Sprache, Integration und Identität. Eine soziolinguistische Betrachtung


Hausarbeit, 2008

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zusammenfassung des Kapitels „Sprache und Wissen in der Alltagswelt“

3. Thematiken in der Schweiz
3.1. Grundschuler in Freiburg im Uechtland
3.2. Immigranten in Neuenburg
3.3. Linguistische Anpassung und Abgrenzung
3.4. Die Schweiz als viersprachiges Land

4. Thematiken in Belgien
4.1. Italienische Einwandererkinder in Wallonien
4.2. Junge Turken in Belgien

5. Kinder franzosischer Abstammung in den U.S.A

6. Schluss

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In ihrem Werk „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“[1], welches in seiner Erstausgabe bereits 1966 auf Englisch erschien, behandeln die beiden deutschsprachigen Autoren Peter L. Berger und Thomas Luckmann in drei Hauptkapiteln verschiedene Aspekte der Sinnwerdung von Realitaten fur Individuen und sozialen Gruppen innerhalb einer Gesellschaft sowie fur die Gesellschaft als Ganzes. Hierbei wird hauptsachlich ein Uberblick uber die Grundlagen von Wissen im Alltag und die Gesellschaft als objektive sowie als subjektive Wirklichkeit gegeben, wobei innerhalb der einzelnen Kapitel verschiedene Teilaspekte abgehandelt werden. So etwa im ersten der drei Hauptkapitel, den Grundlagen, die Thematik, die mit der Sprache bzw. dem daraus generierten Wissen und ihrer Verwendung in der Alltagswelt zu tun hat.[2]

Hierauf mochte ich in meiner Proseminararbeit naher eingehen: zunachst soll der Inhalt des relevanten Kapitels „Sprache und Wissen in der Alltagswelt“ kurz dargelegt werden, anschlieBend werde ich mittels verschiedener Thematiken, die direkt mit Sprache zusammenhangen, aus den beiden mehrsprachigen europaischen Landern Schweiz und Belgien die unterschiedlichen subjektiven wie objektiven Auffassungen der jeweiligen Identitaten dortiger sozialer Kollektive zu ergrunden suchen.

Im schweizerischen Kontext wird dabei sukzessive auf die linguistische Pragung von Grundschulern in multilingualem Umfeld, durch Migrationsvorgange hervorgerufene Bilingualitat, Fremdarbeiter und deren linguale Assimilation oder Abgrenzung zur Aufnahmegesellschaft und die speziellen Problematiken einer polyglotten Nation uberhaupt eingegangen.

Was Belgien anbetrifft, so soll hier ebenfalls beispielhaft erlautert werden, wie sich die Sprachverschiebung von Einwanderern und deren Nachwuchs - also auch in Anbetracht des Generationenverhaltnisses - auf die Sprecher selbst auswirkt; zunachst am Beispiel italienischer Immigranten in Wallonien, danach mittels eines kurzen Blickes auf junge Turken im Land.

Abgerundet werden soll das Ganze noch durch die verschiedenen Identitatskonflikte frankophoner Jugendlicher in den Vereinigten Staaten und die diversen Arten, mit ihnen umzugehen.

2. Zusammenfassung des Kapitels „Sprache und Wissen in der Alltagswelt“

Zuerst wird von den Verfassern das Phanomen der so genannten Objektivationen beschrieben; es handelt sich dabei um die Tauglichkeit menschlichen Ausdrucks, sich in Erzeugnissen menschlicher Arbeit zu manifestieren: dauerhafte Indikatoren fur subjektive Empfindungen werden durch Instrumentalisierung objektiviert, was eine Zweckentfremdung der Objektivationen ermoglicht, welche dann wiederum subjektive Ansichten zum Ausdruck bringen, die voneinander abweichen konnen.[3] Da praktisch nur mit Hilfe von Objektivationen Realitat in der Alltagswelt uberhaupt gebildet werden kann, sind auch nur so Wahrnehmung und Verstandnis von Gefuhlslagen meiner Zeitgenossen und die Fahigkeit, aus einer Gegebenheit auf Subjektives (also auf Gefuhle von anderen Individuen) zu schlieBen, moglich.[4]Einen Sonderfall stellt die Zeichengebung dar, weil hier von allen an der Interaktion teilnehmenden Personen der Sinngehalt gleich aufgefasst wird [etwa eine rote Karte beim FuBball; der Verfasser], wobei das essentielle Zeichensystem des Menschen die Sprache ist.[5]

Dieses objektive „System aus vokalen Zeichen“[6]verkorpert eine soziale Tatsache, die in der so genannten Vis-a-vis-Situation begrundet liegt, welche sich vor allen Dingen in der ihr innewohnenden Reziprozitat von den anderen Zeichensystemen differenziert: in ihr ist es moglich, synchron zu den jeweiligen subjektiven Intentionen eines Gesprachsteilnehmers dauernd solche vokale Zeichen hervorzubringen. Auch wird die eigene Existenz des Sprechers objektiviert, indem die Sprache das Sein fur ihn wie fur den Zuhorer realer werden lasst. AuBerdem ermoglicht Sprache Transzendenz, indem durch Typisierung und Anonymisierung Spezielles bzw. Personliches verallgemeinert wird und sich dadurch Sinn ergibt, der nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv ist und so auch zukunftig verstehbar bleibt.[7] Ein Beispiel hierfur waren zwei einander Liebende, die sich bei einem Abschied mit traurigen Augen ansehen, was jedoch nicht unbedingt von allen AuBenstehenden so interpretiert werden wurde; ein ausgesprochener oder geschriebener Satz hingegen, in welchem mit objektiv verstandlichen Worten dieses Gefuhl der Traurigkeit zum Ausdruck gebracht wird, ist allgemein fur die jeweilige Sprache beherrschende Individuen verstandlich.[8] Ebenso sind Wissenschaft, Kunst oder Religion anschauliche Funktionsmuster dieser These.

Nun hat die Sprache noch eine weitere und im Kontext dieser Hausarbeit wichtigste Eigenschaft, namlich das Schaffen so genannter „semantische[r] Felder oder Sinnzonen“[9], welche durch die Sprache abgegrenzt werden: Sie steckt sozusagen die Koordinaten fur einen dieser Sinnbereiche ab und somit muss sie oder gegebenenfalls auch eine oder mehrere spezielle Nuancen ihrer verstanden werden, um den verbalisierten Inhalt fassen zu konnen. Wird etwa sprachliche Fertigkeit nicht beherrscht, kann auf diversen Feldern gar nicht interagiert werden, beispielsweise das notwendige Siezen auf gewissen Ebenen als Ausdruck von Hierarchieverstandnis[10]oder die sich oft vom Wortschatz der Elterngeneration abhebende Jugendsprache, genauso wie - im Anschluss folgend - die mehr oder weniger freiwillige Differenz zwischen Standard- und Migrantenausdruck. Erfahrungen von Einzelnen, sozialen Kollektiven innerhalb einer Gesellschaft oder der Gesellschaft an sich werden in diesen semantischen Feldern objektiviert, verwahrt und selektiv summiert, das heiBt es besteht die Moglichkeit der intergenerationalen Weitergabe des Wissens, wodurch sichergestellt ist, dass alle Mitglieder einer Gemeinschaft theoretisch Teilhaber der gleichen, fur den alltaglichen Gebrauch notwendigen Wissensreserve sind.[11]

Am Ende des Kapitels wird noch auf das Wissen in der Alltagswelt eingegangen, wobei erklart wird, dass Rezeptwissen, also Wissen, welches sich fur alltagliche Routinezwecke zustandig ist, genau deshalb die bedeutendste Form von Wissen in einer modernen Gesellschaft ist, da es praktisch nur fur meinen Alltag Relevantes betrifft und mir dadurch hilft, Probleme zu losen ohne mit allzu vielen Details zu verwirren (zum Beispiel das Wissen, an wen ich mich beim Defekt eines technischen Gerates wenden kann, ohne dabei selbst wissen zu mussen, wie dieses Gerat funktioniert oder gar daran interessiert zu sein). Weiterhin wird in verschiedene Vertrautheitsgrade unterteilt, wobei man genau jene Aspekte des Alltaglichen gut kennt, die einen oft beschaftigen, ansonsten begnugt man sich mit Typisierungen, welche im allgemeinen Wissen vorratig sind. Solche Typisierungen werden wiederum individuell als unterschiedlich relevant angesehen, somit zeichnen sich gemeinsame und andersartige Interessen unter den Menschen ab. Zusatzlich wird Wissen selbstverstandlich innerhalb solcher Bereiche gleicher Interessen auch von Alt an Jung weitergegeben, obgleich man nicht alles aus allen Gebieten wissen kann und sich daher in der Regel groBenteils darauf beschrankt zu wissen, wer in einer Gesellschaft uber welches Wissen verfugt.[12]

3. Thematiken in der Schweiz

3.1. Grundschuler in Freiburg im Uechtland

„Die offizios zweisprachige Stadt Freiburg ist gleichzeitig Hauptstadt des offiziell zweisprachigen Kantons Freiburg, Hauptort des de facto zweisprachigen, de iure einsprachig franzosischen Saanebezirks und Mittelpunkt einer gemischtsprachigen Agglomeration.[13]

Eine weitere Gegebenheit innerhalb des gesamten deutschsprachigen Gebietes der Schweiz ist die so genannte Diglossie, also das Nebenher von Hochsprache und den diversen Mundarten, die sich teils merklich vom Standarddeutsch, aber auch voneinander selbst abheben konnen.[14]Raphael Berthele hat sich in seinem Werk mit Schulerinnen und Schulern einer deutschsprachigen Schule - welche allerdings aus historischen Grunden nicht auf der lokal vorherrschenden Variante Senslerdeutsch, sondern Berndeutsch unterrichtet[15]- befasst und ist daran interessiert, wie und wieso sich die ursprunglich haufig verschiedenen Dialekte angleichen. So hat er im Laufe seiner Arbeit festgestellt, dass gute Gruppenintegration eines Kindes mit dem Verwenden des Berndeutschen einhergeht und dass somit Popularitat und Zugehorigkeit zu Cliquen ebenfalls konformes Sprachgebaren voraussetzt.[16]Die zugige Akkulturation der Schuler an ihre linguistische Umgebung wird insbesondere dadurch begrundet, dass diese noch nicht uber eine verfestigte so genannte Identitatsmaxime, welche eine bewusste Anpassungsverlangsamung zu Gunsten der alten soziokulturellen Gepflogenheiten bedeutet, verfugen.[17]

3.2. Immigranten in Neuenburg

In ihrer Studie zweier Einwandererfamilien (eine deutschschweizerische und eine spanische) in das franzosischsprachige Neuenburg im gleichnamigen Kanton in der Westschweiz wird ebenfalls auf Sprachwahl und damit einhergehende Wirklichkeitsmodelle eingegangen.[18] Wahrend die madrilenische Familie mit Ausnahme der Tochter dem Spracherhalt bzw. - wandel eher pragmatisch gegenubersteht,[19]ist in der bildungstechnisch hoher stehenden.

[...]


[1]Berger, Peter L. und Luckmann, Thomas: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Frankfurt/Main 1999

[2]Ebd., S. 36ff.

[3] Vgl. ebd., S. 36f.

[4] Vgl. ebd., S. 37f.

[5] Vgl. ebd., S. 38f.

[6] Ebd., S. 39

[78] Vgl. Munch, Richard: Soziologische Theorie 2 (= Soziologische Theorie, Bd. 2). Frankfurt/Main 2002, S. 211

[9]Berger/Luckmann, gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, 1999, S. 42

[10]Vgl. ebd., S. 43

[11]Vgl. ebd.

[12]Vgl. ebd., S. 44ff.

[13]Zit. n. Berthele, Raphael: Sprache in der Klasse (= Reihe Germanistische Linguistik, Bd. 212). Tubingen 2000, S. 64

[14]Vgl. ebd., S. 59ff.

[15]Vgl. ebd., S. 69ff.

[16]Vgl. ebd., S. 204

[17]Vgl. ebd., S. 277f.

[18]Ludi, Georges und Py, Bernard: Zweisprachig durch Migration (= Romanistische Arbeitshefte, Bd. 24). Tubingen 1984

[19]Vgl. ebd., S. 29ff.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Sprache, Integration und Identität. Eine soziolinguistische Betrachtung
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
14
Katalognummer
V232771
ISBN (eBook)
9783656495925
ISBN (Buch)
9783656496182
Dateigröße
414 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sprache, integration, identität, eine, betrachtung
Arbeit zitieren
Harry Körner (Autor:in), 2008, Sprache, Integration und Identität. Eine soziolinguistische Betrachtung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232771

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