Zwischen Ideologie und Sachzwang: Die nationalsozialistische Erziehungsinstanz Schule im Dienste der Manipulation und Mobilisierung der Jugend

Analysiert anhand des Buches "Jugend ohne Gott" von Ödön von Horváth


Seminararbeit, 2013

59 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ausgangssituation der Schule kurz vor Hitlers Machtergreifung

3. MaRnahmen der NS-Schulpolitik in chronologischer Abfolge
3.1 1. Phase (von 1933 bis 1935)
3.2 2. Phase (von 1936 bis 1939)
3.3 3. Phase (von 1940 bis 1945)
3.4 Rassenpolitik ( Rolle der Juden)
3.5 Ziele der NS- Erziehung
3.6 Die Rolle von Madchen im Nationalsozialismus
3.7 Hitlers Bildungsverstandnis
3.8 Beweggrunde fur die Jugend

4. Unterrichtsinhalte - Fachspezifisch
4.1. Allgemeine Gestaltung des Unterrichtes
4.2 Geschichte und Erdkunde
4.3 Deutsch
4.4 Religion
4.5 Leibeserziehung (Sport)
4.6 Biologie
4.7 Mathe/ Physik/ Chemie
4.8 Das Lesebuch als Mittel nationalpolitischer Indoktrination

5. Umformung der Lehrerschaft

6. Privatschulen im Nationalsozialismus

7. Die NS- Eliteschulen
7.1 Die NAPOLA
7.2 Die Adolf- Hitler- Schulen

8. Die Hitlerjugend 35 2. Teil: Analyse des Buches Jugend ohne Gott von Odon von Horvath

9. Kurze Inhaltswidergabe des Buches

10. Der Autor und seine Intentionen

11. Hauptkapitel: Das Zeltlager

12. Gegenuberstellung der wichtigsten Personen(-gruppen)
12.1 Der Lehrer
12.2 Die Schulerschaft
12.3 Die Eltern
12.4 Der Klub

13. Das nationalsozialistische im Vergleich zum heutigen Schulsystem

14. Fazit

15. Literaturverzeichnis

16. Anhang

1. Einleitung

„Woher soil geistige Freude kommen, wenn dem Schuler das Instrument verstimmt ist, auf dem er sie hervorspielen kann...?"1

Schon seit meiner fruhen Kindheit interessiere ich mich fur die Zeit des Nationalsozialismus und wurde stets hellhorig, sobald mein Opa von seiner Schulzeit (unter Fuhrung der Nationalsozialisten bzw. Hitler) erzahlte. Ich habe mich als kleines Kind oft gefragt, warum er als kleiner Junge immer in diese sogenannte Hitlerjugend gegangen ist, obwohl er das, was er dort ausuben musste, uberhaupt nicht mochte. Auch noch lange danach stellte sich mir im Geschichtsunterricht der Oberstufe die Frage, wie es ein Mensch schaffen konnte, eine solch breite Menschenmasse nach nationalsozialistischen Idealen auszurichten. Mit zunehmendem Alter verstand ich dann, dass es zu Zeiten des Nationalsozialismus schier unmoglich war, seine eigenen Interessen und Wunsche zu auRern bzw. zu vertreten. Dabei waren die wehr- und ahnungslosen Schuler besonders betroffen, weshalb ich mich in dieser Arbeit auf die Institution Schule im Nationalsozialismus spezialisiere. Ich finde es sehr interessant und durchaus relevant diese Hausarbeit uber Hitler und dessen Erziehungsidealen zu schreiben und aufzuzeigen, was es hieR ein „Hitler-Junge" zu sein.

Diese Arbeit spezialisiert sich auf die Wirkung des Schulsystems unter nationalsozialistischer Herrschaft in den Jahren von 1933 bis 1945 in den Lebenswelten von Jugendlichen im Dritten Reich, wobei folgende Leitfragen beantwortet werden sollen: Welche Bedeutung hatte das NS- Regime fur die Schule? Wie wurde das Schulsystem durch Hitlers Machtergreifung verandert? Worin bestanden die Ziele der nationalpolitischen Erziehung? Inwiefern wurde die Lehrerschaft beeinflusst? Was wurde am Lehrmaterial geandert? Was bedeutete Bildung im Nationalsozialismus? Mit welchen Mitteln haben die Nationalsozialisten versucht, die Jugendlichen „in ihren Bann zu ziehen" und wie ist es ihnen tatsachlich gelungen, aus den Menschen derartige „Kampfmaschinen" zu formen?

Um die aufgezeigten Fakten dann nochmal genauer zu beleuchten, werde ich auf ein von mir mit groRer Begeisterung gelesenes Buch, namlich „Jugend ohne Gott" von Odon von Horvath zuruckgreifen. Der Roman erschien im Jahre 1937 und gehort zu der antifaschistischen Literatur. Aufgrund der Komplexitat des Buches, werde ich unweigerlich auf wichtige Aspekte des Romans verzichten mussen. Da einige von diesen dennoch fur den Gesamtzusammenhang der Arbeit erwahnenswert sind, versuche ich an dieser Stelle zwei der vernachlassigten Motive in aller Kurze abzuhandeln.

Zunachst werde ich auf den Inhalt des Buches grob eingehen, die Intentionen des Autors beschreiben und auf die wichtigsten Figurengruppen eingehen. Dabei beziehe ich mich vor allem auf die Stellung des Lehrers im NS-Regime und die Indoktrination der schulischen Bildung in Bezug das Verhalten der Schuler.

Danach werde ich, nachdem ich die wesentlichen Aspekte aufgezeigt habe, das nationalsozialistische noch kurz mit dem heutigen Schulsystem vergleichen.

Letztlich werde ich alle Ergebnisse in Form eines Fazits zusammenfassen und eine Antwort auf die oben genannten Ausgangsfragen finden.

Wie drastisch die MaBnahmen und wie verheerend die Folgen der Indoktrination in der Schule waren, wurde mir erst im Laufe der Zeit beim Schreiben dieser Arbeit bewusst. Ich halte es deswegen fur sehr wichtig, uber dieses Thema zu schreiben, damit sich die damaligen Gegebenheiten nicht nochmal wiederholen.

2. Ausgangssituation der Schule kurz vor Hitlers Machtergreifung

Zu Zeiten der Weimarer Republik sollte das Schulsystem vereinheitlicht und zentral gestaltet werden. Das Schulwesen war in „allen deutschen Landern einheitlich in Grund- und Fortbildungsschulen gegliedert"2. Es gab Volksschulen, teilweise ein Mittelschulwesen und hohere Schulen, welche sich jeweils in Bekenntnis-, Simultan und Sammelschulen untergliedern ließen. Als der Nationalsozialismus sich langsam zu entfalten begann, war noch kein exaktes Bildungsverstandnis entwickelt gewesen, weshalb der groRte Teil der Schulreformen von vor 1933 bestehen blieb.

Nach der Machtubernahme Hitlers nahm das deutsche Schulsystem einen hohen Stellenwert ein, zwar wurde anfangs noch kein exaktes Bildungsverstandnis entwickelt, aber sicher war, dass die Erziehung der Jugend nun nicht mehr lediglich als padagogische, sondern politische Aufgabe angesehen wurde. Logischerweise sind fur eine nationalpolitische Erziehung Kinder und Jugendliche am ehesten empfanglich, da sie noch keine ausgepragte Wertvorstellung innehaben:

„Eine neue Gemeinschaftsordnung ist ohne eine neue Menschheit nicht moglich. (...) Da aber der grofite Teil der gewordenen Generation, auch wenn er sich noch so nationalsozialistisch gebardet, im Grunde doch liberal ist, mufi der deutsche Mensch erst nach Hitlers Zielen hin erzogen werden. Solange dieses Ziel nicht erreicht ist, mufi durch Zwang und Organisation das vor das deutsche Volk hingestellt werden, wozu es sich nach vollzogener Menschenwandlung aus freiem Entschlufi bekennen soll und bekennen wird."3

3. Maftnahmen der NS-Schulpolitik in chronologischer Abfolge

3.1 1. Phase (von 1933 bis 1935)

Zwischen 1933 und 1935 begann die Machtkonsolidierung der Nationalsozialisten, politische Gegner wurden ausgeschaltet, Beamten auf ihre Gesinnungstreue hin uberpruft und der Nationalsozialistische Lehrerbund gewinnt zunehmend an Einfluss.

Seit 1933 veranderten sich die Inhalte des Schulwesens drastisch, „eine gezielte Indoktrination setzte ein, die die Loyalitat der Schuler/innen sichern und die Akzeptanz des Systems garantieren sollte"4

Am 25. Marz 1933 wurde das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" von Adolf Hitler vorgelegt. Am 07. April 1933 trat das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in Kraft, womit die Sauberungswelle von Beamten begrundet wurde, welche fur nicht qualifiziert, nichtarisch oder durch bisheriges unangemessenes politisches Verhalten negativ aufgefallen waren. Dieses Gesetz erlaubt es „mifiliebige Lehrer" 5 aus dem Staatsdienst zu entfernen. Das Gesetz hatte zur Folge, dass samtliche Lehrer eingeschuchtert und psychisch unter Druck gesetzt wurden.6

Am 25. April 1933 wurde das Gesetz gegen die Uberfullung deutscher Schulen und Hochschulen ausgesprochen, welches einen maximalen Anteil judischer Schuler von funf Prozent festlegte.

Am 30. Januar 1934 wurde ein Gesetz uber den Neuaufbau des Reichs verabschiedet, schulpolitische Kompetenzen wurden an das Reichsministerium ubergeben, Landerministerien wurden entmachtet , womit das Reich Boden fur reichszentralisierte Reformen bereitet hatte. 7 Das neu gegrundete Reichsministerium war fur diese Reformen verantwortlich und ihm wurden die Landerkultusministerien bzw. Reichsstatthalter untergeordnet. Vom Reichsministerium gingen die reichseinheitlichen Richtlinien aus. AuRerdem sollte es nur noch drei Grundtypen der hoheren Schule geben: Das altsprachliche Gymnasium, die naturwissenschaftliche und die neusprachliche Oberschule. In den Landerkultusverwaltungen wurde hochrangiges Personal ausgetauscht und durch NSDAP Funktionare ersetzt.

„Die nationalsozialistische Kultusverwaltung [...] orientierte sich strikt sowohl am ihrem Ziel der Maximierung kriegswirtschaftlich tuchtiger Facharbeiter als auch an den von der Wirtschaft vorgegebenen Qualifikationsstandards."8

Am 01. Mai 1934 wurden Privatschulen ganzlich aufgelost und religiose Schulen in Gemeinschaftsschulen umgewandelt oder direkt aufgelost.

Im Jahre 1935 wurde die Rassentrennung angeordnet, Juden durften nur noch judische Schulen besuchen, bis auch diese geschlossen wurden, das Schulgeld wurde um ein Drittel erhoht.9

3.2 2. Phase (von 1936 bis 1939)

Im Jahre 1936 wurden die 12. Und 13. Klassen ersatzlos gestrichen, um dann 1939 zwei Offiziersjahrgange zu erhalten. Ab 1937 sollte das Schulsystem strukturell verandert und neue Lehrplane zu Gunsten des Nationalsozialismus geandert werden, Kinder bzw. Jugendliche judischer Abstammung wurden endgultig vom Unterricht ausgeschlossen.

1938 wurde das hohere Schulwesen neu geordnet, fur Jungen wurde in den Oberschulen ein naturwissenschaftlich-mathematischer und ein sprachlicher Zweig eingerichtet, fur Madchen ein hauswirtschaftlicher und ein ebenfalls sprachlicher Zweig. Die Schulzeit wurde von neun auf acht Jahre verkurzt.

Am 6. Juli 1938 wurde das Reichsschulpflichtgesetz erlassen, welches eine achtjahrige Volksschulpflicht beinhaltet, da das Mittelschulwesen nur fur auRerst begabte Schuler gedacht war. Fur geistig und korperlich behinderte Kinder wurden Sonderschulen eingefuhrt. Sie sollten nach erblich „total Belasteten" und „brauchbaren" Schulern sortiert werden, die Fortpflanzung von „erblich belasteten" Kindern sollte durch Sterilisation unterbunden werden. Diese MaRnahmen blieben allerdings in ihren Anfangen stecken.10

3.3 3. Phase (von 1940 bis 1945)

Seit Ende 1941 wurden ehemals private oder konfessionelle Schulen in „spezielle staatliche Deutsche Heimschulen umgewandelt".11 Ab dem Jahre 1942 konnten 17-Jahrige, die zum Militardienst berufen wurden, schon nach der siebten Klasse ihre Abiturprufung ablegen.12 Im Marz 1942 wurde die Ausleihe franzosischer, amerikanischer, englischer als auch russischer Literatur verboten.13 In den Jahren 1942 und 1943 fallt der Unterricht teilweise schon ganzlich aus, zunachst in durch Bomben stark zerstorten und Industriegebieten im Westen und Norden, spater auch in Mitteldeutschland.14 Schichtunterricht wird zum Normalfall, Klassen werden zusammengelegt und der Unterrichtsausfall nimmt drastisch zu.15 In den Oberschulklassen findet nahezu gar kein Unterricht mehr statt und mit dem totalen Kriegseinsatz vom 1. September 1944 wird auch der Unterricht an wissenschaftlichen und berufsbildenden Schulen eingeschrankt.16 Der Lehrerbestand reduzierte sich schnell um ein Drittel und der Schichtunterricht wurde zunehmend wahrgenommen.

Seit Beginn des Schuljahres 1944/45 erhalten die Kinder und Jugendlichen nur noch sehr selten schulischen Unterricht.17

Im September 1944 bestimmte der „Runderlass zum totalen Kriegseinsatz" die Reduzierung der Lehrtatigkeit und verpflichtete kampfunfahige Schuler zum Rustungs- oder Sozialdienst.

„Die Schule wurde zum Vollzugsorgan einer Partei und [...] wichtigste Instanz im Bildungsbereich, indem sie, teils fast bedingungslos, die Auftrage der Machthaber ausfuhrte."18

Gegen Ende des Krieges konnten keine regularen Abschlusse mehr erworben werden, da es an Lehrern und Einrichtungen mangelte.

3.4 Rassenpolitik ( Rolle der Juden)

„Trau keinem Fuchs auf gruner Heid' und keinem Jud' bei seinem Eid!"19 - mit solchen Satzen wurden Kinderbucher im Nationalsozialismus bestuckt, um den Kindern schon fruhzeitig das „Wissen" uber die vermeintlich hinterlistigen Juden anzueignen.

Betroffen von der Rassenpolitik waren zum einen die Juden und zum anderen die korperlich und geistig Behinderten. All diese Gruppen sollten von der „normalen" Schulerschaft getrennt werden. Auch judische Lehrer und Lehrer, die mit einem Juden verheiratet waren, wurden bei diversen „Sauberungsaktionen" entlassen oder zumindest von den wichtigsten Gesinnungsfachern ferngehalten. Eine Lehrerausbildung wurde judischen Personen nicht mehr gewahrleistet.20 Der sogenannte Judenparagraph verhinderte, dass judische Volksgenossen den Beamtenstatus erreichen konnten,21 bzw. wurden Juden generell aus Stellen entfernt, die Einfluss auf das offentliche Leben hatten.

Am 7. April 1933 mussten alle Juden ihre Stelle als Lehrer abtreten.22 Judische Errungenschaften, wie etwa Einsteins Relativitatstheorie wurden vehement abgelehnt.

An hohere Schulen durfte nur ein sehr geringer Anteil judischer Kinder, diese wurden dann allerdings von ihren nichtjudischen Mitschulern diskriminiert und aus dem Kreise der Gemeinschaft ausgeschlossen. Der sog. „Numerus clausus" vom April 1933 besagte, dass nur so viele judische Kinder in die Schulen aufgenommen werden durften, wie es dem prozentualen Bevolkerungsanteil der Juden in der Stadt entsprach.23 Im Jahre 1938 wurde den Juden der Besuch deutscher Schulen letzten Endes ganzlich verwehrt.24 1942 wurden alle noch bestehenden judischen Schulen geschlossen, parallel dazu wurden schon die ersten Vernichtungsaktionen durchgefuhrt .25

Die Juden wurden im Unterricht sogar mit Kartoffelkafern gleichgestellt:

„Belehrt werden die Schuler in alien Schulen uber die Kartoffelkdferabwehr, das Verbot des Verkehrs mit feindiichen Ausiandern, mit den unter Spionageverdacht gestellten Fremdarbeitern, gewarnt vor Beschadigung der Telegraphen- und Fernsehsprechleitungen und vor Feindpropaganda."26

Fremde Rassen wurden als Bedrohung angesehen, ja sogar als unmenschlich dargestellt, zu dem Zweck die Jugend abzuharten bzw. das Toten dieser fremden Rasse als legitim anzusehen:„[...] uberall wurde die Uberlegenheit der nordischen Rasse gepredigt",27 es sollte „Hand in Hand mit der Rassenlehre" gegangen werden.28

Die neuen Schuljahre wurden durch „Fahnenapelle", zu denen sich auf dem Schulhof versammelt wurde, eingelautet ,„Juden war das Mitsingen verboten",29 selbst wenn man judische Kinder in judische Schulen schickte, war es dort beispielsweise gefahrlich einen Fensterplatz einzunehmen, da die Gefahr bestand, von einem Stein, welche oftmals in judische Klassenzimmer geworfen wurden , getroffen zu werden.30

Die Nationalsozialisten wollten den Juden „in seiner ganzen Ungeheuerlichkeit, Furchterlichkeit und Gefdhrlichkeit" darstellen,31 indem sie „abschreckende Bilder"32 von den Juden an den Wanden anbrachten und die Kinder zur Fuhrung eines „Judenmerkheftes" rieten33. Die Lehrer mussten ihre Schuler „einweihen" in die „gottgewollten Geheimnisse und Gesetze von Blut und Rasse"34, denn viele Menschen seien schon auf Grund der Juden zu Grunde gegangen.

1942 war die Parole „Deutschland erwache! Juda der Tod!"35 nicht mehr aus dem Unterricht wegzudenken, die Jugend wurde schon fruhzeitig zum Toten erzogen und letzten Endes selber in den Tod „gefuhrt".36

3.5 Ziele der NS- Erziehung

Das Hauptziel des NS-Staates war kein Leben in Frieden, sondern „der Tod im Kampf, mit der Aggression als Basisprinzip der Erziehung":37

„Die Schule hat sich auszurichten nach dem Geist unseres grofien feldgrauen Heeres und hat dafur zu sorgen, dass ein ganzes Volk in seiner Totalitat auf diesen Gedanken hin erzogen wird."38

Man wollte die Schuler massiv in ihrem Handeln und Denken beeinflussen, weshalb die „Beschlagnahme von Schuleinrichtungen", die „ Verscharfung der politisch - ideologischen Kontrolle der Schularbeit und der Schulerauslese", sowie die „ Verkurzung des Unterrichts und der Schulzeit bei gleichzeitiger politischer Inanspruchnahme von Lehrern und Schulern"39 unabdingbar waren.

Der Slogan „ Sag nicht Guten Tag und nicht Auf Wiedersehen. Der Deutsche grufit mit Heil Hitler!" 40 wurde zum Leitspruch der Nationalsozialisten. Junge Menschen sollten moglichst fruh dem Elternhaus entzogen und ideologisch einseitig auf die spatere „NS-Elite" vorbereitet werden.41 Hemmschwellen mussen schon in der Schule abgebaut werden, denn die Schule war Teil der „Maschinerie, die alle Lebensbereiche durch ihren Gewaltapparat erfasste. So stand der Erziehung zum Tod [...] eine Erziehung zum Toten gegenuber, beide verschmolzen mehr und mehr im Verlauf des Dritten Reichs."42

Die „Gemeinschaftserziehung" war im Nationalsozialismus das hochste Ziel und sollte mit Hilfe von Reformpadagogik mit militarischen „Drill" und nationalsozialistischen Gedankengut umgesetzt werden.43

Herangezuchtet wurde der kampferische, deutsche Mann, der sich fur sein Volk in Treue und Gewissenhaftigkeit aufopfern sollte und keine gebildeten, kritischen und qualifizierten Knaben.

„Uber alle Schwierigkeiten aber hilft eins hinweg, das Gesetz der Gleichschaltung auf allen Gebieten [...], eine Gleichschaltung auch auf dem Gebiet der Schule vorzunehmen. Das Endziel, das wir erstreben ist der nationalsozialistische Mensch und damit das nationalsozialistische Volk und der nationalsozialistische Staat. [...], so haben wir da auch die Aufgabe der Schule: die Erziehung des deutschen Menschen zum bewufit volkischen Kampfer. [...], ist eingestellt auf das Endziel: die nationalsozialistische Schule zu schaffen."44

„Anstelle des Bildungswesens sollte nun mehr Tat, Haltung, Bewahrung gelten",45 man wollte „ dienstbereite Gefolgsleute des Führers“ erschaffen.46

„Die Ideologie beschreibt die Deutschen als das letzte nordisch bestimmte Grofivolk der Erde, dem das Fuhrungsrecht in Europa zukomme.[...] Der im Krieg eingeforderten bedingungslosen Hingabe an Fuhrer, Volk und Vaterland stehen in allen Teilen der Bevolkerung und in allen Generationen, auch unter der Jugend und bei Soldaten weiterhin partielle Distanzen zum NS System , zu seiner Ideologie und Politik entgegen."47

Sowohl der eigene als auch der Tod von anderen Menschen sollten als Selbstverstandlichkeit angesehen werden. Eine Grundsatzerklarung des Ministeriums aus dem Jahre 1938 lautet: „ die nationalsozialistische Weltanschauung ist nicht Gegenstand oder Anwendungsgebiet des Unterrichts, sondern sein Fundament"48. Die „musterhafte Naturordnung des deutschen Geistes"49 sollte dafur sorgen, dass Deutschland stets zusammenhalt.

3.6 Die Rolle von Madchen im Nationalsozialismus

Auch die Madchen lieR Hitler nicht unbeachtet, so eroffnete er in „Mein Kampf" aus dem Jahre 1925:

„Auch dort [bei der Erziehung von Madchen] ist das Hauptgewicht vor allem auf die korperliche Ausbildung zu legen, erst dann auf die Forderung der seelischen und zuletzt auf die geistigen Werte. Das Ziel der weiblichen Erziehung hat unverruckbar die kommende Mutter zu sein."50

Den Frauen wurde die Rolle der Hausfrau und Mutter zugeschrieben, sie wurden nicht als Reprasentantin des schwachen Geschlechts charakterisiert, sondern als tapfer und stark dargestellt.51 Sie sollte durch ihre biologischen Fahigkeiten den Fortbestand der arischen Rasse sichern und in Kriegszeiten als Heldin der Heimat gefeiert werden, die ihre Sohne in den Krieg ziehen ließen.52 Somit wurde in den Lesebuchern die Rolle der Frau explizit erlautert. Den Frauen wurden die Zulassungen zur Universitat/Hochschule und zur gymnasialen Ausbildung erschwert, damit sie sich auf ihre Rolle als Hausfrau konzentrieren konnten. Die bestandene Hochschulreife der Frauen durfte Prozentual nur 10 Prozent der mannlichen Abiturientenzahl betragen.53 Auf den Eliteschulen wurden Frauen nicht aufgenommen.54 Fur die Madchen ersetzte der „Bund Deutscher Madel" die HJ, in welchem sie lernten, wie man dem Vaterland auch von zu Hause aus dienen kann.

3.7 Hitlers Bildungsverstandnis

„Mit der Jugend beginne ich mein grofies Erziehungswerk. (...) Meine Padagogik ist hart. Das Schwache mufi weggehammert werden. In meinen Ordensburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor der sich die Welt erschrecken wird. Eine gewalttatige, herrische unerschrockene, grausame Jugend will ich. Jugend mufi das alles sein. Schmerzen mufi sie ertragen. Es darf nichts Schwaches und Zartliches an ihr sein. Das freie, herrliche Raubtier mufi erst wieder aus ihren Augen blitzen. Stark und schon will ich meine Jugend. Ich werde sie in allen Leibesubungen ausbilden lassen. Ich will eine athletische Jugend. Das ist das erste und wichtigste. So merze ich die tausende von Jahren der menschlichen Domestikation aus. So habe ich das reine, edle Material der Natur vor mir. So kann ich das Neue schaffen .Ich will keine intellektuelle Erziehung. Mit Wissen verderbe ich mir die Jugend. Am liebsten liefie ich sie nur das lernen, was sie ihrem Spieltrieb folgend, sich freiwillig aneignen. Aber Beherrschung mussen sie lernen. Sie sollen mir in den schwierigsten Proben die Todesfurcht besiegen lernen. Das ist die Stufe der heroischen Jugend."55 „Der Volkische Staat hat [...] seine gesamte Erziehungsarbeit in erster Linie [...] einzustellen [...] auf das Heranzuchten kerngesunder Korper. Erst in zweiter Linie kommt dann die Ausbildung der geistigen Fahigkeiten. Hier aber wieder an der Spitze die Entwicklung des Charakters, besonders die Forderung der Willens- und Entschlufikraft, verbunden mit der Erziehung zur Verantwortungsfreudigkeit, und erst als letztes die wissenschaftliche Schulung."56

Am 1.10.1933 musste Rassenkunde in alien Abschlussklassen vertreten sein, Hitler auRerte sich dazu in „Mein Kampf":

„Die gesamte Bildungs-und Erziehungsarbeit des volkischen Staates mufi ihre Kronung darin finden, dafi sie den Rassesinn und das Rassegefuhl instinkt-und verstandesmafiig in Herz und Gehirn der ihr anvertrauten Jugend hineinbrennt. Es soll kein Knabe und kein Madchen die Schule verlassen, ohne zur letzten Erkenntnis uber die Notwendigkeit und das Wesen der Blutreinheit gefuhrt worden zu sein."57

Im Gegensatz zu vielen anderen Bestrebungen Hitlers (die in Geheimreden zum Ausdruck kamen), sprach er seine Erziehungsziele offen aus. Aus den Jungen sollten Soldaten bzw. „gegebenes Menschenmaterial"58 und Madchen zu Muttern von neuen Mannern werden, „Hitler mifiverstand die Geschichte sozialdarwinistisch als einen Behauptungskampf um Leben und Tod".59

Hitler legte sehr groRen Wert auf die korperliche Ausbildung, theoretisches Wissen wurde als nebensachlich erachtet.

[...]


1 vergl. Buhler 1912, S. 152

2 vergl. Eilers 1963, S. 51

3 vergl. K. Lauf-Immesberger 1987, S. 33/34

4 vergl. Dithmar 1989, S. 164

5 vergl. Willenborg 1986, S. 96

6 ebd.

7 vergl. Eilers 1963, S. 54

8 vergl. Wehler 2003, S. 821

9 vergl. ebd., S. 774

10 vergl. Eilers 1963, S. 102

11 vergl. GeiBler 2011, S. 602

12 vergl. Wehler 2003, S. 822

13 vergl. Platner 1983, S. 201

14 vergl. GeiBler 2011, S. 606

15 vergl. ebd.

16 vergl. ebd., S. 610

17 vergl. ebd.

18 vergl. Flessau 1979, S. 14

19 vergl. Bauer, 1936, S. 46

20 vergl. Eilers 1963, S.98 - 102

21 vergl. Platner 1983, S. 81

22 vergl. ebd., S. 134

23 vergl. ebd.

24 vergl. ebd., S. 140

25 vergl. Eilers, 1963, S. 98 - 102

26 vergl. GeiBler 2011, S. 605

27 vergl. Platner 1983, S. 43

28 vergl. ebd., S. 55

29 vergl. ebd., S. 155

30 vergl. ebd., S. 157

31 vergl. ebd., S.196

32 vergl. ebd.

33 vergl. ebd.

34 vergl. ebd.

35 vergl. ebd.

36 vergl. ebd.

37 vergl. Platner 1983, S. 55

38 vergl. Behnken 1980, S. 201

39 vergl. Dithmar 1989, S. 9

40 vergl. Platner 1983, S. 105

41 vergl. ebd.

42 vergl. ebd., S. 130

43 vergl. Eilers 1963, S. 37

44 vergl. Willenborg 1986, S. 24

45 vergl. Wehler 2003, S. 820

46 vergl. Dithmar 1989, S. 5

47 vergl. GeiRler 2011, S. 575

48 vergl. Dithmar 1989, S. 3

49 vergl. Schneider 1997, S. 35

50 vergl. Hitler 1938, S. 407

51 vergl. Heinssen 1964, S. 134

52 vergl. ebd., S. 137

53 vergl. Eilers 1963, S. 19

54 vergl. ebd., S. 20

55 vergl. Kanz 1984, S. 100

56 vergl. Ortmeyer 1996, S. 20

57 vergl. ebd., S. 21

58 vergl. ebd.

59 vergl. Dithmar 1989, S. 42

Ende der Leseprobe aus 59 Seiten

Details

Titel
Zwischen Ideologie und Sachzwang: Die nationalsozialistische Erziehungsinstanz Schule im Dienste der Manipulation und Mobilisierung der Jugend
Untertitel
Analysiert anhand des Buches "Jugend ohne Gott" von Ödön von Horváth
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
59
Katalognummer
V232963
ISBN (eBook)
9783656496502
ISBN (Buch)
9783656497325
Dateigröße
1563 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
zwischen, ideologie, sachzwang, erziehungsinstanz, schule, dienste, manipulation, mobilisierung, jugend, analysiert, buches, gott, ödön, horváth
Arbeit zitieren
Laura Storch (Autor:in), 2013, Zwischen Ideologie und Sachzwang: Die nationalsozialistische Erziehungsinstanz Schule im Dienste der Manipulation und Mobilisierung der Jugend, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232963

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