Die Frau in den 1970ern zwischen Esther Vilar und Alice Schwarzer

Eine Gegenüberstellung von "Der dressierte Mann" und "Der kleine Unterschied"


Seminararbeit, 2012

25 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung Seite

2. Vorstellung beider Autorinnen und ihrer Bestseller
2.1. Esther Vilar und Der dressierte Mann (1971)
2.2. Alice Schwarzer und Der„kleine Unterschied“ und seine groRen Folgen. Frauen iibersich, Beginn einerBefreiung (1975)

3. Themenkomplex „Sex als Machtapparat“

4. Gegenuberstellung

5. Errungenschaften der Frauenbewegung
5.1. Abtreibung
5.2. Madchenname
5.3. Vergewaltigung in der Ehe

6. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Frauenbewegung in Deutschland erlebte nach den Revolutionen der 1968er Jahre in dem darauffolgenden Jahrzehnt einen neuen Hohepunkt. Fur groRen Aufruhr sorgte 1971 Esther Vilars Der dressierte Mann. In diesem Buch verdreht die deutsch-argentinische Schriftstellerin feministisches Gedankengut. Sie sieht den Mann als den von der Frau unterdruckten Sklaven. Heftige Diskussionen bis hin zu Morddrohungen gegen die Autorin waren Folgen der Publikation. Unter anderem ihr Widerspruch feministischer Dogmen lieR Vilar schlieRlich aus Deutschland fluchten. Durchaus als Reaktion auf Der dressierte Mann kann Alice Schwarzers Der „kleine Unterschied“ und seine groRen Folgen von 1975 gesehen werden. Der erste feministische Bestseller bildet das wohl einflussreichste Werk Schwarzers, einer in den 1970er Jahren aufstrebenden Journalistin und Feministin. Die im Kleinen Unterschied konstatierten Thesen Schwarzers im Bezug auf die bewusste Nutzung der Sexualitat zur Unterdruckung der Frau und die allgemeinen Missstande und Ungerechtigkeiten im Geschlechtervergleich hatten weitreichende Folgen in der deutschen Gesellschaft. Erstmals wurde ein bis dato tabuisiertes Thema - private Sexualitat - mitsamt allen Problemen direkt angesprochen und analysiert.

Die folgende Arbeit soll Esther Vilar und Alice Schwarzer sowie beide genannten Werke, die den Autorinnen den Durchbruch brachten und so gegensatzlich sind, vorstellen. Hauptaugenmerk liegt allerdings auf Schwarzers Publikation, da diese weitreichende Folgen fur die Emanzipationsbewegung hatte und aufgrund ihrer Wichtigkeit umfassender vorgestellt werden soll.

Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt anschlieRend auf einer Gegenuberstellung der Meinungen und Aussagen beider Autorinnen; anhand des ausgewahlten Themenkomplexes ,,Sex als Machtapparat" sollen deren entgegengesetzten Positionen verdeutlicht werden.

AbschlieRend werden die Ergebnisse zusammengefasst. Auch wenn in den analysierenden Teilen weitestgehend auf eine Wertung verzichtet wird, sollen abschlieRend die von Alice Schwarzer im Der groRe Unterschied aus dem Jahr 2000 erlauterten errungenen Siege der feministischen Bewegung und der immer noch bestehende Handlungsbedarfim Geschlechterkampfaufgezeigt werden.

2. Vorstellung beider Autorinnen und ihrer Bestseller 2.1. EstherVilar und Derdressierte Mann (1971)

Dr. EstherVilar, eigentlich Esther Margareta Katzen, wurde am 16.09.1935 in Buenos Aires geboren und wuchs als Tochter deutsch-judischer Emigranten auf. Sie studierte Medizin in Argentinien; durch ein Stipendium kam sie nach Deutschland und studierte dort ab 1960 Soziologie und Psychologie an der Hochschule fur Sozialwissenschaften in Wilhelmshaven und spater in Munchen. Bis 1963 arbeitete sie als Arztin. Ab da war Vilar als Ubersetzerin und Rundfunkautorin tatig und begann, Bucher zu schreiben.

Im Jahr 1971 gelang ihr der internationale Durchbruch mit ihrem in 21 Sprachen ubersetzten, als Sachbuch betitelten Der dressierte Mann. Hier formulierte die Autorin die auRerst provokante These, der Mann werde von der Frau unterdruckt und widersprach damit der aufkommenden Frauenbewegung im Deutschland der 1970er Jahre. Esther Vilar ,,drehte den EmanzipationsspieR um und entlarvte ihre Geschlechtsgenossinnen als hartgesottene Ausbeuterinnen des Mannes."1 Auch die Titel weiterer Publikationen Vilars in den darauffolgenden Jahren lassen ihre extreme Haltung zur Frage nach Geschlechterrollen und Gleichstellung erkennen - so beispielsweise Das polygame Geschlecht. Das Recht des Mannes auf zwei Frauen von 1974 oder Der betorende Glanz derDummheit aus dem Jahr 1987.

Die Publikation von Der dressierte Mann zog heftige Kontroversen nach sich. Esther Vilar war massiven Anfeindungen und sogar Morddrohungen ausgesetzt. Laut eigener Aussage in einem Interview mit dem Schweizer Wochenmagazin Die Weltwoche aus dem Jahr 2007 waren diese Reaktionen auf Der dressierte Mann der Grund fur sie, Deutschland zu verlassen.2

Esther Vilar, die in den 1970er Jahren unter anderem mit Der dressierte Mann nicht nur Feministinnen wie Alice Schwarzer gegen sich aufbrachte3 und damit einen ganz klar formulierten anti-feministischen Standpunkt einnahm, uberraschte bezuglich ihrer Haltung in einem relativ aktuellen Interview aus dem Jahr 2012. Erstaunlicherweise sieht sich Esther Vilar namlich selbst als Feministin: ,,Ich habe nie dafur gekampft, dass die Frauen an den Herd zuruckkehren. Ich wollte Arbeitszeitmodelle einfuhren, die es beiden Geschlechtern erlauben, zu arbeiten und Zeit zum Leben zu haben.“4 Ihre Bemerkungen uber Frauen als luxusverwohnte Unterdruckerinnen der Manner, eine Grundthese ihres Buches, begrundet Vilar gegenwartig so:

Ich fand es nicht logisch, dass wir Frauen dauernd ein Geschlecht beschimpfen, das sein ganzes Leben daraufausrichtet, einen Beruf zu erlernen, um mit diesem Beruf dann fur uns und unsere Kinder zu sorgen.

Da lief etwas falsch. Dabei sind es die Frauen, die uber die Rollenmuster der Geschlechter entscheiden, denn bei ihnen liegt die Erziehung, die fruhe Pragung. Es ging gegen meine Wurde, dass wir Frauen uns zu Opfern stilisierten.5

Im bereits zitierten, von Peer Teuwsen gefuhrten Interview von 2007 nannte Vilar ihr eigenes Buch polemisch, was wie ein nachtraglicher Versuch einer Entschuldigung durch scheinbar offensichtliche stilistische Ubertreibung und uberspitze Formulierung in Derdressierte Mann wirkt. Vilar erklart:

Ich dachte, ich musse nurso ein Buch schreiben und die Menschen liefen zu mir uber, weil ich alles viel logischer erklare. Aber es kam ganz anders. Ein kleiner Teil kam zu mir, aber der groftere Teil kippte noch heftiger ins Gegenteil, in die militante Frauenbewegung.6

Inhaltlich allerdings sieht Vilar keine wirkliche Besserung der Stellung des Mannes im Vergleich zu den 1970er Jahren:

Es hat sich nicht so viel geandert. Die Manner haben immer noch kein Recht auf ihre Kinder, das ist fur mich das Grausamste uberhaupt. [...] Der Umstand, dass immer noch die Manner in den Krieg, ins Toten geschickt werden, ist so schwerwiegend, dass ich keinen Nachteil einer Frau sehe, der das irgendwie aufwiegen konnte. [...] Der Mann hat eine Verantwortung, die nicht zu vergleichen ist mit derjenigen der Frau.7

Dass Esther Vilar sich ruckblickend und -wirkend als Feministin bezeichnet, erscheint wahrend der Lekture ihres Buches Der dressierte Mann auRerst sonderbar. Ihre alles andere als feministische Meinung wird in einem folgenden Teil genauer analysiert.

2.2. Alice Schwarzer und Der „kleine Unterschied“ und seine groRen Folgen. Frauen ubersich, Beginn einerBefreiung (1975)

Alice Schwarzer wurde am 03.12.1942 in Wuppertal-Elberfeld geboren. 1959 begann sie eine kaufmannische Lehre und hielt sich Mitte der 1960er Jahre fur ein Sprachstudium in Paris auf. Ein anschlieRendes Volontariat offnete ihr die Tur in die Tatigkeit als Journalistin. Von 1970-1973 studierte Schwarzer in Paris Soziologie und Psychologie. Von dieser Zeit an war sie engagiert in der Frauenbewegung, zunachst in Frankreich und ab 1974 auch in Deutschland.

1975 erschien der von Schwarzer verfasste erste feministische Bestseller: Der ,,kleine Unterschied“ und seine groRen Folgen. Frauen uber sich, Beginn einer Befreiung. Schwarzers Werk wurde in zwolf Sprachen ubersetzt.

Journalistische Beruhmtheit erlangte Alice Schwarzer auch durch die Grundung der weltweit einzigen unabhangigen, feministischen Publikumszeitschrift EMMA, fur die sie bis heute als Herausgeberin und Chefredakteurin tatig ist. Alice Schwarzer wurde fur ihr gesellschaftspolitisches Engagement und ihre journalistische Tatigkeit mehrfach ausgezeichnet.8

Der Publikation von Schwarzers Der ,,kleine Unterschied“ und seine groRen Folgen gingen zahlreiche Gesprache der Autorin mit einer Vielzahl an Frauen voraus. Den ausschlaggebenden Grund fur das Verfassen des Buches benennt Schwarzer selbst konkret in ihrem Vorwort:

Fast immer, wenn ich in den letzten Jahren mit Frauen geredet habe, egal woruber und egal mit wem - ob mit Hausfrauen, Karriere-Frauen oder Aktiven aus der Frauenbewegung fast immer landeten diese Gesprache bei der Sexualitat und bei den Mannerbeziehungen dieser Frauen.9

Um die Alltagssituation deutscher Frauen in den 1970er Jahren mitsamt alien Problemen zu portratieren und den Geschlechterkonflikt aufzuzeigen, fuhrte Schwarzer Gesprache mit 16 Frauen zu deren Situation im Alltag und im Eheleben sowie zu ihrem Sexualleben. Um ein fur die deutsche Gesellschaft representatives Ergebnis zu erzielen, versuchte die Autorin mit einem Querschnitt durch die Gesellschaft die deutsche Durchschnittsfrau vorzustellen. Die gefuhrten Gesprache mit den Frauen sind vielfaltig im Bezug auf die unterschiedlichen Altersstufen der befragten Frauen; auch deren sozialer Stand, ihre Bildung, sexuelle Orientierung und der Familienstand sind unterschiedlich und sollen so reprasentativ fur die deutsche Frau der damaligen Zeit stehen. Einzige Ausnahme im Hinblick auf die Reprasentativitat ist der atypisch hohe Prozentsatz von Frauen, die bereits bewusst versuchen, ihr Leben in die Hand zu nehmen, denn [Schwarzer] wollte den Akzent nicht nur auf die Beschreibung des Ist-Zustandes, sondern aufdie Moglichkeit zu seiner Veranderung setzen. (kl.U. 9)

Die von Schwarzer gefuhrten Gesprache mit 16 Frauen wurden zu Protokollen zusammengefasst.

Auch ihr Ziel, welches sie mit der Publikation und der offentlichen Benennung tabuisierter Themen und Probleme verfolgte, benennt Schwarzer selbst konkret:

[...] Frauen zu zeigen, dass ihre angeblich personlichen Probleme zu einem groften Teil unvermeidliches Resultat ihrer Unterdruckung in einer Mannergesellschaft sind, ist eines meiner ersten Anliegen. Ich habe darum alle Gesprache unter der besonderen Frage nach der Rolle, die die herrschenden sexuellen Normen in einem Frauenleben spielen, gefuhrt. (kl.U. 7)

Diese Aussage liefert auch die Antwort auf die Frage, unter welchem Gesichtspunkt Alice Schwarzer ihre Gesprache mit den Frauen fuhrte. Diese beginnen in der Kindheit der Frauen und enden nach besprochenen Themen wie Pubertat, teilweise sexuellen Erfahrungen mit Frauen, dem ersten Geschlechtsverkehr und Selbstfindungsproblemen bei den gegenwartigen Problemen der Frauen im Bezug auf ihre Ehe, ihre Sexualitat oder insgesamt ihr Leben.

[...]


1 AVAinternational. Autoren- und Verlagsagentur: EstherVilar, URL: <http://www.ava- intemational.de/autoren/evilar.php>, Datum des letzten Zugriffs: 15.05.2013.

2 Vgl.: Teuwsen, Peer: Interview mit Esther Vilar „Liebe macht unfrei, in: Die Weltwoche, URL: <http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2007-51/artikel-2007-51-liebe-macht-unfr.html>, Datum des letzten Zugriffs: 28.04.2013.

3 Siehe Hinweis zum TV-Duell zwischen Esther Vilar und Alice Schwarzer auf Seite 14.

4 Mangold, Ijoma: Interview mit Esther Vilar „Ich explodiere mehr nach innen“, in: Zeit Online, URL: <http://www.zeit.de/1975/06/werden-maenner-ausgebeutet>, Datum des letzten Zugriffs. 28.04.2013.

5 Ebd.

6 Teuwsen, Peer: Interview mit Esther Vilar „Liebe macht unfrei.“

7 Ebd.

8 Vgl.; Alice Schwarzer. Journalistin & Feministin. Verlegerin & Chefredakteurin von EMMA: Lebenslauf, URL: <http://www.aliceschwarzer.de/zur-person/lebensdaten/lebenslauf/>, Datum des letzten Zugriffs: 15.05.2013.

9 Alice Schwarzer: Der „kleine Unterschied“ und seine groften Folgen. Frauen uber sich, Beginn einer Befreiung, Frankfurt am Main 1975, S. 7. Im Folgenden werden Zitate unter Verwendung der Sigle „kl.U.“ und Angabe der Seitenzahl im Text nachgewiesen.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die Frau in den 1970ern zwischen Esther Vilar und Alice Schwarzer
Untertitel
Eine Gegenüberstellung von "Der dressierte Mann" und "Der kleine Unterschied"
Hochschule
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Autor
Jahr
2012
Seiten
25
Katalognummer
V232953
ISBN (eBook)
9783656489856
ISBN (Buch)
9783656492061
Dateigröße
565 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Emanzipation, Alice Schwarzer, Esther Vilar, Der kleine Unterschied, Der dressierte Mann, Frauenbewegung, Revolution, Deutschland, 1970er
Arbeit zitieren
Gabriela Augustin (Autor:in), 2012, Die Frau in den 1970ern zwischen Esther Vilar und Alice Schwarzer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232953

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