Der Radikalenerlass von 1972


Seminar Paper, 2003

16 Pages, Grade: 2


Excerpt


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung
1.1.Gegenstand der Arbeit
1.2. Quellen und Literaturbasis.

2. Der Extremistenbeschluss von 1972.
2.1. Die Genese des Beschlusses.
2.1.1. Die Opposition in der Extremistendebatte
2.1.2. Die Regierungskoalition in der Defensive
2.1.3. Der Erlass der Ministerpräsidenten und des Bundeskanzlers
2.2. Die Umsetzung des Beschlusses
2.2.1. Die unterschiedliche Handhabung des Extremistenbeschlusses
2.2.2. Der Verfassungsschutz und die Regelanfrage
2.3. Der Beschluss vor den Gerichten
2.3.1. Einzelfälle vor Gericht
2.3.2. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes

3. Zusammenfassung

4. Literaturverzeichnis
4.1. Quellen
4.2. Darstellungen

1. Einleitung

1.1. Gegenstand der Arbeit

Im Zuge der Zersplitterung der APO in linke Einzelgruppierungen aller Schattierungen, sah sich die Regierung dem Problem der politischen Polarisierung ausgesetzt. Nach dem Ende der Studentenproteste auf der Strasse, befürchtete man jetzt die Untergrabung des Staatsapparates durch den – von Rudi Dutschke proklamierten – “langen Marsch durch die Institutionen”, bei dem die Veränderung des Systems von innen her, also durch die Besetzung öffentlicher Positionen und Institutionen, herbeigeführt werden sollte.

Um dieser Gefahr zu begegnen, forderte die Opposition, gerade vor dem Hintergrund des RAF-Terrorismus, ein hartes Durchgreifen des Staates, während die sozial-liberale Regierung auf gesellschaftspolitische Maßnahmen und Integration baute. Im weiteren Verlauf der Diskussion um die Extremistenfrage, geriet die SPD zunehmend unter den Druck der CDU/CSU, die ihr vorwarf, den Extremismus zu verharmlosen. Gerade im Zuge der sozial-liberalen Reform- und Neuen Ostpolitik, für die sie Unterstützung der Opposition brauchte, sah man sich dazu gezwungen, in der Extremistenproblematik den Konservativen entgegenzukommen.[1]

Man einigte sich schließlich auf einen gemeinsamen Beschluss der Ministerpräsidenten der Bundesländer und des Bundeskanzlers über die „Grundsätze zur Frage der verfassungsfeindlichen Kräfte im öffentlichen Dienst”, der am 28. Januar 1972 von den Regierungschefs der Länder und Bundeskanzler Willy Brandt unterschrieben und veröffentlicht wurde. Nachfolgend sollten in den einzelnen Bundesländern Richtlinien zur Umsetzung des Erlasses beschlossen werden. Entsprechend der politischen Couleur der Landesregierung wurde die Ausführung des Erlasses gehandhabt. Um nun zu einer bundesweit einheitlichen Handhabung zu kommen, wurden im Juli 1974, vom Bundesrat, und im Oktober 1975, von der Bundesregierung, Gesetzesentwürfe beschlossen, die jedoch beide scheiterten. Da man sich allerdings eine einheitliche Lösung für das Extremistenproblem erwünschte, wurde das Bundesverfassungsgericht damit betraut, ein Urteil zu fällen, das eine einheitliche, verfassungsgemäße Ausführung der Bestimmungen gewährleisten sollte. Dieses Urteil wurde am 22. Mai 1975 gefällt, brachte allerdings auch nicht die erwünschte Wirkung mit sich.[2]

Gegenstand dieser Arbeit sollen die Betrachtung der Genese, der Umsetzung und der juristischen Probleme sein, da der Extremistenbeschluss allerdings Nachwirkungen bis in die späten 80er hatte, wurde der Rahmen lediglich bis 1975 gesetzt, da hier das Urteil des Bundesverfassungsurteil ein einschneidendes Ereignis darstellt und auch der letzte Versuch eines Bundesgesetzes durch die Bundesregierung unternommen wurde. Ebenso ausgeschlossen wurden die Vorgänger des Extremistenbeschlusses, die schon in der Kaiserzeit und im Dritten Reich erlassen wurden.[3]

1.2. Quellen- und Literaturbasis

Die gesamte Arbeit stützt sich im wesentlichen auf die Überblicksdarstellungen zur Geschichte der BRD von Bracher[4], Thränhardt[5], Rupp[6] und Baring[7]. Den Extremistenbeschluss speziell hat Braunthal[8] genauer untersucht. Braunthals Darstellung des Extremistenbeschlusses stellt zugleich die ausführlichste und ausgewogenste dar, daher ist sein Werk wohl auch – im Gegensatz zu den Sachbüchern – das glaubwürdigste. Aufsätze zu diesem Thema gibt es leider noch keine, aber man kann auf eine Reihe von Sachbüchern zurückgreifen, die in relativer zeitlicher Nähe zu den Ereignissen um den Extremistenbeschluss verfasst und veröffentlicht wurden. Diese Sachbücher und Dokumentationen werden in dieser Arbeit als Quellen behandelt, da sie zumeist ein perspektivisches Bild der Ereignisse zeichnen, dabei handelt es sich sowohl um das Sachbuch von Frisch[9], als auch um die Dokumentation von Knirsch[10]. Ebenso wurden die Verhandlungen des Deutschen Bundestages[11] von 1974 bis 1976 zu Rate gezogen, um die einzelnen Positionen der Parteien und ihrer Mitglieder zu recherchieren und auch, um die Debatten im Bundestag vollständig mitzuverfolgen. Einzelne Reden und Ansprachen von Willy Brandt zum Thema Innere Sicherheit und Terrorismus sind in einem Buch des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung[12] enthalten, sie geben einen Eindruck über Willy Brandts Haltung in der Innenpolitik, wurden in dieser Arbeit allerdings nur als zusätzliche Hintergrundinformation verwendet.

In dieser Arbeit werden die Genese, die Umsetzung und die juristischen Folgen des Extremistenbeschlusses untersucht. Um die öffentliche Meinung mit einzubringen, wurde der SPIEGEL auf die Darstellung des Beschlusses bei Einzelfällen vor Gericht untersucht. Der SPIEGEL wurde als meistgelesene politische Wochenzeitschrift ausgewählt.

2. Der Extremistenbeschluss von 1972

2.1. Die Genese des Beschlusses

Nachdem die APO ihr wichtigstes Ziel, die Verhinderung der Notstandsgesetze, verfehlt hatte und wieder eine echte Opposition im Parlament vorhanden war, setzte eine Auflösung der Protestbewegung in kleine Einzelgruppen ein, deren Spektrum von kommunistischer, marxistisch-leninistischer, trotzkistischer bis hin zu maoistischer oder sogar anarchistischer Ideologie reichte. Mit der Extremistenfrage machte die Union nun eben diesen Anstieg des Linksextremismus zu einer Kernfrage der Innenpolitik. Als erstes werden nun die Argumente der beiden Lager, die ein staatliches Eingreifen rechtfertigen bzw. kritisieren, betrachtet. Danach richtet sich der Blick auf den Erlass der Regierungschefs der Bundesländer und des Bundeskanzlers.

2.1.1. Die Opposition in der Extremistendebatte

Nach den Anfängen des RAF-Terrorismus, dem der Staat anfangs ohnmächtig gegenüberstand, und vor allem da Rudi Dutschke nach dem Scheitern der APO den „langen Marsch durch die Institutionen“ proklamiert hatte, sah man seitens der Union Handlungsbedarf. Man warf der Regierung vor, sie würde zu nachsichtig bei der Extremistenfrage vorgehen. Rainer Barzel warnte „vor der Absicht der Linken, die soziale Ordnung zu unterminieren (...)“.[13] Es führte sogar so weit, dass die Union in einer Kleinen Anfrage im Bundestag am 29. Juni 1971 in Erfahrung bringen wollte, „welche Schlussfolgerungen die Bundesregierung aus der Tatsache zu ziehen gedenke, daß die DKP die Arbeit der KPD unter geändertem Namen fortsetze (...)“[14]. Der Kern dieser Kleinen Anfrage lag jedoch in der Frage, wie mit DKP-Mitgliedern im öffentlichen Dienst zu verfahren sei; im selben Zug wurde der Regierung indirekt vorgeworfen, ihre Amtspflichten zu vernachlässigen und gegen die Verfassung zu verstoßen.[15] Da die Union das Einströmen von Teilen der Protestbewegung in die SPD beobachtete, sah man hier die Öffnung der SPD gegenüber kommunistischen Kräften.[16]

[...]


[1] Karl Dietrich Bracher u.a., Republik im Wandel 1969-1974. Die Ära Brandt-Scheel, in Karl Dietrich Bracher, u.a. (Hrsg.), Geschichte der Bundesrepublik Deutschland Bd. 5/I, Stuttgart/Mannheim 1986.

[2] Gerard Braunthal, Politische Loyalität und Öffentlicher Dienst. Der “Radikalenerlass” von 1972 und die Folgen, Schüren 1992.

[3] Siehe: Gerard Braunthal, Politische Loyalität und Öffentlicher Dienst. Der “Radikalenerlaß” von 1972 und die Folgen, Schüren 1992, S. 15-35.

[4] Karl Dietrich Bracher u.a., Republik im Wandel 1969-1974. Die Ära Brandt-Scheel, in Karl Dietrich Bracher, u.a. (Hrsg.), Geschichte der Bundesrepublik Deutschland Bd. 5/I, Stuttgart/Mannheim 1986.

[5] Dietrich Thränhardt, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Erweiterte Neuausgabe, Frankfurt a. M. 1996.

[6] Hans Karl Rupp, Politische Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. 3. völlig überarb., erw. und akt. Auflage, München 2000.

[7] Arnulf Baring (in Zusammenarbeit mit Manfred Görtemaker), Machtwechsel. Die Ära Brandt-Scheel, Stuttgart 1982.

[8] Gerard Braunthal, Politische Loyalität und Öffentlicher Dienst. Der „Radikalenerlaß” von 1972 und die Folgen, Schüren 1992.

[9] Peter Frisch, Extremistenbeschluss. Zur Frage der Beschäftigung von Extremisten im öffentlichen Dienst mit grundsätzlichen Erläuterungen, Argumentationskatalog, Darstellung extremistischer Gruppen und einer Sammlung einschlägiger Vorschriften, Urteile und Stellungnahmen, 2. akt. und erw. Auflage, Leverkusen 1976.

[10] Hanspeter Knirsch, u.a. (Hrsg.), „Radikale“ im öffentlichen Dienst? Eine Dokumentation, Frankfurt a. M. 1973.

[11] Deutscher Bundestag (Hrsg.), Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Stenographische Berichte, Bd. 86 – 99.

[12] Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.), Bundeskanzler Brandt. Reden und Interviews (II), Bayreuth 1973.

[13] Braunthal, Politische Loyalität, S. 42.

[14] Baring, Machtwechsel, S.389.

[15] Ebd.; siehe dazu auch: Drucksachen des Deutschen Bundestages.

[16] Bracher, Geschichte der BRD, S. 77.

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Details

Title
Der Radikalenerlass von 1972
College
LMU Munich  (Neuere und Neueste Geschichte)
Course
PS Politik und Gesellschaft in der Reformära der Bundesrepublik 1966-1974
Grade
2
Author
Year
2003
Pages
16
Catalog Number
V23283
ISBN (eBook)
9783638264303
ISBN (Book)
9783638801867
File size
383 KB
Language
German
Keywords
Radikalenerlass, Politik, Gesellschaft, Reformära, Bundesrepublik
Quote paper
Thomas Kaffka (Author), 2003, Der Radikalenerlass von 1972, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23283

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