Die Darstellung der Hölle und des Teufels in der Historia von D. Johann Fausten


Seminararbeit, 2011

34 Seiten, Note: 5 (Schweiz)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Antike und ältere Kulturen

3. Die Bibel
3.1. Altes Testament
3.1.1. Die Hölle im AT
3.1.2. Der Teufel im AT
3.2. Neues Testament
3.2.1. Hölle im NT
3.2.2. Der Teufel im NT
3.2.3. Die Offenbarung des Johannes

4. Apokryphe Apokalyptik

5. Profane Visionsliteratur
5.1. Visio tnugdali
5.2. Dantes Höllentrichtermotiv

6. Historia von D. Johann Fausten
6.1. Die Hölle bei Faust
6.1.1. Die grobe Einteilung der Hölle mit ihren Regimentern
6.1.2. Die Quelle für die zehn Regimente der Hölle
6.2. Fausts konkrete Fragen zur Hölle an Mephistophiles
6.3. Faustus` imaginierte Höllenfahrt
6.4. Der Teufel bei Faust

7. Schlusswort

8. Bibliographie

9. Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

Es scheint ein Grundbedürfnis des Menschen zu sein, Ordnung in seine unmittelbar erfahrbare Umwelt bringen zu wollen. Das Christentum mit seiner Einteilung der eschatologischen Grundeinheiten, wie Himmel und Hölle, ist nicht losgelöst von anderen Traditionen entstanden, sondern muss als Bündelung verschiedenster Einflüsse älterer Kulturen betrachtet werden. Fundamentalen Einfluss auf die christlichen Vorstellungen nahmen sicherlich die Auffassungen der antiken Griechen und Römer sowie diejenigen der Bewohner des alten Mesopotamiens (Babylonier, Assyrer, Sumerer usw.) und Ägypter. Die Bibel ist in diesem Zusammenhang, als „Schmelztiegel“ verschiedener Kulturen und Vorstellungen zu sehen. Dabei ist der biblische Kanon, wie er sich heute präsentiert, über längere Zeit und von verschiedenen Autoren kompiliert worden. Dieser Prozess begann circa im 1.Jh. v. Chr. und fand im 4.Jh. n. Chr. seinen Abschluss. Durch Übersetzungen vom hebräischen Text in die griechische Koiné (Septuaginta) und später wiederum deren Umschrift ins Lateinische (Vulgata) bewirkte zum Teil Verschiebungen von Wortbedeutungen oder es wurden Wörter aus einem Kulturkreis, welche kein Pendant in der anderen Sprache hatten, einfach beibehalten, so dass wir für gewisse Dinge (z.B. den Teufel) mehrere Bezeichnungen haben.

In meiner Arbeit möchte ich analysieren, wie der Raum der Hölle in dem reformierten Volksbuch der Historia von D. Johann Fausten dargestellt wird. In einem Vergleich zwischen sakralen und profanen Texten sowie der Bibel selbst möchte ich auf etwaige Differenzen vom Fausttext aufmerksam machen und einige Thesen zu deren Erklärung anbieten, sofern man denn Differenzen ausmachen kann. Die Grundfragen wären demnach: Wie wird der Raum der Hölle im Faustbuch beschrieben? Wie wird die Figur des Teufels rein äusserlich dargestellt? Gibt es Unterschiede zur Bibel oder anderen wichtigen Werken, welche die Hölle darzustellen versuchen? Mein Ansatz ist vorwiegend ein relativer. Durch den Vergleich von breitgestreuten Texten werden möglicherweise gewisse epochale Tendenzen oder historische Erkenntnisse zusätzlich gewonnen.

Der Aufbau der Arbeit gestaltet sich folgendermassen: Zunächst werde ich mit einem kurzen historischen Abriss zur Unterwelt in die Thematik einführen. Danach soll die Darstellung der Hölle ganz konkret im Alten und Neuen Testament untersucht werden, damit wir die sakralen Elemente der Höllendarstellung als solche bei einem späteren Vergleich mit profanen Texten wiedererkennen. Danach untersuche ich die apokryphe Apokalyptik auf ihre Merkmale zur Unterwelt. Ich werde vor allem auf die Paulus Apokalypse eingehen, welche ein sehr wichtiges Werk im Bezug auf die alltäglichen Vorstellungen zu Teufel und Hölle im Mittelalter war. Die Apokryphen wurden nach der Kanonisierung der Bibeltexte in ihrer Wichtigkeit zurückgestuft und geraten auch heute gerne in Vergessenheit. Doch gerade zur Höllenbeschaffenheit spielen diese Texte eine sehr wichtige Rolle, wie später noch gezeigt werden soll. Danach wird das profane Werk visio tnugdali aus dem Jahre 1149 untersucht werden. Dieser Vertreter der Visionsliteratur des Mittelalters soll zeigen, wie die sakralen Motive und Vorstellungen in die profane Kultur aufgenommen wurden und ob es eventuell zu Erweiterungen kam. In einem nächsten Schritt wenden wir uns Dantes Komödie zu, um seine Umsetzung der Thematik kurz und prägnant anzuschauen. Zu guter Letzt soll das Faustbuch genauer betrachtet werden. Man wird dann erkennen können, ob es zu einem Bruch mit der Darstellungstradition der Hölle seit der Bibel gekommen ist oder nicht. Durch diese vergleichende Methode werden Innovationen oder Wiederholungen alter Erzählmuster schnell zum Vorschein kommen.

Bei einem ersten Überblick der Texte, welche ich hier untersuche, muss schnell klar werden, dass diese Arbeit evidenter Weise keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Aber zumindest soll eine diachrone Entwicklung der Höllenmotivik, innerhalb der profanen wie sakralen Literatur gezeigt werden, was als Beleg für die ständige Reflexion des Menschen über die „böse Macht“ und ihre Beschaffenheit angesehen werden kann.

2. Antike und ältere Kulturen

Die älteren Kulturen dachten sich die Unterwelt nicht als transzendentale Grösse, wie das heute der Fall ist, sondern für sie war dieser Ort real und konkret existent.[1] Sie wurde sich – wie der Begriff Unterwelt veranschaulicht – als „unter der Welt“ befindlich, vorgestellt. Alle älteren Kulturen kannten die Unterwelt, als den Ort wohin die Toten gehen, doch zu dieser Zeit war dieser Bereich noch kein Platz der Qualen im Sinne der christlichen Hölle.

Aus demmesopotamischen Raum sind uns vor allem Zeugnisse aus dem Gilgamesch-Epos erhalten. Darin lesen wir von Gilgameschs Unterweltsfahrt, in der er seinen Freund Enkidu aus dieser befreien möchte. Das Leben der Geister dort ist trostlos und düster.[2] Obwohl die Unterwelt noch keine moralische Einfärbung hat, stösst man bereits in diesem Text auf einige Geister die glücklicher sind als andere. Die Unglücklicheren nennen sich `Edimmu` und sind die Geister derjenigen Menschen, welche abrupt aus dem Leben gerissen wurden oder solche, welche nach ihrem Ableben keine Bindungen mehr zu den Lebenden haben. D. h. Verunfallte, Kriegsopfer oder diejenigen, welche keine Bestattung bekamen. Des weiteren trifft man auf schwangere Frauen, mannbare Töchter, Jungfrauen, Prostituierte usw.[3]

Aus demägyptischen Raum kennen wir viele Zeugnisse zur Unterwelt, da es sich um eine sehr lang andauernde Hochkultur handelt. In den ältesten Vorstellungen ist die Einstellung der Menschen gegenüber der Unterwelt noch sehr positiv und wird als eine Art Verlängerung des diesseitigen Lebens betrachtet.[4] Später hören wir bereits bei den Ägyptern von einem Richterurteil über den Toten. Er muss sich nach seinem Ableben vor 42 Richtern verantworten.[5] D. h. die positive Einstellung gegenüber dem Jenseits ist in dieser Epoche gewichen und das Volk wird für ethische Vorstellungen sensibilisiert. In der ägyptischen Version der Hölle werden ihre Insassen im eigenen Verwesungsgestank von einem Heer von Dämonen bestraft. Dabei sind sie taub und blind, da es derart dunkel in der Unterwelt ist. Diese Verschiebung der Vorstellung über die Unterwelt innerhalb einer Kultur lässt sich durch ihre Instrumentalisierung erklären. Die negativere Vorstellung der Hölle wurde als soziales Erziehungsmittel eingesetzt, um das Volk zu einem gesellschaftlich verantwortungsbewussten Handeln nach moralischen Regeln zu bewegen.[6]

In dergriechischen Vorstellung hören wir innerhalb des Hades, der Unterwelt, das erste Mal von einem Ort, in dem die Insassen ewig gepeinigt werden. Platon wird als erster Denker ewiger Strafen in einem speziellen Teil des Hades, dem Tartaros, gesehen.[7] Den Tartaros kann man eher mit der christlichen Hölle vergleichen, weil dort spezifische Verfehlungen bestraft werden und somit eine moralische Komponente der Unterwelt eingeschrieben ist.[8]

Die griechische Hochkultur ist in vielen Belangen, als die prägende Instanz der heutigen westlichen Welt anzuerkennen. Dies trifft auch auf die Konzeption der Höllenvorstellungen zu. Alle späteren Ansichten über die Unterwelt sind lediglich als Modifikationen der griechischen Version zu sehen. Doch die griechische Unterwelt ist im Kern wenig religiös. Sie muss im Kontext ihrer Entstehung gesehen werden. Literarische Einflüsse kamen aus dem Zweistromland. Hesiod und Homer schildern in ihren Texten Entstehungsmythen und reflektieren darüber hinaus, an gewissen Stellen über das Schicksal des Menschen nach dem Tod. Bei Platon kommt das ethisch-moralische Element dazu, was im Kontext seines Gesamtwerkes wenig überrascht. Er wollte die Philosophie und mit ihr den Philosophen an der Spitze des Staates sehen und rief das Volk in seinen Schriften zu moralisch-vernünftigem Handeln auf. Wenn dieses nach dem Tod durch eine Belohnung dem Volk schmackhaft gemacht wurde, erschien das Einhalten seiner ethischen Vorgaben sicherlich in einem reizvolleren Licht. Platon kann somit in der Tradition der Instrumentalisierung der Unterwelt (Tartaros) gesehen werden. Die Angst der Menschen vor etwas Unbekanntem ist noch heute die wirkungsvollste Manipulationsstrategie.

In derhebräischen Kultur nannte man die Unterwelt Scheol. Der Raum der Scheol lässt sich ursprünglich in das altorientalisch-babylonisch geprägte Weltbild einbetten, welches drei Stockwerke beinhaltet. Oben ist der Himmel (Firmament mit den Gestirnen), in der Mitte die scheibenförmige Erde und unter der Erde befindet sich die Scheol, welche ein trostloser Ort ist, an dem die Verstorbenen in einem freudlosen Zustand dahindämmern.[9]

3. Die Bibel

3. 1 Altes Testament

3.1.1 Die Hölle im AT

Einleitend ist zu sagen, dass die Unterwelt nur sehr selten im AT erwähnt wird. Im Buch Hiob hören wir diesen über das kurze Leben klagen, nachdem er seinen Reichtum, seine Gesundheit und sein Ansehen verloren hat:

„Ist denn mein Leben nicht kurz? So höre auf und lass ab von mir, dass ich ein wenig erquickt werde, ehe denn ich hingehe - und komme nicht zurück – ins Land der Finsternis und des Dunkels, ins Land, wo es stockfinster ist und dunkel ohne alle Ordnung, und wenn`s hell wird, so ist es immer noch Finsternis.“[10]

Eine weitere Stelle im Buche Hiob lautet: „Haben sich dir des Todes Tore je aufgetan, oder hast du gesehen die Tore der Finsternis?“[11] Diese rhetorische Frage gibt Gott Hiob als Antwort auf seine Fragen zum Geheimnis der Schöpfung. Aus diesen zwei Zitaten erkennen wir, dass die Unterwelt: Ein Land ohne Wiederkehr ist, ein Land der Finsternis, selbst wenn`s hell wird, dort keine Ordnung herrscht und sie durch Tore verschlossen ist.[12] Diese Vorstellungen erinnern uns stark an die mesopotamische Version der Unterwelt. Diese Auffassung von der Hölle wird durch Hinweise in einzelnen Psalmen bestätigt und zum Teil noch ergänzt.[13]

3.1.2 Der Teufel im AT

„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, […]“[14] Dies ist der Beginn der Genesis und wurde so von Luther ins Deutsche übersetzt. Der Ausdruck `wüst und leer` heisst im hebräischen Text tohuwabohu und bedeutet soviel wie `das Oben und Unten durcheinander`.[15] In der Septuaginta wurde tohuwabohu mit dem griechischen chaos wiedergegeben. Bei der Namensgebung des Bösen verhält es sich ganz parallel. Das hebräische Wort satan wurde in der Septuaginta mit dem Ausdruck diabolos übersetzt, was eigentlich `Durcheinanderwerfer` bedeutet.[16] Letzten Endes lässt sich folglich Gott als Ordnungsinstanz interpretieren. Er bringt durch der Erschaffung der Welt Ordnung in den Kosmos. Diese Anschauung, Ordnung vs. Chaos, ist klar in der griechischen Philosophie beheimatet.[17] Vom griechischen Wort diabolos lässt sich das deutsche Wort Teufel leicht herleiten.[18]

Das hebräische Wort satan heißt `Feind` oder `Widersacher` und ist im AT an einigen Textstellen zu finden. Es trägt aber nicht die Bedeutung der spezifischen Personifikation des Bösen, sondern wird ursprünglich als Begriff für jeden Schädiger vor Gericht oder im Krieg gebraucht.[19] Im AT trifft man die Dichotomie von Ordnung/ Unordnung als fundamentalen Gedanken an. Die Figur des Teufels in Form eines notorischen moralischen Verführers oder des Bösen per se existiert im AT nicht. Vielmehr ist Gott bestrebt, Ordnung im Chaos zu schaffen.

Es gibt im volkstümlichen Sprachgebrauch noch einen anderen Begriff für das Böse, es ist dies derjenige des Beelzebub. Im zweiten Buch der Könige, gleich am Anfang, liest man den Namen baal sebub.[20] Er wird an genannter Stelle auch als „Gott von Ekron“ bezeichnet. Der kranke Ahasja schickt einen Boten zum Gott von Ekron, anstelle des wahren Gottes, um ihn um Genesung zu bitten. Dieser abtrünnige Glaube an den Gott baal sebub, kostet ihn in der Folge der Erzählung das Leben.[21] Durch diese Erzählung wird ein Exempel statuiert und unterstrichen, dass es nur einen wahren Gott gibt. Der hebräische Ausdruck baal zebul bedeutet `erhabener Fürst`.[22] In einem Wortspiel wird daraus baal sebub (oder zebub) und das wiederum heisst `Mistgott` oder `Herr der Fliegen`. Die heidnische Gottheit wird so von den Autoren dieses Buches der Könige noch zusätzlich ins Lächerliche gezogen. Diese Verhöhnung des Gottes von Ekron sollte die letzten polytheistischen Tendenzen ausmerzen.

3.2 Neues Testament

3.2.1 Hölle im NT

Im NT liest man viel mehr über den Teufel und seine Helfer als noch im AT, doch über die konkrete räumliche Beschaffenheit der Hölle erfährt man sehr wenig. Im Evangelium des Matthäus gibt es eine Textstelle, die einen kurzen Einblick in die Höllenvorstellung zur Zeit des Jüngsten Gerichts gibt:

„So wird es auch am Ende der Welt gehen: Die Engel werden ausgehen und die Bösen von den Gerechten scheiden und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird Heulen und Zähneklappern sein.“ [23]

Die Hölle wird als gigantischer Feuerofen geschildert. Eine Vorstellung, welche wir schon bei den alten Ägyptern angetroffen hatten. Weiter unten im Matthäusevangelium wird die Hölle erneut als Ort, in dem „das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!“, beschrieben.[24]

3.2.2 Der Teufel im NT

Im Brief des Apostels Paulus an die Epheser lesen wir:

„Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.“[25]

Dazu lesen wir mehr im Judasbrief:

„Auch die Engel, die ihren himmlischen Rang nicht bewahrten, sondern ihre Behausung verliessen, hat er für das Gericht des grossen Tages festgehalten mit ewigen Banden in der Finsternis.“ [26]

Zieht man diese Stelle zu Rate, erkennt man, dass die Helfer des Teufels in Wahrheit gefallene Engel sind, welche in der Finsternis ausharren müssen. Über den Teufel selbst gibt es ganz prominente Stellen im NT. Allen voran im Johannesevangelium. Der Verrat des Judas Ischariot wird von Johannes als Werk des Teufels dargestellt. Während des letzten Abendmahls, als Jesus den Verrat antizipiert, steht:

„Und als der [Judas] den Bissen nahm, fuhr der Satan in ihn. Da sprach Jesus zu ihm: Was du tust, das tue bald!“ [27]

An zwei weiteren Textstellen wird der Teufel auch im NT mit dem Namen Beelzebul, wie schon im AT, in Verbindung gebracht. Der Begriff Beelzebul entwickelt sich mit der Zeit von der ursprünglichen Bedeutung `Anführer gewisser Dämonen` zum äquivalenten Wort für den Teufel selbst.[28]

Im Allgemeinen wird dem Teufel im NT die Fähigkeit zugesprochen, den Menschen in den Sinn fahren zu können. Dazu gibt es diverse Beispiele im Markusevangelium. Jesus hat durch Gott die Kraft, diese Dämonen oder den Teufel auszutreiben. Es gibt im NT aber auch Passagen, in denen Jesus tatsächlich auf die Figur des Teufels trifft. Dies ist bei den Versuchungsszenen in mehreren Evangelien der Fall.[29] Bei Markus wird bloss erwähnt, dass Jesus vom Satan versucht wird. Bei Lukas und Matthäus werden konkrete Versuchungen des Teufels genannt.[30] An diesen Stellen wird über das Äussere des Teufels nichts gesagt. Sein Aussehen ist für die Erzählung der Versuchungen nicht von Bedeutung. Die Figur des Teufels fungiert als Versuchungsinstanz ohne jede Körperlichkeit.

3.2.3 Die Offenbarung des Johannes

Wie aus meinen bisherigen Ausführungen erkennbar wird, erhält der Bibelleser nicht viele Informationen über die Hölle. Weder zum Aussehen des Teufels noch zur Struktur des Höllenraumes wird ausführlich etwas geschrieben. Die Offenbarung des Johannes bietet, mit ihren sehr bildlichen Textinhalten, noch die meisten Anhaltspunkte. Ihr Inhalt wurde häufig von anderen Texten verarbeitet und diverse Künstler benutzten die Darstellungen aus der Offenbarung als Vorbild für ihre eigenen Interpretationen des Teufels. Dies bedeutet, dass dieser Text, innerhalb des gesamten biblischen Kanons, sicherlich den grössten Einfluss auf die mittelalterliche Vorstellung über die Hölle und ihren Herrscher ausübte.[31] Eine konkrete Beschreibung des Teufels finden wir zu Beginn des 12. Kapitels:

„Und es erschien ein anderes Zeichen am Himmel, und siehe, ein grosser, roter Drache, der hatte sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen Häuptern sieben Kronen, und sein Schwanz fegte den dritten Teil der Sterne des Himmels hinweg und warf sie auf die Erde.“ [32]

Der Teufel nimmt die Gestalt eines Untiers, eines Drachens, mit mehreren Köpfen an, was wir in dieser Form bisher noch nirgends gelesen haben. Eine solche Darstellung des Teufels hinterlässt einen viel grösseren Eindruck bei einem zeitgenössischen Betrachter. Im Faustbuch wird der Teufel an einer Stelle ebenfalls als Drache beschrieben, doch darauf werde ich weiter unten noch zu sprechen kommen. Die Darstellung des Teufels als Drache hatte einen einschüchternden Effekt auf das breite Volk und schuf grosse Ehrfurcht vor der Hölle.

Etwas weiter unten in der Offenbarung wird über den Kampf zwischen dem Teufel und dem Himmel berichtet. Der Drache (Teufel) wird, samt seinen Dämonen (zu diesem Zeitpunkt sind sie noch Engel!), vom Erzengel Michael und den restlichen Engeln aus dem Himmel gestürzt.[33] Dieses Sturzmotiv des Teufels findet sich in vielen profanen Werken. Bei Dante beruht die gesamte Topographie von Inferno, Purgatorio und Paradiso darauf (Abb. 1). Auch im Faustbuch lesen wir im Kapitel 12 vom Sturz Lucifers und den verschiedenen Engelsarten. Im 20. Kapitel der Offenbarung erfährt man weiter, dass ein Engel den Teufel im Abgrund ankettet und ihn für 1000 Jahre fesselt.[34] Oben versiegelt er den Eingang noch zusätzlich, „damit er die Völker nicht mehr verführen sollte, […]“.[35] Den Endsieg über den Teufel erringt der Himmel, als nach Ablauf der 1000 Jahre, dieser freigelassen werden und eine neue Armee aufstellt haben wird. Der Sieg wird folgendermassen geschildert:

„[...] fiel Feuer vom Himmel und verzehrte sie [die Armee und ihren Führer]. Und der Teufel, der sie verführte, wurde geworfen in den Pfuhl von Feuer und Schwefel, wo auch das Tier und der falsche Prophet waren; und sie werden gequält werden Tag und Nacht, von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ [36]

In diesem Zitat tauchen zwei Topoi auf, welche man später in fast allen mittelalterlichen Texten über Jenseitsvorstellungen wiederfinden kann: Der Schwefel und die ewige Qual. Beide Motive lösen bei jedem Rezipienten sofort Assoziationen zur Hölle aus und haben für den christlichen Glauben in der Offenbarung ihren Ursprung. Die ewige Qual ist uns schon im Tartaros der griechischen Mythologie begegnet – daran erkennt man schon, dass es sich um einen Topos handelt – doch wird sie der christlichen Vorstellung von Hölle erst hier, nach dem Sturz des Teufels, eingeschrieben und verstärkt den Kontrast der beiden Antipoden Himmel und Hölle.

[...]


[1] Dinzelbacher, Die letzten Dinge (1999). S. 18

[2] Minois, Hölle- Kleine Kulturgeschichte der Unterwelt (2000). S. 20

[3] Minois, Hölle- Kleine Kulturgeschichte der Unterwelt (2000). S. 21

[4] Vorgimmler, Geschichte der Hölle (1993). S. 35

[5] Symbolisch wird sein Herz auf die eine Waagschale und die Gottheit der Wahrheit (Mâet) auf die andere gelegt. Daneben lauert das Ungeheuer Ammit mit Krokodilskopf und einem Körper, der zur Hälfte Löwe und Nilpferd ist. Besteht der Tote nicht vor den Richtern, wird er verschlungen. An anderer Stelle hören wir, dass sie verbrannt oder geköpft werden. Dieser zweite ist ihr endgültiger Tod. Im Reich des Apophis, dem Gott der Finsternis, begegnen wir sehr oft dem Element des Feuers als Strafmittel. Es wird in den Quellen von Feuergruben, Feuerfallen und sogar Feuerseen berichtet, in denen die Toten zum zweiten und letzten Mal gerichtet werden.

[6] Vorgimmler, Geschichte der Hölle (1993). S. 37

[7] Lang, Himmel und Hölle von der Antike bis heute (2003). S. 23

[8] Ausgeführt werden die Strafen von den Erinyen (lat. Furien), es sind dies Frauengestalten, welche keine mildernden Umstände gelten lassen und den Seelen im Tartaros zusetzen. Die bekanntesten „Bewohner“ des Tarataros sind sicherlich Sisyphos und Tantalos.

[9] Vorgimmler, Geschichte der Hölle (1993). S. 19 Denjenigen, welche noch mehr über die Unterwelten in älteren Kulturen erfahren möchten, empfehle ich das Buch: Herbert Vorgimmler, Geschichte der Hölle, 1993.

[10] Hiob 10, 20-22

[11] Hiob 38, 17

[12] Vorgimmler, Geschichte der Hölle (1993). S. 20

[13] „Denn meine Seele ist übervoll an Leiden, und mein Leben ist nahe dem Tode. Ich bin denen gleich geachtet, die in die Grube fahren, ich bin wie ein Mann, der keine Kraft mehr hat. Ich liege unter den Toten verlassen, wie die Erschlagenen, die im Grabe liegen, derer du nicht mehr gedenkst und die von deiner Hand geschieden sind. Du hast mich in die Grube gelegt, in die Finsternis und in die Tiefe.“ Ps 88, 4-7

[14] Gen 1, 1

[15] Wollscheid, Personifikationen des Bösen (2007). S. 16

[16] Ibid. S. 16

[17] Ibid. S. 17 gr. Kosmos= Ordnung.

[18] Durch die Völkerwanderungen vom 3. bis 6. Jh. n. Chr. dringt das Wort in die germanischen Sprachen und wird durch Lautverschiebung (d wird zu t und b zu f) assimiliert. Schwächt man beim Wort tiafolos noch die Endung ab, entsteht tiafol und daraus entstand das ahd. tiufel.

[19] Ibid. S. 17

[20] „Und Ahasja fiel durch das Gitter in seinem Obergemach in Samaria und wurde krank. Und er sandte Boten und sprach zu ihnen: Geht hin und befragt Baal Sebub, den Gott von Ekron, ob ich von dieser Krankheit genesen werde.“ 2 Kön 1,2

[21] 2 Kön 16

[22] Wollscheid, Personifikationen des Bösen (2007). S. 24

[23] Mt 13, 49-50

[24] Mt 25, 41

[25] Eph 6, 12

[26] Jud 6

[27] Joh 13, 27.

[28] Mk 3, 22 Die analoge Stelle bei Markus lautet: „[…] Er [Jesus] hat den Beelzebul, und: Er treibt die bösen Geister aus durch ihren Obersten.“ Interessanterweise entstand daraus das geflügelte Wort „den Teufel mit dem Beelzebub austreiben“, was soviel bedeutet, wie der Versuch ein Übel mit einem anderen Übel bekämpfen zu wollen. Wollscheid, Personifikationen des Bösen, (2007). S. 24.

[29] „Und alsbald trieb ihn der Geist in die Wüste; und er war in der Wüste vierzig Tage und wurde versucht von dem Satan und war bei den wilden Tieren, und die Engel dienten ihm.“ Mk 1, 12.

[30] Jesus wird in die Wüste geführt und muss dort vierzig Tage fasten. Danach wird er vom Teufel versucht Steine in Brot zu verwandeln. Später wird er auf eine hohe Zinne eines Tempels in Jerusalem geführt, mit der Bitte sich hinunter zu stürzen, um von den Engeln gerettet zu werden. Bei der letzten Versuchung zeigt der Teufel Jesus von einem hohen Berg aus alle Reiche der Welt und verspricht ihm diese: „Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.“ Jesus widersteht allen Versuchungen und antwortet mit Zitaten aus dem AT.

[31] Wollscheid, Personifikationen des Bösen, (2007). S. 45

[32] Offb 12, 3-5

[33] „Und es entbrannte ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel, und sie siegten nicht und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel. Und es wurde hinausgeworfen der grosse Drache, die alte Schlange, die da heisst: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt und er wurde auf die Erde geworfen, und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen.“ Offb 12, 7-9

[34] „Und ich sah einen Engel vom Himmel herabfahren, der hatte den Schlüssel zum Abgrund und eine grosse Kette in seiner Hand. Und er ergriff den Drachen, die alte Schlange, das ist der Teufel und der Satan, und fesselte ihn für tausend Jahre und warf ihn in den Abgrund und verschloss ihn und setzte ein Siegel oben darauf, […], bis vollendet würden die tausend Jahre. Danach muss er losgelassen werden eine kleine Zeit.“ Offb 20, 1-4

[35] Offb 20, 3

[36] Offb 20, 7-10

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Die Darstellung der Hölle und des Teufels in der Historia von D. Johann Fausten
Hochschule
Universität Basel  (Deutsches Seminar)
Note
5 (Schweiz)
Autor
Jahr
2011
Seiten
34
Katalognummer
V233697
ISBN (eBook)
9783656502210
ISBN (Buch)
9783656503194
Dateigröße
2710 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
darstellung, hölle, teufels, historia, johann, fausten
Arbeit zitieren
Bachelor Sandro Tschuor (Autor:in), 2011, Die Darstellung der Hölle und des Teufels in der Historia von D. Johann Fausten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/233697

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