Zuwanderung und Gewerkschaftsverhalten


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Das Modell
2.1 Die Produktionsfunktion
2.2 Die Festlegung des Lohns
2.3 Das staatliche Transfersystem
2.4 Die Zielfunktion der Gewerkschaft
2.5 Die Gewerkschaftsentscheidung bei verschiedenen Zielkonstellationen

3. Die Reaktion der Gewerkschaft auf zusatzliche Immigration
3.1 Die Reaktion bei unterschiedlichen Zielkonstellationen
3.2 Die Variation der Annahmen

4. Die Zuwanderungspolitik der Regierung
4.1 Die Effekte zusatzlicher Zuwanderung auf die Volkswirtschaft
4.2 Mogliche Strategien der Regierung

5. Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Migrationsprozesse werden durch die gravierenden Einkommensdifferenzen zwischen weniger entwickelten Landern, wie den Landern der dritten Welt, und hoch entwickelten Landern, wie Westeuropa oder den USA, ausgelost und durch Kriege und Burgerkriege, politische Verfolgung, okologische Katastrophen und wirt- schaftliche Not verstarkt. Die Einwohner der wirtschaftlich weniger entwickelten Lander sehen in der Migration eine Chance auf bessere Lebens- und Arbeits- bedingungen. Beispielsweise lag der Bruttostundenlohn fur einen Facharbeiter im verarbeitenden Gewerbe in Westdeutschland im Jahr 2000 etwa bei 28,50 DM. Ein Arbeiter mit entsprechenden Qualifikationen erhielt in West-Polen einen Stundenlohn von 4,80 DM, in Ost-Polen 2,70 DM, in der Slowakei lag der entsprechende Lohn noch niedriger.[1] Diese Einkommensdifferenz stellt einen groBen Anreiz fur eine verstarkte Mobilitat der Arbeitskrafte dar. Ein Land wie Deutschland steht durch das hohe Lohnniveau verbunden mit einem hohen Arbeitslosen- versicherungsniveau praktisch einem unendlichen Angebot an Immigranten gegenuber.[2]

Zugleich existiert in vielen wirtschaftlich hoch entwickelten Landern das Problem umfangreicher und dauerhafter Arbeitslosigkeit, vor allem im Bereich der ungelernten Arbeitskrafte. Aus diesem Grund lehnen beispielsweise Gewerkschaften die Zuwanderung von gering qualifizierten Arbeitskraften ab, da befurchtet wird, dass die bereits bestehende Beschaftigungsprobleme durch die Verdrangung einheimischer ungelernter Arbeiter durch Immigranten verstarkt werden. [3] Daneben bestehen Befurchtungen bezuglich weiterer negativer okonomischer und sozialer Folgen einer hohen Zuwanderung, z.B. die Uberlastung des Sozialsystems, die Veranderung der Gesellschaftsstruktur oder sozialer Unfrieden[4]

Die vorliegende Arbeit basiert auf dem Aufsatz „Mass migration, unions, and government intervention“ von Schmidt, Stilz und Zimmermann. Es wird ein Modell mit potentiell unbegrenzter Zuwanderung betrachtet, das die Auswirkungen des Mechanismus der Lohnsetzung als Ursache von Arbeitslosigkeit untersucht. Im Zentrum der Betrachtung steht dabei die Rolle der relativ stark zentralisierten Gewerkschaften in Europa, insbesondere in Deutschland, und ihr Einfluss auf den Lohn im Sektor der ungelernten Arbeitskrafte. Es wird gezeigt, unter welchen Voraussetzungen Immigration fur eine Volkswirtschaft wohlfahrtssteigernd sein kann und welche Moglichkeiten fur die Regierung bestehen, kontrollierte Zuwanderung als politisches Instrument zu nutzen. Im Unterschied zu fruheren Arbeiten wird eine Situation analysiert, in der das Problem der Massenmigration besteht, d.h. das Niveau der Zuwanderung ist lediglich durch staatliche Regulierung begrenzt. AuBerdem wird heterogene, gewerkschaftlich organisierte Arbeit eingefuhrt.[5]

Die Gliederung dieser Arbeit orientiert sich an dem oben genannten Aufsatz. Im zweiten Kapitel der Arbeit wird das zugrundeliegende Modell erlautert. Dabei wird zuerst auf die Produktionsfunktion und die Produktionsfaktoren eingegangen. Daraufhin werden die Faktoren dargelegt, welche die Determinierung des Lohns beeinflussen. Im nachsten Abschnitt wird die Rolle des Staates bzw. der Regierung in der Volkswirtschaft und das staatliche Transfersystem erortert, gefolgt von der Darstellung der gewerkschaftlichen Zielfunktion und den sich daraus ableitenden Lohnsetzungsstrategien der Gewerkschaft bei unterschiedlichen Zielkonstellationen, die anhand eines Referenzfalles verglichen werden. Im dritten Kapitel wird analysiert, wie die Gewerkschaft bei den verschiedenen Gewichtungen der Ziele auf zusatzliche Immigration reagiert und ob sich die Ergebnisse verandern, wenn die im zweiten Kapitel getroffenen Annahmen verandert werden. Im anschlieBenden vierten Kapitel werden mogliche Strategien fur die Zuwanderungspolitik der Regierung dargelegt, d.h. welche Moglichkeiten die Regierung hat, auf das okonomische Ergebnis der Volkswirtschaft Einfluss auszuuben. Zum Abschluss der Arbeit werden im letzten Kapitel die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst, kurz bewertet und mit anderen Aufsatzen verglichen.

2. Das Modell

2.1 Die Produktionsfunktion

Das Modell basiert auf einer neoklassischen aggregierten Produktionsfunktion. Die Kombination der drei Produktionsfaktoren Kapital K, Facharbeit oder hoch qualifizierte Arbeit S und ungelernte respektive gering qualifizierte Arbeit L ermoglicht die Produktion des Gutes Y: Y = F(K, S, L). Das Angebot an Produktionsfaktoren wird dabei im betrachteten Land als fix angenommen: K, S und N .[6] Es werden zwei verschiedene Falle betrachtet, die sich auf unterschiedliche Substitutionsbeziehungen zwischen den Produktionsfaktoren beziehen. [7] Im ersten Fall wird eine Technologie angenommen, in der Facharbeit und ungelernte Arbeit q- Komplemente sind, d.h. dass die marginale Produktivitat der Facharbeit bei stei gender Beschaftigung ungelernter Arbeiter ansteigt. Im zweiten betrachteten Fall wird angenommen, dass Facharbeit und ungelernte Arbeit q-Substitute sind, d.h. es besteht ein negativer Zusammenhang zwischen der marginalen Produktivitat der Facharbeiter und einem Anstieg der Beschaftigtenzahl von ungelernten Arbeitern. Des weiteren gilt die Annahme, dass der Einfluss des betrachteten Landes auf das Preisniveau zu vernachlassigen ist. Somit kann das exogen gegebene Preisniveau auf Eins normiert werden.[8]

Eine weitere Annahme ist, dass Immigranten kein Kapital ins Land einfuhren. Diese Annahme ist plausibel, da hier die Auswirkungen von Massenimmigration untersucht werden und daher im allgemeinen von mittellosen Fluchtlingen ausgegangen werden kann. In andere Ansatzen werden dagegen die Wohlfahrtswirkungen von Migration verbunden mit umfangreichen Kapitalflussen betrachtet.[9] Es wird im folgenden nur die Zuwanderung unqualifizierter Arbeitskrafte betrachtet, was wiederum mit der Voraussetzung der Massenmigration begrundbar ist. Zusatzlich ist anzumerken, dass im Herkunftsland erworbene allgemeine und berufliche Qualifikationen und Abschlusse nur in Ausnahmefallen anerkannt werden, was zur Folge hat, dass Immigranten oft trotz qualifizierter Abschlusse als ungelernte Arbeitskrafte eingestuft werden.[10] Fur Deutschland haben empirische Untersuchungen ergeben, dass Immigranten im Bereich der industriellen Produktion nahezu perfekte Substitute fur einheimische ungelernte Arbeiter sind. Fur inlandische Facharbeiter gilt diese Substitutionsbeziehung hingegen nicht.[11] Das Arbeitsangebot der Immigranten an ungelernter Arbeit M wird des weiteren als unelastisch angenommen. Das gesamte Arbeitsangebot an ungelernter Arbeit ist daher L = N + M . Des weiteren wird von potentiellen Effekten der Immigration auf die Nachfrageseite der Volkswirtschaft im folgenden abstrahiert. [12]

2.2 Die Festlegung des Lohns

Der Prozess der Lohnfestlegung orientiert sich im betrachteten Modell an der zentralisierten Struktur der europaischen Gewerkschaften. In Deutschland beispielsweise wird die Gewerkschaftsbewegung im wesentlichen vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), dem Dachverband der Arbeitnehmerverbande, kontrolliert. [13] Es wird angenommen, dass im Bereich der ungelernten Arbeitskrafte eine Monopolgewerkschaft uber den Lohn verhandelt, im Facharbeitersektor die Lohnfindung demgegenuber in einem kompetitiven Prozess stattfindet. Die Annahme ist realistisch, da der Organisationsgrad der Arbeitnehmer mit steigendem Einkommen abnimmt. Dies lasst sich unter anderem damit begrunden, dass die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft mit steigendem Einkommen teurer wird, da die Gewerkschaftsbeitrage als prozentuale Anteile am Einkommen bestimmt sind und der Nutzen der Gewerkschaft fur Arbeitnehmer mit hoheren Einkommen geringer ist, da Gewerkschaften eher an der Verbesserung der unteren und mittleren Einkommen sowie der Verringerung der Einkommensunterschiede interessiert sind.[14] Eine alternative Begrundung liefert das „Verweildauer-Modell“: Hoch qualifizierte Arbeitnehmer wechseln auf Grund der langeren „Karriereleiter“ ofter das Unternehmen als gering qualifizierte, deshalb ist die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft fur hoch qualifizierte Arbeiter weniger interessant.[15]

Die folgenden Untersuchungen basieren auf dem neoklassischen Standardmodell der Monopolgewerkschaft.[16] Die Gewerkschaft setzt unilateral den Lohn wL im Markt fur ungelernte Arbeit. Daraufhin wahlen die Arbeitgeber die Beschaftigung L * entsprechend der Gleichung:

wL = Fl (K, S, L*). (1)

Jeder Lohn, der den Wettbewerbslohn uberschreitet, verursacht Arbeitslosigkeit auf dem Markt fur ungelernte Arbeit. Der Lohn fur Facharbeiter wird implizit uber den Lohn fur ungelernte Arbeitskrafte festgelegt: [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] .[17] Die Kapitalrendite betragt Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten ist also eine Funktion des eingesetzten Kapitals, der eingesetzten qualifizierten Arbeit und der optimalen unqualifizierten Beschaftigung, abzuglich der Lohnkosten fur Facharbeiter und der Lohnkosten fur ungelernte Arbeitskrafte. Der Vertragslohn, der von der Gewerkschaft festgelegt wird, gilt fur alle ungelernten Arbeitskrafte, d.h sowohl fur Inlander als auch fur Immigranten. Diese Annahme entspricht der deutschen Gesetzgebung, die eine Bezahlung von Immigranten unter Gewerkschaftslohn verbietet, wenn Immigranten und Inlander gleich qualifiziert sind, bzw. die Tariflohne fur allgemeinverbindlich erklart. [18]

Es wird angenommen, dass fur jeden gegebenen Reallohn und jede daraus resultierende Beschaftigung der Anteil a der ungelernten Beschaftigung, der von Inlandern gehalten wird, N = a-L, gleich ihrem Anteil an der gesamten ungelernten Arbeitskraft ist:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aus dieser Annahme folgt eine betrachtliche Fluktuation im Arbeitsmarkt, da neu ins Land kommende Immigranten standig den Anteil der Inlander an der ungelernten Arbeitskraft senken, da der Nenner in (3) groBer wird.[19]

[...]


[1] Vgl. DGB (2001), S. 1 ff.

[2] Vgl. Schmidt et al. (1994), S. 186.

[3] Vgl. Putzhammer (2002), S. 5.

[4] Vgl. Schmidt et al. (1994), S. 186.

[5] Vgl. Schmidt et al. (1994), S. 186 ff

[6] Vgl. Schmidt et al. (1994), S. 188.

[7] Vgl. Sato/Koizumi (1973).

[8] Vgl. Schmidt et al. (1994), S. 188.

[9] Vgl. Berry/Soligo (1969).

[10] Vgl. DGB (2001), S. 18.

[11] Vgl. Schmidt (1992).

[12] Vgl. Schmidt et al. (1994), S. 189.

[13] Vgl. Pege/Wolke (1987), S. 5 f.

[14] Vgl. Schnabel/Pege (1992), S. 74 ff.

[15] Vgl. Winkelhake (1994), S. 166 ff.

[16] Vgl. Winkelhage (1994), S. 32 ff.

[17] Vgl. Schmidt et al. (1994), S. 190.

[18] Vgl. Lowisch/Rieble (1992), S. 308 ff.; S. hierzu auch Winkelhake (1994), S. 16 ff.

[19] Vgl. Schmidt et al. (1994), S. 190.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Zuwanderung und Gewerkschaftsverhalten
Hochschule
Universität zu Köln  (Finanzwissenschaftliches Institut )
Veranstaltung
Finanzwissenschaftliches Hauptseminar
Note
1,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
22
Katalognummer
V23464
ISBN (eBook)
9783638265836
ISBN (Buch)
9783638647977
Dateigröße
543 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zuwanderung, Gewerkschaftsverhalten, Finanzwissenschaftliches, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Jens Mennigmann (Autor:in), 2003, Zuwanderung und Gewerkschaftsverhalten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23464

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Zuwanderung und Gewerkschaftsverhalten



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden