Portfolio: Eine gerechtere Form der Leistungsbeurteilung?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1 Das Portfoliokonzept
2.1.1 Neue Lernkultur und das Portfolio
2.1.2 ‚Alte Prüfungskultur'
2.1.3 ‚Neue Prüfungskultur‘ und das Portfolio
2.2 Ein Blick in die Praxis

3. Schlussfolgerung

4. Literaturverzeichnis

Einleitung

„Eine Reform der Leistungsbewertung ist überfällig.“[1] Diese Aussage betont Dr. Felix Winter[2], da sich in der schulischen Lernkultur Veränderungen vollzogen haben, die die Kritik an der herkömmlichen Leistungsbewertung bekräftigen und eine Reform dieser unterstützen.[3]

Im Folgenden wird ein Überblick über die Neue Lernkultur gegeben und das Spannungsverhältnis aufgezeigt, das zwischen ihr und der herkömmlichen Prüfungskultur herrscht. In diesem Zusammenhang soll geklärt werden, welche Anforderungen an eine ‚Neue Prüfungskultur‘ gestellt werden müssen, um im Einklang mit der Neuen Lernkultur zu stehen. Ein Konzept, das immer vergleichend und unterstützend herangezogen wird, ist das sogenannte Portfoliokonzept. Das Portfolio gilt als ein Instrument der Neuen Lernkultur, das diese widerspiegelt und hilft weiterhin zu etablieren.[4] Die Portfoliomethode, die in Deutschland erstmals in den 1990er Jahren aufgekommen und der mit der Zeit zunehmend mehr Interesse entgegengebracht worden ist,[5] bleibt jedoch ein Konzept mit recht vager Definition, da es zahlreiche Facetten aufzeigt. In den folgenden Ausführungen soll die Frage geklärt werden, ob das Portfolio eine gerechtere Form der Leistungsbeurteilung darstellt, da in der Forschung neben Nachteilen auch viele Vorteile betont werden; so verkörpere diese Methode eine Alternative zur herkömmlichen Leistungsbeurteilung.[6] Ein Blick in die Praxis soll anschließend an einem Beispiel verdeutlichen, welche Arbeit hinter diesem Konzept steht und welche Maßnahmen erfüllt werden müssen, um den Schülern eine gerechtere Form der Leistungsbeurteilung zu bieten. In der Literatur finden sich Beispiele von und Erfahrungen mit Portfolios, jedoch wird betont, dass in Deutschland noch keine empirischen Belege für die Arbeit mit dieser Methode vorliegen. Das große Interesse, das dem Portfoliokonzept entgegengebracht wird, spiegelt sich in der großen Vielzahl der Publikationen, die veröffentlicht worden sind und werden, wider. Zu nennen sind beispielsweise Werner Sacher und Felix Winter, die sich u.a. gezielt der Frage der Leistungsbewertung widmen, Thomas Häcker, der einzelne Komponenten und Vorteile des Konzepts beleuchtet und so z.B. Stärkenorientierung oder selbstbestimmtes Lernen in den Vordergrund stellt und natürlich Aufsatzsammlungen, – ein Beispiel bildet die Aufsatzsammlung von Michaela Gläser-Zikuda und Tina Hascher – die Abhandlungen über etwaige Teilaspekte der Portfoliomethode enthalten.

Das Portfoliokonzept

Neue Lernkultur und das Portfolio

Die Veränderungen, die sich in der Lernkultur der Schule vollzogen haben und noch weiter vollziehen, werden unter dem Begriff der Neuen Lernkultur zusammengefasst, der die konstruktivistische Lerntheorie zu Grunde liegt und demnach angenommen wird, dass in jeder Situation Wissen neu konstruiert wird[7] und sich die Leistungsbeurteilung auf den gesamten Lernprozess beziehen sollte.[8] Ihre Annahmen und Methoden zielen u.a. auf eine Vorbereitung der Schüler/innen auf das Leben in einer Gesellschaft, die von Pluralität und Flexibilität gekennzeichnet ist.[9] Zwei ihrer wichtigsten Grundannahmen sind, dass der Lerner[10] sein eigenes Lernen bestimmt, sein Lernen demnach selbst steuert und dieses Lernen von individuellen Anschlussmöglichkeiten abhängig ist. Ein Merkmal des Lernens in der Neuen Lernkultur ist Selbstständigkeit; so soll bzw. darf der Lerner seine Ziele, Inhalte, Methoden und Strategien, Medien und Sozialformen eigens wählen, ebenso den Ablauf des Lernens und die Zeit, die er dafür benötigt, was auf eine Demokratisierung der Lernorganisation[11] durch mehr Mitsprache- und Mitgestaltungsrechte der Schüler/innen schließen lässt.[12] Die Fehler, die während dieser Lernzeit gemacht werden, sollen als Lernchancen begriffen werden. Ein wichtiger Aspekt, der ebenfalls dem Merkmal der Selbstständigkeit anhaftet, ist die Selbstbeurteilung durch die Schüler/innen. Die Tatsache, dass von realen, authentischen Situationen und Problemen des gesellschaftlichen Lebens ausgegangen wird, die in variierenden Kontexten dargeboten werden[13] und so eine subjektive Bedeutung des Gelernten entsteht, bildet ein weiteres Merkmal;[14] ebenso wie der Gesichtspunkt, dass verschiedene Perspektiven vom Lerner eingenommen werden und daher u.a. Transferleistungen und eine Anknüpfung an Vorwissen vorgenommen werden sollen. Der soziale Austausch und die Kommunikation mit anderen Menschen über Lernen und Leisten, – es soll demnach eine Feedback-Kultur entstehen – vielfältige Anschlussmöglichkeiten im Lernangebot, besonders im Hinblick auf Lerner mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen[15] und eine Zuwendung zu den Lernprozessen verkörpern weitere wichtige Teilaspekte des Lernens in der Neuen Lernkultur.[16] Es entsteht folglich ein Wechsel vom Frontalunterricht hin zur Unterstützung, Beratung und Begleitung individueller Lernprozesse,[17] ein Wechsel von der Fokussierung der Lehrziele hin zu der Ausrichtung von Lernzielen;[18] wobei guter Unterricht sich dadurch auszeichnet, dass ein Zusammenspiel zwischen Instruktion und Konstruktion herrscht.[19] Unterrichtsformen, die die veränderte Lernkultur unterstützen, sind u.a. handlungsorientierter Unterricht, Stationenlernen, Freiarbeit oder kooperatives Lernen wie z.B. die Jigsaw-Methode.[20]

Da das Portfolio als ein wichtiges Instrument der Neuen Lernkultur gilt, stellt sich die Frage, inwieweit dieses die Neue Lernkultur unterstützt und diese auch umsetzt. Wie schon in der Einleitung erwähnt, sind das Konzept und seine Definition noch recht vage.[21] Voraussetzung für die Entwicklung des Portfoliokonzepts waren die zunehmende Kritik an der Beurteilungspraxis durch Tests, die neuen Lehr- und Lernziele und die veränderte Sichtweise des Lernens, die sich in der Neuen Lernkultur spiegeln.[22] In den USA sind Portfolios an Universitäten und Schulen weit verbreitet und eine zugelassene Alternative zu Klassenarbeiten und Schulleistungstests.[23] In Deutschland wurde die direkte Leistungsvorlage in den 70er Jahren das erste Mal angepriesen, das Portfoliokonzept selbst drang allerdings erst allmählich in den 1990er Jahren vor, wobei es erst im Laufe der folgenden Jahre mehr Resonanz erhielt.[24] Gegenwärtig wird es im Projekt-Seminar zur Studien und Berufsorientierung der gymnasialen Oberstufe herangezogen.[25] Ein Portfolio kann unterschiedlichen Zwecken dienen und unterschiedliche Funktionen erfüllen, weshalb es auch verschiedene Arten von Portfolios gibt und es demnach wichtig erscheint, vor der Arbeit zu klären, welchen Zweck und welche Funktion das Portfolio erfüllen soll.[26] So kann es sich um ein Arbeitsportfolio (Lernprozesse diagnostizieren), ein Beurteilungsportfolio (Lernerfolg beurteilen), ein Vorzeigeportfolio (bedeutsame Lernergebnisse mitteilen), ein Entwicklungsportfolio (Entwicklungen dokumentieren) oder um ein Bewerbungsportfolio (Lernende vorstellen) handeln.[27] Wird das Portfolio in der Schule eingesetzt, werden Produkte – dies können Texte, Hörspiele, soziale und kommunikative oder außerschulische Leistungen,… sein – über einen längerfristig angelegten Zeitraum „gesammelt, geordnet, reflektiert, ausgewählt, gestaltet, besprochen, präsentiert und bewertet“[28] ; es entsteht demnach eine Sammlung, eine Dokumentation von Produkten und Lern- und Arbeitsprozessen, die auch für außenstehende Personen sichtbar gemacht wird. Zu Beginn der Arbeit legen der Lehrer und die Schüler/innen gemeinsam Bedingungen, zu erreichende Ziele und Bewertungskriterien fest. Während der Arbeit müssen die Schüler/innen über ihre Produkte, Strategien und ihren Lernfortschritt reflektieren und bestimmen die Leistungsformen, Leistungsinhalte und das Leistungsniveau, was auch im Dialog mit anderen Personen geschieht.[29] Da die Reflexion über den eigenen Lernprozess und Lernfortschritt, das Lehr-, Lern- und Arbeitsverhalten und über Lehr-Lern-Arrangements ein wichtiges Ziel des Portfoliokonzepts darstellt, nimmt der Lehrer, teilweise sogar dritte Personen, mithilfe von Kommentaren, Rückmeldungen und Bewertungen zu den einzelnen Leistungen Stellung.[30] Doch auch die Schüler sind dazu angehalten, ihren Lernprozess und ihre Leistungen selbst zu beurteilen.[31] Für die Lehrer, die als Begleiter und Berater fungieren,[32] sind solche ‚Portfoliogespräche‘ ebenfalls dienlich, denn sie unterstützen Förderdiagnosen und helfen somit einzuschätzen, welche Schüler/innen mit offenen Lernmethoden gezielt lernen können und welche nicht. Das Portfolio kann als Medium eingesetzt werden, das hilft eine Orientierung an Stärken, Selbststeuerung beim Lernen und analytische, kreative und praktische Fähigkeiten zu fördern[33] und die Qualität von Unterricht zu verbessern[34] oder es kann gar als Instrument der Schulentwicklung dienen.[35]

[...]


[1] Winter, Felix: Leistungsbewertung, S. 3.

[2] Dr. Felix Winter ist derzeit an der Universität Zürich tätig und veröffentlichte viele Publikationen, die sich auf das Portfoliokonzept beziehen; vgl. hierzu: http://www.portfolio-schule.de.

[3] Vgl. Winter, Felix: Leistungsbewertung, S. 3.

[4] Vgl. Winter, Felix: Fragen der Leistungsbewertung, S. 109.

[5] Vgl. Häcker, Thomas: Wurzeln, S. 29.

[6] Vgl. Gläser-Zikuda, Michaela/Hascher, Tina: Zum Potenzial, S. 12 u. Winter, Felix: Fragen der Leistungsbewertung, S. 116.

[7] Vgl. Sacher, Werner: Leistungen entwickeln, S. 205.

[8] Vgl. Lissmann, Urban: Beurteilung, S. 303.

[9] Vgl. Winter, Felix: Leistungsbewertung, S. 5.

[10] Im Folgenden wird der Begriff Lerner sowohl für das weibliche als auch für das männliche Geschlecht verwendet.

[11] Vgl. Winter, Felix: Leistungsbewertung, S. 21.

[12] Vgl. Jürgens, Eiko: Was ist ‚guter‘ Unterricht?, S. 76.

[13] Vgl. Sacher, Werner: Leistungen entwickeln, S. 204-206.

[14] Vgl. Jürgens, Eiko: Was ist ‚guter’ Unterricht?, S. 72.

[15] Vgl. Sacher, Werner: Leistungen entwickeln, S. 206-208.

[16] Vgl. Winter, Felix: Leistungsbewertung, S. 11.

[17] Vgl. Gudjons, Herbert: Neue Unterrichtskultur, S. 10.

[18] Vgl. Gläser-Zikuda, Michaela/Hascher, Tina: Zum Potenzial, S. 9.

[19] Vgl. Jürgens, Eiko: Was ist ‚guter‘ Unterricht?, S. 71. All die genannten Merkmale der Neuen Lernkultur zieht auch Eiko Jürgens heran, um ‚guten‘ Unterricht zu beschreiben; vgl. hierzu: ebd., S. 68-71.

[20] Vgl. Sacher, Werner: Leistungen entwickeln, S. 204.

[21] Vgl. Häcker, Thomas: Vielfalt, S. 33f.

[22] Vgl. Lissmann, Urban: Beurteilung, S. 300.

[23] Vgl. Winter, Felix: Leistungsbewertung, S. 188.

[24] Vgl. Häcker, Thomas: Wurzeln, S. 29f.

[25] Vgl. http://www.gymnasium.bayern.de.

[26] Vgl. Häcker, Thomas: Portfolio, S. 86f.

[27] Vgl. Lissmann, Urban: Beurteilung, S. 309.

[28] Winter, Felix: Fragen der Leistungsbewertung, S. 115.

[29] Vgl. ebd. S. 115f.

[30] Vgl. Winter, Felix: Leistungsbewertung, S. 190f.

[31] Vgl. Gläser-Zikuda, Michaela/Lindacher, Tanja: Portfolioarbeit, S. 189.

[32] Vgl. Gläser-Zikuda, Michaela/Hascher, Tina: Zum Potenzial, S. 9.

[33] Vgl. Lissmann, Urban: Beurteilung, S. 302f.

[34] Vgl. Häcker, Thomas: Stärkenorientierung, S. 235 u. 237.

[35] Vgl. Gläser-Zikuda, Michaela/Hascher, Tina: Zum Potenzial, S. 12.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Portfolio: Eine gerechtere Form der Leistungsbeurteilung?
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Veranstaltung
Schulische Leistungsbeurteilung
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
22
Katalognummer
V232783
ISBN (eBook)
9783656497943
ISBN (Buch)
9783656498735
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Leistungsbeurteilung, Portfolio, Neue Lernkultur, Alte Prüfungskultur, Neue Prüfungskultur
Arbeit zitieren
Tanja Triepel (Autor:in), 2013, Portfolio: Eine gerechtere Form der Leistungsbeurteilung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232783

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