Die Rolle der Kirchen und Gewerkschaften als Opposition in Polen und in der DDR


Studienarbeit, 2007

20 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Kirchen als oppositionelle Kraft
2.1. Die katholische Kirche in Polen
2.2. Evangelische Kirchen in der DDR
2.3. Zwischenfazit

3. Gewerkschaften in der Rolle der Opposition
3.1. Gewerkschaftsbestrebungen in Polen
3.2. Gewerkschaften in der DDR?
3.3. Zwischenfazit

4. Fazit

5. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

„Handelt es sich schon um eine Form der Verweigerung oder des Protestes, wenn man unter den Bedingungen der DDR darauf verzichtete, in eine Partei oder Massenorganisation einzutreten, wenn man den Deutschland-Funk hörte oder mit einem Plastikbeutel, auf dem westliche Werbung zu sehen war, durch die Straßen ging? Oder kann man von Verweigerung oder Protest erst sprechen, wenn man den Wahlen fern blieb, Eingaben schrieb oder öffentlich Kritik an den Mißständen des Systems übte?“[1]

Auch wenn Pollack und Rink ihre Untersuchung „Zwischen Verweigerung und Opposition“ rein auf die Widerstandsbewegung in der DDR bezogen, kann man doch davon ausgehen, dass eine derartige komplexe Begriffsfindung auch im Falle von Polen notwendig sein dürfte. Die schwierige Situation der Opposition – politisch oder rein gesellschaftlich motiviert – in der DDR – und äquivalent[2] dazu auch in Polen, ist Gegendstand einer breiten Forschung. In der hier vorliegende Arbeit soll ein knapper Vergleich der Rolle des Widerstands – hier mit der Einschränkung des politisch motivierten Widerstands – geleistet werden. Die DDR und Polen sollen dabei hinsichtlich der Positionen von Kirche und Gewerkschaftsbestrebungen im Zeitraum von 1980 bis 1989 analysiert werden. Widerstandsbestrebungen werden im folgenden also als politisch motiviert – sowohl im Falle von reformatorischen als auch von umstürzlerischen Bestrebungen – definiert, Opposition und Widerstand sollen dabei in äquivalenter Bedeutung genutzt werden.

Als erstes werden die Kirchen als Widerstandsorganisation untersucht, wobei im polnischen Falle explizit die katholische, im Falle der DDR explizit die evangelische Kirche[3] analysiert werden wird. Im Anschluss daran folgen dann die Betrachtungen zu den vereinzelten Gewerkschafts- bestrebungen in der DDR direkt im Anschluss an die Betrachtungen zu der Massenorganisation der Solidarnosc in Polen. Schließlich wird im abschließenden Fazit untersucht werden, welche Rolle die Widerstandsbewegungen in Form von Kirchen und Gewerkschaften tatsächlich im politischen System der DDR und Polen inne hatten.

Besonders hilfreich bei der Betrachtung dieser Thematik war das Werk von Barbara Büscher „Das Jahrzehnt der Solidarnosc“ im Falle von Polen inklusive der darin enthaltenen Originaldokumente, sowie die autobiographischen Erinnerungen von Walter Jahn bezüglich des Widerstands in der Deutschen Demokratischen Republik. Beide Werke vermitteln einen eindrücklich die damalige Situation. Für einen einführenden Überblick in die Thematik bietet sich im Falle der DDR ebenfalls die Website des Bundesministeriums für die Stasi- Unterlagen (BSTU) an, die viele interessante Details und vor allem eine Zeittafel des Jahres 1989 zu bieten haben.

2. Die Kirchen als oppositionelle Kraft

2.1. Die katholische Kirche in Polen

„Religion war für sie [die Streikenden A. d. V.] eine Macht, ausgestattet mit einer generalisierenden und wunscherfüllenden Kraft, die schädliche und zerstörerischere Aktionen von ihnen fernhalten möge.“[4]

Religion – und damit gleichgesetzt die katholische Kirche – spielte in Polen schon in den vorangegangen Jahrhunderten eine große Rolle.[5] Die Unterstützung der katholischen Kirche war einer demokratisch orientierten Bewegung sicher, explizit versicherte der Primas Wysynski der Widerstandsbewegung „so viel Vertrauen wie möglich, Wohlwollen und Unterstützung, wie innerhalb der gegeben Grenzen möglich ist.“[6] Eine Trennung des Widerstands der katholischen Kirche von der Widerstandsbewegung der Solidarnosc fällt allerdings reichlich schwer, da „[es sich A. d. V.] bei den Messen in den Fabriken [...] nicht um einfache Gottesdienste [handelte A. d. V.], vielmehr waren sie eine Huldigung an die politische Nation und bei alldem zugleich auch noch eine Demonstration für die Legalität des Verhaltens der Streikenden.“[7] Streikende waren zugleich gläubige, den christlichen Grundsätzen verhaftete Katholiken, als auch gläubige Katholiken Streikende oder zumindest Streikhelfer waren.

So sehr sich die in der Solidarnosc organisierten Streikenden auch auf die Unterstützung der Kirche verlassen konnte, blieb diese Unterstützung doch nicht völlig ohne Einschränkung:

„35 Jahre stehe ich an der Spitze der Kirche, und ich fürchte mich nicht. Aber Mut ist nicht die höchste Tugend, sondern Liebe. Sowohl Umsicht als auch Besonnenheit brauchen wir. Es ist leicht, einen Generalstreik zu beginnen, aber schwer, ihn wieder zu beenden.“[8]

Hier spiegelt sich bereits die Sorge der Kirche wieder, der beginnenden Umbruchphase recht hilflos gegenüber stehen zu müssen. Ein Aufruf zur Mäßigung schien daher bereits am Anfang angebracht, gerade da die Erinnerung an die radikalt niedergeschlagenen Aufstände der 1970er Jahre noch ‚frisch’ war. So ‚beschränkte’[9] sich die Unterstützung der Kirche im polnischen Falle insbesondere auf die moralische Stütze der Solidarnosc-Bewegung, die Gewährung von Obdach für politisch verfolgte und selbstverständlich leistete die Kirche immer wieder Vermittlungsarbeit zwischen der Regierung auf der einen und der Streikbewegung[10] auf der anderen Seite. Die moralische Stütze manifestiert sich insbesondere durch die durchgängige öffentliche Unterstützung, zum Beispiel wie die eingangs erwähnten Messen für Streikende, die von Primas Kardinal Glemp durchgeführte Messe zum ersten Solidarnosc- Kongress am 05. September 1981.[11] Ohne die breite Akzeptanz der Öffentlichkeit, die sich sowohl der großen Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft als auch deren schwierigen Lage[12] bewusst war, wäre dieses Zusammenspiel zwischen Opposition und Kirche nicht möglich gewesen.

„Seit vielen Jahren existieren und arbeiten in Polen Gruppen der demokratischen Opposition, wohlwollend unterstützt von breiten Kreisen der öffentlichen Meinung und geschützt vom wirksamen Schirm der Kirche.“[13]

[...]


[1] Detlef Pollack/Dieter Rink: 1997 S. 7

[2] Mit der nötigen Einschränkung, dass die Formen des Widerstands an sich unterschiedlich waren, das wird in den folgende Abschnitten genauer erläutert werden.

[3] Dies ergibt sich notwendigerweise durch die jeweilige katholische/evangelische Prägung des jeweiligen Landes.

[4] Siehe Klaus Pumberger: 1989 S. 349

[5] Vgl. insbesondere Pumberger: 1989 S. 350: „Religion, katholische Kirche und Nation sind in Polen aufgrund der spezifisch historischen Entwicklung weitgehend identisch.“

[6] Siehe Primas Wyszynski am 02. April 1981 über die Haltung der Kirche in Bezug auf die sozialen Rechte der Landwirte, zitiert nach: Bernard Wiaderny: 2004 S. 185

[7] Siehe Pumberger: 1989 S. 351

[8] Siehe Hartmut Kühn: 1999 S. 147 f. ~ Kardinalszitat nach „Agencya Prasowa Solidarnosc“

[9] ‚beschränken’ ist hier keinesfalls im Wortsinne gemeint, schließlich war die Hilfe der Kirche umfassend und in vielen Fällen selbstlos – trotzdem waren in den seltensten Fällen Priester aktive Teilnehmer der Streikbewegung

[10] Eine annähernde Definition für „Streikbewegung“ wird im Abschnitt zu den Gewerkschaften nachgeholt.

[11] Vgl. Kühn: 1999 S. 196

[12] Vgl. Büscher verweist in ihrem Vorwort auf die Trennung der polnischen Kirche vom Feudalbesitz der ‚westlichen’ Kirchengebiete, womit die polnische schon frühzeitig allein gestellt war und demzufolge auch selbstständigere Entscheidungen zu treffen hatte; vgl. Barbara Büscher: 1983

[13] Siehe Adam Michnik: 1983 S. 373

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Rolle der Kirchen und Gewerkschaften als Opposition in Polen und in der DDR
Hochschule
Universität Regensburg  (Institut Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Einführung in die politischen Systeme Mittel- und Osteuropas
Note
3,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V233025
ISBN (eBook)
9783656499145
Dateigröße
501 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
rolle, kirchen, gewerkschaften, opposition, polen
Arbeit zitieren
Sabrina Sailer (Autor:in), 2007, Die Rolle der Kirchen und Gewerkschaften als Opposition in Polen und in der DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/233025

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Rolle der Kirchen und Gewerkschaften als Opposition in Polen und in der DDR



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden