To be different! Erfolgreiche Marktpositionierung trotz – oder Dank – Non-Konformität?

Eine Analyse der Klang – Image – Konstitution am Beispiel der Böhsen Onkelz.


Bachelorarbeit, 2013

67 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Gliederung:

1. Einleitung

2. Grundlagen der Musikrezeption
2.1 Adornos Theorie der Industriediktatur
2.2 Der Rezipient als kreativer Part der Musikkultur
2.3 Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Theorien in Bezug auf das Künstler-Image

3. Strategien der Musikindustrie
3.1 One-Hits-Wonders – Das schnelle Kapital
3.2 Dekaden-Stars – So werden Legenden gemacht

4. Die Böhsen Onkelz – „Gehasst, Verdammt, Vergöttert!“
4.1 Die Onkelz und die Presse
4.2 Der Mythos „Böhse Onkelz“
4.3 Die Onkelz und der Prollrock
4.4 Legenden sterben nie? „Vaya con tioz“
4.5 Das Ende der Onkelz
4.6 Die Onkelz – Ein Medienphänomen

5. Überprüfung der Thesen an vier ausgewählten Werken
5.1 Erinnerungen
5.2 Onkelz 2000
5.3 Danke für nichts
5.4 Ihr hättet es wissen müssen

6. Das Image macht die Musik? .

Fußnoten
Anlage A
Anlage B
Quellenverzeichnis

1. Einleitung:

Der wagemutige französische Philosoph Voltaire zweifelte häufig öffentlich die strengen Glaubensgrundsätze seiner Zeit an – und das trotz der strengen Zensurgesetze im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Als ein Priester ihn an seinem Sterbebett aufforderte, sich von Satan loszusagen, erwiderte Voltaire: >>Aber, aber, guter Mann. Dies ist nicht der Zeitpunkt, sich Feinde zu machen<<“ (Ceilán 2007: 83)

Ob dies wirklich die letzten Worte Voltaires waren, soll nicht Thema dieser Bachelorarbeit sein. Es ist auch gar nicht von Bedeutung, dennoch zeigt jene Überlieferung Voltaires angeblichen ultima verba 1, wie wichtig ein Image für Kunstschaffende und Philosophen aller Art ist, egal ob Schriftsteller, Schauspieler oder Musiker.

Vor allem viele Bands leben und lebten von ihrem Image, den

kommunikative[n] Konstrukt[en], die sich aus den überwiegend medial distribuierten, intertextuellen Darstellungsmustern eines Interpreten und den darauf aufbauenden Vorstellungen der Rezipienten zusammensetzen“ (Borgstedt 2008: 136),

oder kurz dem Mythos, der um die Band herum aufgebaut wurde. Als Image kann dabei alles betrachtet werden, dass dem Künstler von außen oder auch durch eigene Aussagen zugeschrieben wird. Die Rolling Stones beispielsweise galten immer als das skandalöse Pendant der Beatles, sie standen für Rock, Revolution, Krawall – kurz: für „Konfrontation und Schock“ (Bamberg 1999). Aus heutiger Sicht mag dies schwer vorstellbar erscheinen, sind sie doch klanglich zwischen Blues und Rock angesiedelt und eher etwas für die älteren Musikliebhaber oder jedenfalls nicht mehr der Sound der Jugend. Und auch Elvis Presleys Erfolg basierte unter anderem darauf, dass er polarisierte und Protest und Ablehnung in weiten Teilen der älteren Bevölkerung auslöste. (Vgl. Borgstedt 2008: 47)

Die Toten Hosen dagegen galten lange Zeit als Spaßpunks, die wenig musikalisch waren, dafür jedoch umso mehr Alkohol konsumierten. Vor allem legendäre Fernsehauftritte wie Campinos Teilnahme an einer Diskussionsrunde zum Thema „Glaubwürdigkeit von Rockbands bei Benefiz-Veranstaltungen“ auf Tele5 im Jahre 1990 (VGL. Friss oder Stirb CD1, Kapitel 3.4) oder der MTV-Dokuserie Friss oder stirb manifestierten dieses Bild in der Öffentlichkeit. Die Band musste schließlich, nachdem sie sich ernsteren Themen zuwandte und gereift war, lange darum kämpfen, als ernsthafte Musiker angesehen zu werden.

Das Image eines Musikers, in den Anfangstagen einer Band oftmals notwendig um sich aus der Masse an Bands hervorzuheben, kann schnell zum Fluch einer Band werden. So werden die Musiker Rammsteins immer wieder durch ihr martialisches Auftreten mit der rechten Szene in Verbindung gebracht, eine Szene, der sie nicht nur nicht angehören, sondern die von den Musikern der Band regelrecht verachtet wird. Immer wieder wird dabei das umstrittene Musikvideo ihres Depeche Mode Covers Stripped als Argumentationsstütze genutzt, eine streitbare bis unsinnige Vorgehensweise (Vgl. Weigel 2011)

Noch schlimmer traf es die Frankfurter Band Böhse Onkelz. Nachdem ihre ersten Platten, erschienen auf dem Rechtstock-Label Rock-o-Rama, Der nette Mann und Häßlich auf Grund von xenophobischen Inhalten indiziert wurden2, schaffte die Band es nie mehr, diesen Makel von sich zu streifen. Und das trotz Auftritten in Talkshows, öffentlichem Lossagen von der rechten Szene und später sogar von der unpolitischen bis rechtsoffenen Oi!-Szene über den Song Erinnerung, und ganz klar linkspolitisch angesiedelten Liedern wie Deutschland im Herbst und Unterstützung von Projekten in Afghanistan und Peru sowie dem Delfinschutz, der International Peace Foundation und Bremen gegen Hass (Vgl. Alte Onkelz-Homepage). Sogar für das ZDF wird Stephan Weidner Ende des Jahres 2013 vor der Kamera stehen, um auf das Schicksal von Flüchtlingen aufmerksam zu mache. (Vgl. Der W 2013) Obwohl rechtsextreme Bands wie Landser die Onkelz in der Folgezeit immer wieder anfeindeten (Vgl. Netz gegen Nazis 2008), wurde auch noch nach ihrem Abschiedsfestival Vaya con tioz (zu Deutsch: Geh mit den Onkelz, eine Anlehnung an den mexikanischen Spruch Vaya con dios, zu dt. Geh mit Gott) am 17. und 18. Juni 2005 auf dem Lausitzring, bei dem Größen wie Pro- Pain, In Extremo, J.B.O., Children of Bodom oder Mötorhead, aber auch von den Onkelz geförderte Bands wie Sub 7even auftraten, in einigen Zeitungen über das Ende einer rechten Skandalband berichtet. Selbst im Jahr 2012 erwähnten die Ärzte bei Liveauftritten die Böhsen Onkelz im Song Schrei nach Liebe noch im rechten Kontext. (Vgl. Schrei nach liebe 2012) Und auch in der Auseinandersetzung um die rechtsoffene Band Frei. Wild, welche vom Echo 2013 nach breitem Protest ausgeschlossen wurde, mussten die Onkelz immer wieder als Paradebeispiel einer erfolgreichen rechten Band herhalten. (rp-online 2013)

Die vorliegende Bachelor-Arbeit soll diese Problematik aufgreifen und herausarbeiten, inwiefern ein bestimmtes selbst konstruiertes oder von außen oktroyiertes Image eine Band fördern aber auch schaden kann und vor allem, in welchen Beziehungen die klanglichen Ausgestaltungen und Entwicklungen von Bands und ihre Außendarstellung und Images stehen. Dazu analysiere ich anfänglich theoretische Grundlagen verschiedener Betrachtungsweisen und akademischer Diskurse und wende sie anschließend auf die Frankfurter Deutschrockband Böhse Onkelz an.

Es wird sich in der vorliegenden Arbeit nicht vermeiden lassen, dass die Fanperspektive Einfluss auf die Ausführungen haben wird. Allerdings sehe ich dies nicht als Schwäche sondern viel mehr als Stärke der folgenden Ausführungen an, denn wer hat das Image bzw. dessen Wirkung besser verinnerlicht, als ein Fan einer Band? Es gibt immer wieder Diskussionen in den Musikwissenschaften, ob es sinnvoll ist, etisch oder emisch zu arbeiten. Meine Arbeit ist ganz klar als emisch anzusehen und kann deshalb auch nicht vorgeben, neutral zu sein. Im Laufe meines Lebens jedoch habe ich alle Stationen durchlaufen, die im Zusammenhang mit den Böhsen Onkelz durchlaufen werden können. Anfangs verachtete ich diese Band, war als linkspolitischer Aktivist durchaus geblendet, von Fremdzuschreibungen geleitet und sah in dieser Gruppe die musikalische Ausgeburt des Neonazismus – ohne mich mit dieser Band jemals näher beschäftigt zu haben. Mit voranschreitender Pubertät, der Suche nach dem Selbst, der eigenen Identität, dem Ausdruck der Verachtung gegenüber dem Establishment und letztendlich auch dem ersten Liebeskummer fand ich zufällig Zuflucht in den Liedern dieser Band. Ich musste feststellen, dass Buch der Erinnerung, Bin ich nur glücklich wenn es schmerzt, Für immer oder Keine Amnestie für MTV nichts mit einer nationalistischen Einstellung sondern mehr mit Verarbeiten von Gefühlen und Rebellion gegen Alles und Jeden zu tun haben. So wurde ich im frühen Adoleszenzalter zum Anhänger der Band – Lange nach ihrer Auflösung. So wie mir ging es vielen Anhängern dieser Band. Je älter ich wurde und je mehr sich mein Musikgeschmack veränderte, desto mehr geriet diese großartige Band in Vergessenheit, doch sobald ich mich mit ihr beschäftige, ist die Begeisterung für diese Band und ihre einmalige Geschichte wieder präsent. Deshalb denke ich, dass die emische Perspektive die Faszination Onkelz und damit den Einfluss des Images besser verdeutlichen kann, als etisch-objektive Zuschreibungsversuche.

Ich habe viele wissenschaftliche Texte gelesen, welche sich etisch mit Subkulturen befassen. Regelmäßig ließen mich dabei die Ausführungen über Punk und Metal den Kopf schütteln. Diese sogenannte neutrale, von außen beobachtete, Szenebeschreibung hatte nichts mit der gelebten Realität wie ich sie kenne, gemein. Deshalb bin ich der Überzeugung, dass gerade bei einem Thema wie dem hier vorliegendem eine emische Betrachtungsweise die klar bessere ist.

2. Grundlagen der Musikrezeption

Er war Superstar/ Er war populär/ Er war so exaltiert/ Because er hatte Flair/ Er war ein Virtuose/ War ein Rockidol/ Und alles rief: Come on and rock me Amadeus“ (Falco in Rock me Amadeus)

Spätestens mit der Herausbildung der modernen U-Musik, eigentlich aber schon mit Abkehr der musikalischen Praktiken der anonymen Kirchenmusik und der Herausbildung des Urheberrechts, stand Musik nicht mehr losgelöst für sich allein. (Vgl. Borgstedt 2008: 18) Durch die Verbindung eines musikalischen Stückes mit dem Komponisten entstand ein Personenkult, Stücke wurden in den Kontext anderer Werke desselben Künstlers und seines Lebens gesetzt. So entstanden schon frühzeitig Images um die Musiker herum, sei es nun Avantgarde, traditionell oder plebejisch.

Dieser Effekt ist in der modernen U-Musik ein wichtiger Eckpfeiler erfolgreicher Bands, egal in welcher Musikrichtung. Doch gleichzeitig kann dieser Segen, wie in der Einleitung gezeigt, auch einen Fluch darstellen. Um zu verstehen, woher das Festhalten an Images - an übernommenen Wertzuschreibungen Anderer - kommt, lohnt sich ein Blick in die Evolution. Denn das Festhalten an Wertzuschreibungen ohne sie selbst zu überprüfen, nennt der Volksmund auch Schubladendenken. Dieses ist eine Folge der Entwicklung des Menschen. Um Gefahren frühzeitig erkennen und reflexartig reagieren zu können, entwickelte die Spezies der Menschen das Kastendenken – um in Gefahrensituationen das Analysieren überflüssig zu machen.

Nun stellt sich die Frage, wie in der modernen U-Musik dieses Denken genutzt wird. Gibt es Unterschiede zwischen den Künstlern oder sind sie durch die Musikindustrie gleichgeschaltet? Werden das Image oder der Klang einer Band von den Musikern, der Industrie oder gar den Fans bestimmt? Und wie groß ist der Zusammenhang zwischen dem Bandimage und der Musik? Werden Künstler musikalisch beeinflusst oder gar eingeengt um ihrem Image zu entsprechen? Um sich solchen und ähnlichen Fragen nähern zu können, beschäftige ich mich zuerst mit den beiden wichtigsten akademischen Diskursansätzen, die diesbezüglich kursieren:
Adornos Theorie der Industriediktatur und die Kritik der Cultural Studies an Adorno, die dem Konsumenten Individualität und Kreativität im Konsum zuschreiben.

2.1 Adornos Theorie der Industriediktatur

Ihm stellt sich die kommunikative Sprache der Medien, der Werbung und der Politik als depravierte Sprache par excellence dar, der sich Kunst und Literatur nicht bedienen können, ohne einen Sturz in Ideologie und Kommerz zu riskieren“ (Winter/ Zima 2007 über Adorno)

Bevor ich mich Adornos Ideen zur Industriediktatur und seiner Einstellung gegenüber populärer Musik widme, werde ich kurz anreißen, aus welchem Kontext Adornos Theorien erwuchsen. So gilt er als einer der Begründer und Vordenker der Kritischen Theorie und als das zentrale Hirn der sogenannten Frankfurter Schule, eine „in Frankfurt verortete Version der kritischen Theorie“ (Winter 2007: 25). Die Kritische Theorie selbst entstand in den 1930er Jahren als Philosophen, Kulturwissenschaftler und Soziologen wie Max Horkheimer, Walter Benjamin oder eben Adorno den nichtökonomischen Teil des Marxismus weiter dachten und mit diversen anderen Philosophen wie Kant, Hegel, Nietzsche, Freud und Weber kombinierten. (Vgl. Winter 2007 und Behrens 2007). Dabei hat die kritische Theorie nicht den Anspruch die Wirklichkeit bzw. die Wahrheit wiederzugeben, wie es die positivistischen Theorien versuchen. Sie mag lediglich Interpretations- und Theorieansätze liefern, die dem Rezipienten ermöglichen sollen, die Wahrheit selbst zu erkennen (Vgl. Bonacker 2008) und sich von seinen sozialen Fesseln zu befreien. (Vgl. Winter 2007) Diese sind laut der kritischen Theorie in der kapitalistischen Moderne systemimmanent und werden durch eine Utopie, die eine Negation der Realität darstellt, ersetzt. (Vgl. Behrens 2007) Auch wenn Adornos Wirken bis zu seinem Tode 1969 reichte, sollten seine Theorien dennoch vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass ihre Entstehung weit zurück liegt und sich seitdem auch in der populären Musik viel getan hat.

Adorno also war Teil der kritischen Theorie und laut Clemens Albrecht zwar kritisch und teilweise in marxistischer Tradition agierend, dennoch nicht offen kommunistisch (Vgl. Winter 2007). Trotzdem war er ein Opfer des Nationalsozialismus, lebte und forschte deshalb zeitweise im amerikanischen Exil und sah bei all seinen kapitalismuskritischen Analysen die Gefahr des Nationalsozialismus nie gebannt.

Sie [Adorno und Horkheimer] hielten es für notwendig, aktiv gegen eine mögliche Wiederkehr des Nationalsozialismus in Deutschland zu kämpfen, dessen Gefahr sie keineswegs gebannt sahen und auf dessen Präsenz, Spuren und Elemente Adorno immer wieder hinwies. […] Auschwitz war für Adorno kein Unglücksfall, keine bloße Regression oder ein kontingentes Ereignis. Viel mehr war es Ausdruck der Barbarei, die dem Kapitalismus innewohnt“ (Winter 2007: 27)

Möglicherweise hat die Erfahrung der Machtübernahme der Nazis sowie der Gleichschaltung der Menschen und Medien Adorno in seiner späteren Beurteilung über die populäre Musik und die Medienindustrie beeinflusst. Dies würde erklären, warum Adorno die Kulturindustrie auch als Industriediktatur bezeichnete und weshalb er den individuellen Geschmack des Musikrezipienten in Frage stellte. Diese Annahmen gehen mit der grundsätzlichen Einstellung der kritischen Theorie einher, dass

Subjekte bedingt durch Herrschaftsverhältnisse, ihre Interessen missverstehen bzw. ihre wirklichen Interessen und Bedürfnisse nicht erkennen können“ (Winter 2007: 33)

Überträgt man diese Grundannahme der kritischen Theorie nun auf die Musikindustrie, erscheint es logisch, dass Musikrezipienten keineswegs die Musik hören, die sie am meisten mögen, da sie ihre „Bedürfnisse nicht erkennen können“ und in einem ungünstigen „Herrschaftsverhältnis“ zu der Musikindustrie stehen.

Setzt man die eingehend zitierte Einstellung zur „kommunikativen Sprache der Werbung“ mit den eben erwähnten Rückschlüssen auf die Musikrezipienten in Verbindung, versteht man die Gedanken Adornos zur Kunst und der Bedeutung der populären Kultur. So ist für Adorno nur jene Kunst authentisch,

von der noch eine kritische Wirkung ausgeht [und die er] als Nichtkommunikation, als Bruch mit der Kommunikationsideologie definierte“ (Winter/ Zima 2007: 115)

Diese radikale Definition fußt auf den Erfahrungen die er im amerikanischen Exil machte und die seine weitere akademische Laufbahn sehr beeinflussen sollten.

Bereits in der Theorie der Kulturindustrie, die von Adorno und Horkheimer im amerikanischen Exil verfasst wurde, zeigt sich, dass die Massenmedien als soziale Kontrollinstrumente zur Integration der Konsumenten beitragen, die das ihnen offerierte Vergnügen mit einer Manipulation ihres Bewusstseins und wegen der standardisierten Warenproduktion kultureller Formen mit der Verkümmerung ihrer Einbildungskraft, ihres Unabhängigen Denkens und schließlich dem Verlust ihrer Individualität begleichen müssen .“ (Winter/ Zima 2007: 116)

Dieses Zitat bringt Adornos Einstellung zu populärer Musik auf den Punkt. Seiner Meinung nach gibt es keinen individuellen Musikgeschmack bei Konsumenten von populärer Musik. Diese sei sowieso immer wieder auf den gleichen Mustern aufgebaut, jedes Lied eine Replik von schon vorhandenen Werten und der Zweck dieser Musik sei nur, den Konsumenten in jenem Kosmos gefangen und still zu halten. Zwar kann mit Blick auf die populäre Musik dem soweit zugestimmt werden, als dass bei der Musik, die im Radio läuft und in den Charts als typische Popsongs vertreten ist, kaum Unterschiede feststellbar sind. Dort wiederholen sich Besetzungen, Harmonien, Gesangsarten, Themen der Textualisierung und sogar die Art und Weise der Darbietung. In der Zeit, als Adorno seine Thesen zur Kulturindustrie aufschrieb, wird es sich vor allem um den, im Jazz typischerweise verwendeten, Harmonieablauf des Turnarounds handeln. Doch ist das wirklich ein spezifisches Problem der sogenannten U-Musik? Kann nicht bei E-Musik dasselbe festgestellt werden? Gibt es nicht auch in der Fuge, in der Sonate und in der Oper klare Muster die bei jedem Komponisten wiederkehren?

Laut Adorno und Horkheimer allerdings würden explizit die Kulturwaren der modernen Kulturindustrie, welche auf Standardisierungen beschränkt sind,

den Rezipienten zu einer Identifikation mit der (falschen) Wirklichkeit animieren, von dieser abweichende Vorstellungen und gegen sie opponierende Gefühle würden in den Produkten der Kulturindustrie und nachfolgend – quasi automatisch – vom Zuschauer selbst zensiert .“ (Winter/ Zima 2007: 116)

Wenn die Musikrezipienten wirklich keine Möglichkeit haben, ihrer Individualität freien Lauf zu lassen, weshalb gibt es dann heutzutage eine Bandbreite an Subkulturen? Und selbst in diesen Subkulturen noch Unterkulturen? Wie kann bei der angeblichen geistigen Verengung der Musikrezipienten Doom Metal, Melodic Deathmetal, Black Metal und Metalcore neben House, Electro, Pop, Schlager, Rock, Punk oder der Volksmusik existieren? Nun verfasste Adorno diese Theorien, als es noch nicht die Bandbreite an populärer Musik wie heute gab. Zu seiner Zeit konnte man wirklich fast von der einen populären Musik sprechen, beschränkte sie sich doch vor allem auf Rock’n’roll, Blues, Jazz, Folk und Country. Aber selbst dort gab es Unterschiede, waren die Songs nicht immer von der Industrie gesteuert und damit den Rezipienten einlullend, wie Simon Frith herausarbeitet:

“ The question is: how does folk ‘consolation’ differ from pop escapism? The answer lies in the modes of production involved: folk songs were authentic fantasies because they sprang from the people themselves; they were not commodities.” (Frith 1988: 110)

Auch heute mag manches davon stimmen. Denn selbst in den genannten Subkulturen gibt es wieder Genrekonventionen, die immer wieder in den verschiedenen Werken wieder kehren und sich sogar auf Kleidung und soziale Interaktion auswirken. Dies führt unter anderem dazu, dass viele Künstler es schwer haben, sich wirklich musikalisch zu entwickeln, da sie nur „von den Normen, durch die [sie] überhaupt an die Macht gelangte[n], im Rahmen der genrespezifischen Grenzen wieder abweichen“ (Borgstedt 2008: 68) können und daher im kreativen Entstehungsproszess beschränkt sind. Dies allerdings ist weniger auf das Kulturdiktat als vielmehr auf die kreativen bzw. aktiven Rezipienten zurückzuführen.
Im Kapitel zu den One-Hit-Wonders dagegen werden wir einige Parallelen zum Kulturindustriediktat finden. Diese stehen dann aber auch wieder nur für einen bestimmten Teil der populären Musik, nicht für die populäre Musik im Allgemeinen.

2.2 Der Rezipient als kreativer Part der Musikkultur

Vor dem Hintergrund postmoderner Theoriebildung ergibt es keinen Sinn, danach zu fragen, was ein bestimmtes kulturelles Phänomen denn nun wirklich „sei“ – vielmehr scheint es zielführend, zu betrachten, wie es von einer bestimmten Gruppe mit ihren jeweiligen historischen und sozialen Voraussetzungen rezipiert wird, und somit den Imagebegriff als analytische Kategorie zu gebrauchen.“ (Larue 2007: 2)

In Adornos Augen sind die Musikhörer kaum mündig und haben eigentlich keine Chance auf die Entwicklung eines eigenen Musikgeschmacks. Selbst die Kritiken von Musikwerken waren in seinen Augen von der Industrie gelenkt und deshalb ein Instrument der Entmündigung der Rezipienten. (Vgl. Kleiner 2007) Allerdings gab es zu den Hochzeiten Adornos auch noch keine DIY-Szene und keine Fanzines.

Das Publikum erscheint allerdings lediglich bezüglich seiner musikalischen Aktivität passiv. Hinsichtlich des Einflusses auf das musikalische Geschehen insgesamt wird es dafür umso wichtiger, und zwar als Instanz, die über Erfolg oder Misserfolg […] entscheidet.“ (Borgstedt 2008)

Spätestens, seit die Aufgabe der Kritik nicht nur von professionellen Kritikern sondern auch von einfachen Fans in Fanzines und im Internet ausgeübt wird, muss diese Annahme Adornos negiert werden.

Erst im Diskurs bilden sich die Konzepte davon heraus, wie und ob über die Dinge der Welt gesprochen werden kann. […] Als prägnantes Beispiel kann hier auf die hochpolitisierte Szene des Straight-Edge-Hardcores verwiesen werden, in der es in orthodoxen Ausformungen nicht nur darauf ankommt, eine schnellere und härtere Form des Punk-Rocks zu spielen, sondern auch einen Lebensstil zu verfolgen, welcher die Abstinenz von Drogen ebenso einschließt wie eine vegane Ernährung und die Ablehnung von Promiskuität.“ (Larue 2007: 3)

Folglich muss den Rezipienten von Musik nun ein aktiverer Part zugesprochen werden, als noch bei Adorno.

The people in a mass society may no longer make their own music, but choosing which songs and records to buy is still a means of cultural expression.“ (Frith 1988: 107)

Statt entmündigt und gelenkt von der Industrie fertigen Retortenstars hinterherzurennen und deren Image als gegeben zu konsumieren, greifen viele Rezipienten spätestens seit der Herausbildung der Subkulturen aktiv in den Image-Konstruktionsprozess ein.

Entsprechend dem >> active audience << - Konzept wird Kultur durch Menschen erzeugt, indem sie Produkte der Kulturindustrie nutzen; dabei produzieren sie nach Fiske eigene Bedeutungen“ (Borgstedt 2008: 66)

Daher kann auch keinesfalls mehr von einem einzigen, echten Image ausgegangen werden. So waren vor allem subkulturelle Bands wie die Böhsen Onkelz oder Rammstein mit verschiedensten Images konfrontiert. Von rechtsradikal bis trostspendend, von brachialem Krach bis moderne Hochkultur – die Spannbreite der Images kennt kaum Grenzen und ist größtenteils davon abhängig, wer die Bands gerade bewertet. Deshalb stellt Simon Frith im Vorwort seines Buchs Music For Pleasure fest, dass selbst er und andere Akademiker bei jeder Beschreibung, Bewertung und Zuschreibung von Musik und Künstlern subjektive Eindrücke einfließen lassen und sich die Beschreibung von Musik im Laufe der Zeit ändert. (Vgl. Frith 1988) Des Weiteren sieht Frith keinesfalls den Rezipienten als machtlos, entmündigt und unkritisch Waren einer großen alles bestimmenden Musikindustrie konsumierend. Viel mehr sieht er sie durch die Schaffung von Konventionen aktiv in den Prozess eingreifen.

In getting their effects – giving us pleasure, constructing cults, becoming stars – rock and pop musicians of whatever type are acting according to conventions […] My assumption is that no musical event, no way of singing, no rhythm comes naturally .” (Frith 1988: 4)

Um die diskursive Imagekonstruktion durch aktive Rezipienten, Genre-Konventionen und das Fantum zu verstehen, ist es wichtig sich von der rein musikalischen Analyse zu verabschieden. Während in der klassischen Musik vor allem Virtuosen zu Stars wurden, welche auch Jahrhunderte später noch anhand des Notenbildes identifiziert werden können, ist es im subkulturellen Kontext der U-Musik wichtig, auch weitere Aspekte wie die der Songtexte zu analysieren. So behauptet Simon Frith, dass der Blues vor allem auf Grund seiner Songtexte ein Image des Authentischen innehatte, da er sich in sprachlicher Ausgestaltung von den sonstigen lyrischen Songtexten der Popmusik unterschied. Ebenso sollten semiotische Aspekte wie Kleidung, Gebrauch von Symbolen, optische Erscheinungen auf der Bühne oder den CD-Covern und gegebenenfalls der Einsatz von Showelementen wie Licht und Pyrotechnik beachtet werden. So zieht beispielsweise Dominic Larue eine ganze Armada von Symboliken zu Rate, um die linksrevolutionistische Imagekonstruktion von Rage Against The Machine nachzuzeichnen.

Auf visueller Ebene fällt als basaler Aspekt die häufige und prominente Verwendung der Farbe Rot auf, welche im politischen Kontext seit dem 19. Jahrhundert vor allem ein Symbol der Linken war. […] Besonders häufig wird dabei vom fünfeckigen Stern Gebrauch gemacht. Ein weiteres Symbol, welches von RATM in verschiedenen Kontexten genutzt wird, ist die geballte Faust […]“ (Larue 2007: 7)

Auch wenn Rage Against The Machine im weiteren Verlauf dieser Arbeit keine Rolle spielen wird, so zeigt diese Beschreibung Larues eindeutig, dass die Musikwissenschaft zwar ihren Kern, die musikalische Analyse, bei der Bewertung der Imagekonstruktion von U-Musikern nicht vergessen sollte, jedoch die Augen der Realität gegenüber öffnen muss, dass weit mehr als die musikalische Analyse dazu gehört, um die Wechselwirkungen zwischen Stars und Fans zu verstehen, denn

von besonderer Bedeutung für die diskursive Imagekonstruktion eines Künstlers ist seine Präsentation in Interviews“ (Larue 2007: 7)

2.3 Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Theorien in Bezug auf das Künstler-Image

Obwohl die Theorie der Kulturindustrie Adornos der Theorie des aktiven Konsumenten ambivalent gegenübersteht, kann keine der beiden Theorien als gänzlich falsch angesehen werden. Wie sich im Punkt 3.1 zeigen wird, gibt es durchaus Bereiche der Popmusik, die immer noch nach denselben Mustern arbeiten, die Adorno als verachtenswert identifizierte. Dennoch ist Adornos Theorie viel zu generalisierend und kann zumindest seit Ausbildung der verschiedensten Subkulturen nicht mehr als gegeben angesehen werden. Wären wir wirklich alle entmündigt und vom Diktat der Kulturindustrie abhängig, dann gäbe es keine Subkulturen, da es ja auch keine individuellen Musikgeschmäcker gäbe. Ein Blick in den Freundes- und Bekanntenkreis sollte allerdings genügen, um zu erkennen wie unterschiedlich die Musikgeschmäcker sind. Dies mag verschiedene Ursachen haben, vor allem die Sozialisation ist dabei entscheidend. Doch unterstreicht dies eindrucksvoll, dass Rezipienten vielleicht doch einen eigenen Kopf zum Denken haben.

Allerdings wird in beiden Theorien auch deutlich, wie wichtig das Image für Künstler, Werke und Bands ist. Folgt man Adornos Theorie, so unterscheiden sich die meisten Popmusikkünstler nicht voneinander. Doch warum hat dann der Eine Erfolg und der Andere nicht? Es scheint also so, als sei die Marktplatzierung von Künstlern auch davon abhängig, welches Image um den Künstler aufgebaut wird bzw. wie er vermarktet wird. Wendet man sich von Adornos Theorie ab, so erkennt man schnell, dass bei einem aktiven Part der rezipierenden Konsumenten eine Imagebetrachtung unumgänglich ist. Auf der einen Seite erarbeiten die Anhänger von Szenen und Subkulturen Konventionen, welche dann auf den Künstler angewendet werden. Fällt ein Künstler dort raus, gilt er schnell nicht mehr als echt und bekommt ein negatives Image verpasst, welches dann seinen weiteren Werdegang beeinflussen kann. Auf der anderen Seite ist es für Bands notwendig, ein gewisses Image zu konstruieren um sich in der modernen und zergliederten Musiklandschaft zu positionieren. Wie man es auch dreht und wendet, das Image scheint von zentraler Bedeutung bei der Dekonstruktion von Künstlererfolgen und Subkulturen zu sein. Bevor ich nun eine klangbezogene und diskursive Imageanalyse am Beispiel der Böhsen Onkelz vornehmen werde, möchte ich im Folgenden die, aus der Theorie Adornos sowie der der aktiven Rezipienten, erwachsenen Strategien der Musikindustrie darlegen: Die One-Hit-Wonders und die Dekaden-Stars.

3. Strategien der Musikindustrie

Als Mitte des Jahres 2012 die GEMA die neuen Live-Tarife veröffentlichte, brach eine große Diskussion über das Urheberrecht los. Ein oftmals genutztes Argument der Gegner des Urheberrechts lautete dabei, dass es längst überholt sei, da die gegenwärtige Popmusik doch eh immer gleich klänge und es keine wirklich neuen Ideen mehr gäbe.

Jenes sehr nach Adorno klingende Argument spielte dabei auf die Strategien der Major-Labels an, mit sogenannten One-Hit-Wonders möglichst viel Geld in möglichst kurzer Zeit zu generieren. Dabei wird ein Interpret von der Musikindustrie gezielt gepusht, allerdings wenig getan um ihn von anderen Künstlern abzugrenzen. Silke Borgstedt nennt dieses Prinzip in ihrer Doktorarbeit die „absatzorientierte Produktion von Bekanntheit“ (Borgstedt 2008: 18), die sich von der traditionellen Prominenz stark unterscheide. Unter den verschiedenen Künstlern kann es dabei sowohl musikalisch als auch von der Imagebildung zu erheblichen Überschneidungen kommen. Doch gerade Bands wie Rammstein und Böhse Onkelz zeigen, dass es durchaus auch andere Strategien gibt, die Bands über Jahre aufbauen und ein Gesamtkunstwerk aus einem Musiker erschaffen.

3.1 One-Hits-Wonders – Das schnelle Kapital

0815 grenzdebile, auf Ruhm gedrillte Pop-Maschinen, geklonte Bands, Retortenstars, tanzen einen Sommer und das war's !“ (Böhse Onkelz – Superstar)

Dieses Zitat aus dem Song Superstar vom letzten Album der Böhsen Onkelz, Adios, benennt auf einfache und prägnante Weise was viele Musikfans, gerade aus den Subkulturen, über die sogenannten One-Hit-Wonders denken. Egal ob die nun schon einige Jahre erfolgreiche Lady Gaga, die als künstlerische Reinkarnation der noch gar nicht toten Madonna gehalten werden kann, die Flut an Boy Groups in den 90er Jahren und zu Beginn des neuen Jahrtausends, die immer gleich klingenden R’n’B-Chart-Tracks, die allesamt die gerappten Parts durch mit Auto-Tune bearbeitete und auf unmenschliche Art entkörperten Gesänge ergänzen oder leicht bekleideten Popengelchen, die monoton ins Mikrofon singen, dabei einen Ambitus aufweisen, der selbst für so manches Volkslied zu gering ausfallen würde – Sie alle haben eines gemeinsam. Sie sind etwas, dass man in den Medienwissenschaften als „Me Too“ Konzepte beschreibt, also eine bloße Aneignung von schon erfolgreichen Konzepten ohne wirklich neues beizusteuern. Und dennoch werden sie immer wieder gehört, gekauft und im Radio hoch und runter gespielt.

Statt den Einzelnen zu ermutigen, autonom und kritisch zu handeln, fördert [die industrielle Massenkunst] seine Anpassung an den von Konzernmanagern organisierten Durchschnittsgeschmack.“ (Winter/ Zima 2007: 120).

Diese Erkenntnis allerdings ist nicht neu. Schon zu Zeiten der musikalischen Massenfabrik Tin Pan Alley, bei der neue Hits bestellt werden konnten, und Motown-Records, die vor allem die Praktiken des Coverns auf die Spitze trieben (Vgl. Pendzich 2004), wurden solche genormten Konzepte umgesetzt. Dies hat auch Adorno in seiner Kritik an der Kulturindustrie immer wieder unterstrichen.

In der Kulturindustrie ist das Individuum illusionär nicht bloß wegen der Standardisierung ihrer Produktionsweise. Es wird nur so weit geduldet, wie seine rückhaltlose Identität mit dem Allgemeinen außer Frage steht. Von der genormten Improvisation im Jazz bis zur originellen Filmpersönlichkeit, der die Locke übers Auge hängen muss, damit man sie als solche erkennt, herrscht Pseudoindividualität.“ (Horkheimer/ Adorno in Winter/ Zima 2007: 120)

Diese genormten und antiindividualisierten Musikpraktiken der Popmusik führten dazu, dass die Musikindustrie ihre Konzepte auf schnellen und genormten Massenerfolg umstellte. So werden einerseits immer wieder Kompilationen gleichen Musters veröffentlicht, die sich stilistisch nicht von Vorgängern unterscheiden, lediglich die Protagonisten und Titel wechseln, und dann als die neuste Zusammenstellung von Superhits verkauft. Ein Beispiel dafür ist die legendäre Bravo Hits, von der es mittlerweile die 81. Ausgabe gibt. (Stand: 10.05.2013 Vgl. Bravo Hits 2013). Andererseits werden immer wieder Musiker unter Vertrag genommen, die gar nicht darauf ausgelegt sind, langfristig aufgebaut zu werden, da dies größere Investitionen und Ressourcen in Anspruch nimmt. Als Beispiel können hierzu die Gewinner (Stand: 09.05.2013) der Castingshow Deutschland sucht den Superstar angeführt werden: Alexander Klaws, Elli Erl, Tobias Regner, Mark Medlock, Thomas Godoj, Daniel Schumacher, Mehrzad Marashi, Pietro Lombardi, Luca Hänni. Während die Show so ziemlich jedem in Deutschland ein Begriff sein sollte, sind die meisten aus ihr hervorgegangenen Künstler mittlerweile wieder weitestgehend unbekannt.

Die neun ‚Superstars‘ von DSDS haben zusammen bisher nur 25 Alben veröffentlicht3. Auffällig ist dabei, dass bei allen Künstlern gleich einige Tage nach dem Gewinn der Show die Single veröffentlich wurde, was bei dem heutigen Produktionsaufwand beweist, dass der Song schon lang fertig produziert war, bevor der Sieger feststand. Nach dem Gewinn der Show musste dem fertigen Song nur noch die Stimme geliehen werden, damit er veröffentlicht werden konnte. Außerdem sind acht der neun Superstars männlich. Dies unterstreicht Adornos Behauptung der Standardisierung und der beliebigen Austauschbarkeit. Im Jahr des Gewinns veröffentlichten die Künstler dann immer das erste Album, im zweiten Jahr meist das nächste und danach meist keines mehr. Das zeigt, welche extrem kurzen Halbwertszeiten solche Strategien mit sich bringen. Im Gegensatz dazu veröffentlicht die extrem erfolgreiche Deutsche Metalband Rammstein im Schnitt etwa alle 3 Jahre ein Studio-Album. (Vgl. Rammstein Shop 2013).

Beide Praktiken, das immer wieder neue Veröffentlichen von Kompilationen gleichen Musters sowie das kurzfristige Aufbauen von Superstars, die innerhalb von nur wenigen Monaten oder Jahren wieder aus dem öffentlichen Blickfeld verschwinden, haben dabei ein ganz klares Ziel. Es soll die „Macht der ökonomisch Stärksten“ (Adorno/ Horkheimer in Kleiner 2007: 133) stärken. Die Major Labels, die sich dieser Strategien bemühen, sind nicht daran interessiert, langfristig Stars aufzubauen, um dann mit ihnen zu wachsen. Sie wollen ihre starke Marktposition nutzen, um kurzfristig Kapital zu erwirtschaften, ihre Position zu sichern und ihre Ästhetik weiter als die vorherrschende zu platzieren.

3.2 Dekaden-Stars – So werden Legenden gemacht

Stephan Weidner, Jahrgang 1963, hat erreicht, wovon andere nur träumen. Als legendär gilt das Abschiedskonzert der Onkelz 2005 vor über 120.000 Besuchern am Eurospeedway Lausitz. Es war das größte Musikfestival, das jemals in Deutschland stattfand.“ (gotv music)

Dass es auch anders geht, als mit genormten ‚Me Too‘-Produktionen erfolgreich zu sein, zeigen immer wieder verschiedenste Bands aus dem subkulturellen Bereich, wie zum Beispiel Rammstein oder die Böhsen Onkelz, die über Jahrzehnte wohl zu den erfolgreichsten deutschen Bands gehörten, obwohl sie anfangs von der Presse und den Kritikern verschmäht wurden. Zwar gelten in den Subkulturen auch wieder gewisse Normen und Konventionen des Musizierens, des Images, der Kleidung und des Erscheinens. Dennoch heben sich gerade die genannten Beispiele aus der Masse der Bands und Musiker der Einheitsindustrie ab.

Die Ausdifferenzierung spezifischer Jugendkulturen und –szenen […] erzeugt aber nicht nur die Möglichkeit , sondern auch die Notwenigkeit zur bewussten Identitätskonstruktion, da die Auflösung etablierter Werte- und Hierarchiestrukturen eine eigenständige Verortung im sozio-kulturellen Raum erfordert“ (Borgstedt 2008: 45)

Dies allerdings muss nicht unbedingt als besonders authentisch oder echt angesehen werden. Auch wenn sicherlich viele Musiker sagen, dass sie nicht versuchen sich zu verbiegen, sondern einfach nur Musik machen wollen, so steckt doch hinter Bands, Musikern und Künstlern auch immer ein Stück weit eine Inszenierung, die zusammen mit der Musik ein Gesamtkunstwerk erschafft. Diese Inszenierung wird dann als mediale Wirklichkeit vermittelt, obwohl unter Umständen die Künstler im wahren Leben völlig andere Charaktere verkörpern, denn:

Mit der Erschließung eines Massenmarktes wurden Tonträger somit zu authentischen Repräsentanten ihrer Inhalte. […] Der Tonträger bzw. die auf ihm enthaltenen Songs werden damit zum Symbol für den jeweiligen Musiker, Song und Star werden zu einer Einheit musikbezogener Wissens- und Erfahrungsbestände.“ (Borgstedt 2008: 45)

[...]

Ende der Leseprobe aus 67 Seiten

Details

Titel
To be different! Erfolgreiche Marktpositionierung trotz – oder Dank – Non-Konformität?
Untertitel
Eine Analyse der Klang – Image – Konstitution am Beispiel der Böhsen Onkelz.
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Musikwissenschaften und Medienwissenschaften)
Note
2,5
Autor
Jahr
2013
Seiten
67
Katalognummer
V233065
ISBN (eBook)
9783656515982
ISBN (Buch)
9783656515999
Dateigröße
799 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Ausarbeitung zeichnet sich durch Realitätsnähe aus. Laut der Bewertung des Gutachters rutschte sie teilweise zu sehr ins journalistische ab, was aber meiner Meinung nach nicht mal unbedingt eine Schwäche sein muss. Schwerpunkt der Arbeit war mehr die Anwendung denn die sinnlose hypothetische Abhandlung
Schlagworte
erfolgreiche, marktpositionierung, dank, non-konformität, eine, analyse, klang, image, konstitution, beispiel, böhsen, onkelz
Arbeit zitieren
Marcel Weigel (Autor:in), 2013, To be different! Erfolgreiche Marktpositionierung trotz – oder Dank – Non-Konformität?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/233065

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