Das High-Performance-Paradigma

Eine kritische Analyse


Diplomarbeit, 2012

82 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Ausgangspunkt der Arbeit bzw. kurzer Überblick über das Thema
1.2. Problemstellung und Forschungsfrage der Arbeit
1.3. Vorgehensweise und Gang der Untersuchung

2. Theoretische Grundlagen
2.1. Strategisches Human Resource Management
2.2. Resource-based View
2.3. Ansätze des SHRM
2.3.1. Universalistischer Ansatz
2.3.2. Kontingenzansatz
2.3.3. Konfigurationaler Ansatz

3. HR-Systeme und HR-Praktiken
3.1. Konzeptualisierung von HR-Systemen, Personalpolitik und HR-Praktiken
3.2. High-Performance Work Practices
3.3. Bewertung des HPWS und seiner verwandten HR-Systeme
3.4. „Commitment“- und „Control“-Ansätze

4. Direkte und indirekte Kosten durch HPWSs
4.1. HRM-Ziele des Managements in verschiedenen Kontexten
4.2. Implementierungskosten
4.3. Transaktionskosten
4.4. Unterschiedliche Arbeitnehmergruppen
4.5. Kosten und Nutzen des Vertrauens
4.6. Differierende Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen
4.7. Erhöhung der Arbeitskosten durch HPWSs
4.8. Kosten der Transformation
4.9. Kosten durch die Intensivierung der Arbeit
4.10. Abnehmende Grenzerträge und komplementäre HPPs

5. Allgemeine Kritik
5.1. Kritik an der verwendeten Methodik empirischer Studien
5.2. Kritik an der theoretischen Grundlage

6. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Vier Konfigurationen von „Involvement“ und „Intensification“ HR- Systemen

Abbildung 2: Die Ziele des HRM.

Abbildung 3: Human Capital Characteristics and Employment Modes

Abbildung 4: Die Beziehung von HPWSs und der Unternehmensperformance in der Hightech Branche

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Querschnittstudien und Längsschnittstudien

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1. Ausgangspunkt der Arbeit bzw. kurzer Überblick über das Thema

Das Forschungsfeld „Betrieblicher Beschäftigungssysteme“ basiert auf einer langen Tradition und hat somit in der Vergangenheit zu vielfältigen Variationen von Ansätzen geführt (Alewell & Hansen 2012:91). Einem dem strategischen Human Resource Management (SHRM) zugehörigen Zweig dieses Forschungsfeldes beschäftigt sich mit der Thematik innovativer Arbeitsformen und HR-Praktiken (Human Resource Management Praktiken), den „High Performance Work Practices“ (HPPs). Dezentralisierung durch Gruppenarbeit oder Centerkonzepte, eine Verflachung von Hierarchien, leistungsabhängige Entlohnungssysteme, Jobrotation und Weiterbildungsmaßnahmen sind nur ein paar Beispiele für HPPs. Werden diese HPPs gebündelt und aufeinander abgestimmt, kommt es im Resultat zu einem System, das als „High Performance Work System“ (HPWS) bezeichnet werden kann. Kerngedanke und die wesentliche Logik hinter diesem High-Performance-Paradigma ist, dass diese Praktiken die Arbeitnehmer dazu befähigen und motivieren sich weiterzuentwickeln, ihr Wissen zu teilen und ihre Fähigkeiten anzuwenden. In der Folge soll durch diesen Prozess die Qualität des Arbeitsplatzes gesteigert werden und in einer Leistungssteigerung für die gesamte Unternehmung münden (Godard 2004:349). Die exakten Ausgestaltungen eines HPWS differieren allerdings mit den verschiedenen Autoren und somit besteht keine Einigkeit darüber, welche HPPs gebündelt werden sollten, um ein HPWS zu kreieren (Foss/Minbaeva 2009:22). Exemplarisch für das High-Performance-Paradigma sei Pfeffer (1998) angeführt, der ein Set aus sieben HPPs identifiziert. Durch die Implementierung aller vorgeschlagenen HPPs, die unabhängig von Kontextfaktoren, Branchen und unternehmensspezifischen Charakteristika wirken, wird die Erreichung von Performancesteigerung propagiert. Das wesentliche Ziel der Forschung in diesem Bereich ist die empirische Untersuchung der Wirksamkeit von HPPs und HPWSs auf den Unternehmenserfolg.

1.2. Problemstellung und Forschungsfrage der Arbeit

Mittlerweile existieren zahlreiche empirische Untersuchungen, die den Zusammenhang von HPPs und HPWSs und den Unternehmenserfolg untersucht haben und zu positiven Ergebnissen gekommen sind. Besondere Beachtung hat dabei die von Huselid (1995) durchgeführte Studie gefunden, die zu dem Ergebnis kam, dass ein Bündel aus komplementären HPPs nicht nur die Produktivität und die finanzielle Leistungskraft der Unternehmen steigert, sondern auch zu einer verringerten Fluktuation führt.

Dennoch ist das Thema „High-Performance“ Gegenstand kontroverser Diskussionen, zumal immer mehr Forscher keine oder nur geringe Hinweise auf eine erhöhte Leistungsfähigkeit durch HPPs und HPWSs durch ihre Studien belegen können. Auch negative Effekte, die durch HPPs und HPWSs entstehen können, rücken immer mehr in den Fokus der Forschung. Hier weist besonders Godard (2004) auf verschiedene Unstimmigkeiten in den empirischen Arbeiten wie theoretischen Ansätzen hin und betont, dass unter bestimmten Umständen, Kosten durch HPPs und HPWSs entstehen, die ihren Nutzen übersteigen können und von vielen theoretischen wie empirischen Arbeiten vernachlässigt wurden. Höhere Gehälter, kostenintensive Fortbildungen, mögliche Ineffizienzen, die aus dem Prozess partizipativer Entscheidungsfindung resultieren, können die Folge sein und potentielle Gewinne relativieren. Die Kostenintensität bemisst sich hierbei einerseits danach, welche Variante eines HPWS das Management verfolgt - einen „intensification-approach“ oder einen „involvement-approach“ – und andererseits danach, welche Reaktion in den Individuen durch das System hervorgerufen wird (Godard 2004:367f.). Auch Cappelli und Neumark (2001) verweisen darauf, dass selbst signifikante Gewinne durch Kosten einer „Überimplementierung“ von HPPs ausgeglichen werden können und somit sinkende Grenzerträge erzeugen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist vor allem, dass auf der einen Seite „direkte Kosten“ durch die Implementierung von HPPs und HPWSs aufkommen und anderseits aber auch „verdeckte Kosten“ entstehen.

Die Zielsetzung dieser Diplomarbeit ist eine kritische Analyse des High-Performance-Paradigmas und die systematische Identifizierung der Kosten, die im Zusammenhang mit HPPs oder HPWSs entstehen können. Die Forschungsfrage lautet daher:

„Wie ist das High-Performance-Paradigma im Hinblick auf die durch HPPs und HPWSs entstehenden Kosten zu bewerten?“

Um eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, müssen neben den Kosten der Implementierung einzelner HPPs oder eines ausgewachsenen HPWS (z.B. hoher Aufwand bei der Rekrutierung qualifizierten Personals, überdurchschnittliche Gehälter, hohe Ausgaben für Fortbildungsmaßnahmen, Pay-for-Performance) vor allem auch die „verdeckten Kosten“ betrachtet werden. Als „verdeckte Kosten“ werden hierbei Kosten verstanden, die beispielsweise durch die Einführung von HPPs oder HPWS zu Stress oder Überforderung am Arbeitsplatz führen. In der Folge können Kosten durch erhöhte Unfallraten oder Absentismus entstehen. In diesem Zusammenhang untersucht z.B. Frick (2012) die Wirkung von Gruppenarbeit und leistungsabhängiger Vergütung auf die Produktivität und auf die Unfall- und Absentismusraten. Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass die Anreizwirkung durch Gruppenarbeit und leistungsabhängiger Vergütung auf die Arbeiter zu einer Erhöhung der Quantität (lange Inbetriebnahme der Maschinen) zu Lasten der Qualität (Verzicht auf Wartungsarbeiten an den Maschinen) führt und darüber hinaus die Wahrscheinlichkeit für Unfälle und Absentismus steigt. Hieraus kann die Vermutung abgeleitet werden, dass nicht alle HPPs eine eindeutig positive Wirkung auf die Motivation der Arbeitnehmer haben und unter Umständen zu nicht beabsichtigten negativen Effekten führen, die im Endergebnis mit Kosten verbunden sein können. Aber auch Kosten, die durch Ineffizienzen des partizipativen Entscheidungsprozesses (Godard 2004:367) entstehen, gehören in diese Kategorie der Kosten.

1.3. Vorgehensweise und Gang der Untersuchung

Im Vordergrund der Diplomarbeit steht eine kritische Analyse der Fachliteratur.

Im ersten Schritt werden in Kapitel 2 theoretische Grundlagen erarbeitet. In diesem Rahmen wird eine Einführung in das SHRM und die Resource-based View vorgenommen. Im weiteren Verlauf des Kapitels werden zusätzlich die verschiedenen theoretischen Ansätze des SHRM dargestellt, die wiederholt in der Literatur mit HPWSs in Verbindung gebracht werden.

Das dritte Kapitel widmet sich der Untersuchung von HR-Systemen und HR-Praktiken. Aufbauend auf einer allgemeinen Unterscheidung von HR-Systemen, Personalpolitiken und HR-Praktiken erfolgt eine kritische Auseinandersetzung mit denen in der Literatur identifizierten High-Performance Work Practices. Darauf folgend, wird eine Bewertung des HPWS im Rahmen seiner verwandten HR-Systeme – dem „High-Commitment Work System“ und dem „High-Involvement Work System“ – vorgenommen. Im Abschluss des dritten Kapitels erfolgt die Darstellung von „commitment“- und „control“-orientierten Ansätzen, welche in Verbindung mit den zuvor diskutierten HR-Systemen stehen und darüber hinaus als Grundlage für das vierte Kapitel dienen. Alle in Kapitel 3 erarbeiteten Inhalte unterstützen die kritische Auseinandersetzung mit dem High-Performance-Paradigma und fungieren als Grundlage für die darauffolgenden Kapitel.

Das 4. Kapitel bildet den Schwerpunkt der vorliegenden Diplomarbeit und dient der Analyse der durch HPPs und HPWSs entstehenden Kosten. Zu Beginn dieses Kapitels werden die wesentlichen wirtschaftlichen Ziele des Human Resource Managements (HRM) dargestellt. Im weiteren Verlauf werden die durch HPWSs verursachten direkten Kosten betrachtet. Die Analyse der indirekten Kosten muss über die Diskussion bestimmter Zusammenhänge erfolgen, da diese nicht die gleiche Offensichtlichkeit aufweisen wie die direkten Kosten.

Im fünften Kapitel erfolgt eine allgemeine Kritik an der verwendeten Methodik und der den empirischen Arbeiten zugrundeliegenden theoretischen Grundlage.

2. Theoretische Grundlagen

2.1. Strategisches Human Resource Management

It has been said that the most important assets of any business walk out the door at the end of each day“ (Allen & Wright 2007:88). In der Tat werden Menschen und das Management von Menschen zunehmend als Kernelemente von Wettbewerbsvorteilen gesehen. Angespornt durch einen zunehmenden Wettbewerb, einem rasanten technologischen Wandel, der Globalisierung und anderen Faktoren, versucht das Management eines Unternehmens zu verstehen, wie eine der letzten wirklich wettbewerbsfähigen Ressourcen, ihre personellen Ressourcen, für den wettbewerblichen Vorteil verwaltet werden können. Diese Idee, dass die menschlichen Ressourcen eines Unternehmens eine strategische Rolle für den Erfolg einer Organisation spielen, hat zur Herausbildung eines Forschungsfeldes geführt, das oft als „Strategic Human Resource Management“ (SHRM) bezeichnet wird. Dieses noch relativ junge Forschungsfeld besteht zum einem aus der Literatur des „Strategischen Managements“ und zum anderen aus der Literatur des „Human Resource Managements“ (HRM). Damit repräsentiert das SHRM eine Schnittmenge beider Literaturstränge (Allen & Wright 2007:88). Wright und McMahan (1992:298) definieren SHRM als „the pattern of planned human resource deployments and activities intended to enable the firm to achieve its goals“.

In diesem Forschungsfeld handelt es sich vor allem um den Einsatz von verschiedenen HR-Praktiken, die eine Verwaltung der Arbeitnehmer in einer Organisation gewährleisten sollen. Üblicherweise werden diese HR-Praktiken in Subdisziplinen wie Auswahl, Schulung, Bewertung und Belohnung gruppiert (Wright & McMahan 1992:297). Darüber hinaus konzentriert sich das SHRM primär auf die Unternehmensleistung (Makro-Ebene) und nicht auf die individuelle Leistung (Mikro-Ebene). Weiterhin betont es die Rolle von Beschäftigungssystemen (HR-Systemen) als Lösungen für unternehmensrelevante Probleme (einschließlich positiver und negativer Komplementaritäten) stärker, anstatt einzelne HR-Praktiken isoliert zu betrachten (Becker & Huselid 2006:899). Damit wurde der Fokus auf die Ausrichtung und Zusammenführung verschiedener Teilfunktionen gelegt, um Human Resource Management Ziele (HRM-Ziele) zu erreichen und HRM als Ganzes auf einer Makro-Ebene zu betrachten.

Die Verbindung von HR-Praktiken wird häufig als „horizontale Ausrichtung“ bezeichnet. In der „vertikalen Ausrichtung“ werden diese HR-Praktiken wiederrum in den Kontext der Unternehmensstrategie gesetzt. Die Kombination von „vertikaler und horizontaler Ausrichtung“ trägt zur Erklärung bei, welche Maßnahmen das HRM ergreifen kann, um zur Erreichung der strategischen Ziele beizutragen (Allen & Wright 2007:91). Das SHRM beschränkt sich in diesem Zusammenhang nicht nur auf den Systemgedanken und auf die finanzielle Leistung. Bei einer Strategie liegt das Hauptaugenmerk darauf, nachhaltige Wettbewerbsvorteile aufzubauen, die im Resultat in eine überdurchschnittliche finanzielle Performance münden. In der einfachsten Darstellung des SHRM-Modells besteht eine Beziehung zwischen dem HR-System eines Unternehmens und seiner Unternehmensperformance (Becker & Huselid 2006:899). Ein großer Bereich der theoretischen Entwicklung im SHRM und ein zentraler Bestandteil aller großen Forschungsarbeiten ist mit der „Resource-based View“ (RBV) verbunden (Boxall & Purcell 2000:193) und wird in Abschnitt 2.2. näher erläutert.

Da innerhalb des SHRM auf verschiedenen Wegen eine Verknüpfung von dem HRM und der Strategie vertreten wird, die sich auf die Gestaltung von HPWSs bezieht, ist es im Gesamtkontext der vorliegenden Arbeit von Bedeutung diese herauszuarbeiten. In der HPWS Literatur lassen sich drei theoretische Perspektiven identifizieren: der „universalistische Ansatz“ (auch als „best practices“-Ansatz bekannt), der „Kontingenzansatz“ (auch als „best fit“ bekannt) und der „konfigurationale Ansatz“ (Heffernan et al. 2011:302), die in Abschnitt 2.3. Bezug genommen wird. Eine weitere Theorie ist die sogenannte AMO-Theorie, die ihre Aufmerksamkeit auf die Bedeutung eines Bündels von HR-Praktiken, die sich auf die Fähigkeiten, die Motivation und die Gelegenheit zur Beteiligung richtet (Paauwe & Boon 2009:44).

Weiterhin konzentriert sich das strategische Management auf die Frage, warum einige Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil erlangen und ihre Rivalen konsequent übertreffen. Geprägt durch einen rasanten technologischen Wandel, dynamischen und hart umkämpften Wettbewerbsmärkten, der Globalisierung, sich sprunghaft verändernde Kundenanforderungen und anderen Kriterien wird die Beantwortung dieser Frage allerdings immer schwieriger. Neben der o.g. RBV hat sich mit Porters (1980) Wettbewerbsstrategien eine weitere theoretische Perspektive zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen herausgebildet. Hierbei liegt die Konzentration der Strategiebildung auf dem externen Umfeld als wesentliche Determinante zur Erreichung von Wettbewerbsvorteilen (Guthrie et al. 2009:113 f.).

In dem dargestellten Zusammenhang wurden viele Diskussionen über den „transformierten Arbeitsplatz“ mit dem Fokus auf die Notwendigkeit eines stärkeren Commitments[1] der Arbeitnehmer geführt (Heffernan at al. 2012:294).

2.2. Resource-based View

Die Art und Weise, in der interne Ressourcen zu festen und nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen beitragen, ist bekannt geworden unter dem Term Resource-based View (RBV) (z.B. Barney 2001). Die meisten empirischen und theoretischen Forschungsarbeiten, die den Einfluss des HRM auf den Unternehmenserfolg untersucht haben, wurden unter der Verwendung der RBV als theoretische Grundlage durchgeführt (Dunford et al. 2001:6). Innerhalb dieses Denkmodells sind die Wissenschaftler (z.B. Delery 1998; Wright et al. 1994) zu dem Schluss gekommen, dass die Humanressourcen eines Unternehmens eine Quelle für nachhaltige Wettbewerbsvorteile sein können (Way 2002:766).

Allerdings müssen Unternehmensressourcen - hier Humanressourcen - bestimmte Bedingungen erfüllen, um eine strategische Relevanz zu besitzen und als Quelle für nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu gelten. Barney (1991:112) nennt in diesem Zusammenhang vier Kriterien, die erfüllt werden müssen: „value, rareness, imperfectly imitability, substitutability“. Zunächst muss eine Humanressource dahingehend wertvoll sein, dass sie im ökonomischen Sinne zu Verbesserungen der Effizienz und der Effektivität beiträgt. Weiterhin muss eine Humanressource eine gewisse Knappheit aufweisen. Hiermit wird gewährleistet, dass andere Wettbewerber nicht die gleiche wertsteigernde Strategie einführen. Wertvolle und knappe Ressourcen können allerdings nur dann Quellen von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen sein, wenn Wettbewerber, die diese Ressourcen nicht besitzen, diese auch nicht beschaffen können. Unter diesen Umständen greift die „Nicht-Imitierbarkeit“ von Ressourcen (Barney 1991:106). Das letzte Kriterium ist die Substituierbarkeit von Humanressourcen. Je höher der Grad der Substituierbarkeit einer Humanressource, desto geringer ist der Wettbewerbsvorteil (Barney 1991:111). Weiterhin wird auch darauf hingewiesen, dass externe Umweltfaktoren, die Auswirkungen auf ein Unternehmen haben, in den Bewertungsprozess der vier Kriterien fließen sollten (Way 2001:766).

Die Verbreitung der RBV in der Literatur des SHRM führte zu einem Paradigmenwechsel bezüglich der Verbindung zwischen Strategie und HRM. Da unter der RBV postuliert wird, dass Unternehmen Wettbewerbsvorteile aus internen Ressourcen generieren können, bildet die RBV ein legitimes Fundament für diejenigen HRM-Forscher, die argumentieren, dass die Humanressourcen eines Unternehmens Einfluss auf den Unternehmenserfolg und die Strategiebildung haben. Dies führte zu einer Reihe von Bemühungen die RBV konzeptionell oder theoretisch in das SHRM einzubinden. Die RBV wird daher auch als theoretische Begründung für empirische Studien angeführt, welche die Auswirkungen von HR-Praktiken auf den Unternehmenserfolg untersuchen (z.B. Arthur 1994; Huselid 1995; MacDuffie 1995; Derlery & Doty 1996). Dieser Forschungszweig hat sich schnell in den USA, Großbritannien, Europa und Asien, wie auch in multinationalen Unternehmen verbreitet. Zusammenfassend hat die RBV mit ihrem Fokus auf die internen Ressourcen eines Unternehmens dem Forschungsfeld ein theoretisches Verständnis dafür gegeben, weshalb HR-Systeme zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen führen können und somit gleichermaßen den Grundstein für empirische Forschungsarbeiten in diesem Sinne gelegt (Allen & Wright 2007:91 f.).

Seit 1995 entwickelte sich eine neue Gruppe von Forschungsarbeiten, welche versucht, die Auswirkungen von HR-Systemen auf den Unternehmenserfolg zu untersuchen (z.B. Huselid 1995). Innerhalb dieser Forschungsgruppe wird behauptet, dass Unternehmen mit einem HPWS konsequent ökonomisch und statistisch signifikant höhere Leistungsniveaus erreichen (Becker & Gerhart 1996:787).

Wie Koch & McGrath (1996) bemerken, hebt die RBV-Theorie tatsächlich zwei entscheidende Dimensionen für eine adäquate Theoriengrundlage des HRM hervor. Zum einen die Fähigkeiten, die Menschen in ein Unternehmen einbringen und zum anderen die Kosten der Akquisition und Entwicklung dieser Menschen (Koch & McGrath 1996:350). Jedoch neigen Unternehmen in der Praxis dazu, die Marktbedingungen für die Fähigkeiten und die Kosten diese zu erwerben, zu vergessen. So spielt die Macht und die Fähigkeit eines Unternehmens, qualifizierte Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt zu akquirieren und teure und komplexe Formen des HRM zu unterstützen, eine wichtige Rolle in der Praxis des HRM. Diese Kosten der Implementierung und Aufrechterhaltung werden bei der Erforschung von HPWSs allerdings nicht berücksichtigt. Hierbei handelt es sich um ein Paradoxon, da Unternehmen in der Praxis vielfältige Arten von Entscheidungen in Abhängigkeit der Kosten treffen (Hendry 2003:1431).

2.3. Ansätze des SHRM

2.3.1. Universalistischer Ansatz

Während HR-Systeme einen wesentlichen Forschungsschwerpunkt im SHRM einnehmen fokussiert sich die Forschung in diesem Bereich auf einzelne HR-Praktiken. Hierbei wird angenommen, dass bestimmte einzelne HR-Praktiken einen strategischen Wert aufweisen (Lepak & Shaw 2008:1487). Dieser Forschungszweig ist als „universalistische Perspektive“ oder „Best Practice“-Ansatz bekannt und gehört zur einfachsten Form der theoretischen Aussage innerhalb der SHRM-Literatur. Sie impliziert, dass die Beziehung zwischen einer gegebenen unabhängigen Variable (HR-Praktik) und einer abhängigen Variable (Unternehmensleistung) universell über die Gesamtheit der Unternehmen ist (Delery & Doty 1996:805). Damit besteht die Hauptargumentation des universalistischen Ansatzes darin, dass HR-Praktiken additiv sind und unabhängig von den jeweiligen Umständen die Unternehmensleistung steigern (Heffernan et al. 2011:302). Beeinflusst von dieser Grundannahme, liegt dem „Best Practices“-Ansatz ein ganz anderes Verständnis für die Probleme der Integration von einer HR-Strategie in die Gesamtunternehmensstrategie zugrunde. In diesem Ansatz erfolgt die Integration in die Gesamtunternehmensstrategie über die Identifizierung der „leading edge“ von „Best Practices“. Eine wesentliche Problematik des „Best-Practices“-Ansatzes ist, dass ihre Befürworter in der Theorie schnell zu verpflichtenden Empfehlungen neigen, ohne grundlegende Annahmen explizit zu äußern (Boxall & Purcell 2011:85).

In der Grundargumentation übereinstimmend, wird das High-Performance-Paradigma als „Best Practice“ für den Arbeitgeber beworben, wie z. B. von Huselid (1995:644): “All else being equal, the use of High Performance Work Practices and good internal fit should lead to positive outcomes for all types of firms“. Somit wird postuliert, dass HR-Praktiken, die in Verbindung mit dem High-Performance-Paradigma stehen, zu höheren Leistungsebenen des Unternehmens führen, als dieses durch traditionelle HR-Praktiken möglich wäre. Dabei wird von ihren Befürwortern unterstellt, dass HPPs die Arbeitnehmer motivieren und befähigen, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten anzuwenden, weiterzugeben und weiterzuentwickeln. Resultierend daraus sollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber von den positiven Auswirkungen profitieren, die sich einerseits in einer gesteigerten Arbeitsplatzqualität und andererseits in einer Produktivitätssteigerung zeigen (Godard 2004:349). Ein strategischer Ansatz im Rahmen des High-Performance-Paradigmas würde sich damit durch Investitionen in die Ausbildung, in die Karriere-Strukturen und in finanzielle Anreizsysteme der Belegschaft auszeichnen. Die Annahmen besteht darin, dass Arbeitnehmer im Gegenzug für in sie getätigte Investitionen bereit sind mehr zu leisten, wodurch sich eine Grundlage für „mutual gains“ (gegenseitige Gewinne) ergibt. Die wohl bekannteste Forschungsarbeit zu dem „universalistischen Ansatz“ stammt von Pfeffer (1995). Seine Hauptaussage lässt sich mit „Gewinne durch Menschen“ zusammenfassen (Thompson 2007:83). Basierend auf seinen Untersuchungen schlussfolgert Pfeffer, dass bestimmte HR-Praktiken universell effektiver als andere sind. Obwohl Pfeffers (1995) Ausarbeitung stärker auf Interpretationen als auf einer soliden empirischen Evidenz basiert, findet sich in seiner Arbeit eine durchaus gute Annäherung an den „Best-Practice“-Ansatz (Lepak & Shaw 2008:1487). Pfeffer (1998) untersucht sieben HR-Praktiken, die erfolgreiche Unternehmen benötigen, um sich positiv in ihrer Leistungsfähigkeit von anderen Unternehmen abzuheben: Arbeitsplatzsicherheit, anspruchsvolle und selektive Einstellungsverfahren, autonome Gruppenarbeit, dezentralisierte Entscheidungsfindung, hohe und leistungsabhängige Vergütung, Ausbildung, geringe Statusdifferenzen und umfangreiche Offenheit im Austausch von Informationen (Thompson 2007:84). Seine Aufzählung von „Best Practices“ hebt vor allem den Wunsch hervor, eine sorgfältige Auswahl und Entwicklung talentierter Arbeitnehmer zu erreichen, um sie in kooperativen Teams zu organisieren und ein Arbeitsverhältnis aufzubauen, das ein langfristiges Commitment der Arbeitnehmer sicherstellt. Die Rekrutierung und Weiterbildung talentierter, teamorientierter und hoch motivierter Arbeitnehmer wird als Grundlage einer herausragenden Unternehmensentwicklung mit der Schaffung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile angesehen. Dieses Modell findet eine weite Verbreitung und wird in ausgedehnter Form in der Managementliteratur und auf Konferenzen angepriesen (Boxall & Purcell 2011:88). Obwohl Forscher einerseits über alternative Bündel von HR-Praktiken diskutieren, nehmen sie andererseits an, dass es einen „one best way“ zur Verwaltung von Beschäftigten gibt. Dies ist z.B. besonders problematisch für das international ausgerichtete HRM, in dem es erhebliche Unterschiede in den institutionellen Kontexten und Phasen der Unternehmensentwicklung gibt. Ein internationales Unternehmen möchte unter diesen Bedingungen wissen, was am besten in Kombination mit anderen HR-Maßnahmen funktioniert, unter Einbeziehung von Umständen, die kulturell und institutionell spezifisch sind. Eine Theorie, die hierbei einen wertvollen Beitrag leisten würde, müsste somit gut übertragbar und kulturneutral sein (Hendry 2003:1431). Wenn man die Realität implementierter HR-Praktiken in US-Unternehmen betrachtet, zeigt sich, dass nur einzelne Unternehmen den von Pfeffer vorgeschlagenen Weg verfolgen und möglichst alle seiner genannten HR-Praktiken implementieren. Forscher, die sich jedoch im Bereich der Arbeitsbeziehungen mit der tatsächlichen Diffusion von HR-Praktiken auseinandergesetzt haben, zeigen, dass solche Fälle zur Minorität gehören (Kaufman 2010:297). Wie Blasi & Kruse (2006:572) in ihrer Studie zur Diffusion von HPPs zusammenfassen: „The combination of many HPW practices is clearly a negligible phenomenon affecting about 1 percent of establishments nationwide and not rising significantly from 1994–1997, [...]“. Des Weiteren stellen die Autoren fest, dass selbstorganisierte Arbeitsteams für einige Arbeitnehmer verwendet werden, aber nicht für die Gesamtheit der Belegschaft (S.572). Auch die Beobachtungen der allgemeinen Trends in der Arbeitnehmerentlohnung in den USA lassen nicht den Schluss zu, dass jedem Arbeitnehmer eine hohe Entlohnung zukommt, so wie es Pfeffer (1998) befürwortet. Darüber hinaus können den US-Daten ebenfalls entnommen werden, dass die Arbeitsplatzsicherheit seit den 1990er Jahren gesunken ist. Teamarbeit wird in ca. 40% der Unternehmen mit mindestens 50 Arbeitnehmern eingesetzt, aber nicht erweitert (Boxall & Purcell 2011:88).

2.3.2. Kontingenzansatz

Eine weitere Perspektive befindet sich im Einklang mit der RBV und geht über die einfache linearkausale Beziehung hinaus, die unter der „universalistischen Perspektive“ erforscht wird. Aus dem Kontingenzansatz resultiert die Argumentation, dass die Vielfalt, die im HRM in der realen Welt beobachtet werden kann zwangsläufig in ein kontextspezifisches HRM für jedes Unternehmen führt (Boxall & Purcell 2011:69). Entscheidend ist, dass der Kontingenzansatz Wechselwirkungseffekte und variierende Beziehungen in Abhängigkeit von Kontingenz-Variablen zulässt. Dadurch ist die Wirksamkeit von HR-Praktiken kontextspezifisch. Im Vergleich dazu, geht der „Best-Practice“-Ansatz davon aus, dass es bestimmte universell einsetzbare HR-Praktiken gibt, die andere in jedem Fall übertreffen, unabhängig in welchem Unternehmen sie angewendet werden (Paauwe & Boon 2009:45). Des Weiteren postuliert der Kontingenzansatz, dass das Verhältnis zwischen den betreffenden unabhängigen Variablen und der abhängigen Variable unterschiedlich für verschiedene Stufen der „Kontingenz-Variable“ sind (Delery &Doty 1996:807). Während Autoren, die den „universalistischen Ansatz“ vertreten, die Vorteile von „Best-Practices“ betonen, vertreten Autoren des Kontingenzansatzes die Meinung, dass die Schaffung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen nur über die Entwicklung einzigartiger, nicht imitierbarer Kompetenzen realisiert werden können (Barney 1991:102).

Die Effektivität von HR-Systemen ist davon abhängig, wie gut sie mit anderen Aspekten oder Variablen („Kontingenz-Variablen“) des Unternehmens verbunden ist. Das bedeutet, dass die Autoren in erster Linie erforschen, wie eine Unternehmensstrategie mit individuellen HR-Praktiken interagiert und infolgedessen in einer Leistungssteigerung resultiert (Delery & Doty 1996:807). Innerhalb des Kontingenzansatzes gibt es zwei Arten von Beziehungen. Die erste Art betrifft den Einfluss von verschiedenen Eventualitäten auf einzelne HR-Praktiken. In diesem Sinne kommt der Unternehmensstrategie die wichtige Rolle des Moderators in der Kausalkette des SHRM zur Performance zu. Die zweite Art bezieht sich auf die Verwendung und / oder der Effektivität von HR-Systemen in Abhängigkeit von „Kontingenz-Variablen“. Unter dieser Annahme muss ein in sich konsistentes HR-System auch extern an den „Kontingenz-Variablen“ ausgerichtet sein (Heffernan et al. 2012:303).

Obwohl die Idee des Kontingenzansatzes überzeugend ist, existieren bis heute nur begrenzte empirische Belege für die Auswirkungen. Wie Paauwe & Boon (2009:45) argumentieren, ist das HRM in einem hohen Maße kontextabhängig, basierend auf Unterschiede in der Branche, in der Industrie, in der Kultur und in den institutionellen Regelungen. Auch Boxall & Purcell (2011) nehmen eine Bewertung des Kontingenzansatzes und des universalistischen Ansatzes vor. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass der Kontingenzansatz dem „Best Practice“-Ansatz klar überlegen ist, weil dieser die Realität der Unternehmen widerspiegelt (Boxall & Purcell 2011:94). Baron & Kreps (1999) verweisen in ihrem Managementbuch ebenfalls darauf, dass Entscheidungen hinsichtlich des HRM von fünf Kräften beeinflusst werden. Die erste Kraft stellt das externe Umfeld des Unternehmens dar, welches aus sozialen, politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Faktoren besteht. Die weiteren Kräfte sind die Belegschaft, die Unternehmenskultur, die strategische Ausrichtung und die verwendete Technologie und Arbeitsorganisation (Baron & Kreps 1999:16 ff.).

Dennoch lassen sich mehr Belege für den „Best Practice“-Ansatz finden (z.B. Huselid 1995, Delery & Doty 1996, Becker & Huselid 1998). Ein Kuriosum, da die Argumentation hinter dem Kontingenzansatz stärker zu sein scheint, als die bei dem „Best-Practice“-Ansatz. Der Grund hierfür kann in den Messinstrumenten zur Überprüfung des Kontingenzansatzes liegen (Paauwe & Boon 2009:45).

2.3.3. Konfigurationaler Ansatz

Der folgende Ansatz unterscheidet sich von dem traditionell universalistischen Ansatz in zweierlei Hinsicht. Zunächst nimmt der konfigurationale Ansatz eine System-Perspektive ein und basiert auf einem ganzheitlichen Muster von konsistenten HR-Praktiken (HR-Bündel), während der universalistische Ansatz auf einzelnen HR-Praktiken basiert (Delery & Doty 1996:812). Aus der Sicht des konfigurationalen Ansatzes wird ein HR-System als ein mehrdimensionales Set von Elementen verstanden. Durch die Mehrdimensionalität der Elemente, die in unterschiedlicher Weise kombiniert werden können, entsteht eine unendliche Anzahl von möglichen Konfigurationen. MacDuffie (1995) beschreibt die Idee des HR-Bündels als in sich konsistente und in Wechselbeziehungen stehende HR-Praktiken und ist der Meinung, dass in Bezug auf die Leistungsfähigkeit ein „mehr desto besser“ angestrebt werden sollte, da diese sich überlappen und gegenseitig forcieren (MacDuffie 1995:204). Dieses Denkmodell verfolgt eine holistische Art der Untersuchung und beschäftigt sich mit den Mustern der Interaktion zwischen mehreren voneinander unabhängigen Variablen mit der abhängigen Variable. Die Konfigurationen des HRM erkennen Systeminteraktion an und berücksichtigen dabei gleichzeitig die Strategie, die Struktur, die Kultur und die Prozesse. Darüber hinaus hebt die konfigurationale Perspektive auch die Bedeutung von horizontalem und vertikalem „Fit“[2] eines HR-Systems für die organisatorische Effektivität hervor. Weiterhin muss sich die Personalstrategie in die Unternehmensstrategie einfügen. Durch jede Konfiguration eines HR-Bündels von intern ausgerichteten HR-Praktiken wird aufgrund derer eine viel größere Kapazität zur Erklärung von organisatorischer Leistung gegeben, als die Analyse einzelner HR-Praktiken (Heffernan et al. 2011:303; Ridder et al. 2001:61f.). Barid & Meshoulam (1988) bemerken zu diesem Punkt, dass nicht nur HRM in das Entwicklungsstadium des Unternehmens passen muss, sondern dass auch einzelne Komponenten des HRM zusammen passen und sich gegenseitig unterstützen müssen (Barid & Meshoulam 1988:122).

Die Forschung zur Effektivität von bestimmten HR-Bündeln ist mittlerweile beachtlich gestiegen. Ichniowski et al. (1997) kommen in ihrer Studie von 17 Unternehmen in der Stahlherstellung in den USA zu dem Schluss, dass Gruppen oder Cluster von HR-Praktiken große Auswirkungen auf die Produktivität haben, während Veränderungen in einzelnen HR-Praktiken wenig oder keinen Einfluss auf die Produktivität haben (Ichniowski et al. 1997:291). Auch Dyer & Reeves (1995) vermuten, dass die Bündelung von HR-Praktiken eine größere Wichtigkeit gegenüber einzelnen HR-Praktiken besitzt. Die Autoren verweisen allerdings auch darauf, dass nicht alle HR-Bündel gleichwertig auf verschiedene Ziele wirken. Dyer & Reeves (1995) betonen, dass es HR-Bündel gibt, die anderen überlegen sind, wenn es z.B. darum geht, die Fluktuationsrate zu senken, die Produktivität oder die Qualität zu steigern (Dyer & Reeves 1995:668).

3. HR-Systeme und HR-Praktiken

3.1. Konzeptualisierung von HR-Systemen, Personalpolitik und HR-Praktiken

Wie bereits erwähnt, sind sich die Forscher im Wesentlichen darüber einig, dass die Erforschung von HR-Systemen angemessener ist, als die Erforschung von einzelnen isolierten HR-Praktiken. Dennoch existieren in den Untersuchungen von HR-Systemen eine Vielzahl von Themen und Problemen, die eine genauere Analyse erfordern. Das Fundament für eine verbesserte Erforschung in diesem Bereich liegt vor allem in der Klärung der Inkonsistenzen, die aus verschiedenen Konzeptualisierungen (z.B. HPWS, Human Capital Enhancing HR System, High-Commitment Work System, High-Involvement Work System) von HR-Systemen resultieren. Es besteht Klärungsbedarf, was ein HR-System überhaupt kennzeichnet. Ein Mangel an Konsistenz begrenzt das Verständnis in Bezug auf die Form und die Funktion dieser HR-Systeme. Bestehende Konzeptualisierungen bieten wenig Einigkeit über die zugrunde liegende HR-Politik, die diese HR-Systeme umfassen. Desweitern besteht auch Uneinigkeit darüber, wie HR-Praktiken gemessen werden sollten, um die HR-Politik und die HR-Systeme zu erfassen (Lepak et al. 2006:218). Eine weitere Problematik, die aus der Perspektive eines HR-Systems resultiert, ist mit der Frage verbunden, wie unterschiedliche Komponenten in HR-Systemen miteinander verbunden sind. Bestimmte HR-Praktiken werden in die Bertachtung mit einbezogen und bestimmte werden ausgeschlossen. Eine Diskussion, weshalb dieses der Fall ist, beinhalten die meisten Forschungsarbeiten nicht. Von Bedeutung ist, die Inhalte dieser HR-Systeme zu erfassen (Lepak et al. 2006:219f.). Becker & Gerhart (1996) verweisen an dieser Stelle darauf, dass HPWSs signifikant in Bezug ihrer beinhalteten HR-Praktiken variieren. Arthur (1994) legt in seiner Studie zu HPWSs wenig Wert auf variable Vergütungsanreize, wohingegen variable Vergütungsanreize in den Studien von Huselid (1995) und MacDuffie (1995) feste und stark betonte Inhalte eines HPWSs darstellen (Becker & Gerhart 1996:784).

Somit stellt ein wichtiger Ausgangspunkt der Analyse, die Unterscheidung von HR-Systemen, HR-Strategien (Personalpolitik, HR-Richtlinien) und HR-Praktiken dar. Becker und Gerhart (1996:786) haben darauf hingewiesen, dass HR-Aktivitäten entlang verschiedener Analyseebenen konzipiert werden. Auf der untersten Ebene spiegeln HR-Praktiken spezifische organisatorische Maßnahmen wider, die entwickelt werden, um bestimmte Ergebnisse zu erzielen. Dabei gibt es eine breite Palette von HR-Praktiken (z.B. Eignungsbeurteilung, Stundenentgelte, 360 Grad Beurteilungen), die zu der Verwaltung von Arbeitnehmern zur Wahl stehen. Auf der nächst höheren Ebene ist die Personalpolitik angesiedelt. Diese spiegelt arbeitnehmerspezifische Programme wider und beeinflusst die Wahl der HR-Praktiken. Beispielsweise kann eine Personalpolitik eine Verpflichtung zu „Pay-for-Performance“ reflektieren. Sie kann aber auch eine Implementierung von verschiedenen HR-Praktiken (z.B. Gewinnbeteiligung, Stücklohnsystem, Provisionen) bedeuten, um die angestrebte Personalpolitik zu erreichen. Ein HR-System befindet sich auf der höchsten Analyseebene und umfasst ein Programm von mehreren Personalpolitiken, die in sich konsistent sind und sich gegenseitig unterstützen, um übergreifende Unternehmensergebnisse zu erzielen. Exemplarisch dafür, könnte ein High-Commitment Work System (HCWS) auf eine Personalpolitik setzen, die sich auf eine Kombination von selektiver Personalauswahl, umfassenden Schulungsmaßnahmen und Pay-for-Performance stützt, um das Engagement der Arbeitnehmer und die Maximierung ihres Arbeitseinsatzes in Richtung der Unternehmensziele zu lenken (Lepak et al 2006:221). Für Boxall & Macky (2009) umfasst jedes HR-System erst einmal das Management von verschiedenen Arbeitsdomänen und die Verwaltung der Arbeitnehmer, die mit der betreffenden Arbeit beauftragt sind. Hieraus resultiert, dass HR-Systeme zwei Hauptarten von Praktiken enthalten. Arbeitspraktiken („work practices“ oder „alternative work practices“) haben mit der Art und Weise zu tun, wie die Arbeit selbst organisiert ist, inklusive ihrer normalen Struktur (z.B. taylorisierte Arbeitsplätze, beaufsichtigte Teamarbeit, selbstorganisierte Teams, hoch autonome und spezialisierte Arbeitsplätze) und allen damit verbundenen Möglichkeiten sich für Problemlösungen und Change-Management hinsichtlich der Arbeitsabläufe einzusetzen (z.B. Qualitätszirkel und Teambesprechungen). Von zentraler Bedeutung im High-Performance-Paradigma sind vor allem die Teamarbeit und die Qualitätszirkel. Zu den Beschäftigungspraktiken („employment practices“ oder „high commitment employment practices“) gehören alle Praktiken, die verwendet werden, um Arbeitnehmer zu rekrutieren, einzusetzen, zu motivieren, zu beraten, mit ihnen zu verhandeln, sie weiterzuentwickeln, zu halten und das Arbeitsverhältnis zu beenden (Boxall & Macky 2009:7; Godard 2004:351). Es wurden vor allem folgende Beschäftigungspraktiken identifiziert: anspruchsvolle Auswahl- und Schulungsverfahren, die sowohl Werte und soziale Kompetenzen, wie auch Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten betonen. Weiterhin gehören auch verhaltensbasierte Bewertungsverfahren und Weiterentwicklungskriterien, Arbeitsentgeltsysteme mit Leistungskomponenten (insbesondere Pay-for-Knowledge, Gruppen-Boni und Gewinnbeteiligungen) dazu. Die eben genannte Beschäftigungspraktiken sind weitestgehend mit dem High-Performance-Paradigma verbunden. Darüber hinaus kommen „traditionelle HR-Praktiken“ hinzu, wie z.B. Arbeitsplatzsicherheit, ein überdurchschnittliches Arbeitsentgelt und Sozialleistungen, Beschwerde-Systeme und weitere mehr (Godard 2004:351).

Die in ein HR-System eingebetteten Beschäftigungs- und Arbeitspraktiken wirken sich gemeinsam auf die Leistungsfähigkeit mehrerer Ebenen aus (Lepak et al. 2006; Boxall & Purcell 2008). Auf einer individuellen Ebene beeinflussen sie die Fähigkeiten (A), die Motivation (M) und Chancen (O) einzelner Arbeitnehmer (die AMO-Theorie). HR-Systeme wirken sich damit hinsichtlich der Erlangung und Erweiterung von Kenntnissen und Fähigkeiten und der Bereitschaft sich anzustrengen und seine Talente einzusetzen auf den Arbeitnehmer aus.

Weiterhin nehmen HR-Systeme auch Einfluss auf eine Vielzahl von Variablen auf einer kollektiven Ebene, die hilfreich sind, um organisatorische Fähigkeiten aufzubauen, die Unternehmenskultur und das soziale und psychologische Klima zu gestalten (Wood & Wall 2005:432). HR-Systeme, die das Vertrauen in das Management und / oder die Zusammenarbeit mit ihren Kollegen stärken, verhelfen einem Unternehmen zu einer Verbesserung seines „sozialen Kapitals“ und zu einer verbesserten Beziehungsqualität innerhalb der Teams. Die individuelle und kollektive Ebene sind untrennbar miteinander verbunden, da die Gelegenheit der Arbeitnehmer zur Leistungserbringung und zu einer erhöhten Motivation von der Qualität der Ressourcen, der Zusammenarbeit und des Vertrauens im Arbeitsumfeld beeinflusst werden (Boxall & Macky 2009:7f.). Abseits der positiven Theorie kann ein solches HR-System jedoch auch negative Auswirkungen auf individueller und kollektiver Ebene haben.

3.2. High-Performance Work Practices

Zur Wirkungsweise von HPPs äußert sich Huselid (1995:635) sehr deutlich: “[...] can improve the knowledge, skills, and abilities of a firm’s current and potential employees, increase their motivation, reduce shirking, and enhance retention of quality employees while encouraging non-performers to leave the firm“. Doch um welche HPPs bzw. HR-Praktiken es sich handelt, wird nicht deutlich. Bei der Auseinandersetzung mit der einschlägigen Literatur treten die ersten Probleme mit „High Performance Work Practices“ (HPPs) bei der Terminologie des Wortes und seiner Definition auf. Ab Mitte der 1990er Jahre, als neue Formen der Arbeitsorganisation immer mehr an Prominenz gewannen, entsprang aus dieser Debatte auch eine breite Palette von verwendeten Ausdrücken. Osterman (1994:173) nennt gleich zu Anfang seiner Arbeit eine Varietät an verwendeten Ausdrücken: „[...], „transformed“ systems, „salarid“ systems, „flexible specialisation,“ „high commitment“ oragnization and „high performance work organization““. Er selbst nennt die einzelnen HR-Praktiken in seiner Arbeit „flexible work practices“ (z.B. S.185). Ichniowski et al. (1996:300) verwenden den Begriff „innovative work practices“ und verweisen gleichzeitig darauf, dass dieser Ausdruck keine festgelegte Bedeutung hat. Noch komplizierter wird die Situation durch in Europa ansässige Wissenschaftler, die den Begriff „High Performance“ gänzlich vermeiden wollen und daher von der Verbindung des HRM und der Performance sprechen (Procter 2008:150). In der vielbeachteten Studie von Huselid (1995) wird beispielsweise durchgängig der Ausdruck „High Performance Work Practices“ verwendet. Nach Frick (2002) „[...] lassen sich die als „High Performance Work Practices“ bekannt gewordenen organisatorischen Strategien und Routinen als institutionelle Regeln interpretieren, die sowohl die Koordination als auch die Motivation der Organisationsmitglieder erleichtern bzw. fördern sollen und dabei nicht isoliert wirken können, sondern ihre Wirksamkeit erst innerhalb des betrieblichen Institutionengefüges entfalten“ (Frick 2002:81). Ramsay et al. (2000:508) identifizieren in ihrer Studie 24 HR-Praktiken, die innerhalb der HPWS Literatur immer wieder auftreten und mit einer erhöhten Mitarbeiterbeteiligung und -entwicklung in Verbindung gebracht werden[3]. Wie oben bereits erwähnt, legen unterschiedliche Autoren (z.B. Arthur 1994 und Huselid 1995) eine ungleiche Gewichtung auf die in ihren Arbeiten untersuchten HPPs. In diesem Sinne liegt eine wesentliche Problematik darin, dass kein Muster erkennbar ist, nach dem verschiedene Autoren bestimmte HPPs in ihre Untersuchung einschließen oder ausschließen (Lepak et al. 2006:219-22). Auch Becker & Gerhart (1996:785) arbeiten in ihrer Studie eine große Anzahl verschiedener HPPs innerhalb von fünf Studien heraus (Huselid 1995; Kochan & Osterman 1994; MacDuffie 1995; Cutcher-Gershenfeld 1991; Arthur 1994). Auffällig ist, dass nicht nur die untersuchten HPPs (z.B. „Job Rotation“ als Bestandteil in nur zwei der untersuchten fünf Studien) variieren, sondern auch die Anzahl der untersuchten HPPs. Huselid (1995) und Arthur (1994) untersuchen jeweils elf HPPs, von denen sich jedoch nur zwei der einzelnen HPPs in beiden Studien überschneiden. Kochan & Osterman (1994) und Cutcher-Gershenfeld (1991) beziehen dagegen nur vier HPPs in ihre Studien mit ein, von denen lediglich zwei in beiden Studien untersucht werden. MacDuffie (1995) involviert insgesamt zehn HPPs in seine Studie, die sich jedoch kaum mit den untersuchten HPPs in Huselids (1995) und Arthurs (1994) Arbeiten decken. Problematisch ist somit nicht nur welche HPPs als Bündel ein HPWS bilden, sondern auch wie viele HPPs ein HPWS umfasst.

[...]


[1] Definition „Commitment“ (Verpflichtung):

Engagement und Einsatz für das Unternehmen (Weinert 2004: 179).

[2] Ein „Fit“ in diesem Sinne ist dann vorhanden, wenn zuvor definierte Ziele durch ein konsistentes HR-Bündel erreicht werden oder einen einzigartigen Status erreichen (Heffernan et al. 2011: 303).

[3] 1) Absteigende Kommunikation, 2) Aufsteigende Kommunikation, 3) Leistungsabhängige Vergü­tung, 4) Erfolgsbeteiligung / Mitarbeitergewinnbeteiligung, 5) Mitarbeiteraktienpro­gramm, 6) Problemlösungsorientierte Gruppenarbeit, 7) Beratender Ausschuss, 8) Gewerkschaf­ten, 9) Arbeitnehmervertretung, 10) Job Control, 11) Formale Teamstrukturen, 12) Teamautono­mie, 13) Schulungssysteme, 14) Total Quality Management (TQM), 15) Interner Arbeitsmarkt, 17) Anspruchsvolle Rekrutierung, 18) Einführungsveranstaltungen, 19) Arbeitsplatzsicherheit, 20) Leistungsbeurteilung, 21) Abbau von Statusdifferenzen, 22) Diversity Management, 23) Familien­freundliche Unternehmensführung, 24) Beschwerdeverfahren.

Ende der Leseprobe aus 82 Seiten

Details

Titel
Das High-Performance-Paradigma
Untertitel
Eine kritische Analyse
Hochschule
Universität Hamburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
82
Katalognummer
V233570
ISBN (eBook)
9783656500704
Dateigröße
848 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Diplomarbeit wurde aufgrund ihrer wissenschaftlichen und praktischen Relevanz im Bereich des Personalwesens für den Nachwuchsförderpreis des BPM vorgeschlagen.
Schlagworte
high-performance-paradigma, eine, analyse
Arbeit zitieren
Ramona Ritscher (Autor:in), 2012, Das High-Performance-Paradigma, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/233570

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