikation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23672

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